Samstag, 27. Januar 2024

Kürbissorten für die Lagerung

Moschuskürbis "Tosca"
Kürbisse sind meine Hauptkultur. Im Aussengarten wachsen sie seit Jahren auf etwa 40qm, jährlich bis zu zehn Sorten und eine Ernte von über hundert Früchten, wenn das Wetter mitspielt. Die meisten Früchte werden eingetauscht gegen andere nette Dinge oder verschenkt. Der Rest wird je nach Lagerfähigkeit eingelagert und gegessen. Einige verliere ich durch unerwarteten späten Schimmelbefall. Einen wichtigen Teil der Ernte bilden ausserdem die samenhüllenfreien Ölkürbisse. Die werden nicht gelagert, sondern sofort die Kerne herausgeholt und getrocknet, die kulinarisch minderwertigen Kürbisse zum Schnitzen von Kürbisgeistern verwendet.
So werden sie bei Feinkost-Albrecht verscheppert

Lange Lagerfähigkeit ist eminent wichtig, denn Kürbis ist ein herrliches Wintergemüse. Monatelang gibts keine Woche ohne Kürbis: Kürbis-Pommes, gebackener Kürbis, Kürbissuppe, Kürbis mit Nudeln und Parmesan, gekochter Kürbis japanisch... der Möglichkeiten sind genug und sie sind so vielfältig, dass sich die Familie nicht daran abgegessen hat.

Eine zentrale Frage eines jeden eifrigen Kürbis-Nutzgärtners lautet also: Welche Sorten lassen sich wie lagern? Wie ist das Maximum an Qualität herauszuholen? Dazu soll dieser Beitrag mit Hilfe der Schilderung einiger Erfahrungen der letzten Jahre beitragen und den älteren Beitrag unter https://gartenzone.blogspot.com/2018/02/perfekte-kurbisse-durch-den-winter.html vertiefen und erweitern. Zunächst noch einmal die drei Hauptarten von Kürbissen:

Moschuskürbisse, Cucurbita moschata

Die letzten Jahre die erfolgreichste Sortengruppe. Dazu gehören Butternut-Formen, die gerippten und warzigen asiatischen Formen, die sehr grossen Violina-Kürbisse in Südeuropa. Aromen manchmal etwas nussig, Esskastanie, manche ziemlich süss. In dieser Gruppe liegen meine Lagerkönige.

Speisekürbis, Cucurbita maxima

Riesenkürbisse mit Rekordgrössen bis zu 1,2 Tonnen, Hokkaido-Kürbis, die gut haltbare "Hubbard" Gruppe, Marrows, Turbankürbisse und mehr. Je nach Sorte mehr oder weniger gut haltbar. Struktur gekocht eher mehlig, manchmal süsslich, Esskastanienaromen.


Gartenkürbisse, Cucurbita pepo

Generell nicht besonders lagerfähig, aber enorm vielgestaltig. In dieser Gruppe befinden sich die Ölkürbisse, die grossen Schnitzkürbisse im Herbst, sehr viele Zierkürbissorten und die sehr leckeren Acorns, Zucchini, Patisson-Kürbis, und andere. Diese Typen wollen wir hier mangels Langlagerfähigkeit nicht weiter aufgreifen.


Wie optimal lagern?

Mit den Jahren haben sich Vorlieben, Stärken und Schwächen vieler Sorten beim mitteleuropäischen Anbau herausgestellt. Wichtig für die Optimierung der Lagerfähigkeit ist:

  • Nach einem vollen Jahr Lagerung!
    Nur reife, absolut makellose Früchte einlagern. Schalenfehler, Fehler am Nabel, kleine Risse - das geht nicht gut, sondern fault bald. Nicht ganz reife Früchte können mittelmässig lagerfähig sein, bleiben aber ohne volles Aroma. Da Kürbisse sowieso keine intensiven Aromen haben, sollte man das Restaroma nicht verschenken. Ein häufiger Schalenfehler sind Verfärbungen an der Auflagefläche. Solche Kürbisse trocknen auf dem Lager durch die fehlerhafte Schale schneller aus, bekommen früher Kavernen, bauen schneller ab. Dem kann man begegnen, in dem man den unreifen Früchten im Beet Holzbrettchen unterlegt und sie so reifen lässt. Funktioniert.
  • So wichtig wie die Lagerung ist das Einlagerverhalten. Auch für das Aroma. Ich habe es in einem direkten Vergleich mit Moschata-Sorten ausprobiert, es stimmt: Kürbisse bekommen erst bei Warmlagerung nach zwei bis vier Wochen ab Ernte ihr volles Aroma und die volle Lagerfähigkeit. Warmlagerung heisst: ohne Sonne, trocken, 15° bis Zimmertemperatur. Insbesondere Süssaroma entsteht erst dann. Erst werden sie trocken und überdacht an die Nordseite des Hauses auf Bretter gelegt, da der Oktober meistens sehr warm geworden ist, ist das ideal. Wird es kalt, kommen sie ins Haus und später in den (mit 15° recht warmen) Keller.
  • Behandlung der Früchte nach der Ernte. Beim Transport dafür sorgen, dass die harten Stengelreste nicht andere Kürbisse verletzen. Nie feucht liegen lassen.
  • Grenzen anerkennen. Es gibt Jahre, da faulen sie einfach, obwohl alle Faktoren identisch erscheinen. Mikrorisse? Unerkannte Wanzenstiche? Wetterkapriolen, die Früchte schädigen? Ich weiss es nicht. In einem von vier Jahren sind sie einfach nicht so gut haltbar.

Was waren die herausragenden Kürbissorten der letzten Jahre und ihre Eigenschaften?

 

Tosca

Grosses Beet mit vorwiegend "Tosca" bei der Ernte

Die Nr. 1 in meinem Anbau seit Jahren. Sie ist ein typischer Moschata, wie er seit 150 Jahren im Mittelmeerraum sehr populär ist, diese Gruppe kann man auch "Violina-Kürbisse" nennen. Sie bringt sehr grosse (Gewicht vier Kilo auf gutem Boden), herrlich aussehende terrakottafarbene Früchte mit heller Beduftung. Ihre Lagerfähigkeit ist nicht nur gut, sondern auch die Bewahrung ihrer hohen Fruchtqualität über die Monate.

Im Aroma sind Violinas generell intensiver als die schwächeren Butternuts, süsser und kräftiger. Ihr Fruchtfleisch ist leuchtend orange, kaum ein Gemüse wirkt farbintensiver. Dafür werden sie manchmal faseriger und die Früchte sind mit vier Kilo Gewicht unhandlich gross. Verdirbt eine Frucht, verderben gleich mehrere Kilos. Die Grösse hat auch Vorteile: Man hat weniger Mühe, sie mittels der oben erwähnten Holzbrettchen vor Schalenfehlern zu schützen.

Spalten von "Tosca" vorbereitet zum Backen im Ofen

Hauptnachteil ist die späte Reife. Alle der ursprünglicheren Moschatas reifen spät, in manchen Lagen Mitteleuropas wird einiges nicht reif. Bei mir werden in den meisten Jahren 80% der angesetzten Früchte reif, ansonsten immer noch genug, um den Anbau zu rechtfertigen. In Hochlagen würde ich den aber nicht anbauen.

Andere Violinas waren wirklich zu spät reif, hatten ungünstige Fruchtformen (zu warzig, zu gerippt, erschwert die Verarbeitung). Tosca lag immer gut in einer Schnittmenge positiver Eigenschaften. Angebaut hatte ich schon "Violina" (wichtige kommerzielle Sorte in Italien), Lunga di Napoli (riesig, spät reifend), Beja.


Valencia

Ernte 2023. Mitterechts oben "Valencia"

Eine Zwischenstufe zwischen den Violinas und den Butternut-Kürbissen. Aber eine Gute! Valencia gehört zu den am besten schmeckenden Moschata-Sorten, ist sehr süss und aromatisch, hat etwas von Karotte, Süsskartoffel, ist noch intensiver und homogener als Tosca. Glatte Schale, kleine Früchte. Reift auch gut nach. Von diesem Typ hatte ich schon mehrere Sorten, "Sonca" etwa, dieser und andere  wurden aber nicht reif. "Valencia" wurde immer weitgehend reif und schaffte immer sehr gute Erträge, auch wenn der Boden nicht so supergut vorbereitet war. Er möchte gerne dieselben Anbaubedingungen wie Tosca.


Leckor

Kürbis "Leckor" bei der Ernte

Eine F1-Hybride. Gehört zu den Maxima-Sorten, die alle ein wenig mehr Probleme bei Langlagerung haben. Mehr Schimmelgefahr, mehr unerklärbarer Verderb. Sorten wie Leckor sind in Ostasien populär, reif wie unreif, speziell die japanische Küche verwendet sie gerne. In Europa kam dieser Typ zuerst als "Hokkaido Kürbis" auf den Markt, meistens mit orangefarbener Schale, die weich kocht. Häufiger sind aber grüne und graue Sorten. Und dort sind auch die Aroma- und Langlagerschätze zu finden. "Leckor" ist wie "Tosca" eine Sorte, deren Eigenschaften nicht perfekt, aber ganz gut in einer brauchbaren Schnittmenge liegen. 1,5 Kilo schwer, gekocht sämiges Fruchtfleisch, weniger süss wie Tosca, eher "kartofflig" wie "karottig". Sehr gut für Suppe, dann etwas abschälen, damit die Suppenfarbe knallig bleibt. 


JWS 6823

Standardbutternut "JWS 6823"

Ebenfalls eine F1-Hybride und einer der wenigen mehltautoleranten Butternut-Kürbisse. So lagerfähig wie andere Langlager-Butternuts, nicht zu unterscheiden. Mit Butternuts ist es so eine Sache. Sie sind eine relativ junge Moschata-Form und ich habe den starken Eindruck, dass sie auf genetisch recht schmaler Basis stehen. Die Vielfalt ist gering. Es gibt zwar hunderte Sorten und für den kommerziellen Anbau wird ständig mehr gezüchtet, aber sie wirken alle sehr ähnlich: Eher schwach aromatisch, gut lagerfähig (bei mir bis zu acht Monate) im Anbau problemlos, glatt und gut zu verarbeiten, schnell reifend, reifen in Mitteleuropa generell auch in weniger guten Lagen immer aus. Sehr verkaufsfähige Idealgrössen, optisch ansprechend. Alle Sorten wirken ähnlich. Sie unterschieden sich eigentlich nur hinsichtlich ihrer Anbauqualitäten: Manche Sorten bleiben kompakter, haben recht uniforme Früchte (was stark erwünscht ist) und ein paar sind auch ganz gut mehltautolerant. Wie eben auch JWS. Im privaten Anbau eine sehr günstige Eigenschaft, vor allem in mehltaufördernden Lagen, wo unbehandelt oft schon Ende August echter Mehltau die Assimilationsleistung der Blätter hemmt und damit die Fruchtqualität senkt. Der Rest unterscheidet sich nicht von anderen Butternuts. JWS ist meine "Butter und Brot" Butternutkürbissorte, sie hat nie enttäuscht, bleibt aber natürlich innerhalb der Limitierungen aller Butternuts. Ausprobiert hatte ich schon Butterscotch, Betternut (nicht ganz so mehrtauresistent), Tiana (gut), Victory, Waltham (schwaches Aroma), Honeynut...

Kürbispommes

Montag, 15. Januar 2024

Puffbohnen, Verarbeitung und ein tolles Einlegerezept

Frisch geerntetes Rohprodukt, Puffbohnenkerne

Im Winter isst der Nutzgärtner die haltbar gemachten Schätze des Sommers. Und bei Puffbohnen wachsen sogar die Pflanzen im Winter. Mit dem Winteranbau von dicken Bohnen habe ich endlich wieder brauchbare Erträge, fast wie zu Zeiten meiner Eltern, die in einer kalten aber feuchten Hochlage auf schlechtem Boden im Frühlings/Sommeranbau immer gut geerntet haben. Sommeranbau, der hier nicht mehr geht. Die trockene Hitze prügelt die Pflanzen nieder. Aber der Winteranbau hat sich in meiner Gegend mittlerweile voll bewährt. Auch dieses Jahr sind die Jungpflanzen der Oktoberaussaat sehr gut aufgegangen, wachsen in Warmphasen, überstehen Kaltphasen ohne zusätzlichen Schutz, überstehen die neue winterliche Regenzeit. Ich habe die Anbaufläche ausgeweitet, auch wegen ihrer guten Biomasseproduktion und der vorteilhaften Stickstoff-fixierung der Wurzeln im Boden.

Letzten Sommer war dann die Ernte aus dem Winteranbau so gut, dass ich erstmalig so viele Bohnenkerne hatte, um weitere Verarbeitungsmethoden auszuprobieren. Was tun mit dem Segen, wie dicke Bohnen haltbar machen?

Einfrieren, Konserven und trocknen

 
300 Gramm Puffbohnen tiefgekühlt
Normalerweise werden sie frisch zubereitet sowie blanchiert und portionsweise eingefroren. Sehr simpel. Enthülsen, ggf. mit etwas frischem Bohnenkraut wenige Minuten in sprudelnd heissem Wasser blanchieren, abgiessen, mit kaltem Wasser abschrecken, ab in den Gefrierbeutel und das Gefriergerät. Hält sich mindestens zwei Jahre. Auftauen am Besten ebenso schnell: Die gefrorenen dicken Bohnen in eine Schüssel und kochendes Wasser aus dem Wasserkocher drüberkippen. Dann weiterverarbeiten. Hatten wir schon in früheren Beiträgen.

Eine haltbar gemachte Version im Glas mit Wasser existiert auch, wird aber anders hergestellt, es ist eine klassische Konserve. Sehr selten verkaufen deutsche Supermärkte als Aktionsware auch dicke Bohnen / Puffbohnen im Glas. Das letzte derartige Angebot stammte von Aldi Süd, lief unter "heimische Genüsse" oder so ähnlich. Die dicken Bohnen sind aber wie andere Konserven nur in Wasser und Salz eingelegt gewesen. Es waren sehr kleine Kerne, sehr jung geerntet, sie wirken im Stil und (schwachen) Aroma erbsenähnlich, mit denen sie ja auch verwandt sind. Die machten keinen Spass, schmeckten verkocht, nicht recht zu gebrauchen. Das Wasser löst viele Stoffe aus den Bohnen. Nicht teuer, als Zutat für Salate und kalte Beilage brauchbar, aber muss nicht sein. Da kann ich auch Dosenerbsen kaufen, die sind sogar noch billiger.

Geschälte Kerne - mühsam!
Puffbohnengericht mit geschälten Kernen

Früher wurden sie einfach getrocknet. Auch das geht weiterhin und ist in manchen Gebieten noch bekannt, aber zur Folkore geworden oder in der Verwendung weiterhin kein Gourmetprodukt (etwa arabisch, Foul oder Ful). Habe ich auch probiert. Problem ist: Nach dem einweichen und kochen ist die Konsistenz nicht mehr toll, die umgebende Samenhaut bleibt zäh, das Innere, die Keimblätter werden mehlig, totgekocht und geschmacksarm. Man muss die Dinger nämlich über Nacht einweichen und dann je nach Grösse und Zustand nochmal ein bis zwei Stunden kochen. Andere Hülsenfruchtarten überstehen das besser. Eine Verbesserung ist es auch, wenn man kleinfrüchtige oder relativ junge Früchte trocknet. Aber die behalten noch weniger Aroma und es wird noch mühsamer. Manche Zubereitungsarten machen sich die Probleme zunutze, wenn man beispielsweise etwas wie "Fave a coniglio" daraus macht, Puffbohnen nach Kaninchenart. Man kocht sie nach Einweichen dann mit Gewürzen, nimmt sie mit den Fingern, drückt und saugt sich die Keimblätter heraus, wirft die Samenhaut weg. Die alten deutschen Rezepte (Dicke Bohnen "Münsterländer Art" oder "Westfälische Art") hat man früher auch aus getrockneter Ware hergestellt, aber das ist mit Tiefkühlware so viel besser, dass es keiner mehr mit Trockenware machen will.

Eine Variante sind die getrockneten Keimblätter, also bereits geschälte Kerne der Ackerbohnen, ohne Samenhaut. Kann man kaufen, zu finden beispielsweise unter "Mezze Fave Sgusciate", bekannt vom Mittelmeer bis Indien. Für den Nutzgärtner bleibt das uninteressant, denn er kann nur von Hand schälen, dann wird alles so irre mühsam und mehrstufig aufwendig, dass es in keinem Verhältnis mehr zum Effekt steht.

Eingelegte dicke Bohnen

Vor ein paar Jahren bin ich dann zufällig auf eingelegte dicken Bohnen gestossen, ein kommerzielles Produkt aus Sardinien namens "Favette condite in olio di oliva". Das klang nicht unplausibel, schliesslich wurden schon in der Steinzeit dicke Bohnen rund ums Mittelmeer kultiviert. Dass vieles noch unter italienischem Namen zu finden ist, ist kein Zufall. Schon im alten Rom waren Puffbohnen ungeheuer verbreitet, Standardnahrung der Armen, das hat sich über die Jahrtausende erhalten. Sie sind jedoch ausserhalb der Tropen nicht nur in Italien, sondern überall bekannt und angebaut worden. In Gegenden des heutigen Italiens gibt es bis heute die grössten Reste der langen Verarbeitungs- und Verwertungstradition. Viel ist davon jedoch nicht populär geblieben, die Produkte sind weit nach hinten sortiert oder man hört nichts mehr davon. Seltsamerweise. Eingelegte dicke Bohnen als kommerzielles Produkt scheinen beispielsweise ausserhalb Sardiniens heute kaum zu existieren. Diese in Öl und Gewürze eingelegte gekauften Bohnen schmeckten aber auf Anhieb sehr gut, leider machte die vorgeschriebene Zutatenliste ohne Mengenangaben nur dürre Aussagen über den Inhalt, ein Rezept war nicht im Netz zu finden. Inhalt: "Pferdebohnen (63%), Olivenöl, Petersilie, Fenchel, Knoblauch, Schwarzer Peffer, Salz, Zucker, Säureregulator: Zitronensäure". Hersteller CP&G Srl - Ayo Alimenti, Sardinien. Zum sehr stolzen Preis von 21,94 € pro 1 kg, was dem Niveau von edlem Käse entspricht. Sonst war fast nichts, wenig aus Italien, nichts aus Spanien, nichts aus Griechenland, nichts aus Nordafrika, nichts aus dem östlichen Mittelmeerrand.

Also habe ich mich ans ausprobieren gemacht, überlegt wie man sie zubereiten könnte, getestet und dann die Mengen erhöht. Jetzt im Winter ist der beste Zeitpunkt, die Ergebnisse auszuprobieren und Manöverkritik zu üben. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die selber eingelegten dicken Bohnen schmeckten spitze und ich werde künftig einen guten Teil der Ernte wieder so zubereiten. Sie sind haltbar ohne Kühlung, ideale Antipasti vor einem besseren Abendessen, zusammen mit halbgetrockeneten Tomaten, Oliven, angeröstetem hellem Brot und einem kräftigen Rotwein etwa. Ein Hochgenuss, vor allem jetzt im Winter. Die Bohnen nehmen Gewürzaromen sehr gut auf, werden trotz der Salzzugabe nicht hart, harmonieren mit Öl und der Gewürzkomposition sehr gut. Innen sämig, Puffbohnenaroma auch sehr gut erhalten. Machen sich wie gesagt gut auf einem Vorspeisenteller oder als herzhafter Bestandteil eines Abendessens zwischen anderen Genüssen.

Das nachgebaute Rezept

Probiert habe ich folgendes:

  • Die Puffbohnenkerne blanchieren, d.h. zwei Minuten in sprudelnd kochendem Wasser kochen, dann herausnehmen, sofort abschrecken und auf einem Küchentuch eine Minute entfeuchten lassen. Sie müssen nicht ganz trocken sein, aber auch nicht mehr ganz nass.
  • Die Puffbohnen sofort danach in Gläser mit Twist-Off Verschluss schichten. Verwendet werden Gläser, in denen vorher 500 bis 720ml Füllgut war, etwa eingelegte saure Gurken oder solche Produkte. Ein paar schwarze Pfefferkörner in jedes Glas dazulegen, Knoblauchzehen nach Geschmack, ein dickes Blatt mit glatter Petersilie, Fenchelgrün aus dem Garten, ein gestrichener Teelöffel Salz, ein Spritzer Weissweinessig, auf Zucker habe ich verzichtet. Wenn, dann etwas Honig, ein gestrichener Teelöffel.
  • Sterilisieren im Ofen
    Etikettenreste der vormaligen Olivengläser stören nicht
  • Dann kommt das Öl: Reines Olivenöl war mir zu heftig und auch zu teuer für den ersten Versuch. Stattdessen Sonnenblumenöl plus etwas Olivenöl genommen. Liegen die dicken Bohnen dicht im Glas, braucht man gar nicht viel Öl, max. 25% des Gesamtvolumens. Nur die Lücken werden aufgefüllt. Eventuell die Puffbohnen vorher zurechtschütteln oder etwas ins Glas drücken, damit sie besser gepackt sind.
  • Deckel drauf, nur leicht zuschrauben, die Gläser in den grossen Topf ins Wasserbad auf den Herd stellen. Oder in den Einkochtopf. Erhitzen, bis das Wasser leicht kocht und damit auch den Inhalt. Oder nur die Gläser in den Ofen, ohne Deckel, Heissluft bei 100°C, dann dauert es länger, so habe ich es gemacht. Die dicken Bohnen mit dem Öl und den Gewürzen werden auch mit erhitzt und somit sterilisiert. Wer unsicher ist, mit einem Bratenthermometer die Temperatur des Inhalts messen.
  • Fertig eingelegt, lagerfähig, lecker
  • Nach max. einer Viertelstunde (Inhalt >90°C) die heissen Gläser mit dem Topflappen herausnehmen und sofort (!) fest zudrehen, kippen, damit der Deckel benetzt wird. Nach zehn Sekunden wieder aufrichten und stehen lassen, bis sie abgekühlt sind. Sortieren: Gläser mit nach innen gewölbten Deckel haben Unterdruck aufgebaut und sind dicht, steril, langfristig haltbar. Andernfalls hat etwas nicht geklappt und der Inhalt sollte gekühlt werden, dann in den kommenden Wochen verbraucht. Da sind sie zwar noch nicht gut durchgezogen, aber besser so wie verderben lassen, nur weil die Deckel nicht luftdicht waren. Dann wäre die ganze Mühe für die Katz gewesen. Ich bekomme normalerweise fünf von sechs solchen Gläsern luftdicht hin. Für eine Fabrik wäre das schlecht, für das private Hobby in der Hausküche ist es gut.
Gewürze, im Glas, mit Öl im Glas

Das wars. Nur noch etikettieren. Nach zwei Monaten sind die Gewürze durchgezogen. Ergebnis sind fantastische Antipasti, haltbar ohne aktive Kühlung. Zwei Jahre haltbar im Keller gelagert, dunkel. Vor allem Öl sollte nie hell stehen.

Warum gibts das nicht häufiger? Vermutlich, weil das ein eher neues Produkt ist, da Einlegen in Öl keine lange Tradition hat. Konsumierbare billige Saatenöle gab es früher kaum und Olivenöl war immer teuer. Die billige Armeleutehülsenfrucht in teurem Olivenöl einlegen, das konnte sich nie als ein häufiges Produkt entwickeln.

Simpel: Puffbohnen mit Kürbis, dazu Rührei und Reis

Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.

 

Donnerstag, 28. Dezember 2023

Chinakohl verstrickt sich im Netz

Chinakohl unter Gemüsenetz

Chinakohl war hier im Blog vor allem in den Beiträgen "Fehlschläge des Jahres" ein Star. Das lag und liegt am grundlegend neuen Wetter, das sehr viele Probleme speziell für alle Kohlsorten mit sich brachte, was in diesem Beiträgen oft zur Sprache kommt. Alles war dabei: Am schlimmsten sind mehr und neue Schädlinge, dann schiessende Köpfe Dank Wetterextremen, mehr Pilzkrankheiten die früher keine Rolle spielten, schwaches Wachstum oder gar kein Wachstum wegen anhaltender Hitze.

Trotzdem: Aufgegeben wird nicht. Ich liebe Chinakohl und Kapitulation kommt nicht in Frage. Chinakohl verwende ich am liebsten für Kimchi, dafür braucht man richtig grosse Mengen. Auch sonst ist er vielseitig und beliebt, für Salate, Bratgemüse, auf belegten Broten, in Pfannkuchen... wirklich aufgegeben habe ich nur den Frühjahrsanbau, der ist so ziemlich chancenlos geworden. Er braucht ein mildes, feuchtes Frühjahr. Heute herrscht in der Regel schon im April knochentrockene anhaltende Hitze samt sehr früh aktiven Schädlingen, dann doch wieder Frost im Mai, er schiesst dann zuverlässig. Wenn, dann Anbau im Herbst.

Typisches oberirdisches Schadbild von Kohlfliegen

Der neueste Verbesserungsversuch lief mittels Gemüsenetz. Sowas habe ich schon früher gelegentlich an anderen Kulturen probiert, bin aber nie richtig warm damit geworden. Es war umständlich, brachte andere Probleme mit sich. Nun also Chinakohl. Meine Hoffnung war, dass sich die Versprechungen der Verkäufer bewahrheiten:

  • Kein Zuflug von Kohlfliegen. Fatale Schädlinge, die sehr häufig geworden sind. Sie bringen Kohlgemüse zum welken. Die heute normale trockenwarme Witterung ist ein Turbo für sie. Sie fressen Wurzeln, bohren sich von unten in die weissen Blattrippen, wo die Würmer Frassgänge und dann Fäulnis verursachen.
  • Kein Zuflug all der vielen Falter, deren Raupen sich gnadenlos durch die Blätter fressen. Das sind Kohleulen, Wintersaateule, Gemüseeule, Hausmutter, Kohlweisslinge.
  • Kein Zuflug der vielen anderen Schädlinge wie Kohldreherzmücke oder Kohlmotte. Die Drehherzmücke hat sich die letzten Jahre sehr stark ausgebreitet, früher war sie nur im Süden nennenswert vorhanden, jetzt jedes Jahr flächendeckend und stark.
  • Kein Zuwandern von Schnecken und der extrem gewordenen Kohlerdflöhen. Nur, was schon unterm Netz ist, kann dem Chinakohl noch schaden.
Chinakohl Vorkultur in Pflanzplatte

Gehofft, getan. Die Vorkultur auf dem ausgewählten Beet war Kartoffeln. Boden vorbereitet im Juli, Chinakohlpflanzen in einer Pflanzplatte vorgezogen, Sorte Emiko (früher schon die Sorten Granaat, Parkin, Cantoner, Kilakin, Scarlette rot, One Kilo als Lieblingssorte gehabt). Schneckenbekämpfung, Auspflanzung diesmal Anfang August, dann sofort ein Gemüsenetz installiert. Dafür habe ich Holzlatten mit etwas angerundeten Kanten (damit das teure Netz nicht beschädigt wird) als Abstandhalter in den Boden gesteckt und das Netz in 40cm Höhe darübergezogen. Überstehende Ränder eingerollt und entweder leicht in Erde eingegraben oder mit einer langen, steinbeschwerten Holzlatte am Boden fixiert. Diese Konstruktion hat sich bewährt, kein Sturm und kein Ereignis hat sie umgeworfen. Die Lattenfixierung ist wichtig, wie sich herausstellte, dann man muss doch wieder öfters das Beet öffnen und wieder schliessen. Die Latten sind dafür günstig, sie drücken das Netz plan an den Boden, man kann sie aber auch abheben und dann das Netz an dieser Seite öffnen. Eine Seite habe ich gehäufelt, das Netz etwas eingegraben. Das Netz blieb bis kurz Vor der letzten Ernte Ende November auf den Pflanzen. Als Vorteile zeigten sich:

Fast erntereif unter dem Netz
  • 60% der Problemschädlingsarten blieben tatsächlich draussen. Das waren Kohldreherzmücken, Kohlfliegen, einige Raupenarten. Bei Kohlerdflöhen war nichts zu beweisen, weil die Auspflanzung so spät passierte, dass die schon weg waren. Vor allem die Abwehr von Kohlfliegen war sehr günstig für den Chinakohl.
  • Das Netz war auch ein Schutz gegen die marodierenden Tauben, die mir hier zuverlässig und ganzjährig Jungpflanzen, vor allem alle Kohl- und Salatarten zerhacken und vernichten. Deswegen muss ich sowieso stark mit Vogelschutznetzen arbeiten. Die sind zwar einfacher zu handhaben, aber das erledigt das Gemüsenetz auch gleich mit.
  • Auch gegen Hagel war das Netz ein erstklassiger Schutz.

 

Und sogleich die Nachteile:

  • Trotzdem raupenzerfressen bis ins Innere...
    Schnecken bleiben nicht draussen. Die kleine schwarze Gartenschnecke Arion Hortensis kam durch den Boden, sie ist ohnehin der schlimmste Schleimer im Garten. Das Netz hielt auch ihre Fressfeinde wie Igel oder Blindschleichen draussen. Man sieht durch das Netz zudem erst spät, oft zu spät die Frassschäden. Dann muss man sofort aufdecken und Schnecken bekämpfen.
  • Erdraupen bleiben nicht draussen. Sie kamen erst mit der Zeit und überraschten mich, weil es lange gut ging. Ich rechnete nicht mehr mit Ärger und bemerkte bedingt durch die schlechte Sicht durch das Netz nicht, dass sie bereits Riesenschäden beim Chinakohl angerichtet hatten. Sie frassen sich tief in die Köpfe. Offenbar kriechen sie auch durch die Erde zu Wirtspflanzen.
  • Erdraupe auf frischer Tat
    Die Luftfeuchte war unter dem Netz grösser, was verstärkten Befall mit Pilz- und Bakterienkrankheiten zur Folge hatte, vor allem Ringfleckenkrankheit (Neopseudocercosporella brassicae), aber auch Phoma, Nassfäule. Ich hatte zur Kontrolle dieselben Sorten auch ausserhalb des Netzes und sie blieben bei diesen Krankheiten deutlich gesünder. Auch Regenwürmer nisteten sich stärker zwischen den Blättern ein. Sie fressen zwar den Chinakohl nicht, aber verschmutzen ihn innen.
  • Nicht alles schön unterm Netz
    Netz rauf, Netz runter. Ein weiterer Daueraufwand entsteht. Denn auch unter dem Netz vermehrt sich Unkraut sehr gerne, man muss genau nachsehen was sich an und in den Köpfen tummelt und schliesslich will man auch mal etwas ernten. Die Zeremonie, das Netz abzuziehen und dann wieder dicht hinzupfriemeln gefiel nicht. Wann gibts solche Netze mit Reissverschluss?
  • Das Beet muss sich in Forum und Grösse an das Netz anpassen. Zu kurz geht nicht, Lücken aus Netzabschnitten gehen nicht. Damit ist man unflexibler. Schneidet man sich das Netz zurecht, hat mal bald nur noch Teilstücke, die im Folgejahr noch weniger nutzbar sind.
  • All das Material kostet Geld. Viel Geld, denn das Netz ist nicht billig. In 8 von 12 Monaten des Jahres muss es irgendwo aufbewahrt werden, braucht also auch unbenutzt Platz. Man muss es reinigen, rollen (es lässt sich kaum falten), Rolle zubinden...
Etwas mickrig, aber so soll er sein
nach Entfernen der Umblätter

Fazit: Die Ernte verwertbarer Chinakohlköpfe war etwas besser, aber nicht gut. Das Netz ist ein Schritt voran, aber Nachteile sind ebenfalls vorhanden und so deutlich, dass man nicht auf Anhieb "ja" zu seinem Einsatz sagen kann. Am meisten nervt mich, dass man immer mehr Zeugs, Krempel, Massnahmen, Material, Einkäufe braucht, um Dinge wieder etwas besser (aber nicht mal gut) wachsen zu lassen, die früher leichter gingen. Wie beim Obst: Irgendwann geht das alles ur noch in steriler, künstlicher Vollschutzumgebung. Beispiel Erdbeeren: Erst das Erdbeerfeld, dann wird künstliche Bewässerung nötig, dann vom Feld in den Folientunnel, dann in die Stellagen, dann in die geschlossenen Stellagen. Und dann? Zellkulturen aus dem Bioreaktor, essfertig zurechtgeschnitten?

Nassfäule unterm Netz. Ohne Netz nicht.

Sehr grosser Blattverlust durch die Raupen. Viele Blätter sind nur noch Hühnerfutter. Die Raupen sowieso.

Freitag, 15. Dezember 2023

Bienenwachs und Kerzen daraus

Einige meiner Bienenwachskerzen für Weihnachten

Bienenwachs ist ein geheimnisvoller Stoff und war lange Zeit sehr wertvoll. Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften waren nicht in ausreichender Menge vorhanden. Verwendet wurde es zum Beispiel zur Kerzenherstellung, zum Modellieren, als Trennmittel bei Metallgusstechnik (unerlässlich für Bronzeguss), zur Imprägnierung, zum Schreiben auf Wachstafeln, zum Abdichten, als Bindemittel, für Versiegelung, in der Medizin, der Kosmetik. Bienenwachs war in der Hanse sogar Währung, die gehandelten Mengen waren riesig. Für Kerzen verwendeten es bereits die Römer. Ab dem 6. Jahrhundert tauchten Bienenwachskerzen auch in Gräberfunden nördlich der Alpen auf. Sie waren gezogen und geknetet, der Docht bestand aus Pflanzenfasern oder Holzspänen. Sie russten deshalb und brannten nicht optimal ab, mussten mit dem fortschreitenden Abbrand gekappt ("geputzt") werden, waren aber immer noch besser als alle anderen Beleuchtungsmittel jener Zeit, das war Herdfeuer, Tran- und Talglampen, Kienspäne.

Bienenwachs, was ist das?

Chemisch besteht das Wachs der heimischen Bienen häuptsächlich aus Myricin und Cerin (einem Gemisch aus Cerotinsäure und Melissinsäure), es sind aber 300 weitere Stoffe enthalten. Myricin ist das Palmitat eines langkettigen Alkohols. Bienenwachs schmilzt ab 62° und erstarrt wieder bei 58°, verdampft ab 250°C. Wachs ist wenig leichter als Wasser, löst sich in organischen Lösungsmitteln wie Alkohol, heissem Fett, Benzin, Terpentin. Wachs mit Wasser aufgekocht ergibt oben schwimmendes ruhiges Wachs, während darunter das Wasser Dampfblasen hindurchblubbert. Das Wachs entsteht im Körper der Bienen, die Biene produziert winzige Wachsplättchen in ihren Wachsdrüsen in ihren Bauchsegmenten. Die Plättchen knetet sie mit ihren Mundwerkzeugen und reichert sie mit Stoffen aus der Kopfdrüse an. Die ganz neuen Plättchen sind weiss und transparent, später bei der Verarbeitung bekommt Wachs vor allem durch Pollenöle und Propolis seine gelbe Farbe. Mögliche natürliche Farben liegen zwischen fast weiss, hellgelb, zitronengelb, dunkles warmes Gelb. Wachs aus der Frühlingszeit ist leuchtend gelb, danach wird die Farbe mit der Rapsblüte bleicher, gedeckter. Unbebrütetes Wachs ist hell, Wachs das der Imker aus eingeschmolzenen alten Brutwaben gewinnt ist sehr viel dunkler. Wird es älter, verfärbt es sich weiter.

Für die Bienen ist die Wachsproduktion sehr energieaufwendig. Um ein Kilo Wachs zu erzeugen verbrauchen sie viele Kilo Honig. Es wird 60mal so viel Honig wie Wachs im Bienenstock produziert. Entsprechend sparsam gehen sie mit ihrem Baumaterial Bienenwachs um.

Bienenwachskerzen

Brennende Bienenwachskerze - goldoranges Licht

Ursprünglich wurden Bienenwachskerzen durch tauchen von Dochten (Pflanzenstengel, Fäden) in heisses, flüssiges Wachs hergestellt. Kerzengiesser hatten seit dem Mittelalter eigene Innungen und Bienenwachs war ein wichtiges international gehandeltes Gut. Die Kerzen waren aufgrund der Knappheit von Bienenwachs Luxus und wurden deshalb vor allem in der Kirche und vom Adel verwendet. Das gemeine Volk hatte nur rauchende, kurz brennende Kienspäne oder stinkende und ebenfalls russenden Talglichter, zudem musste ihr Docht regelmässig gekürzt werden.

Mit der Säkularisation sank der Bedarf. Dann kam der Umstieg auf Stearin, dann billiges Paraffin aus Erdöl, damit wurden die teuren Bienenwachskerzen endgültig zur Ausnahme. Mit dem elektrischen Licht wurden Kerzen insgesamt vom Gebrauchs- zum Dekorations- und Stimmungsartikel. Eine wichtige Erfindung des 19. Jahrhunderts betraf die Dochte. Man erfand Tricks, um einen Docht so zu flechten, damit er sich beim Abbrennen krümmt. Die Spitze ragt damit bogenförmig aus der Flamme und verbrennt, der Docht kürzt sich selbst, die Kerze russt nicht mehr, ohne dass jemand von Hand den Docht kürzen musste. Diese Genialität ist den Menschen heute nicht mehr bewusst, wenn sie eine Kerze anzünden und sich an ihrem ruhigen Abbrand erfreuen.

Bienenwachs brennt nur leicht schneller wie Paraffinkerzen. Bis heute sind Bienenwachskerzen unerreicht angenehme Lichter. Ihr Licht wirkt wärmer, mehr orange. Ihr leichter, süsslicher Duft ist auf natürliche Weise wunderbarer Nebeneffekt. Kerzen überhaupt: Der Mensch blickt seit 400 000 bis 700 000 Jahren fast täglich in von ihm kontrolliertes Feuer, verbindet es mit Ruhe, Essenszubereitung, Schutz, Wärme.

Bienenwachskerzen aus dem Supermarkt 

Nur unter 2% beträgt der Marktanteil der Bienenwachskerzen. Gerne werden auch Mischungen verkauft, vor allem bei Weihnachtsbaumkerzen, da ist dann ein Drittel Bienenwachs drin, der Rest Paraffin. Das Bienenwachs kommt bei Supermarktware nie von heimischen Bienen. Wie beim Honig wird kräftig importiert, vor allem aus Südamerika und Asien. Auch Mischungen mit Wachs anderer Bienenarten existieren, zum Beispiel der asiatischen Apis Cerana. Deren Wachs hat eine etwas andere Zusammensetzung und enthält auch kein Propolis, aber in der Mischung ist wenig Unterschied zu bemerken.

Wachsplatten des Frühlings: Leuchtend

Weniger weit gereistes Wachs gibts bei Imkern. Oft, aber nicht immer. Denn Imker benötigen das Wachs für ihren Wachskreislauf, der Standard- Hygienemassnahme im Bienenstock: Alte Waben werden irgendwann eingeschmolzen, der Trester mit den Puppenhäutchen abgetrennt, das Wachs gereinigt und daraus wieder die Grundplatten für neue Waben gegossen, die dann den Bienen in den Stock gegeben, damit sie darauf neue Zellen bauen. Nur mittels dieses eigenen Wachskreislaufes kann man sicher sein, sich keine unerwünschten Stoffe von aussen ins Bienenvolk zu holen. Deshalb kauft so mancher Imker lieber Importbienenwachs in schüttbarer Linsenform zu, um daraus die Kerzen zu machen statt aus dem Eigenwachs. Dann sind die Kerzen zwar von Imkerei XY hergestellt, aber das Wachs stammt z.B. aus Kasachstan. Das Kilo Importwachs kostet Stand heute rund 10 EUR. Deutsches Wachs fängt bei etwa 20 EUR an. Ist es biozertifiziert, wird es noch weit teurer.

Wie mache ich meine Kerzen?


Meine Kerzen sind ausschliesslich aus Bienenwachs meiner Völker hergestellt. Es gibt keinen Wachszukauf. Gekauft wird nur der Baumwolldocht. Da ich keine grossen Mengen produziere (denn der Aufwand ist erheblich), gibt es keine Schwierigkeiten mit dem eigenen Wachskreislauf. So geht das vor sich mit den Kerzen:
  1. Abtrennen der Pollenschicht vom Wachsblock
    Das Rohwachs aus Bienenwaben der Bienenvölker wird in einem Dampfwachsschmelzer gewonnen. Das ist eine recht grosse Edelstahltonne mit Einsatzsieb, Abfluss, gut schliessendem Deckel. Den lasse ich mit einem elektrischen Dampferzeuger immer dann laufen, wenn die Sonne scheint, damit der benötigte Strom von der Solaranlage geliefert werden kann.
  2. Die daraus entstandenen dicken Teller aus Wachs wiegen 2-3kg und enthalten noch einige Fremdkörper. Sie werden noch einmal in einem grossen Kochtopf geschmolzen, das Flüssigwachs fein gesiebt und in einem Gefäss langsam erneut erstarren gelassen. Am unteren Rand des wieder festen Wachskörpers bildet sich bereits eine graue Zone, das ist Wachs mit hohem Pollenanteil und feinen Fremdkörpern, das wird lauwarm abgeschnitten. In kaltem Zustand kann man nichts mehr schneiden, dann wird das Wachs zu hart.
  3. Rechts der unbrauchbare Pollenwachsanteil
    Nun wird alles aufwendig: Rund 5 Kilo dieser vorgereinigten Wachsbarren werden in weichem Wasser erneut geschmolzen, Dampfbläschen sprudeln hindurch, wichtig für die Reinigung. Alles wird in einen Edelstahleimer gefüllt und der bei 65-70°C warm gehalten, ohne dass die Flüssigkeit irgendwie bewegt wird. Die Kochplatte ist dafür ungeeignet, weil die Wärme von unten das Wachs in leichter Strömungsbewegung hält. Der Eimer kann in einem Ofen oder Wärmeschrank stehen. Mindestens über Nacht. In dieser langen Zeit sinken weitere Pollen und kleine Fremdkörper ganz langsam nach unten.
  4. Gereinigt, gestückelt, schmelzfertig
    Langsam abkühlen lassen. Aus dem Eimer klopfen. Unteren Rand abschneiden, dort konzentrieren sich die Pollen, das sieht grau aus. Hat man alles ganz abkühlen lassen, um es aus dem Eimer zu bekommen, muss man den Block wieder erwärmen, sonst ist er nicht zu schneiden. 
  5. Alles wiederholen. Ergebnis: Nach mehreren Tagen hin und her liegt ein Block gut gereinigtes Wachs vor, nun auch für Kerzen geeignet. Der Pollenwachstrester kann noch zum Versiegeln verwendet werden, etwa beim Edelreiserschnitt. Der abgetrennte Teil ist normalerweise aber ein Verlust, das macht 15-35% aus, je nach Rohwachszustand.
  6. Der grosse Block ist unhandlich. Warm wird er in einige Stücke geschnitten oder alles sofort verarbeitet.
  7. Gereinigtes Wachs schmelzen, Kerzenformen befüllen, abkühlen lassen, Kerzen entfernen, erneut giessen, bis man so viele Kerzen hat, wie man haben wollte. Die Dochte werden vor dem giessen eingespannt oder nachher durch freigehaltene Kanäle eingezogen. Es gibt auch gezogene Kerzen, mache ich nicht.
  8. Schmelzen, um Kerzen zu giessen
  9. Die fertigen Kerzen müssen ganz abkühlen, damit sie aus der Form zu klopfen sind. Sie haben zunächst ein schönes, glänzendes Aussehen. Man macht von Hand noch kleinere Korrekturen, prüft ob die Kerze gerade und stabil steht, tränkt den Docht in Wachs.
  10. Frisch gegossene Kerzen brennen nicht optimal. Kühl gelagert verbessert sich die Wachsstruktur mit der Zeit. Gelagert werden muss immer dunkel und kühl. Ältere Kerzen verändern auch ihre Oberflächenstruktur, sie sehen weiss bemehlt aus, wie alte Schokolade. Das ist eine typische Eigenschaft von Bienenwachs und ein Qualitätszeichen. Beseitigen kann man das mit einem Fön oder kurzes tauchen in 70° C warmes Wasser. Die Kerzen sind damit ein einer Sekunde optisch verjüngt.
Kerzen unterschiedlichen Alters

Nun ist auch klar, wieso handwerklich hergestellte Kerzen vom Imker teurer sind als industrielle chinesische Paraffinkerzen aus dem Übersee-Container. Allein der Rohstoff ist 25mal so wertvoll. Die Arbeitszeit darf der Imker sowieso nicht berechnen, sonst würde er gar nicht erst anfangen. Nur als Hobby ist diese Aufwand/Ertragsquote zu rechtfertigen. 

Abbrand einer Wachskerze aus kaum gereinigem Wachs, das noch viele Pollen enthält
 

Kerzen wie Skulpturen

Bienenwachskerze in Rosenform

Fans toller Kerzenformen kommen bei dieser Eigenproduktion aber voll auf ihre Kosten. Es gibt Kerzenformen von Rosen über Figuren bis hin zum lebensechten Wachspenis als Scherz. Mein Stil ist das alles nicht, ich liebe die einfacheren, eleganteren und praktischeren Leuchterkerzen, Tischkerzen, Teelichte, Weihnachtsbaumkerzen. Es ist das warme Licht, der Duft, der schöne Abbrand, der die Attraktivität für mich ausmacht, nicht eine sprechende Form der Kerze. Auch das kann schön sein, aber die Kunstkerzen verschenkt man eher, dann stehen sie herum bis sie grau sind. Aber genau wie bei verschiedenen Honigsorten gilt: Alles Geschmackssache. Ein alter Verkauftstrick ist es, neben zeitlos schönen Formkerzen auch absichtlich ein paar eher abstruse Designs zu stellen. So findet der Käufer leichter zu "seiner" Form, und erleichtert ihm die Auswahl, weil auch Kerzen dastehen, von denen er gleich weiss, dass er die ganz sicher nicht will.

Samstag, 9. Dezember 2023

Obstneupflanzungen im neuen Klima

Neu gepflanzte Champagner Renette

Gründe für Neupflanzungen sind bei mir leider meist traurig: Vorher dort stehende Bäume sind abgestorben. Das Sterben der Obstbäume ist in den letzten Jahren aufgrund der veränderten Wetterbedingungen zur Epidemie geworden. Äpfel sterben in meiner Lage vorrangig wegen Rindenbrand, Steinobst leidet stärker unter Monilia und nun auch viel zu warmen Wintern, die zum Austrieb und dann Absterben von grossen Astpartien oder dem ganzen Baum führen, weil doch noch kräftige Nachtfröste kommen. Zweigmonilia und andere Pilzkrankheiten sind generell virulenter geworden. Junge Bäume sterben, weil Extremsommer ohne Regen gekommen sind und man zu wenig oder zu selten Wasser hinschaffen kann. Andere Bäume sterben einfach so, wie es nun mal passieren kann - aber ganz klar häufiger als früher, direkte Gründe für den Stress sind nicht immer zu sehen.

Also wird neu gepflanzt. Die Baumschulen freut es. Aber nicht mehr die der Region, ich kaufe vermehrt im Mittel-osteuropäischen Ausland, der guten Qualität wegen und weil ich dort die Sorten auf den Unterlagen (nämlich mittelstark wachsende) bekomme, die ich haben will. Ich kann nicht alles selber veredeln. Das Sortiment der meisten deutschen Baumschulen (es gibt fachlich sehr gute Ausnahmen!) passt ausserdem meistens weder zum sich veränderten Klima noch für Hobbygärtner. Die teure Ware wird sowieso immer öfter billig importiert, von grossen Vermehrern aus Ost- und Südeuropa. Früher Baumschule, heute Händler. Aber auf einen Extra-Zwischenhändler kann ich verzichten.

Wie pflanzt man heute am besten?

Wurzelballen von Äpfeln, Idealzustand. Grosse Wurzeln
geschnitten. Nie abtrocknen lassen!

Früher war es noch eine Dauerdiskussion, die Frage ob Herbst- oder Frühjahrspflanzung besser ist. Das Klima hat es entschieden: Gepflanzt wird heute ausschliesslich im Herbst. Der Herbst ist eine endlos lauwarme, trübe Angelegenheit geworden, in der meist nach langer Trockenzeit wieder eine Regenzeit beginnt. Lange Frostperioden im folgenden Winter gibt es nicht mehr, der Boden ist nie mehr als wenige Zentimeter tief gefroren. Wir hatten dieses Jahr zehn Wochen im Frühsommer ohne Regen und sechs Wochen im Spätsommer. Im Herbst begann eine Regenzeit und zwar sieben Wochen täglich (!) Regen. Dieses Muster anhaltender Trockenzeiten und Regenzeiten ab Herbst ist mit wenigen Ausnahmen seit Jahren üblich geworden. Den Wetterstil von früher gibt es nicht mehr, die Wetterlagen sind heute viel statischer, oft bis zur Katastrophe konstant. Das ist eine Folge der Klimaveränderung, der Abschwächung des polaren Jetstreams wegen abnehmender Temperaturkontraste entlang der Breitengrade, deshalb stehen die Rossby-Wellen heute viel ortsfester und mäandern auch viel weiter nach Nord und Süd.

Herbstpflanzung statt Frühjahrspflanzung ist bereits in https://gartenzone.blogspot.com/2019/03/fruhlings-oder-herbstpflanzung-die.html beschrieben und die Argumente von damals haben sich noch verstärkt. Die Angst vor harten Winterfrösten, die Neupflanzungen schädigen ist heute unbegründet. Vielmehr kann man mit einer Herbstpflanzung sogar die neuen Wachstumsmonate im Winter ausnutzen, länger Schnee und tief gefrorene Böden gab es seit Jahren nicht. Die Wurzeln beginnen sofort nach Einpflanzung zu wachsen, neue Feinwurzeln bilden sich, der Baum "schlägt Wurzeln".

Die Pflanzung muss heute mehr denn je den wetterbedingt gestörten Wasserhaushalt berücksichtigen. Zu viel Regen gibt es nicht bei Obstbäumen (wenn sie nicht neben einem Bach stehen und dann unter Wasser), aber zu wenig.

  • Wichtig sind deutliche Giessränder mit grossem Durchmesser um den Stamm herum im Traufbereich der Jungkrone. Erstens sollen plötzliche kurze und starke Regenfälle nicht oberflächlich ablaufen, sondern möglichst in den Boden eindringen. Diese Technik wird in Permakulturen immer schon in verschiedenen Formen angewendet, zum Beispiel durch ziehen geeigneter Furchen. Zweitens muss man Neupflanzungen immer giessen, das mühsam hergetragene Wasser soll ebenfalls nicht über die Wiese, sondern an die Wurzeln des Baums, es braucht Zeit um in die Tiefe zu kommen. Also schon bei der Pflanzung grosszügige Giessränder modellieren, Mindesthöhe 5cm, je mehr desto besser.
  • Die Baumscheibe nicht nur konsequent von Bewuchs freihalten (jede andere Pflanze ist Wasser- und Nahrungskonkurrenz), sondern auch die Oberfläche so gestalten, dass Wasser gut versicken kann und wenig von unten verdunstet. Beispiel: Keine Erde mit Verschlämmungstendenz oben liegen lassen!
  • Pflanzloch, Pfahl, eingestreutes Agrargel
  • In Nordafrika schon länger bei Gehölzpflanzungen angewendet, auch in Deutschland sehr empfehlenswert geworden: Die Verwendung von Agrargel oder Hydrogel im Pflanzloch. Agrargele sind "Bodenhilfsstoffe für Trockengebiete". Superabsorber, die sich bei Wasserzugabe zu einem Gel vollsaugen, ein vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser binden und wieder langsam abgeben können. Solche Stoffe werden zum Beispiel in Babywindeln verwendet. Bis vor einigen Jahren waren das biologisch abbaubare Kunststoffe, etwa Natriumpolyacrylat, mittlerweile gibt es auch rein aus Holz hergestellte Gele auf der Basis von Lignin mit denselben Eigenschaften. Damit verlängert sich die Bodenfeuchte in Trockenzeiten und verlängert damit auch die Mindest-Giessintervalle. Details meiner guten Anwendungserfahrungen werden Gegenstand eines eigenen Beitrages sein.

Die übrigen Standardtipps zu Pflanztiefe, Behandlung des Wurzelballens, Pflanzschnitt, anbinden etc. haben sich wenig geändert. Die erste Düngung sollte aber etwas früher erfolgen als in der Literatur angegeben, weil die Bodentemperaturen meistens früher steigen und Stickstoff deshalb früher aufgenommen werden kann, früher benötigt wird, in der späteren Sommertrockenzeit dann weniger. In unserer Gegend am Südwesthang mit magerem Boden gebe ich Stickstoff an bedürftige Gehölze schon im Februar, je nach Wetter. Jungbäume bekommen viel Pferdemist oben auf die Baumscheibe, aber nicht am Stamm. Damit bleibt sie bis zur ersten Mahd bewuchsfrei und der Belag hält das Wasser besser im Boden. Eine Düngewirkung hat der Pferdemist mehr indirekt, weil er auch das Bodenleben anheizt.

Rindenbrand an "Gala"

Vor der Pflanzung kommt das Abräumen toter Bäume. Eine traurige Angelegeheit. Abgeräumt habe ich diesen Herbst einen Apfel der Sorte Roter Bellefleur, toll gewachsen, eine Lagerapfelhoffnung. Er hatte immer stärker schwarzen Rindenbrand und starb im Frühling komplett. Wenn es denn diese Sorte war, in Reiserschnittgärten wurde nach einen genetischen Untersuchung oft der Rheinische Winterrambur als "Roter Bellefleur" vermehrt. Ein geschenkter "Gala" starb auch den Rindenbrandtod. Weissanstrich nutzte nichts. Drei Pfirsiche und eine Aprikose starben aus den Gründen im ersten Absatz. Ein weiterer Apfel, zehn Jahre alt, starb. Eine "Neue Orleans Renette" wurde von einem irregeleiteten Biber abgefressen, der über einen normalerweise trockenen Graben kam, der nur durch anhaltende Regenfälle zum Bach wurde und wieder biberungeeignet trocken fallen wird. Das Tier wird doch nicht überleben, aber vorher frisst es noch meine Bäume. Eine Quitte und eine Rundpflaume, letztes Jahr gepflanzt starben, ich konnte dort schlecht giessen und habe Fehler bei der Behandlung der Baumscheibe gemacht. Den schweren Lehm aus dem Pflanzloch dort liegen gelassen. Der verschlämmt schnell. Eine andere Bodenoberfläche, die Wasser bei Trockenheit leichter versickern lässt wäre besser gewesen - grob mulchen etwa, organisches Material in den Oberboden mischen. Die Rindenbrandbäume habe ich verbrannt. 

Tod Orleans Renette durch Biberfrass

Pflanzungen diese Saison

Was kam neu? Vieles. Da ich die Wiesen und das Obst trotz der Riesenprobleme noch nicht aufgegeben habe, pflanze ich konsequent nach, Obstarten und Obstsorten, die einen Versuch wert sind, ob sie es auch im neuen Wetter schaffen.

Äpfel

Alles stimmt. Giessrand, Anstrich, Pfahl, Biberschutz

Sie war einmal Hauptsorte in Südtirol bis etwa 1960, spätreifender geschätzer Lagerapfel der erst auf dem Spätwinter schmeckt und ist einer der Elternäpfel des Brettacher: Eine Champagner Renette steht jetzt auf der Wiese. Und bleibt hoffentlich ohne Rindenbrand. Die Sorte hat auch ein Bekannter, sie wird in unserem Klima ganz gut, hat durchaus Aroma und kommt mit trockenen Sommern besser als der Durchschnitt zurecht. Sie bleibt auch etwas kleinkronig, so passte sie noch an einen Pflanzplatz im engeren Raster. Halbstamm.

Nachdem James Grieve und Klarapfel den Abgang machen bzw. schon machten, Aldingers Georg Cave versagt, fehlt mir ein Sommerapfel. Deshalb neu im Garten: Ametyst, auf mittelstarkwachsender Unterlage. Neuere tschechische Sorte, eher säuerlich, Robustheit wird gelobt, aber das wird muss sich in der Praxis beweisen.

In fast allen unseren heutigen Sorten im Stammbaum: Die Edelrenette, Reinette franche, schon 1540 erwähnt. Seither als robuster, gut lagerfähiger, sehr aromatischer Apfel bekannt. Fruchtgrösse ist aber klein. Was als derart alte und damit altbewährte Sorte so viele Nachkommen hatte, ist einen Versuch wert.

Mit dem Ribston Pepping habe ich einen zugegeben vermessenen Sortenversuch gepflanzt, allerdings kenne ich auch relativ gesunde Bäume und der Pflanzplatz ist nicht schlecht. Ribston Pepping ist einer der Cox Orange Vorfahren und in der Cox Orange Genealogie wohl die anbaufähigste Sorte unter all den sehr empfindlichen Mimosen wie Cox eine ist. Halbstamm.

Geheimrat Breuhahn, selbst veredelt, nun an seinem endgültigen Platz. Auch etwas kleinkroniger bleibend. Wurde mir sehr empfohlen als robuster Apfel mit gutem Geschmack, der sich lange lagern lässt.

Zehn Jahre alt geworden. Rindenbrand.
Mehrfacher Schutzanstrich wirkungslos.

Auch veredelt und schon am endgültigen Platz ist "Stina Lohmann". Ich bekam Reiser vom Korbiniansapfel, der aber vermutlich gar nicht mehr existiert, sondern verloren ist. Genetische Untersuchungen haben ergeben, dass die unter diesem Namen vermehrte Sorte immer nur die ältere Sorte "Stina Lohmann" ist, ein Langlagerapfel, zwar nicht allerbeste Güte, aber saftig bleibend und haltbar.

Nach einem bisher gesund gebliebenen Court Pendu Gris, einem hierzulande seltenen grauen Kurzstiel kommt nun auch ein königlicher Kurzstiel auf die Wiese. Auch eine sehr alte Sorte, seit 500 Jahren in Deutschland nachgewiesen und immer als sehr gesund beschrieben. Man sollte es allerdings schaffen, ihn luftfeucht zu lagern, sonst welkt er stark. Das bekomme ich hin mit Folienhaubenlagerung. Viel schwieriger wird sein, überhaupt bis zu einer Ernte zu kommen.

Birnen

Überraschung beim Pflanzloch ausheben:
Trockener Boden auch nach einem Monat Regen.

Dafür habe ich nicht viele Pflanzplätze, denn sie brauchen tiefgründigeren Boden. Auf Quitte veredelt nicht so sehr, dafür ist dagegen das Wachstum oft unbefriedigend. Gepflanzt wurde diesen Herbst Liegels Winterbutterbirne, eine schöne und lagerfähige Sorte, aber sehr schorfanfällig. Deshalb steht sie oben an der Hangkante, wo am meisten Wind herrscht. Die Birnen sind klein, rundlich, sehen nicht toll aus, aber das bewahrt sie vielleicht vor Diebstahl.

Winternelis hatte ich schon einmal, sie ging ein, der Platz war aber auch nicht gut. Ein sehr klein bleibender Baum, dünntriebig, aber sehr gute und ebenfalls lagerfähige Früchte, ebenfalls auf der kleineren Seite. Lagerbirnen sind ein seltenes Gut und es gibt nichts schöneres, als mitten im Winter noch süsse, schmelzende Birnen zu haben. Sie kam in eine Ecke mit bestem Boden.

Champagner Bratbirne steht noch im Beet, ist selbst veredelt, harrt noch der Auspflanzung. Leider sehr feuerbrandanfällig, gehört aber zu den hochwertigsten Mostbirnen überhaupt. Ich habe mal den Versuch gemacht, sie auf Quitte BA29 zu veredeln. Mostbirnen wollte man immer starkwachsend auf Sämlingsunterlagen, aber auf Quitte wird der Baum kleiner bleiben, früher in Ertrag kommen und mit dem flachgründigen Boden besser zurechtkommen.

Anderes Kernobst

Quitte am Steilhang - schwierig, aber möglich

Die Muskatquitte auf BA29 ist eingegangen - und wurde gleich nachgepflanzt. Der Standort ist schwierig, am steinigen Steilhang, aber wenn dort etwas zurechtkommt, dann Quitten. Mehrere andere Sorten wachsen dort bereits, eine ist sogar schon ein stattlicher Baum, sie müssen aber die ersten Jahre überleben. Das dornige Gebüsch aus Hagebutten, Mahonien, endlosen Myrobalane-Schösslingen muss kleingehalten werden, Wasser muss mittels Kletterpartien hingetragen werden. Die Quitten haben sich dort sehr gut geschlagen, von vier Quittensorten schafften es drei.

Noch eine Mispel: Eine Kurpfalzmispel. Sie wurde leider auf Weissdorn veredelt geliefert. Ich setzte sie tiefer, damit sie aus der Unterlage herauswächst.

Steinobst

Pfirsiche haben es im neuen Wetter auch schwer, Baumausfälle haben zugenommen, Monilia wurde virulenter, neue Probleme kamen hinzu. Eine neue, angeblich sehr robuste Hoffnung ist nun im Boden, Flaming Fury Lucy13, auf einem arteigenen Sämling veredelt. Die Sorte soll auch gut schmecken, sie ist kurz nach "Red Haven" reif, also Mitte bis Ende August. Die "Flaming Fury" Pfirsiche sind die Serie eines privaten US-Züchters mit -zig Sorten, bislang eher selten in Europa, aber in den USA auch im kommerziellen Anbau und mit Schwerpunkt im späten Reifebereich.

Der Drops ist gelutscht

Coes Golden Drop kommt an den Platz eines rätselhaft dahingegangenen Spillings. Coes Golden Drop ist eine Pflaume, die Richtung Reneklode geht. Steht auf Unterlage Wavit. Zur Reife sehr platzempfindlich bei Regen, sonst sehr gut. Angesichts der trockenen Sommer als neue Regel bedeutet das keine grosse Gefahr.

Bellamira bekam ich von einem Bekannten, der sie auch veredelt hat. Neuzüchtung aus Geisenheim, eine gelbe rundliche Pflaume mit grossen Erträgen. Hofentlich, denn an Erträgen mangelts mir.

Vertige, auch eine Neuzüchtung, Aprikose. Gezüchtet von INRA, Frankreich. Mit deren Mandelzüchtungen habe ich schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Veredelt ist sie auf Reneklode, das ist eher selten. In Frankreich steht sie auch im kommerziellen Bionabau, weil sie wenig Pflanzenschutz benötigt, blüht ausserdem spät, angeblich moniliafest, selbstfruchtbar. Da stimmt alles. Ich habe schon mehrere Aprikosen, die Obstart wächst bei mir auf der Südwestwiese erstaunlich gut und einige Sorten auch ohne drastische Krankheiten. Eine "Orangered" ist sogar ein richtig dicker Baum. Auf kräftiger Unterlage kommen sie auch mit dem schlechten Boden sehr gut zurecht. Aber das neue Wetter sorgt bei dieser Obstart schlimmer als bei jeder Anderen für frühe Blüten und frühen Austrieb, der Ernteausfall durch Spätfrost ist praktisch unvermeidlich. Also setze ich auf möglichst spät blühende Sorten und bei kleineren Bäumen vielleicht nächstes Frühjahr auf grosse Hauben.

Mal sehen, was in ein paar Jahren noch steht und wie es trägt. Nicht gepflanzt habe ich subtropische Arten, die zwar ebenfalls zur Freude der Verkäufer schwer in Mode sind, aber mit wenigen Ausnahmen so ziemlich versagten: https://gartenzone.blogspot.com/2023/01/klimawandel-und-neue-obstarten.html