Mittwoch, 9. November 2022

Auberginen: Anbautipps fürs Freiland

Ernte einiger Auberginen vom 3. November
Mitte: White Knight, ein Massenträger

Im ersten Beitrag über Auberginen wurde der Anbau dieser Früchte unter den neuen Wetterbedingungen schon ausgiebig vorgestellt und seither in weiteren Beiträgen immer wieder viele Sorten beschrieben. Dieses Jahr war die Ernte wieder riesig und mittlerweile erntet man sogar noch im November viel - auch aus dem Freiland. Anlässlich dieser Schwemme sollen ein paar Anbaudetails für Freilandauberginen jetzt nachgereicht werden, wie immer durch mehrjährige eigene Erfahrungen gewonnen. 

Gartenbücher sind wie bei fast allem Anderen auch bei Auberginen nicht mehr viel wert, es hat sich am Klima so viel geändert, dass Vieles ganz anders läuft wie irgendwann einmal empfohlen und dann nur noch abgeschrieben wurde. "Extreme in alle Richtungen" und "Hitze" ist das neue Stichwort. Es herrschen anhaltende Wetterlagen - 2018-2022 knochenharte Hitze- und Trockenjahre mit Jahrtausendrekorden, aber 2021 ist alles abgesoffen. Es spricht viel dafür, dass das Wetter nicht wieder in frühere Muster zurückkehrt.

"White Knight" im November, Freiland - gesund



Vorteil für Auberginen

Auberginenblüte - hübsch sind sie ebenfalls

Stand früher die bange Frage im Mittelpunkt, ob sie in unseren Breiten genug Wärme, Sonne, Vegetationsdauer bekommen und ob man sie ausserhalb des Gewächshauses anbauen kann, stellte sich die letzten Jahre mehr die Frage, wie sie mit mehrwöchigen Trockenphasen, Temperaturen bis zu 40°C bei gleichzeitig hoher UV-Einstrahlung, mit nächtlicher Taubildung in schwülen Wetterlagen zurechtkommen. Die Frage kann ich beantworten: Sie kommen erstklassig damit klar. Nichts gedeiht in regenarmen Hitzesommern so gut wie Auberginen. Wo mir Paprikafrüchte, Tomaten und Tafeltrauben von Sonnenbrand angesengt oder zerstört werden, haben Auberginen trotz der dunklen Fruchtfarbe keine Schäden an Frucht oder Blatt. Auch die wochenlangen Taunächte des Sommers 2021 mit drückender Schwüle haben sie wieder einmal erstklassig ohne Pilzkrankheiten überstanden, während die beiden nachtschattenverwandten Tomaten und Kartoffeln den frühen Braunfäuletod gestorben sind. 2021 sind unter den Nachtschattengewächsen nicht einmal Frühkartoffeln zur Reife gelangt und alle Tafeltrauben verfaulten wegen verschiedenen Mehltaukrankheiten. Blattschäden beginnen bei Auberginen aber erst mit kalten Nächten und oft nicht einmal dann. Unter den häufiger gewordenen Gewitter- und Starkwindböen, die leider auch vermehrt Pflanzen umreissen, leiden sie kaum, die sind zäh und nicht bruchgefährdet. Höchstens, dass Riesenfrüchte hohe Triebe herunterziehen.

Scheinbar kühle Jahre wie 2021 überstehen sie ebenfalls gut. Die Tagestemperaturen waren zwar nicht so heiss, aber wichtiger sind ohnehin die Nächte. Die reichten 2021 absolut aus, um gute Kulturen zu erhalten. Der längst ungewohnte wirkende sommerliche Regen, von dem wir schon ganz entwöhnt waren, hat keine Schäden verursacht. Die Früchte bleiben nur kleiner, der Fruchtansatz schwächer, das ist auszuhalten.

Nun wieder ein Sommer ohne Regen und Hitze über tropischen Werten, da war wieder aus dem Vollen zu schöpfen, wenn man keine Anbaufehler machte. Das galt für fast ganz Deutschland, etwas weniger an den Küsten und ganz im Norden. Das Verhältnis hat sich umgedreht, wo früher nur in ein Sommerwärmelagen Freilandauberginen gute Erträge brachten, sind es heute nur ein paar sommerkühlere Lagen, in denen das nicht der Fall ist. Vor allem am Alpenrand, den Mittelgebirgen hat sich alles grundlegend geändert.

Anzucht

Juli: Gut entwickelte Pflanzen,
viele Fruchtansätze, Freiland

Beginnen wir mit der Anzucht: Mit den Tomaten säe ich sie ab Mitte/Ende März im Zimmergewächshaus aus. Sie benötigen von Anfang an viel Licht, was ich in dunklen Wochen mit einer LED-Pflanzenlichtlampe verbessere. Allerdings stiegen auch im Frühjahr die Sonnenscheinsummen, so dass das heute selten nötig ist. Bald in 8cm-Plastiktöpfchen gesetzt kommen sie ins Gewächshaus, wenn die Nächte warm sind. In Kälteperioden sollten sie wieder ins Haus geholt werden. Auberginen haben dasselbe Problem wie Paprika: Nachtkälte unter 5°C (am Boden, nicht die Lufttemperaturen in 2m Höhe, die der Wetterdienst angibt!) führen zu nicht sichtbaren Schäden, die in eine anhaltende Wachstumsdepression münden. Wird es wieder warm, wachsen sie nur sehr zögerlich weiter und bleiben auch später kleiner. Deshalb erst Auspflanzung im Freiland im Mai, wenn die Wettervorhersage stabile warme Nächte vorhersagt. Wenn nicht, sollte man noch zuwarten, notfalls bis in den Juni hinein. Sie werden auch nicht so leicht überständig im Topf. Dann aber raus in den Garten. Auspflanzen vertragen sie gut. Pflanzabstand 40 cm, festbinden an Pflanzstäben.

Was sie natürlich wollen, ist Sonne, volle Sonne und wie schon erwähnt warme Nächte. Sonne am Tag und Standort an wärmespeichernden Plätzen hilft am meisten, während Düngergaben nicht so unumgänglich sind. Ich würde sie sowieso höchstens als Mittelzehrer bezeichnen. Sie lieben aber humusreichen Boden. Es gab je nach Boden ziemlich drastische Unterschiede in Erntemenge und Wachstum. Wir haben schweren Boden, der zudem leicht verschlämmt, das mögen sie überhaupt nicht. Sie bleiben klein, zeigen früh Welkeerscheinungen, erhöhtes Risiko von Wurzelkrankheiten. Das verbesserte sich enorm durch gründliches Einbringen von gut eingehacktem altem Pferdemist. Der enthält nicht mehr viel Nährstoffe, aber speichert in Verbindung mit dem lehmig-tonigen Boden besser Wasser, schliesst Bodennährstoffe auf, bringt Luft in den Boden. Eine mässige frühe Stickstoffgabe in Form eines Depotdüngers, der Stickstoff nur langsam gibt ist sinnvoll, denn wenn das organische Material im Boden abgebaut wird, wird dabei gebundener Stickstoff verbraucht. Beispiel für Düngung: Bedarf 10g Reinstickstoff pro Quadratmeter für Mittelzehrer wie Auberginen. Hornspäne enthalten 14% Stickstoff. Das macht 70g Hornspäne pro Quadratmeter. Andere Nährstoffe wie Phosphor, Kalium, Magnesium sind in Gartenböden meistens sowieso genügend vorhanden, wenn man unsicher ist schafft eine Bodenanalyse Klarheit. Alter Pferdemist oder Kompost haben meistens gute Gehalte von Kalium und vor allem Phosphor, Zudüngung dieser Elemente vermeiden. Auch in Hochbeeten gelingen Auberginen toll, dort nimmt man sowieso humusreiche Substrate.

Erste Früchte schnell ernten

Idealblattfarbe, Adern violett, Blätter violetter Schimmer

Ist es warm, vor allem nachts, dann werden sie wachsen. Beginnt die Blüte und bildet sich ein Fruchtansatz, dann diese Früchte keinesfalls gross werden lassen, auch wenn die Versuchung dazu stark ist. Lieber früh ernten. Nur so wächst die Pflanze sofort weiter und bildet mehr Blattmasse. Reife Früchte bilden ohnehin nicht mehr Aroma, sondern nur feste Kerne und manchmal Bitterkeit aus, die wir nicht wollen. Und nur mit vielen Blättern kann sie in der entscheidenden Hochsommerzeit viele und grosse Früchte liefern. Hat sie genug Sonne? Das zeigt sich an den Blattadern oder später den kleinen oberen Blättern: Die Adern sollten kräftig violett sein, die Blätter sollten einen Violettschimmer aufweisen. Die Pflanze reagiert damit auf UV-Strahlung. Die Farbe wird stärker ausgebildet bei grösseren Temperaturunterschieden von Tagen zu Nächten, deshalb verstärkt sich die Farbe in einem sonnenreichen Herbst, wenn die Nächte kühler werden. So ist das auch bei den Früchten. Was im Gewächshaus weiss oder grün bleibt, kann im gut besonnten Freiland tiefviolett werden.

Blätterbildung noch im sonnigen Herbst

 

Das liebe Wasser

Ihr Wasserbedarf wirkt niedriger als der von Paprika, weil sie nach einem guten Regen viel länger durchhalten, aber das täuscht. Sie haben längere Wurzeln, ähnlich wie Tomaten, können Wasser aus mehr Bodenfläche holen, so halten sie länger durch. Tatsächlich schlucken sie aber einiges, über die grossen Blattflächen verdunstet viel, sobald der Boden ausgetrocknet ist, brauchen sie kräftig Nachschub. Giessen und Perlschlauchbewässerung machen den Boden dabei immer nur stellenweise feucht. Nur an der Pflanze zu giessen verursacht schnell wieder Hitzeschlappheit. Ab und zu eine kräftige, flächige Überkopfberegnung bringt ihnen am meisten, im Gegensatz zu Tomaten rafft sie dann auch keine Pilzkrankheit darin. Beregnen trotzdem immer nur dann, wenn anschliessend die Blätter gut abtrocknen können und er Boden warm bleibt. Nur luftwarmes Wasser nehmen. Ich habe auch schon in der Hitze mit voller Sonne beregnet, das vertragen sie, jedoch verdunstet dann viel Wasser sofort wieder. Ideal wäre eng verlegter Perlschlauch, dann aber kontrollieren wie viel Wasser da wirklich rauskommt.


Haupternte

Das liefern zehn Pflanzen jede Woche

Nach den ersten Einzelfrüchten gehen die Pflanzen am Ende Juli in die Haupterntephase über. Sie fruchten oft in Wellen, mehrere Früchte reifen gleichzeitig. Man erntet sie ab, die Nächsten werden sofort angesetzt. Der Höhepunkt findet im August und Anfang September statt. Es gibt Sorten mit kleineren Früchten, die schaffen in der Spitzenphase alle paar Tage zehn Auberginen. "White Knight" ist so eine Sorte, zudem enorm robust - gut für einen Anfangsversuch.


Topfanbau

"Kamo" im Topf, Südseite, Juni, sehr heiss

Überraschend gut gelingt der Topfanbau von Auberginen. Im Topf hatte ich sogar Ernterekorde. Eine "Kamo", ohnehin eine empfindliche und kleiner bleibende Sorte brachte fünf Wellen mit jeweils fünf Früchten a 250g aus dem Topf, das sind sechs Kilo erstklassiger Auberginen von einer einzigen Pflanze in einem 12 Liter Topf. Sie stand auf der Südterrasse, hinter sich die weisse Hauswand, dort stieg die Temperatur noch deutlich höher als die 40°C des Sommers und die Sonne brannte unbarmherzig. Davor standen Feigen, die Sonnenbrandschäden erlitten. Die Auberginen nicht. Sie brauchten zwar zwei- bis dreimal täglich kräftige Wassergaben, zeigten aber keinerlei Schäden. Ende September war es vorbei, die Pflanzen wirkten ausgebrannt nach den ständigen Riesenerträgen, während die Gartenauberginen noch weiter fruchteten.

Wer im Garten Probleme hat oder keine guten Plätze, sollte erst einmal mit Topfkultur beginnen, das ist die sicherste Miete. Bei Pflanzung im Topf einen Langzeitdünger verwenden. Klein bleibende Sorten sind im Topf von Vorteil, sie werden nicht umgerissen und das Verhältnis von Pflanze zu Substratmenge ist günstiger. Welche das sind, erfährt man aber meist erst, wenn man sie hat. Die Angaben der Saatgutverkäufer stimmen oft nicht. Ich hatte schon 2 Meter Pflanzen, die mit 50-80cm beschrieben waren. Kamo ist aber definitiv klein bleibende Pflanze, ideal für Töpfe geeignet. Und auch eine Qualitäts- und Aromakönigin.

"Kamo" im Topf in voller Höhe von 1m ab Stammbeginn, viel für diese Sorte

Billigdünger vom Discounter - reicht völlig


Das Ende

Mitte September: Alles noch grün und fruchtbehangen,
aber Blattschäden beginnen

Kommt der Herbst und sinken die Nachttemperaturen, wachsen die Pflanzen nicht mehr in die Höhe, fruchten aber in Zeitlupe weiter, Früchte reifen, bleiben jedoch kleiner. Alles geht langsamer, aber fruchten kann sie bis in den Oktober und reifen bis in den November hinein. Je nach Jahr beginnen früher oder später Blattschäden an alten Blättern. Zu beachten gibt es nicht viel. Lange schrägstehende Triebe sollte man anbinden. 

 

Und sonst?

Ganz ohne Krankheiten und Probleme ist diese Kultur leider auch nicht. Darüber mehr in einem weiteren Beitrag und auch zur detaillierten Klärung der Frage, wann die Früchte reif sind, was nicht einfach zu bestimmen ist sowie einige Hinweise zur Verarbeitung des Auberginensegens.

Sorten: https://gartenzone.blogspot.com/search/label/Auberginensorten

Mittwoch, 2. November 2022

Willkommen im Garten: Klettenwurzel als Gemüse

Die Grosse Klette im Garten, arctium lappa

Seltenere Gemüsesorten haben Konjunktur. Auf der Suche nach Neuigkeiten finden Nutzgärtner, Gourmets und Freunde schmaler Pfade einen reichen Anstrom an Pflanzen, die gegenwärtig etwas im Schatten der Aufmerksamkeit liegen. Nutzgärtner sind da im Vorteil, sie können selber sofort alle möglichen dieser Spezialgemüse anbauen und ausprobieren, sofern die klimatischen Bedingungen passen.

Und so waren dieses Jahr Klettenwurzeln dran. Das sind die dicken Wurzeln der Pflanze "grosse Klette", arctium lappa, einer in Europa, ganz Eurasien immer schon massenhaft verbreiteten Pflanze, auf anderen Kontinenten existiert sie auch als Neophyt. Jeder kennt sie vom Sehen, sie wächst häufig an Waldwegen, am Waldrand, im Auwald. Ihre grossen Blätter und später die kugelförmigen Blütenkörbe mit blauvioletten Röhrenblüten sind recht charakteristisch. Sie gehört in die grosse Gruppe der Carduoideae, zusammen mit Disteln, Flockenblumen, Karden, Artischocken. 

 

Geschichte

Blüten der Wildpflanze

Die grosse Klette wird seit mindestens tausend Jahren als Nutz- und Heilpflanze mit vielfältigen medizinischen Wirkungen verwendet, vermutlich noch viel länger. Die Nutzung der Wildpflanze liegt nahe, sie ist sehr verbreitet. Sie taucht auch im Verzeichnis der Nutzpflanzen auf, das Karl der Grosse im Jahre 795 erstellen liess. Als Nutzpflanze war immer die Wurzel am beliebtesten. Sie hatte im Mittelalter dieselbe Beliebtheit als Wurzelgemüse wie Haferwurzel, Schwarzwurzel, Pastinake, Rüben. Verwendbar sind auch junge Blätter sowie das Mark der Stängel. Das Stängelmark hatte ich früher schon ausprobiert, es ist etwas fest, aber gut essbar, schmeckt "grün". Für die Blätter muss man jedoch Hunger haben, damit sie schmecken. Belegt ist vor allem die Verwendung der Wurzel, die auch als Speicherorgan den energiereichsten Teil der Pflanze bildet. Es ist die Wurzel, die satt macht.

Mit der Ankunft und Verbreitung der Kartoffel aus Amerika verloren alle heimischen Wurzelgemüse in Europa stark an Bedeutung, so auch die Klettenwurzel. Die Kartoffel brachte deutlich höhere Erträge und hatte eine grössere Anbaubreite. Damit waren auch die Zuchtanstrengungen für die alten Wurzelgemüse stark eingebremst, so gibt es in Europa keine echten Kultursorten der Klettenwurzel mit verbesserten Eigenschaften, die dem Menschen wichtig sind. Bis heute sind Klettenwurzeln aber bekannt, zu kaufen - getrocknet für medizinische Anwendungen, Herkunft oft China. Die frischen Wurzeln als Gemüse haben sich nur in Ostasien gehalten, vor allem Japan. Ein sehr bescheidener kommerzieller Anbau in Europa findet in den Niederlanden statt. Die Kilopreise der Frischware liegen bei 8 EUR und die Käufer sind Liebhaber des Besonderen.

 

Die Pflanze

Die grosse Klette und alle andere Klettenarten sind zweijährig. Sie sind Frostkeimer (Keimung erst nach Kältereiz), keimen im zeitigen Frühjahr, bis zum Herbst werden immer grössere Blätter geschoben und die Pfahlwurzel verdickt sich. Die Blätter können auf guten Standorten riesig werden, bis zu fast einem Meter Durchmesser. Die Pflanze speichert ihre Vitalstoffe in der Wurzel, überwintert und treibt im zweiten Jahr wieder aus dieser Wurzel aus. Im zweiten Jahr ist die Wurzel verholzt, ein Blütenstängel wird gebildet, er kann bis zu 1,5 m hoch werden. Ab Juli blüht sie, spät im Jahr. Die kugelförmigen stachligen Blütenkörbe erinnern an Kugeldisteln. Für uns Nutzgärtner ist nur das erste Jahr interessant. Wenn die Wurzel im zweiten Jahr verholzt ist, kann man nur noch junge Blätter und Stängelmark ernten und essen, das lohnt sich nicht. Wer allerdings wieder Samen bekommen will, muss sie zweijährig ziehen. Die Blütenkörbchen mit den Samen drin sind übel stachelig und benehmen sich namensgebend, haken sich überall ein und werden so verbreitet.

 

Der Anbau im Nutzgarten

 
Für die drei heimischen Klettenarten Grosse Klette, Kleine Klette und Filz-Klette kann man Saatgut kaufen, gesammelt aus Wildpflanzen. Alle sind essbar, am besten verwertbar ist die Grosse Klette. Europäische Gemüsesorten oder Kulturformen der grossen Klette gibt es nicht bzw. sind verloren. Ab und zu findet man japanische Sorten: Nakanomiya Early, Watanabe Early, Takinogawa long. Takinogawa ist die häufigste Sorte, lieferbar von De Bolster. Diese Sorte habe ich auch verwendet.

Aussaat in Anzuchtplatte, Jungpflanzen
Jungpflanze im Juni

Ausgesät habe ich Ende April in eine Pflanzplatte, die draussen im Halbschatten stand. Die Keimung gelang schnell und problemlos. Mitte Mai waren die Jungpflanzen dann ausgepflanzt, lange wollte ich sie nicht in der Pflanzplatte lassen, weil sich das mit der Pfahlwurzelbildung nicht verträgt. Auch frühere Aussaaten sind möglich, ab März. Je früher die Aussaat, desto besser die Wurzelentwicklung. Spätere Aussaaten gehen noch bis Juni, das hat sogar Vorteile: Die Wurzeln bleiben dann kleiner, sind schwarzwurzelähnlicher, man kann die Pflanzen dichter setzen. Ausgepflanzt habe ich an verschiedenen Standorten, um sehen, welche Bedingungen sie bevorzugt.

Das Wachstum startet erst einmal langsam, man übersieht die Pflanze leicht, doch Blatt für Blatt wird alles grösser, dann sehr gross. Ab Spätsommer sollte man mit riesigen Blättern rechnen und andere Kulturen auf Abstand halten, sonst werden die verschattet.

Probleme hatten sie mit den hiesigen Schnecken, vor allem im Herbst. Hauptart hier ist die Gartenwegschnecken, Arion hortensis. Da wurden eifrig Blätter abgefressen, die Pflanze scheint dafür sehr attraktiv zu sein. Schutz durch Schneckenbekämpfung war unerlässlich. Ansonsten gab es keine Probleme durch Krankheiten oder Schädlinge.

Gartenwegschnecke (schwarz, klein) an Unterseite von Klettenblatt auf frischer Tat

Auch alte Blätter werden von Schnecken niedergemacht

Hitzeschaden an Blättern

Sehr wichtig war ihre Hitzeverträglichkeit und das Verhalten bei Bewässerung. Um das zu testen war der ganze Sommer bis September geeignet, denn es war knochentrocken und mehrmals bis 40 °C heiss, die Sonne brannte mit viel UV-Energie auf die grossen Blätter. Das meisterte die grosse Klette verhältnismässig gut. Einmal am heissesten Tag gab es Blattschäden, aber das war zu verschmerzen. Sie benötigt zwar viel Wasser, aber Trockenheit killte sie auch nicht gleich, vermutlich weil sie tief wurzelt. Wenn gegossen wird, dann besser viel alle paar Tage und nicht täglich ein bisschen. Gewachsen ist sie mit wenig Düngung, würde sie als höchstens Mittelzehrer einschätzen. Sie kam gut mit dem schweren und flachgründigen Boden zurecht. Dass die Wurzeln sich da nicht optimal ausbreiten können, war mir bewusst. Das Blattwachstum hat es nicht gebremst. Pflanzen mit zu wenig Bewässerung (hatte sie auch im Aussengarten) bleiben jedoch klein, aber starben nicht. Die grossen Blätter suggerieren Schattenverträglichkeit, aber das war sie nicht, Pflanzen im Halbschatten bleiben ebenfalls klein. Sie sollte schon sonnig stehen. 

 

Ernte

 
Kurz vor der Ernte, Spaten zum Grössenvergleich
Mitte Oktober hab ich zum Spaten gegriffen. Und mich gleich gefreut, weil die Blätter aus einer schönen, fetten Wurzel kamen. Und sofort wieder geärgert, die Wurzel ist brüchig, sie zerbricht beim Ausgraben. Und Graben ist eine Heidenarbeit. Die Wurzeln gingen recht gerade weg, meist senkrecht nach unten, ein paar auch schräg nach unten. Unser Boden ist aber nur eine Spatentiefe mächtig, dann kommt Kalkschutt, Ton, Kalkplatten. Die Wurzeln gingen in der Tiefe horizontal weiter, weil sie weiter nach unten konnten. In der schweren lehmig-tonigen Erde war ausgraben eine Knochenarbeit und ich habe sicher nicht mal alle brauchbaren Wurzeln erwischt. Die brauchbare Wurzellänge lag über 40 cm und manchmal weit länger. Ärgerlicherweise reichten die Wurzeln auch in andere Kulturen daneben hinein, die ich nicht ausgraben wollte. Der Gesamtertrag pro Fläche lag bei einem bis zwei Kilo pro Quadratmeter.
 
Das obere Wurzelstück ausgegraben

 
Dammkultur wird gelegentlich empfohlen und sicher kein Fehler. Angesichts der kräftigen und langen Wurzeln wären kräftige, hohe Dämme angebracht. Das würde die Ernte sehr erleichtern und man kommt auch nicht in Versuchung, die anfangs kleinen Pflanzen mit anderen Gemüsearten zuzustellen.
 
Die Wurzel
 

Essen!

Stücke gekocht - gelbgrünes Kochwasser

Endlich die vielleicht wichtigste Frage: Wie schmeckt sie? Taugt sie was? Ja, sie schmeckt. Ja, sie taugt was. Überraschend gut sogar. Zunächst habe ich sie mit dem Sparschäler geschält, in Stücke geschnitten, gut zehn Minuten in etwas Wasser gekocht, nur mit Salz gewürzt. Das Kochwasser färbt sich Gelb mit einem Grünstich. Schälen ist einfach, wesentlich simpler als die Verarbeitung von Schwarzwurzeln mit ihrem furchtbar klebrigen Saft und oftmals kleinen Stangen, tiefen Fehlstellen. Das Aroma war erstaunlich und kräftig. Ich würde es als 20 % Topinambur, 20 Schwarzwurzel, 50 % Artischocke und 10 % Yakon bezeichnen. Topinambur ist die erdige Komponente, leicht Karotte, Wurzelgemüse-erdig, Schwarzwurzel hat das auch. Artischockenaroma ist der kräftigste Teil, sie schmeckt wirklich stark nach Artischockenblütenboden. Das kommt nicht ganz so überraschend, wenn man weiss dass Klettenwurzeln mit Disteln und Artischocken verwandt sind. Schliesslich hatten Klettenwurzeln eine erdige Süsse, wie Yakonwurzeln. Ebenso wie Yakon entwickelt sich die Süsse mit zunehmender Lagerung, zwei Wochen nach Ernte merkt man das schon ziemlich deutlich. Gut ist auch mit einem Kräuterquark, im Eintopf, weil sie nicht zerfällt und Aroma, Süsse bringt. Frittiert oder im Ofen geht sicher auch. Zusammengefasst das Aroma: zunehmende Süsse, immer erdig, immer sehr viel Artischocke. Eine Bereicherung!

Geschält, geputzt

Auch die Konsistenz ist gut. Beim Schälen und Zerschneiden zeigt sich der Wurzelkern oft holzig und faserig, es gibt auch dunkle Ringe, ähnlich wie bei Rettichen, wenn die Wurzel überaltert ist. Etwas frühere Ernte wäre nicht schlecht gewesen. Aber schlimm war es auch nicht, sehr holzig aussehende Bereiche kann man abschneiden, im gekochten Zustand kaut sich dann alles immer noch sehr homogen. Die Stücke bleiben aber relativ fest. Sie zerfallen auch nicht wie eine Topinambur. Im Mund sind sie ebenfalls fest, aber gleichzeitig zart und gut kaubar, etwa wie Teltower Rübchen oder festbleibende Artischockenböden. Keine Fasern. 

Abgebürstete Stücke, roh

Rezepte gibts einige, in Japan ist sie mit Sojasosse, Mirin und Sesamöl und Karotten beliebt. Dieses klassische japanische Gericht mit Klettenwurzel ist "Kimpira Gobo". Hierzulande werden Zubereitungen wie für Schwarzwurzeln oder Haferwurzeln empfohlen. 

Stücke gekocht

Fazit

Nicht viele der weniger bekannten Gemüsesorten laden zu häufigeren Anbau ein. Die Klettenwurzel schaffte das aber. Nachteile sind die Arbeit, die man mit ihr hat, eine schwierige Ernte auf schweren Böden und die mässigen Erntemengen pro Fläche. Ich werde sie sicher wieder anbauen. Das haben bisher nicht viele Spezialgemüse geschafft.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

2022 im Garten: Reiner Stress

Diesen Sommer gab es keine neuen Blogeinträge. Der Grund ist einfach: Stress. Mittlerweile herrscht ein Jahresklima, das in unserer ohnehin schon trockenwarmen Region zum Abgewöhnen aller gärtnerischer Ambition geeignet ist und zu enormer Aufwandssteigerung führt.

Das Frühjahr ist seit Jahren grundsätzlich sehr trocken. Aber Hitzeperioden enden meistens Ende April mit knackigen Spätfrösten wie eh und je. Im Spätfrühling wird es generell heiss, Hitze, die bis weit in den August oder September anhält. Sommer ganz ohne Niederschlag sind normal geworden. Dieses Jahr kratzen die Temperaturen dreimal an den 40°, nicht weit von hier wurde der Temperaturrekord gemessen. Es bleibt trocken, wenn, dann kann es ab Mitte August regnen. Dann aber sehr kurz und sehr brutal - dieses Jahr nach vier trockenen Hitzemonaten ohne einen Tropfen dann 60 Liter pro Quadratmeter in sehr kurzer Zeit. Anschliessend war mein Grundstück kleiner, ein sonst immer trockener Graben grub sich wegen der oberflächlich abfliessenden Wassermassen einen Meter tiefer ein und riss die Böschung mit. Die fruchtbare Erde ist jetzt in der Nordsee. Das passiert nun alle zwei Jahre, nun ist da eine Schlucht mit Geröll.

Im Garten nichts besser. Man steht da und fragt sich, ob man diesen Stress noch mitmachen soll. Der Bewässerungs-, Giess-, Beschattungsaufwand ist exponentiell gestiegen. Auch Dinge wie Melonen sind regelrecht verbrannt, sogar Feigen haben Trockenschäden. Vieles geht gar nicht mehr. Ohne riesigen Regenwassertank, Pumpen und Schläuche braucht man gar nicht mehr auszusäen. Gesät wird mittlerweile im Keller in Pflanzplatten und -schalen, in der Hitze oben keimt nichts mehr.

Auf der Obstwiese herrscht Endzeit. Mehr als die Hälfte der Bäume und fast alle älteren Bäume sterben am Rindenbrand. Neupflanzungen verdorren. Obst gibt es gar nicht mehr oder immer seltener, Spätfröste, Hitzeschäden, neue Schädlinge en masse, die jüngsten Neuankömmlingen sind die grüne Reiswanze aus Afrika und die marmorierte Baumwanze aus Asien und haben Obst zerstört. Früher konnten wir regelmässig zwei Tonnen Äpfel ernten, heute sind wir froh, wenn es zwei Kisten werden. Misteln breiten sich aus. Das wird sich bessern, in der Umgebung sind bald die letzten Obstbäume abgestorben und damit der Wirt des Parasiten. Spätfröste haben für jahrelangen Totalausfall von Steinobst gesorgt, jedes Jahr treiben die Bäume aufgrund von Winterwärme extrem früh aus, dann kommt jedes Jahr Frost. Einige Obstarten kommen nicht mit der Sommerhitze klar, Pawpaw, der Flachwurzler Kornelkirsche, viele Birnen, die mit Laubschäden, dann Abwurf reagieren.

Wo nicht ständig bewässert werden kann, ist Ende Gelände. Im Aussengarten wächst wieder einmal nur noch Unkraut und mit sehr viel Mühe ein paar Kürbisse. Den Rest verbrennt die Glut. Die Spitzentemperaturen sind höher als in den Tropen. Wir hatten es wie fast jeden Sommer heisser und trockener als in Casablanca, Marokko. Es gibt nur noch Extreme.

Und dieses Jahr hat sich das überregional ausgeweitet: Was bei uns schon länger üblich ist, weitete sich nun kräftig aus. Plötzlich sind auch andere ehemalige Gunstlagen zu trocken und zu heiss geworden. Leute, die vorher ungläubig über meine Schilderungen den Kopf schüttelten und etwas von "Anpassung" faselten, haben inzwischen dieselben Probleme wie wir. Die Gunstlagen schrumpfen.

Aufgegeben habe ich nicht. Es gibt auch Erfolge. Obstsorten, die überleben, veränderte Anbautechniken für einige Gemüsesorten, neue Arten - ausprobiert habe ich sehr viel und jetzt im Herbst hoffentlich genug Zeit, auch darüber zu berichten.

Mit den Bienen im Wald, Spätfrühling. Trocken, aber noch grün


Nachwuchs bei den Wyandotten, die umsichtige Glucke passt auf ihre Küken auf. Es gab insgesamt sechs Junghühner.


Heiss. Melone mit Sonnenbrand.


Wo ist Mama!?


Feigen, Sonnenbrand.


Weintrauben. Alles verbrennt, was nicht ganz im Schatten ist.


Auch die Quitten mit Sonnenbrand.


Gras verdorrt. Teils so gründlich, dass sogar im feuchten Herbst kahle Stellen bleiben.

Samstag, 28. Mai 2022

Kohlpflanzen und Tauben

Taube: Erst sichten, dann fressen

Kohlarten haben es wahrlich nicht mehr leicht. Früher war das ein absolutes Standardgemüse, kein Garten ohne Kohlrabi, Kraut, Rettich, Blumenkohl. Eine sichere Miete. Später kam noch Chinakohl, Broccoli, Blattkohl und weitere Arten dazu. Aber schon seit Jahren geht es generell abwärts mit dem Anbauerfolg, der Nutzgärtner bekommt nur immer mehr Ärger, aber keine Erträge mehr. Auch hier im Blog wurde das schon oft thematisiert. Die zum Standard gewordenen langen, extremen Trocken- und Hitzephasen wirken sich besonders katastrophal auf viele Kohlarten aus. Schädlinge profitieren auch stark davon. Selbst robuste Arten haben zunehmend mit Problemen zu tun. Das bekommen auch die Profis zu spüren. Hier in der Gegend gibt es etwas professionellen Krautanbau, ohne Dauerbewässerung (häufig noch Überkopfberegnung) und erschreckend viel Pflanzenschutzmitteln geht da gar nichts mehr.

Starke Hitze und tiefe Kälte = Geschossen

Dieses Jahr sind auch bei mir wieder einige frühe Kulturen sofort gescheitert. Pak Choi wurde ein Opfer der Hitzeperiode mit über 30°C im April und Anfang Mai, dazu noch eiskalte Nächte. Das führt zu Vernalisation. Die Pflanze stellt aufgrund von Temperaturstress das Wachstum ein, bildet keine neuen Blätter und fängt an zu blühen. Nichts mehr zu ernten. Auch andere Arten gingen hops. Frühlingsrettiche wurden wie sehr oft schnelle Opfer der Kohlerdflöhe und und schliesslich vernichteten Kohldrehherzmücken Teile des Kohlrabis. Dabei hatte ich Jungpflanzen extra im Haus vorgezogen, um frühe Schäden zu vermeiden.

Zuerst die jungen Blätter, dann die Alten

Und es kommen immer neue Malaisen dazu. Letztes Jahr wurden plötzlich Blätter sämtlicher Kohlarten (ausser Rettichen) skelettiert. Raupen? Schnecken? Nichts war zu sehen. Auch keine Schleimspuren, Was ist das nur? Vor allem junge Blätter wurden abgefressen, wenn die weg waren kamen ältere Blätter dran. Und Jungpflanzen wurden herausgerissen. Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Weisskraut - alles vernichtet. Ein versuchsweise aufgelegtes Schutznetz stoppte das, es waren also keine sehr kleinen Tiere. Irgendein grösserer tierischer Schädling war verantwortlich. Wer frisst Kohlblätter? Eine Wildkamera brachte dann die Beweise: Morgens von Sonnenaufgang bis etwa 8:00 Uhr flogen Tauben zu, marschierten zu Fuss durch den gesamten Garten, stellten sich vor die Kohlpflanzen und zerhackten systematisch alle Blätter. Jungpflanzen wurden dadurch auch herausgerissen. Das wiederholte sich dieses Jahr in exakt gleicher Weise. Hier der Film meiner Wildkamera von heute morgen, 7:30 Uhr:


Kohlrabi, abgefressen

Was tun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Wieder einmal einkaufen gehen und viel arbeiten, Schutznetze erwerben, auflegen und bis zur Ernte drauflassen. Festklemmen, damit sie der Wind nicht wegbläst. Abstandhalter wie Folientunnelbögen verwenden, damit der Kohl nicht zu Boden gedrückt wird, Zum Unkraut jäten, hacken und ernten muss man dann jedesmal alles wieder öffnen. Die Mühe ist durchaus erheblich, aber nicht mehr vermeidbar. Dass sich opportunistisch lebende (also Generalisten) Vogel - Massenarten hemmungslos vermehren, ist bekannt, während die spezialisierteren Vogelarten immer weniger werden. Auch die Ringeltaubendichte ist recht hoch geworden und zu deren Gewohnheiten gehört heute offenbar auch der Frass von Kohlpflanzen, gründlich und radikal. Das endet auch nicht im Sommer, sie tun das immer. Andere Schutzmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Aktive Abwehr ist natürlich verboten. Frühere Generationen haben sie mit Leim oder Fallen gefangen (Produkte dafür sind Rattenleim wie Saratoga Top-Fix). Schnüre, blitzende und blinkende Gegenstände halten sie nicht ab.

Andere Gärtner berichten von Taubenschäden auch an Bohnen, Erbsen, Heidelbeeren, Stachelbeeren. Meine Stachelbeerstecklinge vernichten sie in der Tat ebenfalls immer, wenn ich sie nicht unter Netzen ziehe - die Blätter werden ansonsten komplett abgefressen. Wohlgemerkt: Gemeint sind bereits Frassschäden an den Pflanzen selbst, nicht erst an reifen Beeren. So weit kommt es gar nicht, wenn schon die Pflanzen kahlgemacht werden. Auch der Kohl ohne Blätter stellt das Wachstum ein bzw. wird einfach so lange abgefressen, bis er stirbt. Die Probleme hat auch der Profianbau, seit die EU-Vogelschutzrichtlinie lange Schonzeiten auch für schadenverursachende Massenarten eingeführt hat. Früher konnte wenigstens im Spätsommer eine Bestandskontrolle stattfinden, nun erst ab 1.11., wogegen Bauern auch immer wieder protestieren.

Broccoli. Aus und vorbei.

Am besten, wir bauen "tier- und umweltfreundlich" im sterilen Gewächshaus auf künstlichen Substrat an, klimatisiert, durch eine Luftschleuse zu betreten, bewässert, gedüngt. Lebensmittel aus dem Vollschutz. Wer ansonsten im Garten noch etwas ernten will, muss sich unter Schutznetze und Beregner flüchten und verzichtet besser von vornherein auf einige Gemüsearten.

Donnerstag, 21. April 2022

Honigkunde: Fest, kristallin, flüssig, cremig, wolkig?

Der wolkige Honig

Viermal Honigwolken im Sommerhonig

Einige Honigkäufer haben eine Lieblingskonsistenz und Lieblingsoptik, die ihr Honig haben soll. Honig kann kristallisierte Konsistenz haben, cremig oder flüssig sein. "Wolken" gehören eher nicht zur Vorzugsoptik. Aber was sind eigentlich Wolken im Honig? Sichtbar sind Wolken nur in kristallisiertem und festen Honig. Dort werden dann unregelmässige, schleier- oder eben wolkenartige hellkristalline Bereiche im Honig durch das Glas sichtbar. Wie entstehen sie? Das ist schnell (vereinfacht) erklärt: Fast jeder Honig kristallisiert. Die ungeordneten Zuckermoleküle ordnen sich dabei in festen Kristallstrukturen an, wenn sie um Kristallisationskeime wie z.B. Pollen herum die ersten Kristalle bilden. Geordnete Zuckermoleküle benötigen weniger Platz wie flüssige: Er schrumpft leicht. Hat der Honig einen niedrigen Wassergehalt (=hohe Qualität), dann gibt es keine flüssige Phase, die die entstandenen Zwischenräume zwischen den Kristallen auffüllt. Dort entstehen stattdessen winzige Leerräume, Lufteinschlüsse zwischen den Kristallen - die hellen Wolken werden sichtbar. Bevorzug im oberen Bereich des Glases, unten füllen sich die Lufteinschlüsse häufiger mit restlichem Flüssigzucker.

Diese Wolken sind eigentlich ein Qualitätszeichen, sie zeigen niedrigen Wassergehalt und fehlende unerwünschte Phasentrennung an. Man kann sie auch optisch geniessen, genau wie eine schöne Perlage in Sekt, wirbelnde Nuancen in einem Getränk oder Strukturen auf einer Apfelschale. Die Wolken oder überhaupt kristallisierter oder cremiger Honig sind für Manchen aber ein Hindernis, so gut der Honig auch sein mag.

Cremiger Honig. Etwas grobe Kristalle, typisch für Sommerhonig

Cremiger Honig

Cremiger Honig ist in der Regel kristallisierender oder bereits kristallisierter Honig, der vom Imker kurz mit einem Rührstab gerührt und dann sofort in die Gläser abgefüllt wird. Durch das kurze rühren werden die Zuckerkristalle etwas runder geschliffen, der Honig bekommt mehr oder weniger eine cremige Konsistenz, viel mehr ändert sich nicht. Korrekt gerührter Honig entwickelt keine Wolken mehr. Er ist immer streichfähig, aber zählt dann als "mechanisch bearbeitet". Es gibt einen Bio-Anbauverband, der diese Bearbeitung verbietet, dann können die Honige aber ziemlich hart werden und sind nicht mehr gut streichfähig. Hat man Kunden, die auch wirklich harten Honig akzeptieren, ist das Glück, denn dieser unveränderte Zustand ist das eigentlich auch das Beste für den Honig.

Nur flüssiger Honig erwünscht

Kristalle - Detail

Kristallisierter Honig wird meist gerne von jedem Honigliebhaber akzeptiert, wenn er nicht sehr hart ist und sonst gut schmeckt. Es gibt aber auch vermehrt Honigkunden, die ihn radikal ablehnen, was einen Rückfall in längst vergangene Zeiten darstellt. Insbesondere kristallisierter Honig mit Wolken wird von ihnen vehement und grundsätzlich abgelehnt. Das erlebe ich bei Honigkäufern gruppenspezifisch: Mit arabischen, russischen, türkischen Honiginteressierten laufen die Gespräche zum Beispiel fast immer gleich ab. Die erste Frage ist immer nach "flüssigem" Honig. Sie fragen nicht nach seinem Aroma, Honigtyp, Qualität, sondern immer nach "flüssig". Aber: Es gibt fast keinen naturbelassenen flüssigen Honig in Mitteleuropa. Die einzige Sorte, die zuverlässig flüssig bleibt ist der helle, aromafreie und reinsortige Robinienhonig. In Deutschland ist der mangels Robinienwäldern selten als Sortenhonig zu haben. Er wird importiert und ist auch behauptete Hauptsorte der massenhaften ausgefeilten Fälschungen chinesischer Herkunft. Auch der öfter flüssig aussehende dunkle Waldhonig kristallisiert früher oder später fast immer. Wenn Honig wirklich flüssig bleibt, hat das oft andere Gründe: Er wurde wärmegeschädigt oder von den Grossverarbeitern wurden Pollen industriell herauszentrifugiert. Wie erklärt man jemand, der flüssigen Supermarkthonig aus der Spritzflasche kennt und flüssigen (oft minderwertigen, weil wasserreichen) Honig aus den Subtropen, dass in Deutschland auf ganz natürliche Weise kein Honig lange flüssig bleibt? Ich habe es oft und ehrlich erklärt, aber es wurde von diesen Käufergruppen niemals auch nur annähernd akzeptiert oder gar ernst genommen. Sie lächeln ungeduldig zu Erklärungen, wie man ein Kind oder einen ertappten Lügner anlächelt. Leider!

Frühlingsblütenhonig im Lagereimer, kristallisiert

Flüssiger Honig wird in diesen Gruppen mit unverfälschtem Honig in Verbindung gebracht, dabei ist das Gegenteil der Fall. Für sie sind jegliche Kristalle und Kristallisation der Beweis, dass der Imker Zucker untergerührt hat. Man fixiert das Glas scharf, dreht es endlos von Boden zu Deckel und guckt mit aufgesetztem ernstgrinsendem Expertenblick nach, ob irgendwo ein Kristall zu sehen ist. Das ist natürlich ein lächerlich schlechter Witz, Zuckerverfälschungen und ähnlicher primitiver Beschiss mögen ja in Gegenden wie Pakistan üblich sein, fliegen in Deutschland aber schon seit 100 Jahren Dank Labor sofort auf und bei den ständigen Kontrollen (auch mein Honig wurde schon unangemeldet mehrmals geprüft) sind solche Versuche absolut unwitzig, ziehen (zu recht) saftige Strafen nach sich. Ein weiterer Witz ist, dass sich mit Zuckersirup Honige sogar leichter flüssig halten liessen, wenn man das Verhältnis der Zuckerarten entsprechend wählt, etwa viel Fruktose verwendet. Ich reiche meinen Honig ausserdem so wie viele Imker selber oft zur Prüfung im akkreditierten Labor ein, weil das wichtige und hochqualifizierte Rückmeldungen für mich sind - die Auswertungen kann kann auch der Honigkäufer einsehen, sie hängen in meinem Honigregal. Untersucht und im Prüfbericht bescheinigt wird Sauberkeit, Farbe, Konsistenz, Geschmacksbild, Mikroskopische Untersuchung auf Pollenzahl, Pollenarten, Pilzelemente, Rostsporen, Algen, Sonstige, Physikalische Untersuchung auf Wassergehalt, Leitfähigkeit (um Honigtauanteile festzustellen), Invertasegehalt (Enzymaktivität), HMF-Gehalt (Lagerung, Hitze, Alter), Sediment und auf Wunsch noch einige Parameter mehr.

In den Waben bleibt Honig länger flüssig

Die zweite Frage ist immer die nach Wabenhonig. Nicht nach den Schälchen zum Auslöffeln, sondern nach grossen, kiloschweren Honigwaben aus dem Honigraum. Ob der Honig überhaupt reif ist, spielt bei ihnen keinerlei Rolle, nur schwer muss die Wabe sein. Gefragt wird auch im Herbst oder Winter. Dass es den in Mitteleuropa sowieso nur zweieinhalb Monate geben kann, erzeugt erneutes Unverständnis. "Wabenhonig" wird von diesen Interessenten als bester einziger Honig angesehen, die Fragesteller sind auch da in vergangenen Jahrhunderten stehengeblieben. In ihren Herkunftsländern ist immer noch Presshonig durch kneten, Seimhonig durch Erhitzen oder schleudern mit korrodierten Honigschleudern aus Blech verbreitet, diese primitiv-schlechten und völlig überholten Methoden ergeben minderwertige Ergebnisse, hinzu kommt noch eine elend schlechte Lagerpraxis. Der vermeintlich einzige saubere Honig ist dort der Wabenhonig. Dabei ist auch dieser Wabenhonig häufig unreif und sehr leicht fälschbar, man füttert den Bienen einfach Industriezucker zu, den sie dann zusammen mit natürlicher Tracht in den Waben einlagern. Sieht normal aus, schmeckt mild. Beschiss auf der ganzen Linie.

Bei der Schleuderung

Auch hier wieder: Das fliegt in Deutschland sofort auf, ausser man hat hohe kriminelle Energie für ein geheimes Doppelspiel und ausgesprochen dumme Käufer, die einem unter der Hand ganze Waben abnehmen, Hauptsache billig. Wer Betrugsimker sein und solche Kunden bedienen und glücklich machen will, füttert dann bei einem einzelnen Volk mit Zuckersirup zu, schleudert den Honig aber nicht, sondern entnimmt dort nur volle Waben für die "Spezialkunden". Billigpreis, grosse Masse, grosse Freude! In den Honigwaben ist zudem eine stabile Wachsmittelwand enthalten, bedingt durch die optimierte Art der Bienenhaltung in Magazinbeuten seit 150 Jahren in Europa und USA. Wer Honigwaben aus Magazinbeuten isst, muss automatisch mit wenig Genuss auf dickem, alten Wachs herumkauen, spuckt es dann in den Abfall aus - der europäische Imker schleudert dagegen nur den Honig mit Zentrifugalkraft heraus und verwendet das Wachs zu 100% wieder, auch das Entdeckelungswachs.

Honig "flüssig" bei Feinkost-Albrecht.
Für einige Kundengruppen die bessere Wahl.

Die dritte Frage obengenannter Klientel ist der übliche Versuch, zu handeln. Leider sind das langweilende und zeitraubende Spiele, die Endpreise sind bereits sehr billig und ich empfinde es als üble Geringschätzung der Bienenprodukte, davon noch weiter herunterzugehen. Wieso soll ich Verluste freiwillig vergrössern und mich dafür noch zeitstehlend mit dummem Palaver belabern lassen? Honig bleibt bei gut arbeitenden Imkern sowieso nie übrig, man kann ihn auch wieder den Bienen zurückgeben und spart entsprechend den Futterkauf, es gibt niemals Übermengen, die man unbedingt los werden muss. Ich gebe zu, ich bin müde geworden, immer wieder tauben Ohren etwas von der Realität zu erzählen und dann noch plumpdumme Handelsversuche wegen des "schlechten" weil kristallisierten Honigs über mich ergehen zu lassen, die mich nur meine Zeit kosten. Liebe Leute, dann geht bitte gleich zu einem anderen Verkäufer der euch fachgerecht reinlegt oder werdet glücklich mit Aldis Mischung aus China, Südamerika und alles mit Allem - garantiert flüssig bleibend und billig. Das habe ich nicht und will es nicht, vielmehr war dieser Mist einer der wichtigen Gründe, selber Bienen zu halten. Der Honig meiner Bienen ist nachweisbar maximal naturbelassen und nachweisbar ausschliesslich aus der Region.

Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.