Donnerstag, 8. Oktober 2020

Tafeltraubentest: Sorte Straschinski

Straschinski-Beeren können gross werden

An einer trockenwarmen Stelle vor einer Wand habe ich eine Tafeltraube, die eine echte Show sein kann: Die Sorte nennt sich "Straschinski". Sie stammt aus Moldavien. Über ihre Eltern habe ich wenig gefunden. Sie macht aber stark den Eindruck, als wäre ein Elternteil die Sorte Alphonse Lavallée gewesen, der sie in einigen Punkten ziemlich ähnelt. Das ist aber nicht der Fall: Für Straschinski wurde Muskat St. Vallier  mit einem Pollengemisch aus Druschba x Katta Kurgan x Dodrelyabi gekreuzt. Letztere sind Sorten, die in Georgien und weiter östlich vorkommen.

In Deutschland wird Straschinski zwar von einigen Rebenverkäufern angeboten, aber sie ist nicht recht populär geworden, dafür ist die Anbaubreite der Sorte zu gering. Aber bei mir an einer geeigneten Stelle und mit Pflege liefert sie viele grosse, schöne Schautrauben, die ab Mitte September bis Mitte Oktober auch noch gut schmecken und ein paar Wochen lang erntefähig sind. Dafür muss man allerdings etwas tun. Straschinski ist mehr etwas für Liebhaber und vielleicht auch, um Nachbarn zu beeindrucken, weniger für "pflanzen, vergessen und ernten".

Zunächst die Kurzübersicht über ihre Eigenschaften:


Wuchs und Krankheiten

Verrieselt

Im Wuchs steht sie auf mittelstarkem Niveau, sie könnte auf besserem Boden aber auch stark wachsen. Das Wachstum hängt stark vom Fruchtbehang ab, bei viel Behang geht viel Kraft in die Beeren und weniger in Triebe. Neutriebe bleiben etwas dünner. Will man das Wachstum nach der Pflanzung fördern, sollte man in den ersten beiden Fruchtbehangsjahre stark ausdünnen. Trägt sie dann, ist man gut beraten, die Triebe anzubinden, denn die schweren Trauben sorgen vor allem bei böigem Wind für Abstürze. Die jungen Ranken halten nicht viel. Das Holz neigt zum verkahlen, Neutriebe an älteren Ranken werden unwillig gebildet.

Warme, geschützte und gut besonnte Standorte sind wichtig für Straschinski. Aroma und Reife bleiben unterentwickelt, wenn sie die Umgebungseigenschaften nicht hat. Sie bleibt dann gering süss, wirkt saftig aber leer. Auch an heissen Orten zeigt das Laub keine Hitzschäden, die Trauben nur sonnenseitig, wenn sie bereits blau sind und der prallen Sonne ausgesetzt waren. Das ist nicht schlechter wie andere blaue Traubensorten.

Ihre Anfälligkeit auf Krankheiten ist durchgängig mittelmässig. Da sie bei mir teilweise unter dem Dach steht, ist echter Mehltau ein deutlich grösseres Problem wie Peronosphora, so ist das auch bei anderen Sorten in geschützten warmen Lagen. Echter Mehltau ist ein Schönwetter- und Wärmepilz. Straschinski ist aber hinreichend robust, um nur selten Ernteausfall deswegen zu erleiden. Ein Befall findet zwar fast immer statt, aber erst so spät im Jahr dass er nicht mehr schadet. Günstig sind ein bis drei Behandlungen zur Blüte mit Backpulver, besser noch Kaliumbikarbonat. Wespenfrass, Stiellähme, vorzeitige Botrytis, damit gibt es ebenfalls keine überdurchschnittlichen Probleme.

Ein Problem ist -ebenfalls wie bei allen blauen Sorten- der verdammte Kirschessigfliegenimport. Wenigstens werden bevorzugt Beeren im unteren Teil der Traube abgestochen, die sind weicher und meistens sowieso weniger aromatisch. Und durch den lockeren Traubenaufbau sorgt eine schimmelnde Beere auch nicht gleich für verdorbene Trauben.

Vögel lieben die Sorte nicht sehr. Die Beeren sind zu gross und hängen zu fest am Stielgerüst. Kleinbeerige Sorten sind generell mehr vogelfrassgefährdet. Die Frostfestigkeit ist leider unterdurchschnittlich, weit absterbende Zweige normal, von einer Pflanzung in winterkalten Lagen ist abzuraten.

 

Ertrag und Pflege

Oben gut, unten
wegen Überlastung schlecht

Beides hängt bei Straschinski eng zusammen, denn Straschinski setzt ernorm viele Gescheine an und trägt sich zuverlässig zu Tode, wenn man nicht kräftig ausdünnt. Ausdünnen ist damit bei dieser Sorte absolut wesentlich, nicht nur um die Sorte nicht zu überlasten, sondern auch um Trauben in guter Qualität zu bekommen. Zu wenig ausgedünnte Stöcke zeigen folgende Effekte:

  • Die unteren Hälften der Trauben bleibt klein, weich und sauer, verschrumpeln manchmal sogar.
  • Der Zuckergehalt aller Beeren bleibt unterdurchschnittlich, alles schmeckt bestenfalls mässig süss.
  • Die Erntereife verzögert sich, dadurch gelingt die Zuckereinlagerung noch schlechter weil später im Jahr weniger Sonne herrscht.
  • Alle Beeren bleiben weicher. Nur nicht überlastete Pflanzen bringen feste, fleischige und grosse Beeren.
  • Das Aroma bleibt sehr schwach. Der Saft wird wässrig.
  • Die Frostfestigkeit des Holzes im Winter sinkt zusätzlich ab, es gibt mehr Frost- und Absterbeschäden. Grund: Mangelnde Holzreife.

Wie sollte man ausdünnen? Da Straschinski gerne sehr lange Trauben bildet deren untere Beeren ohnehin nachlassen oder stärker verrieseln, kann man schon zur Blütezeit lange Gescheine halbieren, die unter Hälfte abschneiden. Das hat auch den Vorteil, dass das Eintüten mit Organzabeuteln gegen Kirschessigfliege leichter gelingt und man nicht so grosse Beutel benötigt. Hat ein Trieb mehr als zwei Gescheine, sollte man alle Weiteren ganz abschneiden. Wartet man mit der Ausdünnung, bis die Beeren erbsengross sind, kann man aus dieser Grünlese noch Agrest herstellen.

 

Trauben und Beeren

Man sieht sofort, was der Hit bei Straschinski ist: Grosse, dicke Dinger. Ihre gut entwickelten Beeren erreichen 12 Gramm Einzelgewicht. Sie färben früh, benötigen dann aber noch lange bis sie Zucker haben und wirklich reif werden, man darf sich also nicht von der frühen Färbung täuschen lassen. Die grössten Beeren finden sich an kleinen, gut versorgten Trauben. Wer zuviel am Stock gelassen hat oder zu spät ausgedünnt oder zu schlechtes Wetter hatte, bekommt nur kleine, locker gewachsene Beeren. Auch die Trauben können gross werden. Das sieht mitunter prächtig aus, auch als Schautraube ist sie gut geeignet. Wie alle grossen Sorten tendiert sie zu Platzern bei Regen, aber auch bei dieser Eigenschaft hält sich das Problem in Grenzen, wenn man es mit anderen Sorten vergleicht, die so grosse Beeren bringen.

Halbierte Beeren mit Kernen

Reife Beeren ohne Überlastung haben eine gute, fleischige Konsistenz, die zu den Kernen hin weicher wird. Sie wirken dadurch nicht immer homogen im Mund, sondern wie eine breite Rinde mit flüssigem Inhalt. Die Haut ist knackig, ist sie es nicht dann hingen die Beeren zu lange oder der Stock war überlastet. 

Die Bestückung mit Kernen liegt etwas unter dem Durchschnitt. Durch die grossen Beeren wirkt sie zusätzlich kernärmer als sie eigentlich ist, weil das Verhältnis Kern / Beere günstiger ist - der Kerne machen in den grossen Beeren einen geringeren Prozentsatz aus wie das in kleinen Beeren der Fall wäre.

Straschinski an der Wand, ausgedünnt und trotzdem noch viel - und gesund
 

Inhaltsstoffe, Aroma und Verwendung

 
Gut behangene Stöcke an der Überlastungsgrenze bringen Beeren, die ab 60°OE Zuckergehalt schmecken und dann nicht mehr viel an Zucker zulegen. Überlastete Stöcke schaffen auch das nicht, da bleibt es bei 55° und wässrigen Beeren mit Gemüsearoma. Die Aromaeinstufung der Kurzübersicht oben sinkt dann auf 1-2. Bei guter Ausdünnung und mässigem Behang bekommt sie ab Mitte September 70°OE und wird erst dann richtig gut, der Reifebeginn kann sich aber auch noch bis Oktober hinziehen. Viel mehr Zucker erreicht sie aber auch dann nicht, sie hat enge Grenzen. Das Aroma wird in diesem guten Fall beerig, hat etwas von dem Stil der nichtverwandten Alphonse Lavallée. Die Schalen steuern nur wenig Gerbstoffe bei, obwohl sie sehr farbkräftig ist.
 
Diese Farbkraft und die Beerenstruktur machen sie auch zu einer guten Safttraube. Eine Maische lässt sich leicht herstellen und pressen. Sogar ohne Standzeit ergibt sich roter Saft, der angenehm schmeckt und einen nicht mit Süsse zuklebt, wie das bei Traubensäften oft der Fall ist. Wein daraus wäre aber zu schwachbrüstig. Aus Übermengen Saft herzustellen ist die ideale Zweitverwertung bei Straschinkski. Einmaischen, abpressen, sterilisieren, in Flaschen füllen.

Rosinenherstellung habe ich auch probiert, dafür die grossen Beeren entkernt. Das ist aufwendig, zu aufwendig. Das Ergebnis war gut, aber etwas sauerschmeckender wie erhofft. Kernlose, säurearme Sorten sind dafür einfach die erste Wahl.
Getrocknete Beeren von Straschinski. Die blaue Haut dunkelt, sieht fälschlicherweise verbrannt aus.

 

Hintergrundinformationen zum Standort

 
Sie steht bei mir auf der Südseite an einer Hauswand, teilweise Dachüberstand. In schlechtem Boden direkt am Haus, trocken, vermutlich Bauschutt im Untergrund, darum herum kalkiger schwerer Lehm. Milde Winter, aber manchmal harte Temperaturstürze. Früher Austrieb, deshalb immer Spätfrostgefahr. Pflanzenschutzmassnahmen gegen echten Mehltau.

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