Samstag, 22. November 2025

Süsse Kürbissorten im sauren Jahr

Dieses Jahr war mein Motto im Kürbisbeet "süsse Sorten". Sorten, die gebacken besonders gut schmecken, dabei süsser werden. Das Jahr der süssen Kürbissorten. Leider war das Jahr sauer, sehr schwierig für Kürbisse. Ein später Bodenfrost am 22. Mai richtete viel Schaden an, danach regnete es zwei Monate nicht mehr, um dann zur Reife hin kühl zu werden, eigentlich stimmte gar nichts. Aber etwas war dann doch zu ernten, nicht so viel wie sonst und auch reifeknapper.

Kürbisstile

Was versteckt sich da für eine süsse Sorte unter den
Kürbisblättern?

Kürbisse sind weitgehend amerikanische Arten, nur Flaschenkürbisse der Art Lagenaria siceraria waren immer schon weltweit verbreitet. Heute werden die drei Hauptarten Moschuskürbis (Cucurbita moschata), Riesenkürbis (Cucurbita maxima) und Gartenkürbis (Cucurbita pepo) auf allen Kontineten angebaut. Jede Gegend hat dabei ihre Schwerpunktstile entwickelt. 

In Nordamerika werden süsse Varianten vorgezogen und auch süss zubereitet, klassisch ist der Kürbiskuchen, Pürree, Muffins, oder einfach im Ofen gebacken. Natürlich gibts auch genügend scharfe und herzhafte Gerichte, aber die süssen Verwendungen ist sind schon sehr nordamerikanisch.

Manche Sorten machen gerne Addentivwurzeln

Deutschland und Osteuropa lieben die Kürbissuppe und nehmen dafür Hokkaidokürbis, das sind Cucurbita moschata Sorten. Ansonsten sind in Europa Eintöpfe damit beliebt, Risotto, Gratins. Dafür sind süsse Sorten weniger geeignet, wichtiger sind Konsistenz, Farbe.

In Asien werden sie gerne und viel verwendet, die amerikanischen Arten auch kräftig weitergezüchtet. Weichgekocht mit speziellen Sossen, gebraten, frittiert, Brei, es gibt alles. Kürbis wird dort aber generell seltener gebacken oder überbacken, häufiger gedämpft, gekocht oder gebraten.

Afrika hat auch Rezepte mit den jungen Kürbisblättern. Kürbisfrüchte gelten dort als nahrhaftes, günstiges Alltagsgemüse, häufige Kombinationen sind mit Erdnüssen, Kokos, Tomaten.

Und mir ging es dieses Jahr um süsse Zubereitungen, ganz besonders wie sie in den USA üblich sind. Und dafür die richtigen Sorten, und die richtige Behandlung. 

Wie werden sie süsser?

Halbreife Georgia Candy Roaster

Da denkt man natürlich zuerst an Sorten, die mehr Zucker einlagern. Klar. Aber das ist nur die halbe Miete. Noch wichtiger ist die richtige Behandlung nach der Ernte. Kürbisse müssen einige Wochen in Ruhe nachreifen, erst dabei verstärkt sich Süsse und es entstehen weitere Aromen. Wer sie sofort schlachtet, bekommt nur gemüsige Aromen mit wenig sonst dabei. Je nach Sorten folgt dann eine konstante Plateauphase von einem bis vielen Monaten, danach der Abbau, wo sie wieder langsam Aroma verlieren und auch keine weitere Süsse mehr bilden. Die Süsse kann man bereits roh schmecken. Eine weitere Süssverstärkung bekommen sie duch langsames backen, etwas beim in den USA sehr beliebten Ofenkürbis.

Georgia Candy Roaster reif im Beet

Grundlage für maximale Süsse und Aroma sind immer ausgereifte Früchte. Das ist nicht so selbstverständlich wie es aussieht. Einige Sorten werden in normalen Lagen Mitteleuropas selten richtig reif, das trifft zum Beispiel auf einige Moschuskürbisse zu, die in Spanien und Italien sehr populär sind. In meiner Lage bin ich mit denen immer an der Grenze und dieses war es besonders kritisch wegen eines späten Bodenfrosts, der die Pflanzen zurückgeworfen hat. Man kann Kürbisse auch problemlos nicht ganz reif verwenden, die meisten Leute merken es nicht mal, wenn ihr Supermarkt-Hokkaido nicht vollreif ist. Die meiste Süsse und das Aroma kommt aber erst zum Schluss in der Vollreife.

Sorten 

Viele Sorten werden "mit Süsse" angepriesen, tatsächlich sind es aber gar nicht so viele, die das schaffen. Ausprobiert habe ich ja schon sehr viel, dieses Jahr waren die Süssen sogar das Motto. Was kam dieses Jahr dabei heraus? Tadaaa, die Top-3 Favoriten: Georgia Candy Roaster, Sweet Meat, Honey Nut. Im Detail:

Georgia Candy Roaster 

Georgia Candy Roaster, die Riesenbananen

Eine Sorte der Maxima-Art und sie hat sich als Hit herausgestellt. Hätte ich das nur schon früher gewusst, aber die Sorte ist in Europa nicht sehr bekannt. Sie war und ist bei Cherokee-Indianern populär und seit mindestens 100 Jahren im Anbau, vermutlich aber sehr viel länger. Die Riesenbanane mit dem irren Aroma. Mit Pferdemist gedüngt wurde es ein Wahnsinnsgerät, schob 15m lange Ranken und brachte pro Pflanze mindestens vier rosa, grünspitzige krumme Dinger, die aufgeschnitten eine absolut herrlich leuchtende Farbe zeigen, die allerdings an der Luft bald verblasst. Im Anbau war sie problemlos, braucht aber viel Platz, liefert pro Pflanze 3-6 Riesenbananen, die man bald auf ein Holzbrettchen legen sollte. Sie wiegen je nach Bodennährkraft bis zu 8kg, manchmal wird es sogar mehr. Leider ein Nachteil, diese Menge kann man nicht auf einmal vertilgen und nach täglich Kürbis macht der grösste Fan schlapp, weil sie ihm bis zur Oberkante stehen. Ein weiterer Nachteil: Sie faulen leicht und nach drei, maximal fünf Monaten beginnen sie zu faulen. Mit der Lagerzeit steigt aber auch die Süsse.

Gebacken: Süss und Spitze

Der Name ist jedenfalls Programm und das stimmte. Diese Frucht zu backen ist eine Offenbarung gewesen. Im Ofen eine Hälfte 50 Minuten bei 200°, bepinselt mit Öl, leicht gesalzen, sonst nichts. Ist wohl der Kürbis mit dem deutlichsten Eigenaroma, den ich je hatte. Marone, Nuss, gelbe Rübe, Anderes. Und süsslich. Nicht penetrant, sondern genau richtig, optimal genusssteigernd. Eine Erwähnung verdient auch die Konsistenz des Fruchtfleischs. Es wirkt etwas leichter und weniger kompakt wie andere Sorten, und zerfällt auch langsamer, wird nicht bazig, was sich im Mund sehr gut macht. Empfehlung für Backkürbis! Suppe wird nicht so gut, Sorten mit höherer Fleischdichte und weniger süss kommen da besser. Aber mir ging es dieses Jahr nicht um Suppe, sondern um Süsse.

Sweet Meat

Kürbisse der Sorte Sweet Meat

Wieder so eine Bombe. Sie stammt von 1947 und ist auch ein Maxima. Ein richtig schweres Ding, wenn reif. Gute Kiloerträge. Pflanze etwas mehltauanfällig, grosse Blätter, lange Ranken. Benötigt auch eine längere Vegetationsdauer. Die Früchte wirken nicht so gross wie der Candy Roaster, weil sie rekordverdächtig dicke Fruchtfleischwände haben. Man kann ihn kaum aufschneiden, ohne dass das Messer abbricht. Etwas ertragsschwächer wie der Candy Roaster, auch mit Schalenfäulerisiken und nicht wirklich lange haltbar.

Massenhaft Fruchtfleisch

Das Aroma ist gekocht tatsächlich süsser als die meisten anderen Sorten, auch hier erhöht Lagerung die Süsse. Das Fruchtfleisch wirkt trockner, kompakter und fester wie das des Candy Roaster. Suppengeeignet ist er besser, aber speziell diese Sorte soll der Klassiker für Pumpkin Pie sein und Kürbismuffins. Dabei wird auch nicht immer die frische Frucht verwendet, gekochtes, püriertes Sweet-Meat-Fleisch lässt sich hervorragend einfrieren oder einkochen. In den USA kann man es in Dosen abgefüllt verwendungsfertig kaufen, zum Beispiel Libby's Pumpkin Filling aus 100% Kürbisfleisch.

Stücke Sweet Meat, verwendungsfertig


Honey Nut

Gruppe reifer "Honey Nut" Kürbisse

Der Singlekürbis, eine Moschuskürbissorte. Eine sehr neue Züchtung aus den USA, ein Moschuskürbis mit Schwerpunkt Geschmack und begrenzter Grösse. Die Pflanzen werden gerne als kompakt angepriesen, tatsächlich wachsen sie bei mir mit recht langen Ranken, allerdings waren sie mit Pferdemist gut versorgt. Wenig Mehltau. Man bekommt viele, viele kleine Früchte, die auch sehr gut haltbar sind. Die Kiloerträge sind trotzdem nicht so hoch. Früchte glatt, mit untergelegten Brettchen ist selten eine dabei, die Schalenschäden hat. In diesem Stil gibt es noch mehr Moschuskürbisse, die im Mittelmeerraum beliebt sind, in Deutschland haben sie jedoch oft nicht genug Vegetationsdauer. Das ist ein echter Vorteil von Honey Nut: Der hat diesen würzigen Stil ebenfalls und wird auch in weniger guten Gegenden reif. "Honey Nut" ist besonders süss, das Fleisch dicht, feinkörnig und saftig. Sein Aroma liegt mehr bei Sweet Meat (Süsskartofel, Maronen), weniger beim einzigartigen Candy Roaster.

Honey Nut, gebacken
Honey Nut, halbiert

 

Weitere Sorten

Haltbarkeit nicht immer gut


Etwas Süsse haben auch einige Pepos, der berühmte Marina di Chioggia, die Violina-Kürbisse und mehr. Tatsächlich sind die drei oben genannten Sorten aber die Süssesieger und im Aroma durchweg Oberklasse. Die Suche nach Süsse ist aber noch nicht vorbei. Nachdem der Candy Roaster so gut war, versuche ich nächstes Jahr noch andere Bananensorten wie die "blaue Banane" oder die "North Georgia Banana", vielleicht auch "Pink Jumbo".

Sonntag, 9. November 2025

Haferwurzel, Tragopogon porrifolius - neue Freude trotz alt und vergessen

Erdfrische Haferwurzeln

Die letzten Jahre hatte man den Eindruck, dass immer weniger Gemüsesorten im Garten etwas werden. Hitze und Trockenheit machen den Sommer von der Wachstumszeit zum Sommerloch, in dem beispielsweise alle Kohlgemüse das Wachstum einstellen, nichts mehr keimt, alles verzwergt, Salat ab Mai nicht mehr geht, der Sonnenbrand Früchte und Blätter empfindlicher Sorten zerstört. Dieses Jahr waren zum Beispiel auch Pastinaken nicht mehr zum keimen zu bringen, Frost und Rekordhitze in kurzer Abfolge liessen noch nicht einmal dieses robuste Wurzelgemüse etwas werden.

Auf einem Beet, auf dem die geliebten Pastinaken einfach nicht zum keimen zu bringen waren, probierte ich deshalb relativ spät im Jahr etwas ganz Neues, das eigentlich etwas ganz Altes war, nämlich Haferwurzeln, Tragopogon porrifolius. Hatte eh nichts zu verlieren. Aussaat der länglichen Samen erst Ende Mai, kurz nach dem Spätbodenfrost am 22.5, das war auch so ein Wetterextrem. Mal ausprobieren ohne grosse Hoffnung auf eine vernünftige Ernte, aber vielleicht mit Spass dabei. Um das Ergebnis vorwegzunehmen und nicht erst wie in Youtube-Videos endlos herumzulabern damit einem Werbung reingedrückt wird: Es war überraschenderweise auf Anhieb ein voller Erfolg. Aber was ist das denn überhaupt für ein Zeug, die Haferwurzel? Kennt ja keiner mehr.

Was sind Haferwurzeln?

Haferwurzeln, fast wie eine Wiese

Haferwurzeln stammen auf der Familie der Korbblütler und liegen im selben Tribus wie eine Reihe anderer Nutzpflanzen, etwa die Wegwartensalate Radicchio, Zuckerhut, Chicoree oder alle Garten-Blattsalate, die sehr nahe verwandten Schwarzwurzeln, Gemüse-Gänsedisteln. Ihre Wildformen wachsen mit Schwerpunkt im östlichen Mittelmeerraum. In Kultur waren sie der Wurzeln und Blätter wegen (auch die noch geschlossenen Blütenknospen sind beliebt gewesen) seit Tausenden von Jahren. Heute will man ihr vor allem an die Wurzeln. Viele Verwandte sind auch in Deutschland heimisch, es sind die Wiesenbocksbärte, an Blüten und Blättern sieht man die Verwandtschaft sofort. Der nahe Verwandte "Schwarzwurzel" hat ihren Schwerpunkt im westlichen Mittelmeerraum.

Bester Pflanzabstand

Ihre wichtigste Zeit als Gemüsepflanze hatte sie bis ins 19. Jahrhundert und wurde dann wie so viele andere Wurzelgemüse von der Kartoffel verdrängt, die bessere Erträge hat. Satt werden war eben am wichtigsten. Kaufen kann man sie fast nicht, wenn dann auf Erzeugermärkten, aber auch dort wird man viel eher die Schwarzwurzel bekommen. Von der bin ich nicht so der Fan, auch im Anbau nicht. Sie schält sich unangenehm mit ihrem vielen Latexsaft oder sie muss vorher gekocht werden, dann geschält, sie wird schnell innen hohl wenn sie dicker ist, für meinen flachgründigen Boden hat sie zu lange Wurzeln und ihr Aroma bleibt durchweg blass. Auch sie hat es selten bis nie in die Supermärkte geschafft, nur als Dosengemüse fristet sie ein traurig-mattes Restdasein.

Bei den Inhaltsstoffen liegt sie auf ähnlichem Niveau wie andere Wurzelgemüsse, z.B. besagte Schwarzwurzel, Klettenwurzel, Pastinake. Gelbe Rüben weichen etwas ab, sie haben auch nur die Hälfte der Kalorien. Eine Besonderheit der Haferwurzel ist ihr Inulinreichtum, da liegt sie in der Gruppe von Topinambur, Schwarzwurzel, Klettenwurzel. Inulin wirkt präbiotisch, ist gut für die Darmflora, fördert Bifidobakterien, bis man sich daran gewöhnt hat kann es aber blähen. Das verbessert sich bei häufigerem Konsum.

Haferwurzel im Jahresverlauf

Keimung auf dem verschlämmten Boden

Ausgesäht habe ich sie in der vorletzten Maiwoche. Angeblich kann man das auch schon zwei Monate früher ab Ende März - sie hält etwas Frost aus und auch Vernalisation ist angeblich kein Problem, d.h. sie schiesst deshalb nicht mit früher Blütenbildung. Kleine Kerbe in den Boden gezogen, Samen reingebröselt, wieder zugeschoben, also rund 2cm Saattiefe. Natürlich angegossen. Am besten haben die Samen in der Reihe mindestens 3cm Abstand. "Zu eng stehen" ist aber nicht so richtig tragisch. Auch was etwas enger steht, wird oft was.

Und schon die erste Überraschung: Das Zeug ging bombengut ohne Lücken auf. In einer Woche, schneller als alle Gartenbücher behaupten. Und das auf meinem schweren Boden, der immer bald Trockenrisse zeigt und hart wird. Nach dem Bodenfrost kam sofort Hitze, das schadete weder der Keimung noch den Jungpflanzen. Dabei gleich die nächste Überraschung. Trotz Hitze räumten Schnecken im Garten immer noch stark ab, aber nicht so bei den Haferwurzelpflänzchen, darauf hatten sie keine Lust. Grösster Nachteil war, dass die Jungpflanzen lange wenig konkurrenzstark sind und auch später das Beet immer licht wirkt, weil die schmalen Blätter keinen geschlossenen Bestand zuliessen. Damit bleibt das Thema Unkraut während der gesamten Kulturdauer wichtig. Man sollte nicht auf verunkrautetem Beet säen wie man das mit Mais tun kann, der später allen unerwünschten Beikräutern das Licht nimmt. Vielmehr sollte man auch die Unkrautbekämpfung schon bei der Aussaat beachten, etwa in möglichst geraden Linien säen, damit man später rückenschonend leicht die Pendehacke durchziehen kann.

Anfang Juli
...und im August
Haferwurzel, Oktober, nach Sturm

Das Wachstum in den folgenden Monaten passierte sehr kontinuierlich, stetig wurden Blätter geschoben und von der Seite sah das Beet aus wie eine Wiese oder eng gesetzter Junglauch. Ab August verlangsamte sich das Blattwachstum. Besondere Düngung gab es nicht, aber Gartenboden ist natürlich immer besser versorgt wie eine umgebrochene Wiese. Das Zeug wuchs einfach, obwohl der Standort alles andere als gut war. Morgens Schatten, dann pralle Nachmittagssonne mit Hitzestau, unterbrochen von zwei Wochen kühlfeuchter Nässe ab Ende Juli, dann wieder trocken. Bis dahin habe ich sie auch wie den übrigen Garten bewässert, aber immer nur knapp. Andere Gemüsearten zeigten Trockenschäden, mir ging es darum die begrenzten Wasservorräte nicht in kurzer Zeit hinauszublasen. Ab August wurde noch weniger bewässert. Der Boden wie gesagt schwer, hat auch Steine und ist nur rund 25cm tief, was für Wurzelgemüse wie Petersilienwurzel, gelbe Rübe, Klettenwurzel ein Riesenproblem ist. Nur Pastinake kommt durch und wird was, wenn man sie zum keimen und durch die Jungpflanzenphase bringt.

Anfang September zeigte sich Mehltau auf den Blättern, ansonsten nicht die Spur einer Krankheit. Der Mehltau verschwand wieder in den Folgewochen ohne Blattschäden zu hinterlassen. Stürme zerzausten die Blätter, alle lagen am Boden. Und standen wieder auf, die Haferwurzel wuchs weiter. Haferwurzeln schien einfach nichts zu bremsen, absolut nichts.

Ernte

Ernte meiner allerersten Haferwurzel

Da sie Frost aushält und auch lange im Boden bleiben kann, habe ich erst Ende Oktober die erste Wurzel gezogen. Ernten soll man sie ab November, angeblich wachsen sie noch im Spätherbst. Auch das war überraschend. Es erschein eine schöne, gerade, beige Wurzel ohne Mehrbeinigkeit, wie eine schlanke gelbe Rübe aus Sandboden. Auch ohne Schneckenfrass, wie das Grün oben. Mit gut 20cm ideal lang. Leicht zu reinigen. Vorsicht aber beim ziehen, sie können abbrechen und wer mit einer Schaufel hantiert, verletzt sie leicht. Besser mit dem Spaten die Reihe blockweise hochbringen und dann die Wurzeln herausklauben. Als ich dann eine grössere Ladung herausholte, zeigte sich eine recht variable Grössendifferenz bei den Wurzeln und auch ein paar mehrbeinige Pflanzen. Das kommt also schon vor, aber bei unserem schweren Boden ist das bei gelben Rüben, Petersilienwurzel & Co viel problematischer. Vor allem gelbe Rüben kann man fast vergessen. 

Ein paar Haferwurzelpflanzen kann man stehen lassen, eventuell über den Winter Stroh draufschütten. Im Folgejahr schieben sie schöne violette Blüten, aus denen Samen mit Schirmchen entstehen, wie bei anderen Bocksbärten. So schafft man ohne Mühe eine eigene Samengewinnung.

Verwendung, Rezepte

Leicht geschält, bald in Pfanne mit Deckel gedünstet

Im frühen 18. Jahrhundert verschwindet sie in deutschen Kochbüchern oder nur noch die ähnliche Schwarzwurzel fristet als regionale Spezialität eine kleine Rolle. In der Gegenwart hat die französische Küche mit Abstand die größte Rezeptvielfalt und lebendigste Tradition im Umgang mit der Haferwurzel, gefolgt von der italienischen und britischen Küche. Einzelne Rezepte gibt es auch in Spanien ("salsifí") und der flämischen Küche. Typische Zubereitungen sind gekocht und in Butter geschwenkt, mit Bechamelsosse, Sahnesosse, in Teig ausgebacken (GB), in Gemüsesuppe, überbacken, püriert (GB), mit Eiersosse (Flämisch). Sie ist sogar roh essbar, wie alle Bocksbartgewächse. Roh schmeckt sie aber recht neutral.

Pflanzensaft wie Nougat. Vorsicht, der klebt.

Zu Beginn probierte ich sie pur, schälte sie leicht mit dem Sparschäler, schnitt sie in Stücke und kochte sie mit etwas Salz. Bürstet man sie gut ab, kann man sich schälen auch noch sparen. Heraus kam ein leicht süssliches Gemüse, im Aroma ähnlich anderen Wurzelgemüse-Speicherknollen, etwas erdig, etwas Artischocke und gekochter Mais oder Klettenwurzel, aber die Haferwurzel war einen Strich nussiger, süsser plus etwas Säure, mit angenehmen schwachen Bitterton (aber nie bitter) ähnlich Radicchio, auch die gelegentlichen Vergleiche mit Austern kann man nachvollziehen. Sie wirkt rustikal, anpassungsfähig, rund. Weitere Versuche waren mit Sossen, gekocht in der Pfanne mit Wasser, Weisswein, Olivenöl, dann mit einer Bechamelsosse aus Milch, Butter, Mehl fertiggegart. Gewürze zurückhaltend Muskat oder Muskatblüte, Salz, Pfeffer. Auch bei Kräutern ist eher Zurückhaltung angebracht, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel. Orientieren kann man sich an Spargel.

Gekocht, in leichter Bechamelsosse finalisiert

Immer herausragend war die Konsistenz. Sie ist markig-sämig, ohne trocken zu wirken, gart in mässiger Zeit gut durch, keine Fasern, keine Hohlräume. Ich mag diesen "Bodenspargel" auf Anhieb sehr.

Aber Vorsicht. Sucht man im Internet, kommt ein Riesenschwung aufwendiger Schwachsinnsrezepte mit kaum zu beschaffenden Spezialzutaten, die dieses Gemüse geschmacklich plattwalzen. Oder es wird eine Regionalität erfunden, die gar nicht existierte oder existiert. Manche Seiten korrigieren auch den Suchbegriff "Haferwurzel" zwanghaft zu "Haferflocken", weil die viel häufiger Zustat sind. Viele Treffer, falscher Inhalt. Anzuraten ist, erst einmal Grundrezepte damit zu probieren.

Lagerung

 

Die Lagerung ist einfach und orientiert sich an anderen Wurzelgemüsen. Ausgraben, grob säubern, in eine Kiste mit feuchtem Sand legen, Sand drüberstreuen, Kiste mäuse- und frostsicher aber kühl lagern - Gartenhaus, Erdmiete, Aussengarage... Oder man lässt sie einfach im Garten stehen, heutzutage ist der Boden sowieso nie mehr wirklich lange gefroren, so dass man sie auch herausbekommt. Wie für Samengewinnung kann man auch Stroh über das Beet drüberstreuen, damit kein starker Kahlfrost Schaden anrichtet. Ich lass sie draussen, grabe sie aus wenn ich damit etwas vorhabe, bürste sie dann unter fliessend Wasser ab und lege sie bis zur Verwendung ins Kühlschrankgemüsefach. Dort halten sie auch über eine Woche.
 

Fazit

 
Der austretende Milchsaft wirkt fast violett
Die Haferwurzel ist eine Freude für Nutzgärtner und Geniesser. Sie macht wenig Arbeit, benimmt sich problemlos im Garten selbst unter schwierigen Bedingungen, ist gut zu verwerten, ich finde kaum ein Haar in der Suppe. Kritisch könnte man die geringen Flächenerträge werten, die Wurzeln sind halt nicht schwer und nicht fett, auch verzwergte Pflanzen sind immer eingestreut. Das macht einen kommerziellen Anbau unwirtschaftlich, uniforme Ergebnisse und die Kilo auf der Verkaufswaage kriegt man nicht bzw. wollen nicht bezahlt werden. Das neue Sommerwetter hält sie im Gegensatz zu vielen anderen Gemüsearten aus, sie profitiert vom milden Herbst und Winter. Wer wegen seines Bodens immer Probleme mit Wurzelgemüse hatte, dem sei sie besonders ans Herz gelegt. Ausprobieren ist es wert. Bei mir kommt sie ins Dauerprogramm.
 
Haferwurzeln mit Blaukraut und Semmelknödeln