Samstag, 22. November 2025

Süsse Kürbissorten im sauren Jahr

Dieses Jahr war mein Motto im Kürbisbeet "süsse Sorten". Sorten, die gebacken besonders gut schmecken, dabei süsser werden. Das Jahr der süssen Kürbissorten. Leider war das Jahr sauer, sehr schwierig für Kürbisse. Ein später Bodenfrost am 22. Mai richtete viel Schaden an, danach regnete es zwei Monate nicht mehr, um dann zur Reife hin kühl zu werden, eigentlich stimmte gar nichts. Aber etwas war dann doch zu ernten, nicht so viel wie sonst und auch reifeknapper.

Kürbisstile

Was versteckt sich da für eine süsse Sorte unter den
Kürbisblättern?

Kürbisse sind weitgehend amerikanische Arten, nur Flaschenkürbisse der Art Lagenaria siceraria waren immer schon weltweit verbreitet. Heute werden die drei Hauptarten Moschuskürbis (Cucurbita moschata), Riesenkürbis (Cucurbita maxima) und Gartenkürbis (Cucurbita pepo) auf allen Kontineten angebaut. Jede Gegend hat dabei ihre Schwerpunktstile entwickelt. 

In Nordamerika werden süsse Varianten vorgezogen und auch süss zubereitet, klassisch ist der Kürbiskuchen, Pürree, Muffins, oder einfach im Ofen gebacken. Natürlich gibts auch genügend scharfe und herzhafte Gerichte, aber die süssen Verwendungen ist sind schon sehr nordamerikanisch.

Manche Sorten machen gerne Addentivwurzeln

Deutschland und Osteuropa lieben die Kürbissuppe und nehmen dafür Hokkaidokürbis, das sind Cucurbita moschata Sorten. Ansonsten sind in Europa Eintöpfe damit beliebt, Risotto, Gratins. Dafür sind süsse Sorten weniger geeignet, wichtiger sind Konsistenz, Farbe.

In Asien werden sie gerne und viel verwendet, die amerikanischen Arten auch kräftig weitergezüchtet. Weichgekocht mit speziellen Sossen, gebraten, frittiert, Brei, es gibt alles. Kürbis wird dort aber generell seltener gebacken oder überbacken, häufiger gedämpft, gekocht oder gebraten.

Afrika hat auch Rezepte mit den jungen Kürbisblättern. Kürbisfrüchte gelten dort als nahrhaftes, günstiges Alltagsgemüse, häufige Kombinationen sind mit Erdnüssen, Kokos, Tomaten.

Und mir ging es dieses Jahr um süsse Zubereitungen, ganz besonders wie sie in den USA üblich sind. Und dafür die richtigen Sorten, und die richtige Behandlung. 

Wie werden sie süsser?

Halbreife Georgia Candy Roaster

Da denkt man natürlich zuerst an Sorten, die mehr Zucker einlagern. Klar. Aber das ist nur die halbe Miete. Noch wichtiger ist die richtige Behandlung nach der Ernte. Kürbisse müssen einige Wochen in Ruhe nachreifen, erst dabei verstärkt sich Süsse und es entstehen weitere Aromen. Wer sie sofort schlachtet, bekommt nur gemüsige Aromen mit wenig sonst dabei. Je nach Sorten folgt dann eine konstante Plateauphase von einem bis vielen Monaten, danach der Abbau, wo sie wieder langsam Aroma verlieren und auch keine weitere Süsse mehr bilden. Die Süsse kann man bereits roh schmecken. Eine weitere Süssverstärkung bekommen sie duch langsames backen, etwas beim in den USA sehr beliebten Ofenkürbis.

Georgia Candy Roaster reif im Beet

Grundlage für maximale Süsse und Aroma sind immer ausgereifte Früchte. Das ist nicht so selbstverständlich wie es aussieht. Einige Sorten werden in normalen Lagen Mitteleuropas selten richtig reif, das trifft zum Beispiel auf einige Moschuskürbisse zu, die in Spanien und Italien sehr populär sind. In meiner Lage bin ich mit denen immer an der Grenze und dieses war es besonders kritisch wegen eines späten Bodenfrosts, der die Pflanzen zurückgeworfen hat. Man kann Kürbisse auch problemlos nicht ganz reif verwenden, die meisten Leute merken es nicht mal, wenn ihr Supermarkt-Hokkaido nicht vollreif ist. Die meiste Süsse und das Aroma kommt aber erst zum Schluss in der Vollreife.

Sorten 

Viele Sorten werden "mit Süsse" angepriesen, tatsächlich sind es aber gar nicht so viele, die das schaffen. Ausprobiert habe ich ja schon sehr viel, dieses Jahr waren die Süssen sogar das Motto. Was kam dieses Jahr dabei heraus? Tadaaa, die Top-3 Favoriten: Georgia Candy Roaster, Sweet Meat, Honey Nut. Im Detail:

Georgia Candy Roaster 

Georgia Candy Roaster, die Riesenbananen

Eine Sorte der Maxima-Art und sie hat sich als Hit herausgestellt. Hätte ich das nur schon früher gewusst, aber die Sorte ist in Europa nicht sehr bekannt. Sie war und ist bei Cherokee-Indianern populär und seit mindestens 100 Jahren im Anbau, vermutlich aber sehr viel länger. Die Riesenbanane mit dem irren Aroma. Mit Pferdemist gedüngt wurde es ein Wahnsinnsgerät, schob 15m lange Ranken und brachte pro Pflanze mindestens vier rosa, grünspitzige krumme Dinger, die aufgeschnitten eine absolut herrlich leuchtende Farbe zeigen, die allerdings an der Luft bald verblasst. Im Anbau war sie problemlos, braucht aber viel Platz, liefert pro Pflanze 3-6 Riesenbananen, die man bald auf ein Holzbrettchen legen sollte. Sie wiegen je nach Bodennährkraft bis zu 8kg, manchmal wird es sogar mehr. Leider ein Nachteil, diese Menge kann man nicht auf einmal vertilgen und nach täglich Kürbis macht der grösste Fan schlapp, weil sie ihm bis zur Oberkante stehen. Ein weiterer Nachteil: Sie faulen leicht und nach drei, maximal fünf Monaten beginnen sie zu faulen. Mit der Lagerzeit steigt aber auch die Süsse.

Gebacken: Süss und Spitze

Der Name ist jedenfalls Programm und das stimmte. Diese Frucht zu backen ist eine Offenbarung gewesen. Im Ofen eine Hälfte 50 Minuten bei 200°, bepinselt mit Öl, leicht gesalzen, sonst nichts. Ist wohl der Kürbis mit dem deutlichsten Eigenaroma, den ich je hatte. Marone, Nuss, gelbe Rübe, Anderes. Und süsslich. Nicht penetrant, sondern genau richtig, optimal genusssteigernd. Eine Erwähnung verdient auch die Konsistenz des Fruchtfleischs. Es wirkt etwas leichter und weniger kompakt wie andere Sorten, und zerfällt auch langsamer, wird nicht bazig, was sich im Mund sehr gut macht. Empfehlung für Backkürbis! Suppe wird nicht so gut, Sorten mit höherer Fleischdichte und weniger süss kommen da besser. Aber mir ging es dieses Jahr nicht um Suppe, sondern um Süsse.

Sweet Meat

Kürbisse der Sorte Sweet Meat

Wieder so eine Bombe. Sie stammt von 1947 und ist auch ein Maxima. Ein richtig schweres Ding, wenn reif. Gute Kiloerträge. Pflanze etwas mehltauanfällig, grosse Blätter, lange Ranken. Benötigt auch eine längere Vegetationsdauer. Die Früchte wirken nicht so gross wie der Candy Roaster, weil sie rekordverdächtig dicke Fruchtfleischwände haben. Man kann ihn kaum aufschneiden, ohne dass das Messer abbricht. Etwas ertragsschwächer wie der Candy Roaster, auch mit Schalenfäulerisiken und nicht wirklich lange haltbar.

Massenhaft Fruchtfleisch

Das Aroma ist gekocht tatsächlich süsser als die meisten anderen Sorten, auch hier erhöht Lagerung die Süsse. Das Fruchtfleisch wirkt trockner, kompakter und fester wie das des Candy Roaster. Suppengeeignet ist er besser, aber speziell diese Sorte soll der Klassiker für Pumpkin Pie sein und Kürbismuffins. Dabei wird auch nicht immer die frische Frucht verwendet, gekochtes, püriertes Sweet-Meat-Fleisch lässt sich hervorragend einfrieren oder einkochen. In den USA kann man es in Dosen abgefüllt verwendungsfertig kaufen, zum Beispiel Libby's Pumpkin Filling aus 100% Kürbisfleisch.

Stücke Sweet Meat, verwendungsfertig


Honey Nut

Gruppe reifer "Honey Nut" Kürbisse

Der Singlekürbis, eine Moschuskürbissorte. Eine sehr neue Züchtung aus den USA, ein Moschuskürbis mit Schwerpunkt Geschmack und begrenzter Grösse. Die Pflanzen werden gerne als kompakt angepriesen, tatsächlich wachsen sie bei mir mit recht langen Ranken, allerdings waren sie mit Pferdemist gut versorgt. Wenig Mehltau. Man bekommt viele, viele kleine Früchte, die auch sehr gut haltbar sind. Die Kiloerträge sind trotzdem nicht so hoch. Früchte glatt, mit untergelegten Brettchen ist selten eine dabei, die Schalenschäden hat. In diesem Stil gibt es noch mehr Moschuskürbisse, die im Mittelmeerraum beliebt sind, in Deutschland haben sie jedoch oft nicht genug Vegetationsdauer. Das ist ein echter Vorteil von Honey Nut: Der hat diesen würzigen Stil ebenfalls und wird auch in weniger guten Gegenden reif. "Honey Nut" ist besonders süss, das Fleisch dicht, feinkörnig und saftig. Sein Aroma liegt mehr bei Sweet Meat (Süsskartofel, Maronen), weniger beim einzigartigen Candy Roaster.

Honey Nut, gebacken
Honey Nut, halbiert

 

Weitere Sorten

Haltbarkeit nicht immer gut


Etwas Süsse haben auch einige Pepos, der berühmte Marina di Chioggia, die Violina-Kürbisse und mehr. Tatsächlich sind die drei oben genannten Sorten aber die Süssesieger und im Aroma durchweg Oberklasse. Die Suche nach Süsse ist aber noch nicht vorbei. Nachdem der Candy Roaster so gut war, versuche ich nächstes Jahr noch andere Bananensorten wie die "blaue Banane" oder die "North Georgia Banana", vielleicht auch "Pink Jumbo".

Sonntag, 9. November 2025

Haferwurzel, Tragopogon porrifolius - neue Freude trotz alt und vergessen

Erdfrische Haferwurzeln

Die letzten Jahre hatte man den Eindruck, dass immer weniger Gemüsesorten im Garten etwas werden. Hitze und Trockenheit machen den Sommer von der Wachstumszeit zum Sommerloch, in dem beispielsweise alle Kohlgemüse das Wachstum einstellen, nichts mehr keimt, alles verzwergt, Salat ab Mai nicht mehr geht, der Sonnenbrand Früchte und Blätter empfindlicher Sorten zerstört. Dieses Jahr waren zum Beispiel auch Pastinaken nicht mehr zum keimen zu bringen, Frost und Rekordhitze in kurzer Abfolge liessen noch nicht einmal dieses robuste Wurzelgemüse etwas werden.

Auf einem Beet, auf dem die geliebten Pastinaken einfach nicht zum keimen zu bringen waren, probierte ich deshalb relativ spät im Jahr etwas ganz Neues, das eigentlich etwas ganz Altes war, nämlich Haferwurzeln, Tragopogon porrifolius. Hatte eh nichts zu verlieren. Aussaat der länglichen Samen erst Ende Mai, kurz nach dem Spätbodenfrost am 22.5, das war auch so ein Wetterextrem. Mal ausprobieren ohne grosse Hoffnung auf eine vernünftige Ernte, aber vielleicht mit Spass dabei. Um das Ergebnis vorwegzunehmen und nicht erst wie in Youtube-Videos endlos herumzulabern damit einem Werbung reingedrückt wird: Es war überraschenderweise auf Anhieb ein voller Erfolg. Aber was ist das denn überhaupt für ein Zeug, die Haferwurzel? Kennt ja keiner mehr.

Was sind Haferwurzeln?

Haferwurzeln, fast wie eine Wiese

Haferwurzeln stammen auf der Familie der Korbblütler und liegen im selben Tribus wie eine Reihe anderer Nutzpflanzen, etwa die Wegwartensalate Radicchio, Zuckerhut, Chicoree oder alle Garten-Blattsalate, die sehr nahe verwandten Schwarzwurzeln, Gemüse-Gänsedisteln. Ihre Wildformen wachsen mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum. In Kultur waren sie der Wurzeln und Blätter wegen (auch die noch geschlossenen Blütenknospen sind beliebt gewesen) seit Tausenden von Jahren. Heute will man ihr vor allem an die Wurzeln. Viele Verwandte sind auch in Deutschland heimisch, es sind die Wiesenbocksbärte, an Blüten und Blättern sieht man die Verwandtschaft sofort. Der nahe Verwandte "Schwarzwurzel" hat ihren Schwerpunkt im westlichen Mittelmeerraum.

Bester Pflanzabstand

Ihre wichtigste Zeit als Gemüsepflanze hatte sie bis ins 19. Jahrhundert und wurde dann wie so viele andere Wurzelgemüse von der Kartoffel verdrängt, die bessere Erträge hat. Satt werden war eben am wichtigsten. Kaufen kann man sie fast nicht, wenn dann auf Erzeugermärkten, aber auch dort wird man viel eher die Schwarzwurzel bekommen. Von der bin ich nicht so der Fan, auch im Anbau nicht. Sie schält sich unangenehm mit ihrem vielen Latexsaft oder sie muss vorher gekocht werden, dann geschält, sie wird schnell innen hohl wenn sie dicker ist, für meinen flachgründigen Boden hat sie zu lange Wurzeln und ihr Aroma bleibt durchweg blass. Auch sie hat es selten bis nie in die Supermärkte geschafft, nur als Dosengemüse fristet sie ein traurig-mattes Restdasein.

Bei den Inhaltsstoffen liegt sie auf ähnlichem Niveau wie andere Wurzelgemüsse, z.B. besagte Schwarzwurzel, Klettenwurzel, Pastinake. Gelbe Rüben weichen etwas ab, sie haben auch nur die Hälfte der Kalorien. Eine Besonderheit der Haferwurzel ist ihr Inulinreichtum, da liegt sie in der Gruppe von Topinambur, Schwarzwurzel, Klettenwurzel. Inulin wirkt präbiotisch, ist gut für die Darmflora, fördert Bifidobakterien, bis man sich daran gewöhnt hat kann es aber blähen. Das verbessert sich bei häufigerem Konsum.

Haferwurzel im Jahresverlauf

Keimung auf dem verschlämmten Boden

Ausgesäht habe ich sie in der vorletzten Maiwoche. Angeblich kann man das auch schon zwei Monate früher ab Ende März - sie hält etwas Frost aus und auch Vernalisation ist angeblich kein Problem, d.h. sie schiesst deshalb nicht mit früher Blütenbildung. Kleine Kerbe in den Boden gezogen, Samen reingebröselt, wieder zugeschoben, also rund 2cm Saattiefe. Natürlich angegossen. Am besten haben die Samen in der Reihe mindestens 3cm Abstand. "Zu eng stehen" ist aber nicht so richtig tragisch. Auch was etwas enger steht, wird oft was.

Und schon die erste Überraschung: Das Zeug ging bombengut ohne Lücken auf. In einer Woche, schneller als alle Gartenbücher behaupten. Und das auf meinem schweren Boden, der immer bald Trockenrisse zeigt und hart wird. Nach dem Bodenfrost kam sofort Hitze, das schadete weder der Keimung noch den Jungpflanzen. Dabei gleich die nächste Überraschung. Trotz Hitze räumten Schnecken im Garten immer noch stark ab, aber nicht so bei den Haferwurzelpflänzchen, darauf hatten sie keine Lust. Grösster Nachteil war, dass die Jungpflanzen lange wenig konkurrenzstark sind und auch später das Beet immer licht wirkt, weil die schmalen Blätter keinen geschlossenen Bestand zuliessen. Damit bleibt das Thema Unkraut während der gesamten Kulturdauer wichtig. Man sollte nicht auf verunkrautetem Beet säen wie man das mit Mais tun kann, der später allen unerwünschten Beikräutern das Licht nimmt. Vielmehr sollte man auch die Unkrautbekämpfung schon bei der Aussaat beachten, etwa in möglichst geraden Linien säen, damit man später rückenschonend leicht die Pendehacke durchziehen kann.

Anfang Juli
...und im August
Haferwurzel, Oktober, nach Sturm

Das Wachstum in den folgenden Monaten passierte sehr kontinuierlich, stetig wurden Blätter geschoben und von der Seite sah das Beet aus wie eine Wiese oder eng gesetzter Junglauch. Ab August verlangsamte sich das Blattwachstum. Besondere Düngung gab es nicht, aber Gartenboden ist natürlich immer besser versorgt wie eine umgebrochene Wiese. Das Zeug wuchs einfach, obwohl der Standort alles andere als gut war. Morgens Schatten, dann pralle Nachmittagssonne mit Hitzestau, unterbrochen von zwei Wochen kühlfeuchter Nässe ab Ende Juli, dann wieder trocken. Bis dahin habe ich sie auch wie den übrigen Garten bewässert, aber immer nur knapp. Andere Gemüsearten zeigten Trockenschäden, mir ging es darum die begrenzten Wasservorräte nicht in kurzer Zeit hinauszublasen. Ab August wurde noch weniger bewässert. Der Boden wie gesagt schwer, hat auch Steine und ist nur rund 25cm tief, was für Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel, gelbe Rübe, Klettenwurzel ein Riesenproblem ist. Nur Pastinake kommt durch und wird was, wenn man sie zum keimen und durch die Jungpflanzenphase bringt.

Anfang September zeigte sich Mehltau auf den Blättern, ansonsten nicht die Spur einer Krankheit. Der Mehltau verschwand wieder in den Folgewochen ohne Blattschäden zu hinterlassen. Stürme zerzausten die Blätter, alle lagen am Boden. Und standen wieder auf, die Haferwurzel wuchs weiter. Haferwurzeln schien einfach nichts zu bremsen, absolut nichts.

Ernte

Ernte meiner allerersten Haferwurzel

Da sie Frost aushält und auch lange im Boden bleiben kann, habe ich erst Ende Oktober die erste Wurzel gezogen. Ernten soll man sie ab November, angeblich wachsen sie noch im Spätherbst. Auch das war überraschend. Es erschein eine schöne, gerade, beige Wurzel ohne Mehrbeinigkeit, wie eine schlanke gelbe Rübe aus Sandboden. Auch ohne Schneckenfrass, wie das Grün oben. Mit gut 20cm ideal lang. Leicht zu reinigen. Vorsicht aber beim ziehen, sie können abbrechen und wer mit einer Schaufel hantiert, verletzt sie leicht. Besser mit dem Spaten die Reihe blockweise hochbringen und dann die Wurzeln herausklauben. Als ich dann eine grössere Ladung herausholte, zeigte sich eine recht variable Grössendifferenz bei den Wurzeln und auch ein paar mehrbeinige Pflanzen. Das kommt also schon vor, aber bei unserem schweren Boden ist das bei gelben Rüben, Petersilienwurzel & Co viel problematischer. Vor allem gelbe Rüben kann man fast vergessen. 

Ein paar Haferwurzelpflanzen kann man stehen lassen, eventuell über den Winter Stroh draufschütten. Im Folgejahr schieben sie schöne violette Blüten, aus denen Samen mit Schirmchen entstehen, wie bei anderen Bocksbärten. So schafft man ohne Mühe eine eigene Samengewinnung.

Verwendung, Rezepte

Leicht geschält, bald in Pfanne mit Deckel gedünstet

Im frühen 18. Jahrhundert verschwindet sie in deutschen Kochbüchern oder nur noch die ähnliche Schwarzwurzel fristet als regionale Spezialität eine kleine Rolle. In der Gegenwart hat die französische Küche mit Abstand die größte Rezeptvielfalt und lebendigste Tradition im Umgang mit der Haferwurzel, gefolgt von der italienischen und britischen Küche. Einzelne Rezepte gibt es auch in Spanien ("salsifí") und der flämischen Küche. Typische Zubereitungen sind gekocht und in Butter geschwenkt, mit Bechamelsosse, Sahnesosse, in Teig ausgebacken (GB), in Gemüsesuppe, überbacken, püriert (GB), mit Eiersosse (Flämisch). Sie ist sogar roh essbar, wie alle Bocksbartgewächse. Roh schmeckt sie aber recht neutral.

Pflanzensaft wie Nougat. Vorsicht, der klebt.

Zu Beginn probierte ich sie pur, schälte sie leicht mit dem Sparschäler, schnitt sie in Stücke und kochte sie mit etwas Salz. Bürstet man sie gut ab, kann man sich schälen auch noch sparen. Heraus kam ein leicht süssliches Gemüse, im Aroma ähnlich anderen Wurzelgemüse-Speicherknollen, etwas erdig, etwas Artischocke und gekochter Mais oder Klettenwurzel, aber die Haferwurzel war einen Strich nussiger, süsser plus etwas Säure, mit angenehmen schwachen Bitterton (aber nie bitter) ähnlich Radicchio, auch die gelegentlichen Vergleiche mit Austern kann man nachvollziehen. Sie wirkt rustikal, anpassungsfähig, rund. Weitere Versuche waren mit Sossen, gekocht in der Pfanne mit Wasser, Weisswein, Olivenöl, dann mit einer Bechamelsosse aus Milch, Butter, Mehl fertiggegart. Gewürze zurückhaltend Muskat oder Muskatblüte, Salz, Pfeffer. Auch bei Kräutern ist eher Zurückhaltung angebracht, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel. Orientieren kann man sich an Spargel.

Gekocht, in leichter Bechamelsosse finalisiert

Immer herausragend war die Konsistenz. Sie ist markig-sämig, ohne trocken zu wirken, gart in mässiger Zeit gut durch, keine Fasern, keine Hohlräume. Ich mag diesen "Bodenspargel" auf Anhieb sehr.

Aber Vorsicht. Sucht man im Internet, kommt ein Riesenschwung aufwendiger Schwachsinnsrezepte mit kaum zu beschaffenden Spezialzutaten, die dieses Gemüse geschmacklich plattwalzen. Oder es wird eine Regionalität erfunden, die gar nicht existierte oder existiert. Manche Seiten korrigieren auch den Suchbegriff "Haferwurzel" zwanghaft zu "Haferflocken", weil die viel häufiger Zustat sind. Viele Treffer, falscher Inhalt. Anzuraten ist, erst einmal Grundrezepte damit zu probieren.

Lagerung

 

Die Lagerung ist einfach und orientiert sich an anderen Wurzelgemüsen. Ausgraben, grob säubern, in eine Kiste mit feuchtem Sand legen, Sand drüberstreuen, Kiste mäuse- und frostsicher aber kühl lagern - Gartenhaus, Erdmiete, Aussengarage... Oder man lässt sie einfach im Garten stehen, heutzutage ist der Boden sowieso nie mehr wirklich lange gefroren, so dass man sie auch herausbekommt. Wie für Samengewinnung kann man auch Stroh über das Beet drüberstreuen, damit kein starker Kahlfrost Schaden anrichtet. Ich lass sie draussen, grabe sie aus wenn ich damit etwas vorhabe, bürste sie dann unter fliessend Wasser ab und lege sie bis zur Verwendung ins Kühlschrankgemüsefach. Dort halten sie auch über eine Woche.
 

Fazit

 
Der austretende Milchsaft wirkt fast violett
Die Haferwurzel ist eine Freude für Nutzgärtner und Geniesser. Sie macht wenig Arbeit, benimmt sich problemlos im Garten selbst unter schwierigen Bedingungen, ist gut zu verwerten, ich finde kaum ein Haar in der Suppe. Kritisch könnte man die geringen Flächenerträge werten, die Wurzeln sind halt nicht schwer und nicht fett, auch verzwergte Pflanzen sind immer eingestreut. Das macht einen kommerziellen Anbau unwirtschaftlich, uniforme Ergebnisse und die Kilo auf der Verkaufswaage kriegt man nicht bzw. wollen nicht bezahlt werden. Das neue Sommerwetter hält sie im Gegensatz zu vielen anderen Gemüsearten aus, sie profitiert vom milden Herbst und Winter. Wer wegen seines Bodens immer Probleme mit Wurzelgemüse hatte, dem sei sie besonders ans Herz gelegt. Ausprobieren ist es wert. Bei mir kommt sie ins Dauerprogramm.
 
Haferwurzeln mit Blaukraut und Semmelknödeln

Mittwoch, 29. Oktober 2025

Klimatische Grenzen von Papaus. Und giftig auch noch?

Auch dieses Jahr konnte ich sehr viel über Indianerbananen lernen, über ihre klimatischen Grenzen und auch über Vermutungen, sie könnten eine bestimmte neurodegenerative Form der Parkinsonkrankheit verursachen.

Das Papaujahr 

Grosser Fruchtknoten Papau

Das Papaujahr begann ganz gut, nämlich ohne kräftige blütenmordende Fröste, holperte dann durch Hitze, Trockenheit und zwei Kaltwochen in den Herbst, wo trotz allem Unbill eine grössere Ernte zu holen war. Erfolg! Dieses Jahr reiften Sorten wie "Prima 1216" und "Overleese" auch zu 80% aus, was die letzten Jahre keineswegs immer der Fall war. Prima lieferte Früchte bis 500 Gramm und Fruchtknoten, die 1,3 Kilo auf die Waage brachten. Aber es gab auch Ärger durch Wetterextreme, was erneut sehr gut demonstrierte, wo die Grenzen dieser Art im Anbau liegen. 

  • Prima 1216 hatte sehr guten Fruchtansatz. Mein grösster Baum der Sorte Prima 1216 warf den aber bis Mitte Juli zu 80% ab, weil er im starken Trockenstress war. Der Sämling warf sogar alles ab. Der Abwurf von den anderen Bäumen war geringer. Glücklicherweise regnete es dann endlich Ende Juli, was die Ernte rettete, aber den Reifevorsprung auf Null stellte, denn im Trockenstress wachsen sie nicht mehr.
  • Prima 1216 Fruchtknoten mit typischem Sonnenbrand
    "Shenandoah", eine Sorte von Peterson, zwei Jahre alt, vertrocknet oder Wurzelprobleme, tot. Richtig anwachsen ist mindestens zwei Jahre eine sehr kritische Zeit bei Papaus, wenn sie aus dem Anzuchttopf heraus ausgepflanzt werden. Andere kleine Jungpflanzen wuchsen besser. Man sollte sie so jung wie möglich verpflanzen, bevor die Wurzeln in die Länge wollen. Niemals überständige Pflanzen nehmen.
  • Erster trockenstressbedingter Blattabwurf in der zweiten Trockenperiode, die über zwei Monate ab Mitte August dauerte.
  • Wie jedes Jahr Sonnenbrand an vollsonnig stehenden Pflanzen und leider auch an den Früchten. Die bekommen eine verhornte schwarze Schale und bleiben zur Reifezeit unterklassig.
Abwurf junger Früchte wegen Trockenheit - es waren noch viel mehr.

 

Klimatische Anbaubreite heute 

Kühlschrankgereift - blass, aber nicht bitter

Papaus sind einfach keine Obstwiesenpflanzen, diese Hoffnung ist enttäuscht worden weil die Wasservefügbarkeit dafür immer weniger ausreicht. Nicht gedeckter Wasserbedarf und Sonnenbrand sind bis 2017 nur punktuelle Probleme gewesen, heute sind das Dauerprobleme, wenn n icht gerade ein selten gewordenes Feuchtjahr herrscht. Ihre Reifedauer ist immer noch ein Problem, obwohl die Vegetationszeit länger wurde. Auf der anderen Seite sorgen verstärkte Wetterschwierigkeiten für Reifeverzögerung. Die selbstfruchtbare Prima 1216 mit ihrer mittelspäten Reife ist meiner Ansicht da die absolute Grenze in unserer Gegend und ansonsten besser im Rheintal aufgehoben, während "Sunflower" bei uns sogar fast immer unreif bleibt. Ein Teil der Früchte von Pima 1216 wird immer gut reif, ein Teil nie, da sie ja deutlich folgernd reift. Das Fruchtfleisch bleibt dann hell, die Früchte schmecken bitter. Es ist essenziell, ausserhalb von Gunstlagen nur frühe Sorten zu pflanzen wie z.B. Allegheny, NC-1, Taylor. Keine davon ist selbstfruchtbar. Bei den Niederschlägen ist die immer trockener gewordene Südmitte Deutschlands zwischen Pfalz und Oberfranken kaum mehr ohne Bewässerung geeignet. Oder es sind bodenmächtige Tallagen, die lange Wasser führen.

Verwertung

Kälteschaden?

Indianerbananenmilch war dieses Jahr der Hit. Milch mit Papaufruchtfleisch (nicht zu viel, sonst Matsch statt Milchgetränk) in den Mixer, lecker. Auch ein Lagertest im Kühlschrank war interessant. Sie halten dort ein bis zwei Wochen und reifen sogar etwas nach, das Fruchtfleisch bleibt aber gekühlt blass. Das Aroma wird jedoch tatsächlich besser, die Früchte weicher so dass man sie leichter auslöffeln kann, Restbitterkeit wird abgebaut. Allerdings vertrugen einzelne Früchte den Kühlschrank nicht, sie wurden innen wolkig schwarz. Vielleicht, weil ich sie im 1° C Fach lagerte, zu kühl ist möglicherweise auch nicht gut.

Die Kerne habe ich gesammelt. Aus ihnen soll man ein Insektizid herstellen können, das wurde schon ausprobiert. Mal sehen, ob ich das auch schaffe.

Sind die giftig?

Giftkiste

Für Unruhe unter deutschen Papaufreunden sorgte eine Veröffentlichung der CVUA Stuttgart Ende 2023, die vom bedenkenlosen Verzehr der Papaufrüchte abrät. Das Papier lässt sehr, sehr viele Fragen offen (etwa der Reifezustand der Früchte), eine Prüfung verschiedener Sorten wurde schon für 2024 angekündigt, aber darüber ist bis heute nichts zu finden, offenbar versandet. Ich versuchte, mit der CVUA in Kontakt zu treten, schrieb, bekam aber nie Antworten. Das Interesse ist dort offenbar gering, sich nach der Ablehnung der Frucht als Lebensmittel näher mit dem Thema zu beschäftigen.

Kritisch wird der Gehalt an Acetogeninen im Fruchtfleisch gesehen, das sind die Stoffe die auch eine nachgewiesene Wirkung gegen Krebszellen haben, Forschungsarbeiten beschäftigen sich deshalb damit, wie man möglicht viel Acetogenine bekommen kann. Auch einige enthaltene Alkaloide werden kritisch gesehen. Tatsächliche negative Wirkung auf den Menschen wurden aber nur in Teilen Lateinamerikas beobachtet, wo Annonengewächse oft und häufig verzehrt werden und auch weitere Produkte daraus, etwa Tee aus Blättern, die einen besonders hohen Gehalt an diesen Stoffen haben. Damit schützt sich die Pflanze vor Insektenfrass. Angesichts der nur Tage dauernden kurzen Haltbarkeit und kommerziellen Nichtverfügbarkeit von Annonengewächsen in Deutschland erscheint es seltsam, ausgerechnet in Deutschland deren Verzehr kritisch zu sehen - an 360 Tagen im Jahr isst man eh nichts davon. In den USA, wo die Frucht beliebter ist hat die sonst ziemlich pingelige Food and Drug Administration (FDA), eine US-Bundesbehörde keinerlei Bedenken gegen der Verzehr, auch weil sie als heimische Art schon seit Jahrhunderten gegessen wird ohne bekannte negative Folgen. Es gibt in den USA grosse Verkostungen, Wettbewerbe, Züchter und Liebhaber, die Papaus in erheblichen Mengen und Zeiträumen vertilgen, die Acetogeninen zugeschriebenen neurodegenerativen Folgen sind dort aber in der Moderne nie aufgefallen. Die drei von der CVUA angegebenen Quellen gehen nirgends darauf ein, eine Quelle bezieht sich nicht einmal auf Papaus, sondern verarbeitete Produkten aus Stachelannonen wie z.B. Nahrungsergänzungsmittel.

Offene Fragen 

Die seltsame Wortkargheit der CVUA lässt zu viele Fragen offen. Sie schreiben von Früchten eines Hobbyisten und "Nach dem Verzehr klagten mehrere Personen über Bauchschmerzen und Verdauungsbeschwerden". Was haben die wohl gegessen? Das Jahr 2023 der untersuchten Früchte war sehr ungünstig für die Reifeentwicklung von Papaus, die in Deutschland am meisten gepflanzen Sorten „Prima 1216“ und „Sunflower" reiften selbst im Rheintal oft nicht richtig aus. Frühreifende Sorten wie „Allegheny“ sind noch sehr neu in Deutschland, die gab es da noch gar nicht. Ob und wie der der Reifezustand der Analysefrüchte festgestellt wurde, bleibt ungesagt. Reife Papaus liegen bei 90° OE (22° Brix). Die Notreife im Untersuchungsjahr 2023 zeigte sich durch schlechte Verträglichkeit und auch einem Bitterton, ich schrieb schon im Blog daüber. In Deutschland hat man noch nicht gelernt, Reife von Papaus zu erkennen, auch von selbst fallende Früchte sind in solchen Jahren oft nicht ausgereift, Notreife eben. Alkaloid- und Acetogeninegehalte sinken aber erst mit der Reife stark ab. Kein Wort davon bei der CVUA, das schien nicht berücksichtigt worden zu sein.

Andere Untersuchungen

Kann das schaden?

Geforscht wird anderswo durchaus. Eine Arbeit von Kirk Pomper / Kentucky State University fasst Wirkungen und Arbeiten zu Acetogeninen zusammen. Fütterungsversuche mit Tieren benötigen hohe Dosen, um Effekte zu zeigen, umgerechnet auf den Menschen wären das ein Jahr lang täglich Früchte. Interessant war der hohe Gehalt bei unreifen Früchten. Es existieren viele Arbeiten zu Acetogeninen und Papaus. https://www.nature.com/articles/s41598-024-79413-z findet, wie die Gesamt-Acetogenin-Gehalte im Fruchtfleisch in biologisch gereiften und reifen Stadien abnehmen - die Autoren interpretieren das als typischen Abbau sekundärer Pflanzenstoffe während der Fruchtreifung.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29660776/ aus Korea, selber Inhalt, Reifeabbau.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19711911/ Gehalte und Profil zwischen Sorten, Organen und Reifestadien variieren stark.

Fazit

Geschält, nicht gelöffelt. Geht auch.
  • Papaus weiterhin geniessen, wenn man sie hat.
  • Lernen, wie Reife aussieht, nur wirklich reife Früchte essen und bittere oder blasse Früchte verwerfen. 
  • Frühe Sorten anbauen. Irgendwann stellt sich vielleicht auch heraus, welche Früchte sortenbedingt generell niedrigere Gehalte an den kritisierten Stoffen haben. In den bisherigen Studien werden solche Unterschiede gefunden, aber ein umfassendes Sortentableau fehlt.

 

Typische Sonnenbrandfolge an Papaublättern, passierte sogar im lichten Schatten eines hohen südseitigen Nussbaumes

 

Sonntag, 5. Oktober 2025

Tafeltraubentest: Sorte Jupiter

Einige reife "Jupiter" Trauben am Stock

"Jupiter" ist eine Tafeltraube, die ich mir schon Jahre früher gesetzt hätte, wenn mir klar gewesen wäre, was sie kann. Leider waren einige Jahre osteuropäische Sorten aus Russland und der Ukraine in Mode und wurden auch von einigen Protagonisten fleissig angepriesen. Davon bin ich zu 75% wieder weg, viel gerodet, ersetzt. Viele hatten schwere Qualitätsprobleme, waren weit anfälliger wie versprochen, brachten Fehlschläge und wirkten in der Praxis vom Niveau her wie von Hobbyzüchtern, die sich wild aufgegangene Reben zusammensuchen und mit Sortennamen versehen. Seit ich wieder Sorten anderer Herkunft pflanze, auch wenn sie schon älter sind, merkte ich erst was ich verpasst habe.

Jupiter etwas vor der Vollreife, noch violett

Das Musterbeispiel für so eine Sorte ist Jupiter. Eine alte Sorte ist sie aber nicht, sie entstand vermutlich 1985 an der Universität von Arkansas und ist seit 1998 als Sorte bekannt. Von dort stammen viele Tafeltrauben, darunter mehrere mit Planetennamen: Venus (auch hier im Tafeltraubentest), Mars, Saturn, Neptun und Reliance. Verantwortlich war Dr. James N. Moore und der hatte offenbar einiges drauf. Gezüchtet hat er klassisch, produzierte 300 000 Sämlinge. Seine Arbeit wird weitergeführt, jüngere Züchtungen sind z.B. "Compassion". Der Aromastil ist häufig eine Kombination der besten Vitis Vinifera und Vitis Labrusca Varianten - Muskat mit blumigen Fruchtaromen. Alle Sorten sind aussergewöhnlich krankheitsfest, in deutschem Klima weit besser wie 98% der Osteuropa-Züchtungen. Das muss jedoch nicht so bleiben, Resistenzdurchbrüche können immer passieren, bei "Venus" ist das vielleicht schon passiert. 

Wuchs und Krankheiten

Gesundes Laub noch im Spätsommer, wo andere 
Sorten längst versagen

Verkäufer schreiben von starkem Wuchs, was ich nicht so ganz bestätigen kann. Stark wächst sie nur unter besten Bedingungen. Ihre Blätter sind kleiner wie die von Schwester "Venus", sie verzweigt auch nicht stark. Für eine Pergola würde ich sie nicht nehmen. Aber die eignet sich sehr gut für lange, eintriebige Erziehungsformen wie zum Beispiel oben an einem Zaun entlang. Auch deshalb, weil ihre Trauben nicht sehr gross sind. Sie reisst sich deshalb nicht selbst von Fruchtgewichten herunter, auch ohne grosses Festbinden. Jungtriebe haben keine Neigung, bei Wind abzureissen.

Wie Venus hat sie eine schöne rote Herbstfäbrung der Blätter, dekorativ ist sie.

Ihre Krankheitsfestigkeit ist nach ein paar Jahren immer noch spektakulär. Das gilt für alles. Ich habe sie noch nie mit echtem oder falschen Mehltau gesehen, noch nie mit Stiellähme, keine Botrytis, sie platzen nicht bei Starkregen, sie war immer so gesund wie kaum eine andere Sorte. Das Laub blieb sattgrün bis zum herbstlichen Farbwunder und dann Blattfall, es ist auch fester und dicker wie die meisten anderen Sorten, glänzt immer leicht. Vielleicht lässt es sich deshalb nicht so gut für eingelegte Weinblätter verwenden. Diese strotzende Gesundheit muss nicht immer so bleiben, ist aber derzeit so. Als blaue Traube wird sie wie jedes Obst von der Kirschessigfliege befallen, aber nicht einmal das passiert übermässig und die Beeren faulen auch nicht so schnell. Auch Wespenfrass ist gering. Das lässt sich durch die gesunden Beeren erklären. Erst Fäulnis und offene Frucht zieht die Fresser an. 


 

Ertrag und Pflege

Jupiter zählt zu den Idealträgern mit mittlerem Ertrag, gerade so gut dass man keine Mühe mit Ausdünnen hat. Ihre Kiloerträge liegen eher im unteren Bereich, aber nicht schwach. Eine pflegeleichte Sorte, die auch keine übermässigen Laubarbeiten benötigt.

Trauben und Beeren

Gewicht guter Beeren um die 5 Gramm

Die Trauben beginnen Mitte bis Ende August zu reifen, was als "früh" zählt. Sie sind klein und locker aufgebaut, hängen gut am Stielgerüst aber ohne beim pflücken zu zerreissen. Mit den kleinen Trauben wird "Jupiter" niemals eine Schautraube sein, sie wirkt optisch unscheinbar und wenig prächtig, was in einigen Ländern zweifellos ein Hindernis für ihre Vermarktung darstellt, weil dort grosse Optik gefragt ist.

Ihre Beeren sind kernlos, Kernrudimente sind aber vorhanden, sie stören beim essen nicht. Die Form ist länglich bis oval, eher klein bis mittelgross, ältere Pflanzen mit guter Wasserversorgung bekommen grösseren Beeren. Ihr Gewicht liegt bei etwa 5 Gramm, was für eine kernlose Sorte sehr, sehr gut ist, für Sorten mit Kernen wäre es untere Mitte. Die Schalen sind im Gegenssatz zu vielen Internetfotos nur unreif violett oder rotblau, vollreif werden sie tiefbau. Einige Wochen bleiben die Beeren fleischig, knackig und fest, auch die Schale, ab Mitte September wird alles flüssiger und weicher.

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung

Reife Beeren und halbierte Beeren von "Jupiter"

Ab Mitte August wird die Sorte hocharomatisch, was enorm lange sechs bis acht Wochen bis weit in den Oktober hinein anhält. Ihr Erntefenster ist also sehr lange. Zunächst sind auch noch kräftig Gerbstoffe in der Schale, was mir persönlich sehr gut schmeckt und eine grosse Seltenheit bei Tafeltrauben geworden ist. Im Hintergrund lauert aber auch eine gewisse Bitterkeit und die Gerbstoffe können ein papierartiges Gefühl im Mund verursachen, das wird nicht jedem schmecken. Mit zunehmender Reife schwächsen sie sich ab. Je nach persönlichen Geschmacksvorliebenkann man sich über die Erntezeit das Optimum heraussuchen.

An Aromatik ist Jupiter kaum zu überbieten. Sie beginnt mit einem Feuerwerk von Fruchtaromen und kräftigem Muskatgeschmack. Dieser Stil ist mittlerweile etwas bekannter geworden von ein paar SunWorld Züchtungen, die im kommerziellen Anbau einen Riesenerfolg haben, etwa Sugra 16 von Sunworld oder BRS Vitória aus Brasilien. Mit den fortschreitenden Reifewochen tritt die Muskatkomponente langsam zurück und ab Mitte September bleibt noch das Erdbeer-Fruchtbonbon von Venus übrig, das dann in den folgenden Wochen ebenfalls langsam verblasst, während es bei "Venus" nur kurz anhält. Insgesamt ist es eine Sorte, deren starke Aromatik ein so langes Erntefenster hat wie keine andere. Für mich erstklassig, ein Erlebnis, meine Lieblingssorte.

Schon Mitte August erreichten die Zuckerwerte dieses Jahr 90°OE. Ihre Säurewerte sind angenehm, mittelhoch, tragen das Aroma gut mit. Es ist eine Sorte für den Frischgenuss oder ein aromatisches Gelee, aufgrund der kräftigen Schalen und fleischigen Struktur aber mit erhöhtem Verarbeitungsaufwand. Saft habe ich noch keinen draus gemacht, dürfte aber auch aufwendiger sein. Sie ist ohnehin zu gut für Saft, man isst sie bereits vorher weg. Rosinen könnten gut funktionieren, wie bei allen Kernlosen. 

Hintergrundinformationen zum Standort

Zwei Standorte, einer im Halbschatten einer Kirsche, wo andere Sorten schnell krank werden würden. Der zweite Standort ist vollsonnig an einem Zaun, heiss. Die Gegend hat milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Keine oder wenig Düngung. Bei Jupiter bisher kein Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, war einfach nicht nötig.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Die Freude des allerersten Honigs

Frisch geschleudert, nooch mit kleinen
Wachspartikeln, die obenauf schwimmen

Die erste kleine Honigschleuderung haben wir dieses Jahr am Samstag, den 3.5. vollbracht. Manchmal ist es schon Ende April soweit, manchmal erst Ende Mai, manchmal holt man überhaupt nichts Brauchbares aus den Völkern. Die Natur funktioniert nicht wie Temu oder Amazon, bestellt und geliefert, sondern alles ist immer höchst launisch, manchmal sehr schwierig und manchmal bekommt man nichts, manchmal mehr wie gedacht. Den allerersten Honig im Jahr holen wir frühestmöglich aus den Völkern. Das hat einen Grund: Ich stehe auf den frühesten Frühlingshonig unserer Gegend, mag ihn sehr, wir nennen ihn auch Aprilhonig. Aber davon gibt es selten mehr als einen Eimer, es sind immer nur wenige Waben aus der Mitte des Honigraums starker Völker, die diesen frühen Honig enthalten. Man erkennt sie an der dunkleren Farbe der Verdeckelungen und des Honigs, wenn man die Wabe gegen das Licht hält. Schon sehr bald sammeln die Bienen jedoch die erste grosse Massentracht, den Raps. Dieser schnell bestimmende Honig aus Rapsnektar ist sehr hell, geschmacklich völlig anders, auch das Wachs der Deckel wirkt viel heller.

Links ab 20. April gesammelt, rechts davor - ohne Raps, dunkler und viel kräftiger


Wie schmeckt er nun, der Ersthonig? 

Wachpartikel entfernen: Frischhaltefolie auflegen

Er ist herrlich blumig und schmeckt nach Blüten, am deutlichsten kommt die Kischblüte nach vorne, die etwas von Mandel und Bittermandelaroma hat. Eine Prise Löwenzahn ist dabei, in niedriger Konzentration eine ausgezeichnete Komponente. Den Hintergrund bildet der Duft eines Blumenstrausses, der sich auf der Zunge abbildet, eingefasst in voller Süsse, die aber nicht sticht und nicht den kurzen starken Tritt des Rapshonigs hat. Sie ist anhaltender und gibt beim langsamen Vergehen im Mund noch mehr Blüten frei.

In der Konsistenz ist er zunächst klar und zäh, hat ein helles Gold, weit intensiver wie der spätere Raps und ohne Brauntöne des Sommerhonigs. Er kristallisiert wie jeder Blütenhonig, manchmal erst nach Monaten, während Raps nur Tage flüssig bleibt. Beim Kristallisieren wird der Ersthonig gelb und die Kristalle werden oft grob, man muss ihn unbedingt rühren, um ihn cremig zu halten.

Und leider ist er auch die Sorte, die ihre Qualität am schnellsten verliert. Die Blumigkeit verschwindet langsam, wobei die Kirschkomponente am längsten erhalten bleibt. Gut bleibt er aber trotzdem, ein harmonisches Pollenaroma hält sich und damit ein weit differenzierteres Aroma wie Rapshonig oder die meisten späteren Blütenhonige des Sommers.

 

Warum ist der so besonders?

...und abziehen

Die Bienenvölker sind am Anfang der Hauptblüte bis etwa Mitte April meistens zu schwach, um Überschuss zu haben, nicht nur Nektar zu sammeln, sondern ihn auch zu Honig umzuarbeiten und ihn zu speichern. Wenn, dann fressen sie ihn bald wieder weg, wenn die Wetterlage wieder ungünstig wird. Nektar wird aber schon an sonnigwarmen Januartagen eingetragen, zum Beispiel von Weiden bei Temperaturen ab 12-14°C. Bis Mitte April sind die Völker aber viel zu klein und die Flugtage zu wenig, um viel zu holen und zu speichern. Erst mit der Kirschblüte kann ein Honiglager langsam etwas Inhalt bekommen und nur, wenn das Wetter mitspielt und das Volk stark ist.

Speziell die Kirschblüte ist bei uns die wichtigste Entwicklungstracht, denn in unseren Wäldern steht ein guter Anteil Wildkirschen. Mein Haupt-Bienenstand ist ziemlich im Wald. Weitere frühe Blüten sind massenhaft Steinobst wie Schlehen, die hier sehr häufigen Wildstachelbeeren, Wildpflaumen, Myrobalane auf den riesigen, steinigen Abhängen der Täler, etwas später dann Birne und natürlich alle einjährigen Blüten.

Der Raps macht dann bereits Ende April alles platt. Er liefert viel Nektar und ist ungeheuer attraktiv für die Bienen. Finden sie Raps, gehen sie kaum mehr in andere Blüten. Raps macht bei genug Bodenfeuchte und tauglichem Wetter den Honigraum voll. Er schmeckt auch gut, bleibt aber einfach, hat wenig Aromen, passt zu allem. Der kleinen ersten Schleuderung schliesst sich gewöhnlich zwei Wochen später eine weitere Schleuderung an, in der nur Rapshonig abgeschleudert wird. Das ist dieses Jahr aufgrund Kälte, Dauerwind und Trockenheit nur ziemlich wenig.

 

Was macht man damit?

Nicht verkaufen, den Aprilhonig. Selten gibt es mehr wie einen Eimer dieser allerersten Honigwaben. Das ist zu wenig für den Verkauf. Wir essen ihn selber. Auch deshalb, weil er ohnehin nicht in dieser Güte bleibt. Es gibt aber einen Trick: Man kann ihn auch sofort in Gläser füllen und die tiefgefrieren. Er kristallisiert zwar irgendwann auch in der Tiefkühltruhe, aber er behält sein Aroma viel länger. Glas für Glas auftauen, geniessen. Für den Verkauf wäre das sowieso zweifehaft, der Honig müsste wohl als "aufgetaut" deklariert werden. Das klingt seltsam.

In der Verwendung ist dieser Honig der perfekte Belag auf frischem Weissbrot, zusammen mit Weidemilchbutter des Frühlings. Das Ganze ist pures Heroin, für uns übertrifft das mit seiner Aromatiefe und Harmonie alle andere Sorten.

Sonntag, 20. April 2025

Monilia: Test einer neuen Behandlung gegen sterbende Äste

Aprikose, weitgehend abgestorbene Äste wegen Monilia

Letztes Jahr um diese Zeit hatte ich in einem grossen Beitrag über Monilia (siehe https://gartenzone.blogspot.com/2024/04/sterbende-aste-steinobst-monilia.html) über die sehr aggressiv gewordene Pilzkrankheit berichtet, über Gründe, Wirkungen, Gegenmassnahmen. Und auch über Kaliumhydrogencarbonat, Backpulver. Das könne in Frage kommen, um eine Schutzwirkung gegen Zweigmonilia zu erzielen. Solche Präparate werden mittlerweile auch von Firmen angeboten, um damit im Bioanbau gegen Monilia während der Blühphase zu behandeln. Damit soll das Keimen der Moniliasporen verhindert werden. Ich hatte im letzten Satz des letztjährigen Beitrages angekündigt, KHCO3 dieses Jahr auszuprobieren. Das ist nun geschehen, vor allem an meinen Aprikosen. Drei Gruppen existierten: 

  1. Drei Bäume wurden mehrfach behandelt, immer nach Regen, denn Regen wäscht Kaliumhydrogencarbonat schnell ab, ein eventueller Schutz verschindet also schnell.
  2. Vier Bäume mit demselben Blühzeitpunkt wurden einmal behandelt, zu Blütenbeginn, dass das Kaliumhydrogencarbonat wenigstens bis zum nächsten Regen vorhanden war. Ein Baum war ein Sonderfall, er war zu hoch für die Spritze, ich habe nur die unteren Äste behandelt.
  3. Die übrigen Bäume incl. einer Mandel wurden nicht behandelt. 

Die Ergebnisse waren ziemlich eindeutig.

Mehrfachbehandelt, Schäden, aber weniger
  • Alle mehrfachbehandelten Bäume zeigten eindeutig schwächeren Befall. Befall gab es durchaus, aber die abgestorbenen Astpartien waren weniger, kürzer, meist nur Fruchtspiesse oder Knospenbereiche. Ein Wirkung war zu sehen, allerdings hätte sie besser sein können.
  • Alle einmal behandelten Bäume hatten starken bis sehr starken Befall. An dem Baum, der nur unten behandelt wurde waren Befall unten stark, oben war er so stark dass kaum ein gesunder Ast übrig ist. Wer nur einmal behandelt, benötigt durchgehend trockenes Wetter oder man sollte es gleich bleibenlassen, weil es nichts bringt. Der erste Regen zerstört den Schutz.
  • Unbehandelte Bäume hatten starken Befall. Darunter auch andere Obstarten, eine sehr früh blühende Nashi und Koreakirschen, bis hin zum Baumausfall, eine Katastrophe auch ausserhalb der Aprikosenbäume.
Monilia an Nashi
bleibt zum Glück meist in den Blütenbüscheln

Nebenerkenntnisse waren: Bäume blieben auch dann gesund, wenn sie nicht blühten und kein offenes Holz durch Winter- oder Pflanzschnitte hatten. Das betrifft zum Beispiel Jungbäume. Wer junge Bäume hat, die noch nicht blühen und deshalb meint, diesese Sorte würde nicht befallen: Abwarten. Monilia dringt eben vor allem durch Blüten ins Holz. Setzt die Floreszenz ein, dann erst setzt auch der Moniliaschaden ein. Eine andere Nebenerkenntnis war die extreme Abhängigkeit von Feuchte und der Beweis, dass sie zwingen nötig für jede Infektion ist. Das Wetter war nämlich sehr feucht bis zu den ersten Frühblühern, danach sehr trocken und zwar auch nachts mnit so niedrigen Taupunkten, dass nicht einmal Tau kam. Was erst ab Beginn der Trockenphase zu blühen begann, blieb dann auch völlig gesund. Bekannte Sache, aber dieses Jahr sehr deutlich wieder erlebt.

Spritzlösung mit Kaliumhydrogencarbonat herstellen

Das Mittel
Wie mischt man Zeug nun an? 2,5g Kaliumhydrogencarbonat Pulver 99,5% pro Liter lauwarmem Wasser aufgelöst ist genügend Wirkstoffmenge. Gesprüht in die offene Blüte, auf die Äste. Doch diese Mischung ohne Netzmittel (=Spreitmittel) und ohne Haftmittel verteilt sich schlecht in der Blüte und wird extrem leicht wieder abgewaschen, dafür reicht schon Nachttau. Mindestens ein Netzmittel sollte man zugeben: Einen kleinen Klecks reine Kalischmierseife ist am einfachsten und billigsten, ebenfalls aufgelöst in Wasser. Besser noch sind Stoffe wie Exopolysaccharide, die man häufig als "biologische Netz- und Haftmittel" kaufen kann und dann gemäss Anleitung als Additiv der Spritzbrühe beimischt. Das sind wichtige Komponenten von Biofilmen und spielen eine Rolle in verschiedenen biologischen Prozessen, einschließlich der Adhäsion an Oberflächen, des Schutzes vor ungünstigen Umweltbedingungen. Ein bekanntes Mittel für private Anwender hat die Handelsmarke "Liposam". Gebräuchlich sind auch Biopolymere aus Stärke, Sophorolipide, Kaliumsalze von Fettsäuren (wie in Schmierseife) und so einiges mehr - die Auswahl ist gross.

Behandelt wird zu Blühbeginn und dann nach jedem Regen, sobald die Blüten wieder trocken sind. Ja, das ist aufwendig. Verdammt aufwendig und geht eigentlich nur im Hausgarten. Aber der richtige und häufige Anwendungszeitpunkt ist essentiell.

Höhere Dosierungen wirken nicht besser, sondern zerstören die Blüten. Das ist manchmal sogar im kommerziellen Anbau erwünscht und wird absichtlich eingesetzt zur Fruchtausdünnung. Kaliumhydrogencarbonat höher dosiert verätzt die Blütenblätter und den Pollen, der sich auf dem Stempel der Blüten befindet, die Befruchtung der Blüte wird verhindert.

Die kommerziellen Produkte

Typischer Harztropfen an befallenen Ästen

Auch einige Profiprodukte für den Bioanbau verwenden Kaliumhydrogencarbonat, zum Beispiel "Kumar" und "Armicarb". Dort steht auch explizit Monilia-Zweigdünne bei Aprikose in der Anwendungsliste der genehmigten Anwendungen, https://www.agrarinfo.de/certisbelchim/76.htm . Die Sicherheits- und Anwendungshinweise sind interessant und helfen auch bei der Anwendung selbst abgemischter Stoffe. Kaufen kann das der Privatanwender aber nicht, heutzutage ist bereits Backpulver zu gefährlich für Obstliebhaber, in Deutschland jedenfalls, in anderen Ländern ist es auf magische Weise ungefährlicher. Auch hier gilt: Wir sollen das Obst gefälligst kaufen und ja nichts erfolgreich selber anbauen. Behelfen wir uns also selbst, das ist zwar auch verboten, aber wir behandeln ja nicht, sondern geben dem Baum nur enthärtetes Wasser, Kaliumhydrogencarbonat ist ein guter Enthärter.

Weitere Mittel

Pfirsich- und Mandeläste überleben eher,
vernarben dann stark und bleiben anfällig

Sind nur noch aus historischen Gründen zu nennen. Der Privatanwender kann nur noch zwei Stoffe kaufen: Ortiva (Azoxystrobin) und Duaxo (Wirkstoff Difenoconazol, ein vollsystemisches Fungizid). Ortiva muss vor dem Regen angewendet werden, mit Duaxo kann noch 24 Stunden nach dem Regen gespritzt werden. Aber die Zulassung von Duaxo für Privatanwender wird nicht mehr lange gelten und auch nicht erneuert, dann ist auch Duaxo Geschichte. Deshalb habe ich mich auch nicht mehr näher damit befasst. 

Angaben zu resistenten Sorten kann ich bislang nicht machen. Der Befallsgrad wechselt von Jahr zu Jahr von Sorte zu Sorte. Dieses Jahr zeigte sich eine bislang immer gut robuste "Orangered" plötzlich sehr stark befallen. Vermutlich sind alle Aprikosen mehr oder weniger anfällig. Sinnvoller ist indirekter Schutz: Je später die Blüte, desto besser, weil das fortschreitende Frühjahr tendentiell immer trockener wird. Spätblühende Sorten holen also nicht nur beim Frostschutz etwas heraus, sondern auch beim Moniliaschutz. Die Chancen sind freilich nur leicht erhöht.

Mehr Hinweise zu Gegenmassnahmen im früheren Beitrag.

Was tun mit befallenen Zweigen?

Übler Moniliabefall an Koreakische

Abschneiden, aber über den besten Zeitpunkt gehen die Meinungen auseinander. Früher oder später müssen sie weg. Ich schneide aber nicht sofort. Das Risiko ist zu gross, dass man zu weit oder zu kurz schneidet und dann über die frische Schnittfläche gleich noch einmal Monilia in den Restast kommt. Also erst warten bis das Wetter stabil warm und in der Voraussage möglichst trocken ist, das kann auch Wochen dauern. Dann wird geschnitten und zwar bis inclusive knapp hinter den typischen Harztropfen, der bei Moniliabefall entsteht. Geschnitten wir also toter Ast plus Harztropfen. Denn dort staut sich der Baumsaft und die Abwehrmittel des Baumes, tritt schliesslich aus der Rinde aus. Die Schnittwerkzeuge immer zwischen den Schnitten desinfizieren. Früher verwendete man dafür den ungeniessbaren Vorlauf vom Schnapsbrennen. Heute kann man Brennspiritus nehmen, am besten auf 70% verdünnen und die Schere dort eintauchen. Auch die Handdesinfektionsmittel gehen, die während der Coroanzeit sehr populär geworden sind, sie wirken auch fungizid, enthalten Isopropanol.

Das Holz unbedingt sofort beseitigen. Verbrennen, Biotonne. Nicht liegen lassen, nicht häckseln und nicht wieder ausbringen.