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Freitag, 3. Mai 2024

Maibeeren, Lonicera kamtschatica, frühe Strauchbeeren im Garten

Maibeere, junger Busch nach dem Austrieb

Zu den mässig erfolgreichen und erst spät eingeführten Beerenobstpflanzen gehört die Maibeere oder Kamtschatka-Heckenkirsche. Andere Namen sind blaue Heckenkirsche oder Honigbeere, Honeyberry. Das ist ein Geissblattgewächs, das zur Lonicera caerulea - Familie gehört, die weltweit verbreitet ist. Heute zur Beerenobstnutzung verkaufte Gartenpflanzen sind gezüchtete Hybriden, die von verschiedenen Lonicera caerulea Varietäten oder sogar Arten abstammen, die in Nordostasien heimisch sind. In Japan habe ich davon auf der nördlichen Insel Hokkaido fächendeckend wildwachsende Matten gesehen, die dort verbreitete Art ist etwas niedriger wie die Sibirischen Arten und nennt sich nach einem Wort der Ainu-Ureinwohner "Haskap". Sie ist als Obst in Nordjapan allgemein seit Jahrhunderten bekannt und beerntet, man kann daraus hergestellte Marmelade und andere Produkte kaufen. Die Varietäten Ostsibiriens reifen später, werden grösser und verlieren auch die Blätter später. In ihren Ursprungsgebieten bevorzugt sie leichten Boden, neutrales Bodenmilieu, Vollsonne bis Halbschatten. Man könnte glauben, dass sie ähnliche ökologische Lücken wie Heidelbeeren besetzt, aber Maibeeren sind im Gegensatz zu Heidelbeeren Flachwurzler, benötigen mehr Licht und wollen sauren Boden nicht zwingend - sie gedeihen aber darauf besser.

Maibeerenbusch mit Fruchtbehang unter Netz, ansonsten keine Früchte


Hinsichtlich ihrer Qualitäten als Beerenopstpflanze wird sie züchterisch bearbeitet vor allem in Russland, Kanada (University of Saskatchewan hauptsächlich), Polen und Japan. Weltweit gibt es 3000 Hektar Plantagen, was im Vergleich zu anderen Beerenobstpflanzen sehr wenig ist. In Europa und Deutschland blieb sie lange ziemlich unbekannt. Die ersten Pflanzen bekam ich vor einigen Jahren und konnte Erfahrungen damit sammeln, nun habe ich an die zehn Sorten.

Wie sieht sie aus?


Blattwerk der Maibeere
Die Pflanze wächst buschartig, bleibt wenig ausladend und erreicht maximal 1,5m Höhe, aber wohl nur unter sehr guten Bedingungen - meine blieben aber mit sehr wenigen Ausnahmen bei einem oder unter einem Meter. Ihr Erscheinungsbild ist etwas sparrig, die Blätter haben einen charakteristischen Blaustich und wirken samtig, so wie amerikanische Blaubeeren. Sie treibt sehr zeitig aus, man kann schon oft im Februar grüne Teile sehen. Die Blütenansätze sind ebenso früh, die weissliche Blüte folgt Ende März oder im April (manchmal gehen sogar schon im Spätherbst ein paar Blüten auf) . Die Blüten sind sagenhaft frosthaft bis -8°C, der Busch ist damit gut garniert. Oft leider nicht schon im Mai, sondern erst im Juni oder sogar erst im Juli werden die länglichen, tiefblauben Früchte reif. Dass sie ein sehr frühes Beerenobst wäre, ist teilweise eine Marketinglüge. Der Farbumschlag von grün nach blau passiert schon viel eher, in manchen Jahren schon im April und suggeriert frühe Reife, aber man muss die Früchte noch wochenlang länger hängen lassen, ehe sie auch Süsse und wenigstens ein bisschen Aroma entwickeln. Kultursorten haben einige Zentimeter lange blaue Beeren, oft krumm geformt und teilweise hohl, in der Wildnis bleiben die Beeren viel kleiner.
Blüten im März oder April, darunter sehr junge grüne Früchte

Wie schmecken die Beeren?


Junge, unreife Beeren, April

Die Beere ist saftreich, blau beduftet und schmeckt anfangs beim Farbumschlag zu blau neutralsauer. Nach einigen weiteren Wochen, erst kurz bevor sie von selbst abfällt hat sie auch ihren Geschmackshöhepunkt. Dann ist sie süsssäuerlich bis süss (je nach Sorte und Standort), aus der Haut lassen sich etwas Gerbstoffe herauskauen, eigene Aromen bleiben dagegen nur im Hintergrund. Manche Leute schmecken bei manchen Sorten Bittertöne heraus und lieben oder hassen das, je nach eigenem Geschmack. Konsistenz, Farbe und Saftreichtum erinnern an Heidelbeeren, aber die Aromen haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Maibeeren sind deutlich neutraler, Viele sagen langweilig. So empfinde ich das auch. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie ein Naschobst, das zu allem passt, weil es nichts übertönt. Der Saft ist ausgesprochen kräftig eingefärbt, die Farbe ist ein dunkles Braurot. Die Art der Säure ist angenehm, nicht spitz. Grosse Sortenunterschiede kann ich nicht feststellen. Es gibt Sorten, bei denen Verkäufer behaupten, sie hätten Eigenaromen, zum Beispiel "Fianit". Da ich angesichts der Pseudosortenflut nicht alles ausprobieren kann, ist das möglich, aber zweifelhaft, weil die bisherigen Sorten alle so aromaschwach sind, ein Sprung in mehr Eigenaromen hinein wäre ein grosser Fortschritt.

Reife Maibeeren, geerntet
Halbierte Maibeeren - teils hohl, teils eine Doppelkammer

  

Wie gelingt der Anbau, wie sind ihre Bedürfnisse?


Die Blätter lassen Wasser stark abperlen

Der Anbau gelingt scheinbar leichter wie der von Heidelbeeren, weil sind nicht ganz so zickig mit einem Bedürfnis nach einem sauren Boden sind. Aber auch Maibeeren haben ihre Grenzen, oberhalb von ph 7 sollte man nur mit Regenwasser giessen, einpflanzen in Rhododendronerde ist dann auch besser. Aber gut angewachsen klappt es auch mit höheren ph Werten. Ein erster Nachteil ist die Befruchtung: Sie ist nicht selbstfruchtbar, man benötigt verschiedene Sorten gleichzeitig blühender Büsche, damit der Fruchtansatz  gelingt.

Typischer Hitzeschaden an Maibeere

Frost verträgt sie ganz erstklassig, Sommerhitze mag sie nicht. Ihre Lichtbedürfnisse sind bei mir deutlich höher als die von Heidelbeeren, im Schatten wird sie nichts, im Halbschatten bleibt sie dünn. Das ist hierzulande schwierig, gleichzeitig Sonne und keine Hitze. Trockenheit verträgt sich auch nicht gut, grössere Pflanzen schaffen es besser. Als Flachwurzler nicht verwunderlich. Bei Hitzestress gibt es Blattverbrennungen. In den deutschen Versuchspflanzungen (z.B. das Versuchszentrum Köln-Auweiler) wird grundsätzlich bewässert. Das war auch anfangs mein Problem. Die Pflanzen wuchsen kaum und dauernd starben Triebe ab. Unser trockener, kalkreicher Boden und das Klima war tödlich. Ausserdem benötigt sie Boden mit viel organischem Material sowie gute Düngung. Gerne wird die Meinung verbreitet, sie eigne sich als Unterpflanzung unter andere lichte Gehölze, sie vertrage Halbschatten und andere Wurzeln. Nichts davon bewahrheitete sich bei mir, solche Pflanzen mickerten besonders und gingen sogar ein. Hinzu kommt bei Unterpflanzungen das Problem der Wurzelkonkurrenz.

Tote Äste im Frühjahr an Maibeere

Gefällt es ihr, wird sie sehr alt. Leider dauert es auch lange, bis sie richtig trägt. Erst nach etwa fünf Jahren erreichen die Erträge ein gutes Niveau, das dann viele Jahre lang anhält. Schneiden braucht man sie kaum. Immer wieder wird von Kiloerträgen pro Pflanze berichtet. Das habe ich noch nie erreicht, auch nach Jahren nicht, nicht einmal annähernd. Ausserdem ist die Pflückleistung schlecht. Die Beeren hängen einzeln, innen und nach unten, man sucht zu lange im Busch herum. Ist sie wirklich reif, fallen sie von selbst ab. Das ist noch einmal Mehraufwand beim ernten.

Krankheiten und Schädlinge sind selten. Läuse können vorkommen, diverse Raupen, Spinnmilben, Mehltau. Die Reife findet zudem zu einer Zeit ab, zu der die Importkatastrophe Kirschessigfliege noch nicht massenhaft auftritt und dunkle Früchte absticht, das ist also ein Pluspunkt.

Fegeschaden an Maibeere

Ein grosses Problem in den Versuchspflanzungen und ebenso bei mir sind jedoch Vögel, der Vogelschutz mit Netzen ist teuer aber unumgänglich. Meiner Erfahrung nach geht es eine Zeitlang gut und man wiegt sich in Sicherheit. Die Vögel merken lange nicht, dass unter den grünen Blättern auch Beeren sind, jedenfalls bei mässigem Behang. Und plötzlich geht es schlagartig los, schon vor der Vollreife, wer dann erst das Vogelnetz herauskramt hat schon lange nichts mehr, was er schützen könnte.

Ein eher kurios klingendes Problem sind Fegeschäden. Auf meinen Aussengrundstück ist das aber durchaus ein grosses Problem. Hirsche und Rehböcke fegen sich den Bast nachwachsendes Geweihs mit Hilfe von peitschenartigen Trieben ab. Aus irgend einem Grund bevorzugen sie bei mir dazu jährlich Maibeerensträucher. Die Rinde wird dabei abgeraspelt, der betroffene Ast strbt. Dagegen hilft nur Zugangskontrolle, Zaunschutz. Schwierig, wenn keine Zäune erlaubt sind.

Das Problem mit dem Klima

Austrieb schon im Januar

Tatsächlich ist kaum eine Sorte bei mir wirklich etwas geworden, weder am Haus, noch im Aussengarten, nicht auf gutem Boden, nicht auf flachgründigem Boden. Sortenempfehlungen kann ich deshalb mit gutem Gewissen nicht geben. Die beste Sorte war noch Docz Velikana, warum auch immer.  Das kann auch reiner Zufall sein. Unter anderem habe oder hatte ich schon die Sorten Kalinka, Wojtek, Czulymskaia, Aurora, Boreal Beauty, Amfora, Zoluschka, Morena. Die ersten Sorten in Deutschkand waren "Mailon", "Maistar" und "blue Velvet", alle nicht mehr zu empfehlen. Jüngst gibts wieder einen Schwung bisher nicht verbreiteter kanadischer Sorten. Die Sortenexplosion ist riesig, man hat den Eindruck jeder Hinterhofgärtner versucht, jeden Sämling als neue Sorte zu verkaufen. Knallhart gesagt: Die meisten Sorten haben sehr niedrigen Neuheitswert mit ständig neuen Etiketten. Bis sich das bereinigt, wird es lange dauern. Auffallend waren bei mir immer viele tote Triebe an den Pflanzen, die Pflanzen wuchsen "rückwärts". Gut wuchsen sie nur in einem feuchten und kühleren Jahr, was die gleichmässige Wasserverfügbarkeit als wichtigen Punkt nahelegt. Bei genauer Beobachtung zeigte sich auch ein Grund für die toten Äste: In den hiesigen und normal gewordenen dauernden Wärmephasen im Winter mit ganze Januarwochen über 10° C zogen Triebe Saft, sie verlor ihre hohe Frostfestigkeit, der übliche kräftige Kälterückschlag danach brachte sie um. In kontinentalerem Klima übersteht sie den Winter wesentlich besser. Hinzu kommen Sonnenbrand- und Hitzeschäden bis zum kompletten Ausfall in (den nun regelmässig auftretenden) heissen Sommern. Die Blätter verbrennen regelrecht, werden braun. Sprühregner sind mir zu viel Aufwand, das Wasser habe ich auch gar nicht.

Maibeeren zwischen anderem Beerenobst

Maibeerentaugliche Bedingungen habe ich somit nicht und damit ist sie für mich und Teile Deutschlands noch kein richtiges Frühobst. Schade! Aber die Züchtung geht weiter, die Wildbestände und damit Genressourcen sind gross, es könnte gut sein dass neuere Sorten immer interessanter werden. Potential hat sie, auch wenn sie noch lange nicht dort ist, wo sie auch in meiner Gegend Spass macht. Im Moment würde ich sie nur in Gegenden mit weniger Sommerhitzespitzen (dazu gehört auch das Rheintal, das zwar warm ist aber niemals die sehr negativen Hitzespitzen zeigt, wie wir sie haben), mehr Niederschlägen und ohne Kalkboden anpflanzen. Naschobst für feuchte Höhenlagen und mildfeuchte Gegenden mit saurem oder neutralem Boden.


Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Saftladen

Apfelsaftpressung mit der Packpresse in Mosterei

Vor allem im Herbst kommt für alle, die gerne ihr Obst und Gemüse selber verwerten Jahr für Jahr die grosse Versaftung. Vieles in der Obstverwertung geht den Weg der Flüssigkeit. Am klassischen Beispiel Apfel ist das schön zu sehen: Apfelgelee, Apfelsaft, Apfelmost, Apfelessig, Apfelschnaps, Apfelkraut - alles basiert auf Apfelsaft als notwendigem Zwischenschritt. So gut wie jedes Obst und auch einige Gemüsearten können versaftet werden, um sie haltbar zu machen, leichter konsumierbar, für andere Produkte geeignet.

Vor allem wenn es um kleinere Mengen geht, halten sich jedoch seltsamerweise uralte, qualitativ minderwertige Methoden, die im Bekanntenkreis, Foren, Diskussionen nach wie vor verbreitet werden. Da werden die Quitten fürs Quittengelee in Stücke geschnitten, mit Wasser aufgegossen und ausgekocht. Die Johannisbeeren werden mit dem Dampfentsafter entsaftet. Die Schlehen kocht man nach vielen Rezepten sogar mehrmals auf und giesst den Kochsud zur weiteren Verwendung ab. Manchmal kommen elektrische Kleinentsafter zum Einsatz. Wie üblich heute gefertigt in China, peinlich-lächerlich auf Englisch bezeichnet, "Juicer", Tschuisser.

Saft gemacht haben wir dieses Jahr aus Äpfeln, Birnen, Nashi, Quitten, Ölweiden, Stachelbeeren, Trauben, in anderen Jahren noch aus viel mehr Arten. Wie gesagt, fast jedes Obst ist versaftbar. Aber die alten Methoden haben viele Nachteile:

  • die oft lange andauernde und manchmal häufigere Erhitzung zerstört viele Vitamine und Enzyme. Kalt gepresste Säfte enthalten die Inhaltsstoffe der Früchte fast unverändert.
  • Erhitzen zerstört auch Aromen. Kein Dampfentsafterprodukt erreicht das Aromaniveau eines kalt gepressten Safts.
  • Kondenswasser des Dampfentsafters, Kochwasser bei Schlehen, all das verdünnt das Produkt und sorgt zusätzlich für weniger Inhalt und Aroma.
  • Kleinentsafter ergeben oft einen trüben Saft mit Zellresten, gehen nicht für jedes Obst, haben Ausbeuteprobleme, Reinigungsaufwand, packen nicht viel. Die Langsamentsafter "slow juicer" sind billig, sind aber lächerlicher Mist für Obstsäfte. Sie funktionieren nach dem Fleischwolfprinzip mit einem Schneckengewinde, zermahlen das Pressgut. Für ein Glas trüben Saft zum Sofortkonsum aus einer Karotte mag das hinreichen, aber Quittensaft wird damit zum Beispiel trübe und flockig, oft sogar noch stärker später wenn er abgefüllt in der Flasche liegt. Diese Technik kombiniert die negativen Eigenschaften einer Bandpresse mit der von Kleinensaftern.
  • Dampfentsafter sorgen bei einigen Obstarten für viskosen Saft, der zäh wirkt, dunkel.

Die besseren Methoden hängen ganz wesentlich mit der Obstmenge zusammen, die man verarbeiten will. Jede Mengenkategorie hat ihre optimalen Verarbeitungsmethoden. Es sind die Grössenordnungen, die entscheiden wie man den Saft mit möglichst wenig zeitlichen, technischem und finanziellen Auwand auspresst.  


0,1 bis 5kg Obst: Handpressbeutel

Drei Handpressbeutel, oft benutzt

Für Kleinst- bis Kleinmengen ist die mit Abstand einfachste Methode ein Nylon-Handpressbeutel. Es gibt sie seit vielen Jahren im Zubehörhandel für Hobbysaftbereitung. Jüngst sind diese Beutel Dank der Vegan-Welle populärer geworden, man kann sie nämlich auch für die Herstellung von Nussmilch u.ä. nutzen. Das Prinzip ist sehr einfach: Obst zermanschen (von Hand oder Reibeaufsatz Küchenmaschine). Die Maische in den Beutel stopfen und von Hand ausquetschen. Fertig. Pektinreiche Maischen (Steinobst zum Beispiel) sollten zuerst mittels Pektinase verflüssigt werden. Die Reinigung des Beutels geht auch sehr schnell. Die Ausbeute ist zwar nicht gigantisch, aber hinreichend gut. Wer will, kann noch einen dünneren und weniger wertigen "Zweitsaft" produzieren, um wirklich alles auszunutzen. Dazu die bereits ausgepresste Maische nochmal mit Wasser ansetzen oder nach alter Methode auskochen. Bei sehr aromareichen Obstsorten wie Himbeeren ist das durchaus sinnvoll, das Ergebnis ist noch als Limonade tauglich.


5 bis 50kg: Korbpressen

Einfache, kleine Korbpresse

Hat man regelmässig in dieser Kategorie zu tun, lohnt sich die Anschaffung oder der Bau einer kleinen Korbpresse. Das ist schon etwas aufwendiger, man braucht die Presse selbst, ein Presstuch, aber bekommt auf einen Rutsch auch fünf bis fünfhundert Kilo Maische in den Presskorb. Die Ausbeute ist mittelmässig bis gut, Reinigung und Aufbewahrung etwas Aufwand. Der Pressvorgang dauert seine Zeit, man dreht und quetscht und sieht dem tröpfeln zu. Korbpressen gibt es auch in grösseren Dimensionen, sie werden dann aber zunehmend unwirtschaftlich. Man kann sie in dieser Grösse nicht mehr so einfach herumtragen und aufräumen, sie benötigen dann einen festen Platz.

Diese alte Presstechnik hat sich etwas überlebt, in Mostereien steht sie auch nicht mehr. Es gibt aber sehr simple, moderne Ganzmetall-Korbpressen, die für den Anfänger ein Einstieg sind. Deren Ausbeute ist allerdings nicht hoch und von den verarbeitbaren Mengen konkurriert sie eher mit dem Handpressbeutel, nicht mit richtigen Korbpressen.


50 bis 250kg: Hydropressen

Hydropresse, Saft, Trester, Obstmühle

Eine sehr elegante Presstechnik realisieren Hydropressen. Von aussen wirkt sie wie eine Korbpresse und sie benötigt auch ein Presstuch, aber im Innern steckt ein Gummiballon, der mit Leitungswasser gefüllt wird und dessen Druck die Maische auspresst. Kein Kurbeln, keine Latten, gute Ausbeute, schnell und sauber. Geräte mit 40 Liter - Presskorb sind optimal, wenn man die Presse nach Benutzung noch in einen Keller oder Dachboden schleppen muss. Die grösseren Modelle sind schwerer und unhandlicher, die kann man nur ebenerdig transportieren. Nach der Pressung lässt man das Wasser ab, entnimmt den Trester und schreitet zur nächsten Pressung. Mit dem abgelassenen Wasser reinigt man das Obst der nächsten Pressrunde. Die Kosten der Presse sind bei kleinen Pressen höher, bei grösseren Pressen etwa gleich wie bei Korbpressen.

Ach hier ist wie bei Korbpressen für Kernobst eine separate Obstmühle erforderlich, ein Obstmuser. Mit einer Küchenmaschine kann man die Maische nicht mehr herstellen. Die Herstellung von Quittensaft mit so einer Presse und Mühle: https://gartenzone.blogspot.com/2019/01/ein-winter-mit-quittensaft.html

 

250 bis 10000kg: Lohnmosterei

Mittelgrosse ältere Packpresse

Alles darüber ist ein Fall für eine Lohnmosterei, jedenfalls wenn es sich um Kernobst handelt: Äpfel, Birnen, Quitten, Mispeln, Speierling. In Süddeutschland sind die Betriebe häufig, im Norden muss man weiter fahren und die Preise sind höher. Die Ausbeute ist hoch, der Durchsatz ebenfalls. Der Saft kann meist gleich sterilisiert in Bag-in-Box-Verpackungen abgefüllt werden, wenn man das will - was erst bequem aussieht, aber viele Nachteile hat. Bei Quitten ist ganz davon abzuraten, Quittensaft bekommt oft hautartige Pektinschleier, die das Ventil nach etwas Lagerung verstopfen. Säfte altern zudem generell schnell in BiB.

Eine Zwischenform besitzen oft Obstbau- oder Kleingartenvereine, eine gemeinsam angeschaffte kleinere Profipresse für die Mitglieder, das sind hydraulische Korbpressen oder kleinere Packpressen oder Bandpressen.

Doch Vorsicht, auch die Presstechnik der Grossen hat deutliche Qualitätsunterschiede. Wenn möglich, sollte man Mostereien mit klassischen Packpressen bevorzugen, in der mehrere Lagen mit Maische auf einem Packtisch hydraulisch ausgepresst werden. Der Saft kommt recht klar aus der Presse und hat beste Qualität. Nur wer auf höchste Ausbeute und damit höchste Drücke setzt wie manche sehr geizigen Weinbauern die Maische "hart pressen", bekommt mehr unrunde und bitte Töne.

Die andere, billigere und kompaktere Presstechnik sind Bandpressen. Sie beanspruchen die Maische viel stärker, zerreissen viele Zellen. Das Ergebnis ist Maximalausbeute eines trüben, teils schleimigen Safts, der anschliessend durch eine Zentrifuge muss. Dort wird der Zellschlamm und nebenbei auch Aroma teilweise entfernt. Diese Presstechnik ist hoch effizient, kann kontinuierlich arbeiten, schafft mehrere Tonnen Obst pro Stunde, die Pressen benötigen wenig Platz. Und im Ergebnis produziert sie minderwertigen Saft. Wer wählen kann, sollte Mostereien mit solchen Pressen meiden. Leider setzen sie auch mobile Mostereien gerne ein. Fruchtsafthersteller können gar nicht anders als mit Bandpressen zu arbeiten, alle anderen Techniken sind weniger effizient und schaffen bei weitem nicht genug Durchsatz.

Wie zu sehen war, ist die beste Methode um guten Saft herzustellen vor allem eine Frage der Mengen, die man herstellen will. Alle Methoden haben Mengenoptima. Vermeiden sollte man nur die alten Hausmethoden wie Dampfentsafter, auskochen - die sind wirklich obsolet.

An der Packpresse, links Obstmühle


Presse, Saftwanne, Abfüllung in Bag-in-Box (Saftschlauch)

Samstag, 9. Oktober 2021

Sugar, Sugar

"Sugar, Sugar" ist eine Hymne der Bubblegum-Musik betitelt. Gesungen in "The Archie Comedy Hour" von CBS-TV, https://www.youtube.com/watch?v=h9nE2spOw_o - der erfolgreichste Hit des Jahres 1969:

 

Das ist Lied ist so künstlich wie raffinierter Kristallzucker, die Band gab es gar nicht, es war eine Studioproduktion aus der Retorte mit einzeln engagierten Musikern. 

Um Zucker geht es sehr oft. Am Zucker hängts, am Zucker drängts. Auch beim Obst dreht sich immer sehr viel, zuweilen auch alles um den Zucker - jedes Jahr von Neuem. Die Süsse des Obsts ist entscheidend, saure Äpfel und Birnen sind kein Hit. Von einigen Obstsorten messe ich regelmässig den Zuckergehalt, das sagt viel aus über den Reifezustand, wie das Sommerwetter gelaufen ist und er hilft manchmal, unklare Sortenzuweisungen zu klären. Warme Jahre mit langem Herbst und genug Feuchtigkeit, aber keine Pilzkrankheiten sind das Optimum beim Kernobst, sie bringen viel Zucker in die Früchte. Sugar, sugar. Auch dieses Jahr habe ich einige Sorten gemessen.

Wie messen?

Refraktometer für Zuckerbestimmung von Früchten

Anfangs nutzte ich ein Aerometer, das ist eine Spindel aus Glas, die man bei 20°C im Saft schwimmen lässt. Je nach dem wie tief sie eintaucht, kann man damit das Mostgewicht des Safts messen und daraus den Zuckergehalt ableiten. Je mehr Zucker gelöst ist, desto schwerer der Saft. Diese alte und aufwendige Methode nutzt keiner mehr, seit Refraktometer sehr billig geworden sind.

Ein Refraktometer ist ein optisches Gerät, das Zuckergehalte aufgrund der Lichtbrechung messen kann. Ein Tropfen Saft reicht, der kommt aufs Objektiv und dann hält man das Gerät ins Licht. 

Skalen Brix, Öchsle, KMW/Babo
im Refraktometer

Zucker im Saft verändert die Lichtbrechung, was sich auf einer Skala abtragen lässt. Dort ist dann der Zuckergehalt abzulesen, die gebräuchlichsten Einheiten sind Öchsle, Brix, KMW (Klosterneuburger Mostwaage), Beaume. Grad Öchsle sind in Deutschland für Most sehr verbreitet und immer mehr auch Grad Brix. Da in englischsprachigen Ländern Brix verwendet wird, setzt sich diese Einheit durch, wie alles von dort, ob sinnvoll oder nicht. Öchsle sagt aus, wieviel Gramm der Liter Most wegen des Zuckergehalts mehr wiegt wie der Liter Wasser. Brix macht Aussagen über die Flüssigkeitsdichte von Saccharose in Wasser. Zehn Grad Bix beschreiben eine Dichte wie sie zehn Gramm Saccharose in 100g Saccharose-Wasser-Lösung machen, also einer zehnprozentigen Saccharose-Lösung. Der Zuckergehalt ist mit diesen Einheiten nur ungefähr bestimmbar, weil auch andere Inhaltsstoffe die Messung beeinflussen, auch die Temperatur, die genauen Arten des Zuckers - Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide? Egal wie die Skala aussieht, relative Aussagen lassen sich damit recht gut machen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Messung am 9.10.2021 in Grad Öchsle, Umrechnung in Brix siehe hier.

Brettacher, Schnitz entnommen zur
Zuckerbestimmung

Äpfel

  • 64° OE Roter von Simonffi. Essreif, Rosenaroma, herrlicher Herbstapfel.
  • 58° OE Rebella. Schon etwas abgebaut, mehrfachresistenter Herbstapfel.
  • 65-70° OE. Zabergäu Renette. Reift etwas folgernd. Lagerfähige Renette, pflückreif aber muss noch liegen.
  • 49° OE Glockenapfel. Ausgesprochen sauer. Wirkt unreif trotz gelber Fruchtschale. Brr.
  • 56° OE Bionda Patricia. Sehr saftig, essreif.
  • 72° OE Gala. Vollsüss, vollsaftig. Heftig. Viel Aroma, essreif.
  • 66° OE Schöner von Boskoop. Fast essbar. Eine rotschalige Mutante. Sortentypisch. Starker Behang.
  • 71° OE Parkers Pepping. Hat noch viel Säure, muss lagern. Fruchtfleisch sämig.
  • 96° OE Pilot. Verstehe ich nicht. Mehrfache Messungen, der Wert stimmt. Direkt am Kernhaus hatte das Fruchtfleisch auch 92° OE. Sorte stimmt, alles typisch. Wieso hat der so viel Zucker?
  • 55° OE Idared. Der Schneewittchenapfel, aussen rot, innen schneeweiss. Essreif, jetzt gut, kann aber noch hängen.
  • 65° OE Jonagold. Immer noch Hauptmarktsorte, süss, essreif, Golden Delicious-Würze. Verursacht bei mir Allergie, wunden Mund - wie der Golden, eine Elternsorte.
  • 66° OE Pomgold. Säulenbaum, schwacher Behang dieses Jahr, reif. Bei starkem Behang viel weniger Zucker.
  • 66° OE Orleans Renette. Fruchtfleisch vom Boskoop-Typ, aber mehr Aroma, schon essbar.
  • 90° OE Red Obelisk Zierapfel. Bröseliges Fruchtfleisch, wenig Saft, bitter.
  • 76° OE Goldparmäne. Reif, edel, letzter Baum, die Sorte stirbt an Rindenbrand.
  • 54° OE Kiku, ein Fuji-Klon. Geklaut von der benachbarten Plantage. Süsslich-leer, Kernhaus glasig. Verursacht Allergische Reaktion im Mund.
  • 61° OE Brettacher. Muss noch lagern, die spritzige Langlagersorte, meine Hauptsorte.

Birnen

  • 57° OE Boscs Flaschenbirne. Essreif, gross, etwas langweilig. Zimtfarbene Berostung.
  • 75° OE Madame Verte. Noch viele unreife Aromen. Lagerbirne.
  • 43° OE Conference. Früher Blattverlust, nicht gesund.
  • 56° OE Josefine von Mechelen. Lagersorte, aber durchaus schon essbar, Optik aber sehr unreif.
  • 80° OE Gräfin von Paris. Sehr süss, aber noch fest.

Quitten

  • 60° OE Unbekannte Apfelquitte. Vielleicht ein Sämlingsbaum. Quitten reissen leicht auf.
  • 56° OE Riesenquitte von Lescovac. Hat noch deutlich Gerbstoffe, Überbehang.
  • 68° OE Zitronenquitte. Lecker, roh essbar.
  • 69° OE Cydopom. Nicht ganz reif, noch viel Säure aber nicht mehr viel Gerbstoffe.
  • 59° OE Cydora. Sollte noch hängen, nicht ganz reif.

Alle vorhandenen Sorten sind es nicht. Einige Äpfel von Jungbäumen mit wenig Ernte wie z.B. der rote Bellefleur, Zuccalmaglio fehlen, sehr späte Birnen auch, Sommersorten wie der Gravensteiner, Piros, Schöner von Bath, Klarapfel, Georg Caves sowieso und auch einige Quitten.

Fazit

Äpfel Sorte Pilot

Die Überraschungen sind die ungewöhnlich hohen Zuckergehalte des Apfels "Pilot", eine DDR-Züchtung aus Pillnitz von 1962. Die Sorte hat sehr zähes und hartes Fruchtfleisch, lässt sich aber sehr lange lagern und schmeckt ab etwa März, da wird er weicher und gefälliger. Überraschend auch die Zitronenquitte (Limon Ayvasi), die sogar roh ganz gut kommt und auch viel Zucker hat. Die Früchte waren allerdings alle etwas deformiert, vielleicht eine Frostfolge, so wie Frostzungen bei Äpfeln. Auch Cydopom schaffte gute Werte, der schwache Behang begünstigte das.

Andere Sorten lagen fast alle etwas besser wie im langjährigen Mittel Dank ausnahmsweise genug Niederschlägen und warmen aber nicht heissen Temperaturen. Die Lubera-Züchtung Bionda Patricia enttäuschte etwas, für einen Lagerapfel etwas leichte Früchte mit nicht viel Zucker. Sorten mit wenig Behang hatten noch zusätzlich Zucker, wenn der Baum wenig Früchte versorgen muss werden sie süsser.

Zuckergehalte sagen nichts über Reife, Lagerfähigkeit, Aroma aus. Der Süsseindruck wird nicht nur von Zucker, sondern vor allem vom Säuregehalt bestimmt. Da Säuren aber mit der Lagerdauer abgebaut werden, werden zuckerreiche Äpfel schliesslich süss bis sehr süss. Und haben viel Energie eingelagert, von der sie zehren können. Die Äpfel leben ja nach der Ernte weiter und veratmen den Zucker. Oder wir veratmen ihn, wenn wir ihn essen.

Auch nächstes Jahr wird es wieder heissen "sugar, sugar" - aber für den Nutzgärtner nicht für die Suche nach Bonbons aus Rübenzucker, sondern zur Skala des Refraktometers. Und küssen darf man die prallen, rotbackigen Äpfel auch. 

Nachtrag

Von einigen noch am Baum hängenden Früchten habe ich zehn Tage später nochmal den Zuckergehalt gemessen: Parkers Pepping lag jetzt bei 84° OE und entwickelte mehr Aroma; Zabergäu Renette 77° OE, Cydora liegt jetzt deutlich über 62°. Im ruhigen Herbstwetter wurde weiter kräftig Zucker eingelagert.

Montag, 25. November 2019

Mispeln, mespilus germanicus - letzte Ernte im Jahr

Reife Mispeln Sorte "Metzer"
Vor ein paar Tagen habe ich wie jedes Jahr das letzte Obst der Obstwiese geerntet, die Mispeln. Nun ist es vorbei, noch später im Jahr gibt es nichts mehr zu holen. Aus ists.

Laubkleid und Blüte im Mai
Für viele sind sie eine völlig unbekannte Obstart und auch der Baum kann nicht zugeordnet werden, weil er "exotisch" aussieht. Andere verwechseln sie mit der nicht verwandten Obstart Nespoli, Loquat, japanische Wollmispel, Eriobotrya japonica. Die sieht ganz anders aus, gelborange und saftig, kommt aus Ostasien und wächst nicht in Deutschland auf Obstwiesen, weil sie nicht genügend frosthart ist. Ab und zu taucht sie aber im Supermarkt auf, importiert aus Spanien oder Italien. Deutsche Mispeln laufen eher unter Wildobst und sind nicht im Laden zu kaufen. Die dauernde Verschwurbelung der beiden Obstarten haben wir dem schwedischen Botaniker Thunberg zu verdanken, der die Loquat 1780 kennenlernte und sie zu den Mispeln stellte. Der Fehler wurde schon ein paar Jahre später korrigiert, aber da war der Schaden schon passiert, in Europa hatte sich gelbe Loquat verbal bereits mit Mispeln verbunden.

Mispelernte
Auch der lateinische Namen "mespilus germanicus" der hier wachsenden Mispel ist unglücklich gewählt, die Mispel existiert zwar schon sehr lange in Deutschland, aber heimisch ist sie ganz sicher nicht. Dafür ist sie zu wenig frosthart, unter -20°C beginnen Schäden, was heute kein grosses Thema mehr ist, aber früher Richtung Osten durchaus anbaubegrenzend war, ähnlich wie bei der Quitte. Ihre grosse Zeit hatte sie in Deutschland im Mittelalter. Römer und Griechen kannten sie bereits in der Antike, sie wurde aber noch früher in Kultur genommen, vermutlich in Südosteuropa oder Westasien um 1000 v. Chr.

Älterer Mispelbaum, Ludwigsburg
Heute ist sie ziemlich verschwunden und hat Exotenstatus. Gepflanzt habe ich schon viele Bäume, aktuell habe ich drei Sorten: Die Metzer Mispel, Nottingham und Macrocarpa. Nottingham bekommt sehr grosse Früchte, wenn sie älter wird und gedeiht auch in kühlen Lagen, braucht aber mehr Wasser und besseren Boden. Die Metzer Mispel hat mittelgrosse Früchte und trägt zuverlässig am Besten, von ihr ernte ich jährlich einige Kilo. Sorten gibts es noch viele, zum Beispiel die Kurpfalzmispel, Westerveld, Royal, die kernlose aber kleine Apyrena, Holländische Großfrüchtige, Delica de Vannes, Breadse Reus, Monstrueuse d'Evreinoff, Ungarische... doch Vorsicht! Sie lassen sich nicht immer unterscheiden, Verwechslungen durch die Vermehrer und Baumschulen sind an der Tagesordnung. Das beste Merkmal ist die Fruchtform. Sortenechtheit scheint wie bei einigen anderen Obstsorten eher die Ausnahme wie die Regel zu sein. Nötig wären eigene Mispelabteilungen in Reiserschnittgärten, in denen erwiesen korrekt bezeichnete Sorten vermehrt und virusfrei gemacht werden.

Obstart für den Kimawandel


Knospen und Blätter
Sie hat mehrere herausragende Eigenschaften, für mich sehr wichtig ist ihre Fähigkeit, sich auf trockenheissen Standorten mit schlechtem Boden wohlzufühlen. Zusammen mit der Quitte war sie die Obstart, die die letzten beiden Wüstenjahre gut überstanden hat und dabei noch fruchtete, während die Äpfel daneben wegen Wassermangel ab August am Baum verschrumpelten und faulten. Auch der flachgründige Boden am Hang macht ihr nichts aus, sie ist Herz- bis Flachwurzler und will gar nicht in die Tiefe wie beispielsweise Birnen. Sonnenbrand bekam sie nicht, sie scheint unverwüstlich.

Blüte, eben geöffnet
Andere gute Eigenschaften sind ihre schönen, grossen Blätter, die späten grosse weissen Blüten, der lange hängende Fruchtschmuck, eine kräftige Herbstfärbung. Wie die Quitte ist sie problemlos dekorativ genug, um auch einen Vorgarten zu verschönern. Für den kleinen Garten existieren schwächer wachsende Sorten wie "Ungarische". Auf der Wiese ist ihr Habitus eher breit, sie entwickelt gerne gebogene Äste, will man sie stärker in Form halten, ist etwas Schnitt- und Bindeaufwand nötig. An Wegrändern würde ich sie nicht pflanzen, die Äste hängen immer zu tief. Ansonsten benötigen gut entwickelte Bäume ähnlichen Lichtraum wie gut entwickelte Quitten. Es gibt Bäume, die mittels Schnitt sehr schön geführt sind und Blätterdächer wie bei Dachplatanen ergeben.

Grosse, weisse, späte Blüten
Als Nutzgärtner spielen für mich natürlich die Früchte eine grosse Rolle. Leicht verwertbar sind sie leider nicht, das ist auch der Grund für ihre geschwundene Popularität. Frisch vom Baum schmecken sie ungeniessbar gerbstoffbitter. Sie benötigen erst eine enzymatische Umwandlung, die durch Frost oder lange Lagerung initiiert wird. Das Fruchtinnere wird dadurch weich und süss, die Farbe wandelt sich von innen her von einem Weiss mit Grünschimmer zu Braun. Das sieht aus wie verdorben, ist es aber nicht, Aroma und Geschmack erreichen dann erst den Höhepunkt. Aber auch da gibt es Tricks, weiter unten mehr dazu.
Pollen, Narbe der Blüten

Wie schmeckt sie?


Fast reife Mispel halbiert
Im besten Zustand hat das weiche Mispelinnere kräftige Apfelaromen von Bratapfel und grünem Apfel. Das bestimmt sie. Nebenaromen sind ein zitroniger Ton, Reste der Gerbstoffe für dezente Herbstheit, süsse Eberesche sowie Obertöne von Feige. Der Zuckergehalt erreicht mit um die 80° OE (16,5 Brix) gute Werte, was natürlich schwanken kann. Grosse Unterschiede zwischen den Sorten konnte ich bisher nicht feststellen, ich kenne allerdings nur eine Untermenge der bekannten Sorten. Es soll eine noch süssere Variante ohne Gerbstoffe geben, die sich davon abhebt. Leute, die sie haben, merken aber keinen echten Unterschied, möglicherweise auch eine Sortenverwechselung oder Fehler in der Literatur, die sich fortpflanzen, so wie die falsche Einordnung der Loquat für ein paar Jahre nach 1780.

Was macht man mit der Frucht?


Der Nutzgärter will nicht nur Schönheit, sondern auch Nutzung. Bei Mispeln ist das nicht ganz so einfach wie bei Äpfeln, die man vom Baum holt und sofort reinbeisst. Das kann man bei Mispeln theoretisch zwar auch, aber dann zieht einem die Gerbstoffkeule den Mund unangenehm zusammen.
  • TK-gelagerte und auftauende Mispeln
    Am leckersten und einfachsten sind grosse Früchte, die kurz vor dem abfallen im November oder Oktober gepflückt werden und dann unverpackt einfach in ein Gefrierfach des Tiefkühlschranks geworfen werden. Nach zwei Tagen sind sie durchgefroren. Stück für Stück (auch erst nach Monaten) kann man sie wieder entnehmen, über Nacht auftauen lassen. Aufgetaut sind sie perfekt: Weich, süss, die Gerbstoffe abgebaut und das Fruchtfleisch bleibt zunächst hell, was die Kinder freut die braunes Inneres schnell als Verderb interpretieren. Man isst sie mit oder ohne die dünne Schale, zupft nur die Kelchblätter etwas weg, spuckt die fünf Kerne und die Schale nach weglutschen des cremigen Fruchtfleischs wieder aus. Auch sofortige weitere Verarbeitung geht jetzt, zum Beispiel durch eine Passiermühle drehen und das Fruchtpürree anders weiterverwenden - Kuchen, Eis, Desserts. Besonders lecker finde ich es als Dessert, mit etwas Apfelsaft lockerer gemacht, ein Schuss Obstwasser, Zucker, mit Sahne.
  • Im 19. Jahrhundert war die Mispel auch als Zutat für Apfelmost und später Apfelsaft gesucht. Die Früchte wanderten einfach ohne enzymatische Umsetzung mit in die Mostpresse bis zu einem Anteil von maximal 10%. Die Gerbstoffe klären den Saft, das Aroma wird reicher. Das kann man auch heute machen, wenn man Apfelsaft presst oder pressen lässt.
  • Mispeln sind für reinsortige Obstwässer tauglich. Edelbrände aus Mispeln zählen zu den teuren Vertretern dieser Getränke. Wer brennen will, muss eine Maische herstellen und die dann zu einem Brenner bringen. Dafür braucht man aber gute Ernten, brauchbare Mengen liegen bei hundert Litern Maische. Die Brennblasengrösse typischer Lohnbrenner liegt bei 120 Litern.
  • Gelagert und essreif. Schmeckt viel besser wie es aussieht.
    Noch hart vom Baum geerntet kann man sie auch einfach im Keller lagern. Irgendwann setzt die enzymatische Umsetzung ein und sie werden weich und essbar. Das kann ein paar Wochen oder wenige Monate dauern je nach Umgebungstemperatur (warm gelagert geht es schneller) und Erntezeitpunkt, bis dahin muss man öfter kontrollieren ob etwas vor der Zeit schimmelt. Sind sie weich und braun, müssen sie bald verbraucht werden, die nächste Stufe ist bereits der Verderb.
  • Auch harte, gerbstoffhaltige Früchte sind verwendbar. Man jagt sie durch eine Obstmühle oder die grobe Raspelscheibe einer Küchenmaschine, presst sie mit einer Presse oder einem billigen  Nylon-Handpressbeutel
    Mispeln, in der Obstmühle zu Maische verarbeitet
    aus und behandelt den noch sehr gerbstoffhaltigen Saft mit Flüssiggelatine. Die Gerbstoffe werden ausgefällt und sinken mit der Gelatine zum Boden ab. Nach einem Tag ruhiger Standzeit giesst man die klare obere Phase des Safts ab und verwendet sie für ein leckeres Fruchtgelee oder trinkt den Saft. Für Gelee ist der Saft mit Zitrone anzusäuern, sonst geliert er mit den Pektinen handelüblichen Gelierzuckers nicht. Saft aus dem Dampfkochtopf ist minderwertig. Aus braun gewordenen Früchten lässt sich kein Saft pressen, dafür müssen sie erst zerquetscht werden und die Maische mit geeigneten Pektinasen verflüssigt werden. Die Technik all dieser Methoden ähnelt der Verarbeitung anderer gerbstoffhaltiger Früchte, im Artikel über Schlehen bereits ausführlich beschrieben. Das Prinzip ist immer dasselbe.
Mispel "Nottingham" in einem Vorgarten, 600m Höhe

Sonntag, 17. November 2019

Schlingpflanzen mit Früchten: Die Minikiwi, actinidia arguta

Actinidia Arguta, Minikiwi. Früchte der Sorte "Kens Red"
Minikiwis, Actinidia Arguta, "Scharfzähniger Strahlengriffel" haben sich nach sehr, sehr langer Anlaufzeit in den Nutzgärten Mitteleuropas ein bisschen etabliert. Während die grossfrüchtige Kiwi-Schlingpflanzen verwandte Achtinidia Deliciosa diesen Schritt in den Garten aus guten Gründen nie geschafft hat und weiterhin nur als importiertes Obst im Supermarkt zu kaufen ist, konnten die Minikiwis im Nutzgarten besser punkten. Jeder Gartenmarkt bietet sie an. Mittlerweile gibt es von dieser Strahlengriffel-Art sogar einen bescheidenen Plantagenanbau in Deutschland. Auch hier in unserer Region liegt eine Plantage, meines Wissens sogar die Grösste des Landes. Deren Früchte sind in grossen Einzelhandelsketten zu kaufen.

Herkunft


Blätter von a. kolomikta, auch als Zierpflanze beliebt
Die Art wächst wild in Nordostasien. Alle fruchtenden Strahlengriffelarten kommen aus Ostasien, es gibt viele verwandte Arten, von denen einige heute der Früchte wegen angepflanzt oder für Kreuzungen verwendet werden. Dort war a. arguta so wie andere Kiwiarten ebenfalls nicht in Kultur, nur gelegentlich wurden von wildwachsenden Pflanzen die Früchte gesammelt. Populär und kommerziell angebaut wurde sie zuerst in Russland und Kanada. Ihre Herkunft bestimmt bereits massgeblich ihre Stärken und Schwächen: Sie ist sehr Frosthart, ohne diese Frosthärte würde sie in den kontinentalen Wintern Nordostasiens nicht überleben. Sie ist wasserbedürftig, die Sommer sind feuchtwarm. Sie ist sehr spätfrostgefährdet, in Nordostasien gibt es einen schnellen Übergang von Winter zu Sommer ohne Frühling. Spätfröste gibt es in diesem Klima so gut wie nicht.

Spross A. deliciosa
Mit ihr gezüchtet wird auch schon lange und eifrig. Teilweise lassen sich auch die Arten kreuzen, so dass eine grosse Vielfalt von Hybriden entstehen kann. Viele haben sich an ihr versucht. Herr Merkel in Sachsen verbrachte ein halbes Leben damit, auch andere Privatleute züchten. In Weihenstephan züchtete man. In Frankreich entstanden Sorten. Die ersten Züchtungen stammen aus Russland und Kanada.

Dieses Jahr konnte ich bei meinen Pflanzen eine Rekordernte einfahren. Die letzten habe ich erst vor ein paar Tagen gepflückt. Kiwis ohne Ende! Grund genug, mal was drüber zu schreiben.

Pluspunkte der Minikiwis


Reicher Blütenansatz an "Maki"
Seit mehreren Jahren habe ich auch paar Sorten und konnte viele Erfahrungen mit dieser Obstart sammeln. Besonders positiv empfand ich bei ihr:
  • Wenn alles gut geht, kann sie sehr hohe Erträge liefern. Die Pflanzen haben dann mehr Früchte wie Blätter. Die Kiloerträge sind mit Wein an der Überlastungsgrenze vergleichbar.
  • Die Früchte schmecken gut und sind auch etwas haltbar, wenn man früh pflückt. Sie reifen nach, einige Sorten jedenfalls. Das Aroma ist aber nicht stark. Etwas fruchtig, etwas Stachelbeere, etwas Heidelbeere. Sie enthält aber mehr Zucker und mehr Säure wie die grossfrüchtigen Kiwis. Fast jeder mag sie. Einige Sorten entwickeln besondere Aromen, es gibt also durchaus eine gute Geschmacksbandbreite. Da ist züchterisch noch viel möglich, weil sich viele der kleineren Kiwiarten kreuzen lassen.
  • Kiwifrüchte - Mitte November!
    Sie reift etwas folgernd und kann einen enorm langen Erntezeitraum schaffen, von September bis in den November hinein. Das ist gut für den Selbstverbraucher, der lieber über einen längeren Zeitraum erntet statt mit einer eine kurzzeitige Obstlawine zugeschüttet zu werden.
  • Krankheiten gibt es weniger. Pilzkrankheiten sind unbekannt, es gibt auch keine blattfressenden Insekten. Pflanzenschutz wegen spezieller Kiwikrankheiten ist unnötig. Da wird sicher noch einiges kommen, aber bis jetzt ist Ruhe. Eine Pilz-Wurzelkrankheit breitet sich bereits von Italien her aus.
  • Im Wuchs gleicht sie Schlingknöterich, sogar die Blätter sind ähnlich. Sehr wild, sehr schlingend und sehr dicht. Sie ist gut geeignet, wenn man unter einem grünen Blätterdach sitzen will.

Nachteile


Die Nachteile sind leider mindestens so zahlreich. Es hat schon seinen Grund, dass sie lange nur zögerlich gepflanzt wurde.
  • Die meisten Beschreibungen und Gartenbücher handeln es nur mit einem Halbsatz ab, aber in vielen Gegenden Mitteleuropas, auch in meiner, herrscht jedes zweite Jahr ein kompletter Ernteausfall wegen Frostschäden im Frühling. Dieses Gewächs hat nämlich die üble Angewohnheit, verdammt früh auszutreiben, schon Mitte April kann viel Grün zu sehen sein. Die Blüten kommen zwar erst Anfang Juni, aber wenn es ab Austrieb noch einmal Nachtfrost gibt, dann sterben alle ausgetriebenen Teile ab und mit ihnen die Bütenknospen. Ende, aus, vorbei. Die Ersatzknospen haben keine Blüten mehr. Nächste Chance nächstes Jahr. Das äusserst unstete Wetter Mitteleuropas mit sehr grossen und plötzlichen Temperaturspüngen ist eine Katastrophe für solche Obstarten. Wir hatten die letzten Jahre lange und starke Warmphasen im Winter, frühen Austrieb und dann knallte im Mai immer wieder ein Wintereinbruch auf uns herunter, der sich gewaschen hatte. Besser: Kontinentaleres Klima, höhere Lagen.
  • Die Hitzetoleranz von Actinidia Arguta ist gering. Blattschäden durch starke Sonneneinstrahlung kombiniert mit Hitze gibt es jedes Jahr bei mir. Auch das konnte man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen, aber mittlerweile haben wir Junitage mit an die 40°C im Garten, wo Gebäude und Windbremsen die ohnehin schon hohe Temperatur weiter nach oben bringen. Ich habe sie auf einer Nordseite gepflanzt, das geht gerade so. Freunde vor Ort probierten es auf einer Südseite, neben Wein. Das ist trotz viel Pflege misslungen. Andere Pflanzen wachsen auf 450m und 700m, letztere Pflanze wird nicht immer reif, aber die 450m in Süddeutschland samt etwas mehr Regen lässt sie gut und pflegearm wachsen.
  • Ihr Wasserbedarf ist hoch und sie ist auch noch Flachwurzler. Da die oberen Bodenschichten immer schnell austrockenen, muss in der Regel im Sommer generell in Trockenphasen breitflächig Wasser zugeführt werden. Auch hier sind feuchtere, kühlere Höhenlagen im Vorteil. Im kommerziellen Anbau ist Bewässerung Pflicht.
  • Die Ranken wuchern wie Schlingknöterich, sie ist schwierig zu erziehen und an Rankhilfen zu führen, schwieriger wie Wein. Triebe hören plötzlich auf zu wachsen, irgendwo von unten kommen wieder Langtriebe, nichts ist berechenbar.
  • Ein überraschender Hauptnachteil existiert erst seit ein paar Jahren, aber er ist gravierend. Kiwis werden trotz ihrer grünen Farbe radikal und vollständig von der Kirschessigfliege abgestochen. Die Früchte faulen innerhalb von Tagen, nachdem sie der Schädling angestochen hat um darin Eier abzulegen. Aus den Früchten mit dem langen Erntefenster wird stinkender, gärender Matsch und lange Naschzeit ist Geschichte. Nachdem der Mensch in seiner wahnsinnigen Gewinngier nach sofortigem und grenzenlosen Schnellstfreihandel alles unternimmt, um katastrophale Schädlinge von allen Kontinenten zu importieren, sind damit Minikiwis auch fertiggemacht worden. Hier sind Hitzsommer mal ein Vorteil: Eine Woche mit durchgängig mehr als 30°C bremst die Kirschessigfliege, oft auch bis in den Herbst hinein. Ansonsten bleibt nur, die Beeren unreif zu ernten und im Haus geschützt nachreifen zu lassen. So machen es auch die Plantagen, bei der Ernte sind sie noch hart. Dieser Punkt hat mir weitere Anbauversuche mit mehr Sorten verleidet, mit dem Qualitätsnachteil der Frühernte wird die Frucht weniger attraktiv für mich. Gegen die Kirschessigfliege hilft die beste Sorte nichts. Schutznetze kann man bei Schlingpflanzen vergessen.
  • Katzen lieben sie, sie wetzen ihre Krallen am Stamm, kratzen am Wurzelraum herum, kauen auf Blättern. eventuell ist ein Schutz nötig.
  • Die Verwendung der Früchte ist nicht so universell wie man sich erst erhofft. Trocknen gibt kein gutes Ergebnis, Saftherstellung ist mühsam und zu wenig interessant. Die Marmelade wird etwas langweilig. Mit Joghurt oder Quark schmeckt sie nicht, darin wird sie bitter weil sie das Enzym Actinidin enthält, das die Caseine der Milch spaltet. Ihre Stärke ist nur der Frischgenuss.
  • Kiwi, männliche Blüten
    Wie alle Strahlengriffel ist auch die Actinidia Arguta einhäusig. Es gibt weibliche Pflanzen und männliche Pflanzen, ansonsten findet keine Befruchtung statt. Gerne wird sie Sorte "Issai" und ein paar Nachfolger als selbstfruchtbar verkauft, aber das ist eine weitverbreitete Lüge. Kiwis sind niemals selbstfruchtbar. Issai ist rein weiblich und setzt nur deshalb einige kleine Früchte ohne Befruchter an, weil sie parthenokarp ist, also jungfernfüchtig und nicht selbstfruchtbar. Die Erträge sind damit aber gering und die Früchte bleiben klein. Die Einhäusigkeit bringt Folgerisiken mit sich. Oft stellt sich heraus, dass der Verkäufer Mist gebaut hat, nach drei Jahren bei der ersten Blüte stellt der frustrierte Nutzgärtner fest, dass alle gepflanzten Kiwigehölze männlich oder alle sind weiblich. Oder die Geschlechter werden verwechselt. Falschdeklarationen passieren bei Verkäufern leider oft. Das sind zusätzliche Risiken bei dieser Obstart, die man tragen muss. Möglichkeiten, das Geschlecht ohne Blüte vorab herauszubekommen gibt es nicht. Die Pflanzen sehen identisch aus, bis auf den Bau der Blüten.

 

Sorten


Eigene Erfahrungen habe ich mit Ananasnaya, Weiki, Maki, Kens Red, Issai und einer männlichen Befruchtersorte. Bis auf Kens Red und Issai sind das auch Plantagensorten, weil sie gute Erträge bringen und vor allem ein gutes Nachreifeverhalten zeigen. Der Eigentümer unserer örtlichen Plantage probiert auch viele neue Sorten versuchsweise aus, bleibt aber weiterhin bei den genannten, deren Vorteile immer noch überwiegen. Mittlerweile gibt es grossfrüchtigere Züchtungen, die aber wieder andere Nachteile haben.

Reiche Ernte von "Ananasnaya"
Ananasnaya wird schon sehr lange in Plantagen in Russland und Kanada angebaut. Sie hat oft eine etwas rötliche Schalenfarbe, innen ist sie wie fast alle Sorten grün. Sie schmeckt, hat wenig Probleme. Maki liegt auf gleichem Niveau. Die Pflanzen oder Früchte sind nicht auseinanderzuhalten. Im Aroma sind diese Sorten ausgereift gut. Dieser Punkt ist erreicht, wenn eine Frucht gerade eben weich geworden ist. Das Eigenaroma ist aber wie bei fast allen Minikiwis nicht wirklich stark und nach etwas Kühllagerung verschwindet es vollends, auch wenn die Früchte noch sehr gut aussehen. Zucker-, Säure- und Vitamingehalte sind durchaus hoch, ein gewisse Mundfülle ist vorhanden, aber eben nicht mit viel Eigenaroma. Es liegt genau im Stil von lange gelagerten grosser grüner Actinidia Deliciosa - Kiwis wie "Hayward". Zuckergehalte von 90° OE (18,5° Brix) bei voller Reife sind bei allen Sorten normal.

Minikiwi-Sorte Kens Red an der Pflanze
Geschmacklich und vom Ertrag zeigt dagegen Kens Red deutliche Unterschiede. Sie ist eine Hybride aus actinidia arguta und mit actinidia melanandra, dem schwarzen Strahlengriffel, der rotfleischig ist. Sie schmeckt mir deutlich besser, hat Anklänge von tropischen Aromen und wenig, aber feine Säure. Allerdings trägt sie auch weniger gut. Die Reifezeit liegt gleichauf wie die anderen Sorten im Herbst, manchmal beginnt sie etwas früher. Ihr Wuchs ist auch schwächer, was sie als Gartenpflanze besser geeignet macht wie die sehr wuchsstarken und damit pflegeintensiveren Standardsorten. So wie bei manchen andere Kiwiarten (z.B. actinidia kolomikta) lösen sich reife Früchte von selbst und fallen herunter.

"Issai" hat nur einen einzigen Vorteil, sie setzt Früchte ohne männlichen Befruchter an. Dann bleiben sie aber klein und spärlich, fallen auch gerne von selbst ab. Aber man kann sie ohne zweite Pflanze ausprobieren. Ihren Geschmack finde ich unterdurchschnittlich, sie hat einen gemüsigen Ton, den andere Sorten nicht haben. Ausserdem ist sie nicht ganz so frosthart wie die anderen Sorten. Eingekreuzt ist actinidia rufa, die nicht richtig frosthart ist.

Weiki ist die älteste deutsche Züchtung, ebenfalls problemlos, ganz ähnlich wie Maki und Ananasnaja. Auch sie zeigt gut gutes Nachreifeverhalten. Etwas kleine Früchte bei mir.

Die Ernte erfolgt am besten so, wie sie reif werden. Dass es folgernd reifende Früchte sind, erfreut den Nutzgärtner, erreicht er doch damit eine lange Phase, in der ihm die Früchte frisch zur Verfügung stehen.

Verwendung


Kiwimarmelade - naja.
Frisch essen ist auch die beste Verwendungsart. Marmelade ist etwas gewöhnungsbedürftig und sticht manchmal auf der Zunge. Mischungen können ganz gut werden. Da Kiwimarmelade sehr fest werden kann, kann man auch Säfte bei der Zubereitung hinzumischen, der Kiwianteil sollte aber 50% nicht unterschreiten. Übermengen kann man durch die Passiermühle drehen und das Mus einfrieren, später für Desserts, Kuchen, Eis verwenden. Saft ist aufwendig, das lohnt sich nicht.

In den nächsten Beiträgen wird es um Pflanzung und Anbau gehen, dann wird die Kiwiplantage der Region vorgestellt und genauer auf die beiden Geschlechter der Art eingegangen.