Mittwoch, 29. August 2018

Der Trockner, ein Segen für den Erntesegen

Irgendwann im Sommer rollt sie an, die Obstlawine. Ist die Ernte gut, dann wird gegessen, verarbeitet, verschenkt was das Zeug hält. Natürlich verarbeitet man einiges, um es haltbar zu machen. Seltsamerweise sind heute alle möglichen Verarbeitungsmethoden populärer wie die über Jahrtausende beliebteste und wichtigste Methode, dem Wasserentzug durch Trocknung. Aber nicht bei uns, der Trockner läuft und läuft und läuft seit ein paar Wochen wie jedes Jahr.

Es war einmal

Birnen und Zwetschgen, zwei Klassiker, fertig gedörrt
Alte Herbstbirnensorte für Hutzeln

In vielen Weltgegenden konservierte man schon sehr lange alle möglichen Nahrungmittel durch trocknen und dörren. Aber so ein hoher Stellenwert wie in Mitteleuropa seit dem Mittelalter wurde nirgends erreicht. Eine Gunstlage gibt es nördlich der Alpen nicht gerade, der lange Winter und eine Bevölkerungsdichte, die immer an der äussersten Grenze der verfügbaren Ressourcen lag, machte es zur Überlebensfrage, die Erträge der hohen aber kurzen Erntespitzen des Sommers haltbar zu machen. Am beliebsten war dörren, noch vor salzen und räuchern. Gedörrt wurde buchstäblich jedes Obst, am beliebtesten waren Birnen, jedes Steinobst, ausserdem Fisch und Hülsenfrüchte. Fast jeden Tag gab es im Winter Dörrobst z.B. eingeweicht als süssliches Kompott. Es wurde auch verbacken (Birnenbrot, Hutzelbrot, Zelten, Früchtebrot). Dörobst war neben Honig und dem teuren importierten Zucker der einzige verfügbare Süsselieferant. Ungeheure Mengen wurden im- und exportiert, auch über weite Stecken. Schon damals waren getrocknete importierte Feigen, Datteln, Rosinen Handelsware, die sich auch weniger wohhabende Bürger leisten konnten. Der Export getrockneter Knausbirnenhutzeln war im 19. Jahrhundert zeitweise Württembergs grösstes Exportgut, trug massgeblich dazu bei, Geld ins Land zu bringen und sorgte indirekt für einen Aufschwung anderer Wirtschaftszweige. Gedörrt wurde Obst auf grossen Holzgitterrosten, eingeschoben in den Brotbackofen im Backhaus, der noch nach dem Brotbacken warm war. So konnte auch die Restwärme des Backens noch genutzt werden. Zum Schluss im 19. Jahrhundert kamen auch grosse, industriell gefertige Dörrapparate mit eigener Feuerung in Mode und dann war das Zeitalter der Trockung auch schon vorbei. Birnenbrot ist heute eine selten gebackene Spezialität, die braune Dörrobstsuppe als Nachtisch gibt es nicht mehr. Trockenobst gibt es aber nach wie vor, ist aber mehr Lifestylenahrung, mal mehr und mal weniger in Mode. Der vorletzte grosse Aufschwung kam Anfang der 1980er Jahre im Zuge der ersten grösseren Ökowelle und im Moment gibt es auch einen Aufschwung. Aber anhaltend verwendet wurden in den letzten Jahrzehnten nur noch Rosinen aus kernlosen Weintrauben, Datteln und Feigen sind ebenfalls beliebt, alles importiert - einheimisches Trockenobst ist kaum zu finden, selbst die Birnenschnitze kommen aus Chile.

Was geht?


Tomaten, fertig zur Trocknung.
Nicht zu kleine Stücke nehmen!
Alles geht. Was Garten, Obstwiese und Wald hergeben. Ich habe schon Apfelringe, Birnenschnitze und Hutzelbirnen, Weintrauben, Kirschen, Mirabellen, Renekloden, Zwetschgen, Aprikosen, Tomaten, Paprika und Pepperoni, alle Kräuter, Pilze, Maulbeeren, Quittenmus, Kürbiskerne und einiges mehr getrocknet. Kakis und Pawpaw werde ich noch testen. Meine vier beliebtesten Trockengüter:
  1. Birnen. Sommerbirnen. Vor allem Williams Christ, das gibt herrliche Ergebnisse. Birnen bleiben getrocknet schön aromatisch, die Schnitze kann man wie Süssigkeiten lutschen. 
  2. Tomaten. Die Trocknung ist Vorstufe fürs Einlegen mit Kräutern in Öl und alle möglichen anderen Rezepte, z.B. Brotaufstriche.
  3. Weintrauben. Beste Verwertung für Übermengen guter kernloser Sorten. Das ergibt Rosinen, die sehr viel ausgewogener und aromatischer sind wie importierte Rosinen aus dem Supermarkt, die alle aus derselben kernlosen aber aromaarmen Sorte (Sultana bzw. Thompson Seedless) hergestellt sind.
  4. Kirschen. War auch im Mittelalter sehr beliebt. Werden zwar sehr dunkel, aber bleiben auch sehr lecker! Fürs Müsli, Gebäck, zum naschen.
Fleischtomaten, halbiert, fertig getrocknet

Mit was gehts?


Mit einem Dörrgerät. Für reine Lufttrocknung ist Obst zu wasserreich, da ist der Verderb meistens schneller. Einen guten Dörrapparat zu bekommen ist leider alles andere als einfach und auch nicht billig. Vor dieser Investition schrecken viele Leute zurück oder kaufen sich billigen Schrott, mit dem sie nichts erreichen und nicht glücklich werden.

Im Backofen gehts auch - Apfelringe
Angefangen habe ich so wie Viele mit dem Backofen. Vor allem bei Apfelringen klappt das auch sehr gut. Man hobelt dünne Ringe, fädelt sie auf Holzstöcke und schiebt die in die Backblechhalterungen des Ofens. Temperatur auf 60°-70°C , Tür einen Spalt offen stehen lassen damit Feuchtigkeit entweichen kann, trocknen. Dauert im Schnitt zwei Tage. Oder man schiebt das Trocknungsgut auf Blechen ein. Nicht so gut, aber geht auch. Schliesslich gibt es die Dörrgeräte. Davon sind drei Gruppen zu unterscheiden.

Sonderangebot für ein einfaches Dörrgerät.
War sofort ausverkauft - die Nachfrage ist da
Gruppe 1 sind die einfachen Geräte für meist unter 100 EUR. Heute generell in China gefertigt (egal welche Marke draufsteht), klein, schlecht konstruiert, unflexibel. Da gibt es unterschiedliche Temperaturverteilungen, falsch gerichtete Luftströmungen, schlechter Wirkungsgrad mit hohem Stromverbrauch, man dreht dann die Temperatur hoch weil es sonst viel zu lange dauert, der Geschmack leidet. Es sind optisch aufgemotzte, aber simple und oft verhunzte oder mit unnötigen Digitalanzeigen aufgepeppte Nachbauten von Geräten, die es schon vor 1970 in Europa und den USA gab. Die Siebhöhe fürs Dörrgut ist bei diesem Gerätetyp meist unflexibel, sie altern und zerbrechen dann bei intensiver Nutzung, die Trocknungsfläche liegt unter einem halben Quadratmeter, die ganze Konstruktion ist einfallslos. Praktisch alle runden Geräte wurden von den Stöckli-Dörrapparaten abgekupfert. Für den Einstieg und den Eigenbedarf von Einzelpersonen mag das genügen, aber eigentlich ist es Geldverschwendung.

Der Excalibur
Temperaturregelung
Gruppe 2 sind die teureren, semiprofessionellen Geräte. Leider geht es da beim Preis schon sehr nach oben. Lange waren die verschiedenen Modelle des Excalibur Standard, auch aus Plastik in der billigeren Version, aber defintiv haltbar und flexibel, fünf Jahre Garantie. Er besitzt stufenlose Temperatursteuerung über einen weiten Bereich, sehr praktische Siebkonstruktionen, gute Raumausnutzung, über einen Quadratmeter Dörrfläche in der Version mit neun Einschüben, im Vergleich zu anderen Geräten sparsam. Seine Nachteile sind die Lautstärke des Ventilators und der hohe Preis der Versionen mit mehr Metall. Aus Italien ist der Biosec Domus B10, spielt in einer ähnlichen Liga und hat einen leiseren Ventilator, allerdings etwas unförmiger. Ähnlich sind die Geräte "Tribest Sedona" (Firma aus Kalifornien, gefertigt in Korea und China), teilweise mit mehr unnötigem Klimbim, das auch schneller kaputtgehen kann, aber auch Vorteilen. Von Tre Spade / Italien kommt die "Atacama" - Serie, leider mit mässig grosser Fläche. Auf Zeitschalter kann man verzichten, relevant ist nicht die Laufdauer, sondern der Trocknungszustand, aber Sensoren für die Feuchtigkeit hat keines dieser Geräte. Günstig sind auch verfügbare Zusatzteile wie z.B. beschichtete Einlagen, um auf einfache Weise Fruchtleder herzustellen. Die Oberklasse in Gruppe 2 stellt der Hendi Profi Line Dörrapparat dar, Metall und gutes Design. Vorsicht, miese chinesische Kopien machen sich auch in diesem Markt sehr breit, notorisch sind Markennamen wie "Klarstein", versehen mit viel buntem Plastik, bling-bling und bezahlbar wirkend.

Offen, neun Einschübe
Unser Gerät ist schon älter, es ist ein grosser schwarzer Excalibur. Es läuft seit Jahren sehr oft, funktioniert aber immer noch einwandfrei, die Einschübe sind gut zu reinigen. Die aufsummierte Trocknungsfläche beträgt 1,1 Quadratmeter. Seinen Stromverbrauch habe ich über längere Zeiträume gemessen, in 24 Stunden verbraucht er 7 kwh bei mittlerer Temperatureinstellung (45°C), das sind bei unseren Strompreisen zwei Euro Stromkosten pro 24-Stunden Tag und ein guter Wert bezogen auf die Trocknungsmenge. Auf den 9 Sieben lassen sich rund 10kg Obst auf einmal dörren, egal ob Birnenschnitze oder Zwetschgen. Ein dicker Eimer Obst lässt sich anschliessend in getrockneter Form in ein grösseres Einmachglas packen.
Träger und Netz des Einschubs, leicht zu reinigen
Kein Profigerät. Birnen bei der Ofentrocknung.
Gruppe 3 sind Profigeräte. Für Leute, die wirklich Viel haben und Gedörrtes verkaufen wollen. Typisch für diese Geräte sind eingebaute Entfeuchter. Sie schaffen es, bei niedrigen Temperaturen (30-45°C) trotzdem sehr viel sehr schnell und energiesparend zu trocknen. Damit bleibt die Qualität sehr gut. Sie sind in beliebigen Grössen lieferbar, generell aus Edelstahl, Ersatzteile und spezielle Modifikationen vorhanden. Die Preise beginnen allerdings auch im besseren vierstelligen Bereich. Mehrere Firmen sind auf diesem Markt aktiv, z.B. Untroma. Wer Platz hat, kann für den Preis eines halben Hauses damit drei Tonnen Material pro Tag trocknen incl. Energierückgewinnung. Interessante Technik, aber nicht ganz die Kragenweite der Gartenzone.

Durchdachte, ökonomische Geräte für den Hausgebrauch gilt es leider nicht. In diesem sonnigen Sommer hätte ich mir z.B. ein Gerät gewünscht, das zusätzlich Sonnenwärme nutzen kann. Scheint keine oder zu wenig Sonne, könnte die elektrische Heizung entsprechend mehr Wärme liefern. Eine Energieeinsparung würde sich auf jeden Fall ergeben. Mein Sonnenwachsschmelzer für Bienenwachs ist auch nur ein kompakter Kasten und erreicht ohne Lüftung schnell 90°C Innentemperatur. Schade auch, dass die Entfeuchtungstechnik bei Trocknern so wahnsinnig teuer ist. Klimaanlagen und freistehende Luftentfeuchter schaffen diese Technik für einen Bruchteil des Preises. Trockengeräte für Privatleute sind eben kein Markt, für den sich Entwicklungsaufwand lohnt.

Wie gehts?


Getrocknete Mirabellen
Einfach. Obst vorbereiten, entkernen, zurechtschneiden, dicht auf die Siebe legen, trocknen. Bis maximal 50°C sind für Obst ein guter Wert. Darüber lässt die Geschmacksqualität stärker nach, auch die Ränder werden schnell knacktrocken, während das Innere noch zu feucht ist. Kräuter und Pilze sollten kühler getrocknet werden, das geht sehr schnell. Für Kräuter benötigt man kaum einen Trockner, dafür reicht die Sonne oder ein trockenes Dachgeschoss. Fisch und Fleisch (wers braucht) wollen es heisser. Grosse Birnenschnitze oder dicke Tomatenhälften benötigen bis zu drei Tage, dünnere Dinge gehen deutlich schneller. Dinge mit vielen offenen Schnittflächen gehen schneller weil die Verdunstung besser ist. Die halbierten Mirabellen mit der grossen Schnittfläche sind viel früher fertig wie kleine kernlose Weintrauben ohne Schnittfläche. Man trocknet Obst nicht, bis es steinhart geworden ist. Eine Restfeuchtigkeit ist sinnvoll. Die Struktur der Früchte sollte auf jeden Fall gleichmässig zäh geworden sein, ohne weichfeuchten Kern. Im Zweifel Proben nehmen, aufschneiden. Unter Umständen ist es sinnvoll, die schneller trocknenden kleinen Stücke schon abzuräumen und den grösseren Stücken noch mehr Zeit zu gönnen.

Trocknung von Kirschen. Links frisch, rechts der Trockungsfortschritt von Tag zu Tag

Kirschen, fertig getrocknet.
Um das Gerät ökonomisch zu nutzen, trocknen wir oft kontinuierlich. Nach einem Tag sind die Kirschen zum Beispiel schon kräftig geschrumpft. Wir schieben sie zusammen und bekommen so erneut freie Siebe, die mit neuen Kirschen oder etwas Anderem belegt werden. So läuft der Trockner immer voll belegt. Der Stromverbrauch ist im vollen Zustand derselbe wie halb leer.

Getrocknetes packen wir in luftdichte grosse Gläser, Twistoffgläser oder Vorratsgläser mit Bügelverschluss. Im Keller hält sich so etwas sehr, sehr lange. Ist etwas zu hart und trocken geworden, kann man es einfach offen stehen lassen, Trockenobst ist hygroskopisch, es zieht von selbst wieder Wasser an wenn verfügbar und wird dann weicher.

Der Ventilator unseres Trockners ist laut. Stört uns nicht, er läuft auf dem Dachboden oder im Wohnzimmer über Nacht. Andere Geräte haben eine Leiseschaltung mit verminderter Gebläseleistung. Die Abwärme ist nicht gross, kann im Herbst aber willkommen sein, weil sich dadurch der Heizaufwand in dem Raum in dem er steht entsprechend verringert. Eine erhöhte Luftfeuchtigkeit konnte ich im Raum auch nicht feststellen, dazu sind die Trocknungs- und damit die verdunstete Wassermengen zu gering.

Für die Auswahl der Rohstoffe gibt es kaum Regeln. Saftreiches Obst oder Tomaten gehen schlechter, das ist klar. Hier ist vielleicht Fruchtlederherstellung die bessere Wahl. Säure verstärkt sich geschmacklich durch Trocknungskonzentration stärker wie Zucker, also sind säurearme Sorten gut geeignet. Weintrauben nur kernlos, hat man sehr grosse Beeren kann man sie auch vorher halbieren und entkernen. Ein Trockner mit horizontaler Belüftung ist auch am Besten für die Herstellung von Quittenspeck und anderem Fruchtleder gut geeignet. Dafür gibt es endlos Rezepte und Bücher, denn es ist gerade in Mode.

Beispielkalkulation getrocknete Rosinen


Um ein Gefühl für die Grössen- und Mengenverhältnisse zu bekommen, möchte ich ein paar Zahlen zur Trocknung kernloser Tafeltrauben zu Rosinen zeigen, wie wir sie diesen September wieder hergestellt haben.
Ausgangsmenge: Zwei locker gefüllte Eimer von je 11 Liter Inhalt (die typische Putzeimergrösse, darin waren die frisch geernteten aber weniger schönen Trauben der Sorte "Suffolk Red".
Verwendete Menge: Die Beeren von den Stengeln lösen, schlechte und sehr kleine Beeren aussortieren, übrig blieb knapp ein Eimer Weinbeeren, also rund 10 Liter, 10kg. Die passen locker auf die neun Siebe des Trockners. Man könnte noch etwas mehr drauflegen.
Nach Trocknung: Nach vier Tagen (Weintrauben trocknen sehr langsam) bei 50° kommen 2,2 bis 2,5kg Rosinen aus dem Trockner. Die passen in vier bis fünf Standard-Gurkengläser (Inhalt je 720ml). Ungeschwefelt, 100% bio, lecker.

Fertig getrocknete Weintrauben auf den Trockensieben
Williams Christ Birnenschnitze
Das war mal ein Eimer Williams Christ Birnen
Apfelringe. Sehr lecker und beliebt.

1 Kommentar:

  1. Sehr informativ!

    Grüße von Vogelsberg aus dem Gartenforum

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