Dienstag, 19. November 2024

Birnen lagerfähig ernten

Gräfin von Paris auf gutem Boden, halbwegs windoffen

Den besten Erntezeitpunkt von Birnen zu wissen gehört zur Königklasse des Hobbyobstbaus. Nur zum richtigen Zeitpunkt geerntete Birnen liefern volle Qualität. Und wenn es Winterbirnen sind, sind sie nur dann auch lagerfähig. Zu spät geerntet: Trocken, bald teigig, nicht lagerfähig. Zu früh: Wenig Zucker, kein Aroma, wird nicht schmelzend, schrumpft. Äpfel verzeihen verschobene Erntezeitpunkte besser wie Birnen und Äpfeln sieht man es viel leichter an, wann der richtige Zeitpunkt erreicht ist. Ein Thema war das schon hier im Blog, dabei ging es um die bekannteste Sommerbirne - Williams Christ. Viele Kenntnisse über Birnen sind nur noch Spezialwissen. Früher waren Birnen nicht nur im Anbau, sondern auch im Konsum beliebter, man hat sie auch viel mehr in der Küche eingesetzt, frisch, getrocknet, eingemacht. Der Pro-Kopf-Verbrauch ist auf 2,5kg pro Jahr gesunken. Als heimisches Obst sind sie im Winter trotzdem unschlagbar. Eine süssaromatische, schmelzende Birne aus dem Lager im Januar transportiert uns die Wärme und das Licht des Sommers in den Winter und zwar ohne Verschiffung um die halbe Welt. Käuflich zu erwerben ist aber wenig Genuss, das Supermarktregal ist beherrscht von aromafreien Zuckerrübenbirnen wie "Conference".

 

Der Ernte- und Lagerversuch mit "Gräfin von Paris"

Gräfin von Paris in ungünstiger Lage

Dieses Jahr gab es eine gute Ernte der Birne "Gräfin von Paris", eine hier ziemlich verbreitete und schon öfter genannte Sorte, die ich von mehreren Standorten kenne selber schon lange habe. Sie ist keine Aromakönigin, aber brauchbar, wenn ihr der Standort zusagt. Ich habe noch viele Wintersorten mehr, aber wegen der längst üblichen Probleme mit Spätfrost einfach zu wenig Versuchsmasse, hinzu kommt ein erneutes Jahr mit starkem Wicklerbefall am gesamten Kernobst. Aber immerhin hatte die Gräfin etwas dranhängen. So viel, um mal ein bisschen damit zu experimentieren. Also das alte Spiel betrieben: Mit verschiedenen Erntezeitpunkten gepflückt, dann unter identischen Bedingungen gelagert. In diesem Fall in einem Aussengebäude mit 2-8°C. 


Und diese Ergebnisse brachte die Gräfin von Paris:

5. Oktober, 15. Oktober, 23. Oktober - optisch wenig Unterschied
  • Geerntet am 5.10.24, Probierdatum am 12.11.24. Sie wurde bis dahin fühlbar weicher, gelber. Die Birnen dieser Erntewoche hatten dann 40° OE bis 60° OE, also ziemlich unterschiedlich. Einige waren gar nicht süss, andere mittelgradig süss, aber alle saftig, im Aroma wirken sie jedoch sehr leer. Die Spitze Richtung Stiel beginnt zu trocknen, sie welkt also. Das Fruchtfleisch hat unter der Schale noch einen Grünschimmer. Fazit: Fehlschlag. Eindeutig zu frühe Ernte. Dann im Lager gereift, aber nur bis Supermarktqualität. Immerhin kein Totalverlust.
  • Geerntet am 15.10.24. Ebenfalls weich und saftig im Fruchtfleisch, kein Grünschimmer mehr, aber die Schale wurden nicht gelber im November. Sie hatten 70° OE im Schnitt mit weit geringerer Streuung, waren süss, vollsaftig, schmelzend, auch etwas Aroma.
  • Den Baum abgeerntet am 23.10.24, die Früchte begannen dann an Behangfestigkeit zu verlieren, einige gingen schon recht leicht ab. Ergebnis am 12.11.24, also knapp drei Wochen Lager: Bis zu 80° OE, süss, saftig aber noch fest, Aroma vorhanden, kann mutmasslich noch gelagert werden. Die Schale ist grün, das Fruchtfleisch hat keinen Grünschimmer.
Gräfin nach gut einem Monat Lagerdauer

Ausser Konkurrenz hatte ich in früheren Jahren auch Birnen einfach hängen lassen bis sie von selbst gefallen sind. Die Gräfin wurde dann in warmen Jahren fester, trockener, nicht mehr schmelzend, qualitativ ging es abwärts. In kühlen Sommern kam es erst nach Frost zum Fruchtfall und dann war sie noch gut, weil sie die Überrreife gar nicht mehr erreichte. In guten Sommern fing sie zwischen Mitte und Ende Oktober an abzubauen.

Am Baum war kein Unterschied zu erkennen - die Gräfin bleibt auch bei fortschreitender Reife grün, hellt nur ganz leicht und schwer erkennbar auf, hatte nur wie üblich etwas Russtau wegen hoher Luftfeuchtigkeit im Sommer. Man kann sich also bei der Ernte nicht an Schaleneigenschaften orientieren - ein typisches Birnenproblem vieler Sorten. Das Fruchtfleisch ist beim pflücken immer fest, rübig, aber die Süsse schmeckt man.


Wann also ernten?

Verschiedene Erntezeitpunkte

Der machbarste Weg ist somit die Zuckermessung plus Datum. Einen Tropfen Saft aus dem Fruchtfleisch pressen und aufs Refraktometer geben, Brix oder Öchsle messen. Dann ist dieser Wert zu beurteilen aufgrund von Erfahrungswerten. An meinem Standort sind 70°-80° OE als Höhepunkt immer nochmal gewesen. Für diese Sorte wäre also die Ernteregel: Nicht vor Mitte Oktober, nicht unter 70° OE.

Bücher und Internetseiten von Erstellern, die sie nicht selbst haben sind in diesem Zusammenhang wertlos. Zu den früher empfohlenen Erntezeiten der Gräfin im November liegen meine Birnen in warmer Lage schon auf dem Boden. Egal welche Erntezeit, auch die immer abgeschriebene Lagerdauer "Januar oder später" haben sie noch nie geschafft, egal wann geerntet. Nach drei bis fünf Wochen sind sie essreif und halten dann höchstens vier Wochen. Schliesslich werden sie von innen braun und verderben. So weit wollen wir es aber nicht kommen lassen. Geniesst mehr Birnen!

Und leider auch wie alle Birnen von Vögeln angehackt

3 Kommentare:

  1. Ich habe auch (mutmaßlich, sie war schon gepfropft, als wir den Garten kauften) eine "Gräfin von Paris". Ich habe eine Weile gebraucht, um zu kapieren, dass man die lagern muss :-)

    Bei uns auf der Höhe (600m Nordschwarzwald) musste ich die noch nie ernten, weil die immer unreif zu Boden fällt. Dann hat man halt Glück und sie hatte genug Sonne oder (wie das bei uns sehr verregnete und kalte 2024) man hat Pech...

    Ich wickele das unreife Obst immer in Zeitungspapier (4-6 Stück auf einmal), wegen Obstfliegen, Schimmelsporen und anderem Viehzeug, und stelle es in so Obstkisten in den relativ kalten Flur. Einmal die Woche schaue ich alles durch und sortiere verfaulende Sachen aus, bzw. verwerte davon, was noch zu gebrauchen ist. Das gut gereifte Zeug kommt ins Obstfach vom Kühlschrank.

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    1. Und ja, die Gräfin kann sehr lecker werden. Knallgelb, saftig und aromatisch, leider ist sie ziemlich schorfanfällig und daher oft nicht so ansehlich.

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    2. 600m Höhe ist schon schwierig, hier bleibt sie auf 300 manchmal rübig. Lagerbirnen für höhere Standorte wäre z.B. Josephine aus Mecheln, Madame Verte oder die Winterforellenbirne. Die Gräfin in Tallage hat zuverlässig jährlich Schorf und auch Russtau, auf der windigen Hochfläche nie.

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