Mittwoch, 2. November 2022

Willkommen im Garten: Klettenwurzel als Gemüse

Die Grosse Klette im Garten, arctium lappa

Seltenere Gemüsesorten haben Konjunktur. Auf der Suche nach Neuigkeiten finden Nutzgärtner, Gourmets und Freunde schmaler Pfade einen reichen Anstrom an Pflanzen, die gegenwärtig etwas im Schatten der Aufmerksamkeit liegen. Nutzgärtner sind da im Vorteil, sie können selber sofort alle möglichen dieser Spezialgemüse anbauen und ausprobieren, sofern die klimatischen Bedingungen passen.

Und so waren dieses Jahr Klettenwurzeln dran. Das sind die dicken Wurzeln der Pflanze "grosse Klette", arctium lappa, einer in Europa, ganz Eurasien immer schon massenhaft verbreiteten Pflanze, auf anderen Kontinenten existiert sie auch als Neophyt. Jeder kennt sie vom Sehen, sie wächst häufig an Waldwegen, am Waldrand, im Auwald. Ihre grossen Blätter und später die kugelförmigen Blütenkörbe mit blauvioletten Röhrenblüten sind recht charakteristisch. Sie gehört in die grosse Gruppe der Carduoideae, zusammen mit Disteln, Flockenblumen, Karden, Artischocken. 

 

Geschichte

Blüten der Wildpflanze

Die grosse Klette wird seit mindestens tausend Jahren als Nutz- und Heilpflanze mit vielfältigen medizinischen Wirkungen verwendet, vermutlich noch viel länger. Die Nutzung der Wildpflanze liegt nahe, sie ist sehr verbreitet. Sie taucht auch im Verzeichnis der Nutzpflanzen auf, das Karl der Grosse im Jahre 795 erstellen liess. Als Nutzpflanze war immer die Wurzel am beliebtesten. Sie hatte im Mittelalter dieselbe Beliebtheit als Wurzelgemüse wie Haferwurzel, Schwarzwurzel, Pastinake, Rüben. Verwendbar sind auch junge Blätter sowie das Mark der Stängel. Das Stängelmark hatte ich früher schon ausprobiert, es ist etwas fest, aber gut essbar, schmeckt "grün". Für die Blätter muss man jedoch Hunger haben, damit sie schmecken. Belegt ist vor allem die Verwendung der Wurzel, die auch als Speicherorgan den energiereichsten Teil der Pflanze bildet. Es ist die Wurzel, die satt macht.

Mit der Ankunft und Verbreitung der Kartoffel aus Amerika verloren alle heimischen Wurzelgemüse in Europa stark an Bedeutung, so auch die Klettenwurzel. Die Kartoffel brachte deutlich höhere Erträge und hatte eine grössere Anbaubreite. Damit waren auch die Zuchtanstrengungen für die alten Wurzelgemüse stark eingebremst, so gibt es in Europa keine echten Kultursorten der Klettenwurzel mit verbesserten Eigenschaften, die dem Menschen wichtig sind. Bis heute sind Klettenwurzeln aber bekannt, zu kaufen - getrocknet für medizinische Anwendungen, Herkunft oft China. Die frischen Wurzeln als Gemüse haben sich nur in Ostasien gehalten, vor allem Japan. Ein sehr bescheidener kommerzieller Anbau in Europa findet in den Niederlanden statt. Die Kilopreise der Frischware liegen bei 8 EUR und die Käufer sind Liebhaber des Besonderen.

 

Die Pflanze

Die grosse Klette und alle andere Klettenarten sind zweijährig. Sie sind Frostkeimer (Keimung erst nach Kältereiz), keimen im zeitigen Frühjahr, bis zum Herbst werden immer grössere Blätter geschoben und die Pfahlwurzel verdickt sich. Die Blätter können auf guten Standorten riesig werden, bis zu fast einem Meter Durchmesser. Die Pflanze speichert ihre Vitalstoffe in der Wurzel, überwintert und treibt im zweiten Jahr wieder aus dieser Wurzel aus. Im zweiten Jahr ist die Wurzel verholzt, ein Blütenstängel wird gebildet, er kann bis zu 1,5 m hoch werden. Ab Juli blüht sie, spät im Jahr. Die kugelförmigen stachligen Blütenkörbe erinnern an Kugeldisteln. Für uns Nutzgärtner ist nur das erste Jahr interessant. Wenn die Wurzel im zweiten Jahr verholzt ist, kann man nur noch junge Blätter und Stängelmark ernten und essen, das lohnt sich nicht. Wer allerdings wieder Samen bekommen will, muss sie zweijährig ziehen. Die Blütenkörbchen mit den Samen drin sind übel stachelig und benehmen sich namensgebend, haken sich überall ein und werden so verbreitet.

 

Der Anbau im Nutzgarten

 
Für die drei heimischen Klettenarten Grosse Klette, Kleine Klette und Filz-Klette kann man Saatgut kaufen, gesammelt aus Wildpflanzen. Alle sind essbar, am besten verwertbar ist die Grosse Klette. Europäische Gemüsesorten oder Kulturformen der grossen Klette gibt es nicht bzw. sind verloren. Ab und zu findet man japanische Sorten: Nakanomiya Early, Watanabe Early, Takinogawa long. Takinogawa ist die häufigste Sorte, lieferbar von De Bolster. Diese Sorte habe ich auch verwendet.

Aussaat in Anzuchtplatte, Jungpflanzen
Jungpflanze im Juni

Ausgesät habe ich Ende April in eine Pflanzplatte, die draussen im Halbschatten stand. Die Keimung gelang schnell und problemlos. Mitte Mai waren die Jungpflanzen dann ausgepflanzt, lange wollte ich sie nicht in der Pflanzplatte lassen, weil sich das mit der Pfahlwurzelbildung nicht verträgt. Auch frühere Aussaaten sind möglich, ab März. Je früher die Aussaat, desto besser die Wurzelentwicklung. Spätere Aussaaten gehen noch bis Juni, das hat sogar Vorteile: Die Wurzeln bleiben dann kleiner, sind schwarzwurzelähnlicher, man kann die Pflanzen dichter setzen. Ausgepflanzt habe ich an verschiedenen Standorten, um sehen, welche Bedingungen sie bevorzugt.

Das Wachstum startet erst einmal langsam, man übersieht die Pflanze leicht, doch Blatt für Blatt wird alles grösser, dann sehr gross. Ab Spätsommer sollte man mit riesigen Blättern rechnen und andere Kulturen auf Abstand halten, sonst werden die verschattet.

Probleme hatten sie mit den hiesigen Schnecken, vor allem im Herbst. Hauptart hier ist die Gartenwegschnecken, Arion hortensis. Da wurden eifrig Blätter abgefressen, die Pflanze scheint dafür sehr attraktiv zu sein. Schutz durch Schneckenbekämpfung war unerlässlich. Ansonsten gab es keine Probleme durch Krankheiten oder Schädlinge.

Gartenwegschnecke (schwarz, klein) an Unterseite von Klettenblatt auf frischer Tat

Auch alte Blätter werden von Schnecken niedergemacht

Hitzeschaden an Blättern

Sehr wichtig war ihre Hitzeverträglichkeit und das Verhalten bei Bewässerung. Um das zu testen war der ganze Sommer bis September geeignet, denn es war knochentrocken und mehrmals bis 40 °C heiss, die Sonne brannte mit viel UV-Energie auf die grossen Blätter. Das meisterte die grosse Klette verhältnismässig gut. Einmal am heissesten Tag gab es Blattschäden, aber das war zu verschmerzen. Sie benötigt zwar viel Wasser, aber Trockenheit killte sie auch nicht gleich, vermutlich weil sie tief wurzelt. Wenn gegossen wird, dann besser viel alle paar Tage und nicht täglich ein bisschen. Gewachsen ist sie mit wenig Düngung, würde sie als höchstens Mittelzehrer einschätzen. Sie kam gut mit dem schweren und flachgründigen Boden zurecht. Dass die Wurzeln sich da nicht optimal ausbreiten können, war mir bewusst. Das Blattwachstum hat es nicht gebremst. Pflanzen mit zu wenig Bewässerung (hatte sie auch im Aussengarten) bleiben jedoch klein, aber starben nicht. Die grossen Blätter suggerieren Schattenverträglichkeit, aber das war sie nicht, Pflanzen im Halbschatten bleiben ebenfalls klein. Sie sollte schon sonnig stehen. 

 

Ernte

 
Kurz vor der Ernte, Spaten zum Grössenvergleich
Mitte Oktober hab ich zum Spaten gegriffen. Und mich gleich gefreut, weil die Blätter aus einer schönen, fetten Wurzel kamen. Und sofort wieder geärgert, die Wurzel ist brüchig, sie zerbricht beim Ausgraben. Und Graben ist eine Heidenarbeit. Die Wurzeln gingen recht gerade weg, meist senkrecht nach unten, ein paar auch schräg nach unten. Unser Boden ist aber nur eine Spatentiefe mächtig, dann kommt Kalkschutt, Ton, Kalkplatten. Die Wurzeln gingen in der Tiefe horizontal weiter, weil sie weiter nach unten konnten. In der schweren lehmig-tonigen Erde war ausgraben eine Knochenarbeit und ich habe sicher nicht mal alle brauchbaren Wurzeln erwischt. Die brauchbare Wurzellänge lag über 40 cm und manchmal weit länger. Ärgerlicherweise reichten die Wurzeln auch in andere Kulturen daneben hinein, die ich nicht ausgraben wollte. Der Gesamtertrag pro Fläche lag bei einem bis zwei Kilo pro Quadratmeter.
 
Das obere Wurzelstück ausgegraben

 
Dammkultur wird gelegentlich empfohlen und sicher kein Fehler. Angesichts der kräftigen und langen Wurzeln wären kräftige, hohe Dämme angebracht. Das würde die Ernte sehr erleichtern und man kommt auch nicht in Versuchung, die anfangs kleinen Pflanzen mit anderen Gemüsearten zuzustellen.
 
Die Wurzel
 

Essen!

Stücke gekocht - gelbgrünes Kochwasser

Endlich die vielleicht wichtigste Frage: Wie schmeckt sie? Taugt sie was? Ja, sie schmeckt. Ja, sie taugt was. Überraschend gut sogar. Zunächst habe ich sie mit dem Sparschäler geschält, in Stücke geschnitten, gut zehn Minuten in etwas Wasser gekocht, nur mit Salz gewürzt. Das Kochwasser färbt sich Gelb mit einem Grünstich. Schälen ist einfach, wesentlich simpler als die Verarbeitung von Schwarzwurzeln mit ihrem furchtbar klebrigen Saft und oftmals kleinen Stangen, tiefen Fehlstellen. Das Aroma war erstaunlich und kräftig. Ich würde es als 20 % Topinambur, 20 Schwarzwurzel, 50 % Artischocke und 10 % Yakon bezeichnen. Topinambur ist die erdige Komponente, leicht Karotte, Wurzelgemüse-erdig, Schwarzwurzel hat das auch. Artischockenaroma ist der kräftigste Teil, sie schmeckt wirklich stark nach Artischockenblütenboden. Das kommt nicht ganz so überraschend, wenn man weiss dass Klettenwurzeln mit Disteln und Artischocken verwandt sind. Schliesslich hatten Klettenwurzeln eine erdige Süsse, wie Yakonwurzeln. Ebenso wie Yakon entwickelt sich die Süsse mit zunehmender Lagerung, zwei Wochen nach Ernte merkt man das schon ziemlich deutlich. Gut ist auch mit einem Kräuterquark, im Eintopf, weil sie nicht zerfällt und Aroma, Süsse bringt. Frittiert oder im Ofen geht sicher auch. Zusammengefasst das Aroma: zunehmende Süsse, immer erdig, immer sehr viel Artischocke. Eine Bereicherung!

Geschält, geputzt

Auch die Konsistenz ist gut. Beim Schälen und Zerschneiden zeigt sich der Wurzelkern oft holzig und faserig, es gibt auch dunkle Ringe, ähnlich wie bei Rettichen, wenn die Wurzel überaltert ist. Etwas frühere Ernte wäre nicht schlecht gewesen. Aber schlimm war es auch nicht, sehr holzig aussehende Bereiche kann man abschneiden, im gekochten Zustand kaut sich dann alles immer noch sehr homogen. Die Stücke bleiben aber relativ fest. Sie zerfallen auch nicht wie eine Topinambur. Im Mund sind sie ebenfalls fest, aber gleichzeitig zart und gut kaubar, etwa wie Teltower Rübchen oder festbleibende Artischockenböden. Keine Fasern. 

Abgebürstete Stücke, roh

Rezepte gibts einige, in Japan ist sie mit Sojasosse, Mirin und Sesamöl und Karotten beliebt. Dieses klassische japanische Gericht mit Klettenwurzel ist "Kimpira Gobo". Hierzulande werden Zubereitungen wie für Schwarzwurzeln oder Haferwurzeln empfohlen. 

Stücke gekocht

Fazit

Nicht viele der weniger bekannten Gemüsesorten laden zu häufigeren Anbau ein. Die Klettenwurzel schaffte das aber. Nachteile sind die Arbeit, die man mit ihr hat, eine schwierige Ernte auf schweren Böden und die mässigen Erntemengen pro Fläche. Ich werde sie sicher wieder anbauen. Das haben bisher nicht viele Spezialgemüse geschafft.

Donnerstag, 27. Oktober 2022

2022 im Garten: Reiner Stress

Diesen Sommer gab es keine neuen Blogeinträge. Der Grund ist einfach: Stress. Mittlerweile herrscht ein Jahresklima, das in unserer ohnehin schon trockenwarmen Region zum Abgewöhnen aller gärtnerischer Ambition geeignet ist und zu enormer Aufwandssteigerung führt.

Das Frühjahr ist seit Jahren grundsätzlich sehr trocken. Aber Hitzeperioden enden meistens Ende April mit knackigen Spätfrösten wie eh und je. Im Spätfrühling wird es generell heiss, Hitze, die bis weit in den August oder September anhält. Sommer ganz ohne Niederschlag sind normal geworden. Dieses Jahr kratzen die Temperaturen dreimal an den 40°, nicht weit von hier wurde der Temperaturrekord gemessen. Es bleibt trocken, wenn, dann kann es ab Mitte August regnen. Dann aber sehr kurz und sehr brutal - dieses Jahr nach vier trockenen Hitzemonaten ohne einen Tropfen dann 60 Liter pro Quadratmeter in sehr kurzer Zeit. Anschliessend war mein Grundstück kleiner, ein sonst immer trockener Graben grub sich wegen der oberflächlich abfliessenden Wassermassen einen Meter tiefer ein und riss die Böschung mit. Die fruchtbare Erde ist jetzt in der Nordsee. Das passiert nun alle zwei Jahre, nun ist da eine Schlucht mit Geröll.

Im Garten nichts besser. Man steht da und fragt sich, ob man diesen Stress noch mitmachen soll. Der Bewässerungs-, Giess-, Beschattungsaufwand ist exponentiell gestiegen. Auch Dinge wie Melonen sind regelrecht verbrannt, sogar Feigen haben Trockenschäden. Vieles geht gar nicht mehr. Ohne riesigen Regenwassertank, Pumpen und Schläuche braucht man gar nicht mehr auszusäen. Gesät wird mittlerweile im Keller in Pflanzplatten und -schalen, in der Hitze oben keimt nichts mehr.

Auf der Obstwiese herrscht Endzeit. Mehr als die Hälfte der Bäume und fast alle älteren Bäume sterben am Rindenbrand. Neupflanzungen verdorren. Obst gibt es gar nicht mehr oder immer seltener, Spätfröste, Hitzeschäden, neue Schädlinge en masse, die jüngsten Neuankömmlingen sind die grüne Reiswanze aus Afrika und die marmorierte Baumwanze aus Asien und haben Obst zerstört. Früher konnten wir regelmässig zwei Tonnen Äpfel ernten, heute sind wir froh, wenn es zwei Kisten werden. Misteln breiten sich aus. Das wird sich bessern, in der Umgebung sind bald die letzten Obstbäume abgestorben und damit der Wirt des Parasiten. Spätfröste haben für jahrelangen Totalausfall von Steinobst gesorgt, jedes Jahr treiben die Bäume aufgrund von Winterwärme extrem früh aus, dann kommt jedes Jahr Frost. Einige Obstarten kommen nicht mit der Sommerhitze klar, Pawpaw, der Flachwurzler Kornelkirsche, viele Birnen, die mit Laubschäden, dann Abwurf reagieren.

Wo nicht ständig bewässert werden kann, ist Ende Gelände. Im Aussengarten wächst wieder einmal nur noch Unkraut und mit sehr viel Mühe ein paar Kürbisse. Den Rest verbrennt die Glut. Die Spitzentemperaturen sind höher als in den Tropen. Wir hatten es wie fast jeden Sommer heisser und trockener als in Casablanca, Marokko. Es gibt nur noch Extreme.

Und dieses Jahr hat sich das überregional ausgeweitet: Was bei uns schon länger üblich ist, weitete sich nun kräftig aus. Plötzlich sind auch andere ehemalige Gunstlagen zu trocken und zu heiss geworden. Leute, die vorher ungläubig über meine Schilderungen den Kopf schüttelten und etwas von "Anpassung" faselten, haben inzwischen dieselben Probleme wie wir. Die Gunstlagen schrumpfen.

Aufgegeben habe ich nicht. Es gibt auch Erfolge. Obstsorten, die überleben, veränderte Anbautechniken für einige Gemüsesorten, neue Arten - ausprobiert habe ich sehr viel und jetzt im Herbst hoffentlich genug Zeit, auch darüber zu berichten.

Mit den Bienen im Wald, Spätfrühling. Trocken, aber noch grün


Nachwuchs bei den Wyandotten, die umsichtige Glucke passt auf ihre Küken auf. Es gab insgesamt sechs Junghühner.


Heiss. Melone mit Sonnenbrand.


Wo ist Mama!?


Feigen, Sonnenbrand.


Weintrauben. Alles verbrennt, was nicht ganz im Schatten ist.


Auch die Quitten mit Sonnenbrand.


Gras verdorrt. Teils so gründlich, dass sogar im feuchten Herbst kahle Stellen bleiben.

Samstag, 28. Mai 2022

Kohlpflanzen und Tauben

Taube: Erst sichten, dann fressen

Kohlarten haben es wahrlich nicht mehr leicht. Früher war das ein absolutes Standardgemüse, kein Garten ohne Kohlrabi, Kraut, Rettich, Blumenkohl. Eine sichere Miete. Später kam noch Chinakohl, Broccoli, Blattkohl und weitere Arten dazu. Aber schon seit Jahren geht es generell abwärts mit dem Anbauerfolg, der Nutzgärtner bekommt nur immer mehr Ärger, aber keine Erträge mehr. Auch hier im Blog wurde das schon oft thematisiert. Die zum Standard gewordenen langen, extremen Trocken- und Hitzephasen wirken sich besonders katastrophal auf viele Kohlarten aus. Schädlinge profitieren auch stark davon. Selbst robuste Arten haben zunehmend mit Problemen zu tun. Das bekommen auch die Profis zu spüren. Hier in der Gegend gibt es etwas professionellen Krautanbau, ohne Dauerbewässerung (häufig noch Überkopfberegnung) und erschreckend viel Pflanzenschutzmitteln geht da gar nichts mehr.

Starke Hitze und tiefe Kälte = Geschossen

Dieses Jahr sind auch bei mir wieder einige frühe Kulturen sofort gescheitert. Pak Choi wurde ein Opfer der Hitzeperiode mit über 30°C im April und Anfang Mai, dazu noch eiskalte Nächte. Das führt zu Vernalisation. Die Pflanze stellt aufgrund von Temperaturstress das Wachstum ein, bildet keine neuen Blätter und fängt an zu blühen. Nichts mehr zu ernten. Auch andere Arten gingen hops. Frühlingsrettiche wurden wie sehr oft schnelle Opfer der Kohlerdflöhe und und schliesslich vernichteten Kohldrehherzmücken Teile des Kohlrabis. Dabei hatte ich Jungpflanzen extra im Haus vorgezogen, um frühe Schäden zu vermeiden.

Zuerst die jungen Blätter, dann die Alten

Und es kommen immer neue Malaisen dazu. Letztes Jahr wurden plötzlich Blätter sämtlicher Kohlarten (ausser Rettichen) skelettiert. Raupen? Schnecken? Nichts war zu sehen. Auch keine Schleimspuren, Was ist das nur? Vor allem junge Blätter wurden abgefressen, wenn die weg waren kamen ältere Blätter dran. Und Jungpflanzen wurden herausgerissen. Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Weisskraut - alles vernichtet. Ein versuchsweise aufgelegtes Schutznetz stoppte das, es waren also keine sehr kleinen Tiere. Irgendein grösserer tierischer Schädling war verantwortlich. Wer frisst Kohlblätter? Eine Wildkamera brachte dann die Beweise: Morgens von Sonnenaufgang bis etwa 8:00 Uhr flogen Tauben zu, marschierten zu Fuss durch den gesamten Garten, stellten sich vor die Kohlpflanzen und zerhackten systematisch alle Blätter. Jungpflanzen wurden dadurch auch herausgerissen. Das wiederholte sich dieses Jahr in exakt gleicher Weise. Hier der Film meiner Wildkamera von heute morgen, 7:30 Uhr:


Kohlrabi, abgefressen

Was tun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Wieder einmal einkaufen gehen und viel arbeiten, Schutznetze erwerben, auflegen und bis zur Ernte drauflassen. Festklemmen, damit sie der Wind nicht wegbläst. Abstandhalter wie Folientunnelbögen verwenden, damit der Kohl nicht zu Boden gedrückt wird, Zum Unkraut jäten, hacken und ernten muss man dann jedesmal alles wieder öffnen. Die Mühe ist durchaus erheblich, aber nicht mehr vermeidbar. Dass sich opportunistisch lebende (also Generalisten) Vogel - Massenarten hemmungslos vermehren, ist bekannt, während die spezialisierteren Vogelarten immer weniger werden. Auch die Ringeltaubendichte ist recht hoch geworden und zu deren Gewohnheiten gehört heute offenbar auch der Frass von Kohlpflanzen, gründlich und radikal. Das endet auch nicht im Sommer, sie tun das immer. Andere Schutzmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Aktive Abwehr ist natürlich verboten. Frühere Generationen haben sie mit Leim oder Fallen gefangen (Produkte dafür sind Rattenleim wie Saratoga Top-Fix). Schnüre, blitzende und blinkende Gegenstände halten sie nicht ab.

Andere Gärtner berichten von Taubenschäden auch an Bohnen, Erbsen, Heidelbeeren, Stachelbeeren. Meine Stachelbeerstecklinge vernichten sie in der Tat ebenfalls immer, wenn ich sie nicht unter Netzen ziehe - die Blätter werden ansonsten komplett abgefressen. Wohlgemerkt: Gemeint sind bereits Frassschäden an den Pflanzen selbst, nicht erst an reifen Beeren. So weit kommt es gar nicht, wenn schon die Pflanzen kahlgemacht werden. Auch der Kohl ohne Blätter stellt das Wachstum ein bzw. wird einfach so lange abgefressen, bis er stirbt. Die Probleme hat auch der Profianbau, seit die EU-Vogelschutzrichtlinie lange Schonzeiten auch für schadenverursachende Massenarten eingeführt hat. Früher konnte wenigstens im Spätsommer eine Bestandskontrolle stattfinden, nun erst ab 1.11., wogegen Bauern auch immer wieder protestieren.

Broccoli. Aus und vorbei.

Am besten, wir bauen "tier- und umweltfreundlich" im sterilen Gewächshaus auf künstlichen Substrat an, klimatisiert, durch eine Luftschleuse zu betreten, bewässert, gedüngt. Lebensmittel aus dem Vollschutz. Wer ansonsten im Garten noch etwas ernten will, muss sich unter Schutznetze und Beregner flüchten und verzichtet besser von vornherein auf einige Gemüsearten.

Donnerstag, 21. April 2022

Honigkunde: Fest, kristallin, flüssig, cremig, wolkig?

Der wolkige Honig

Viermal Honigwolken im Sommerhonig

Einige Honigkäufer haben eine Lieblingskonsistenz und Lieblingsoptik, die ihr Honig haben soll. Honig kann kristallisierte Konsistenz haben, cremig oder flüssig sein. "Wolken" gehören eher nicht zur Vorzugsoptik. Aber was sind eigentlich Wolken im Honig? Sichtbar sind Wolken nur in kristallisiertem und festen Honig. Dort werden dann unregelmässige, schleier- oder eben wolkenartige hellkristalline Bereiche im Honig durch das Glas sichtbar. Wie entstehen sie? Das ist schnell (vereinfacht) erklärt: Fast jeder Honig kristallisiert. Die ungeordneten Zuckermoleküle ordnen sich dabei in festen Kristallstrukturen an, wenn sie um Kristallisationskeime wie z.B. Pollen herum die ersten Kristalle bilden. Geordnete Zuckermoleküle benötigen weniger Platz wie flüssige: Er schrumpft leicht. Hat der Honig einen niedrigen Wassergehalt (=hohe Qualität), dann gibt es keine flüssige Phase, die die entstandenen Zwischenräume zwischen den Kristallen auffüllt. Dort entstehen stattdessen winzige Leerräume, Lufteinschlüsse zwischen den Kristallen - die hellen Wolken werden sichtbar. Bevorzug im oberen Bereich des Glases, unten füllen sich die Lufteinschlüsse häufiger mit restlichem Flüssigzucker.

Diese Wolken sind eigentlich ein Qualitätszeichen, sie zeigen niedrigen Wassergehalt und fehlende unerwünschte Phasentrennung an. Man kann sie auch optisch geniessen, genau wie eine schöne Perlage in Sekt, wirbelnde Nuancen in einem Getränk oder Strukturen auf einer Apfelschale. Die Wolken oder überhaupt kristallisierter oder cremiger Honig sind für Manchen aber ein Hindernis, so gut der Honig auch sein mag.

Cremiger Honig. Etwas grobe Kristalle, typisch für Sommerhonig

Cremiger Honig

Cremiger Honig ist in der Regel kristallisierender oder bereits kristallisierter Honig, der vom Imker kurz mit einem Rührstab gerührt und dann sofort in die Gläser abgefüllt wird. Durch das kurze rühren werden die Zuckerkristalle etwas runder geschliffen, der Honig bekommt mehr oder weniger eine cremige Konsistenz, viel mehr ändert sich nicht. Korrekt gerührter Honig entwickelt keine Wolken mehr. Er ist immer streichfähig, aber zählt dann als "mechanisch bearbeitet". Es gibt einen Bio-Anbauverband, der diese Bearbeitung verbietet, dann können die Honige aber ziemlich hart werden und sind nicht mehr gut streichfähig. Hat man Kunden, die auch wirklich harten Honig akzeptieren, ist das Glück, denn dieser unveränderte Zustand ist das eigentlich auch das Beste für den Honig.

Nur flüssiger Honig erwünscht

Kristalle - Detail

Kristallisierter Honig wird meist gerne von jedem Honigliebhaber akzeptiert, wenn er nicht sehr hart ist und sonst gut schmeckt. Es gibt aber auch vermehrt Honigkunden, die ihn radikal ablehnen, was einen Rückfall in längst vergangene Zeiten darstellt. Insbesondere kristallisierter Honig mit Wolken wird von ihnen vehement und grundsätzlich abgelehnt. Das erlebe ich bei Honigkäufern gruppenspezifisch: Mit arabischen, russischen, türkischen Honiginteressierten laufen die Gespräche zum Beispiel fast immer gleich ab. Die erste Frage ist immer nach "flüssigem" Honig. Sie fragen nicht nach seinem Aroma, Honigtyp, Qualität, sondern immer nach "flüssig". Aber: Es gibt fast keinen naturbelassenen flüssigen Honig in Mitteleuropa. Die einzige Sorte, die zuverlässig flüssig bleibt ist der helle, aromafreie und reinsortige Robinienhonig. In Deutschland ist der mangels Robinienwäldern selten als Sortenhonig zu haben. Er wird importiert und ist auch behauptete Hauptsorte der massenhaften ausgefeilten Fälschungen chinesischer Herkunft. Auch der öfter flüssig aussehende dunkle Waldhonig kristallisiert früher oder später fast immer. Wenn Honig wirklich flüssig bleibt, hat das oft andere Gründe: Er wurde wärmegeschädigt oder von den Grossverarbeitern wurden Pollen industriell herauszentrifugiert. Wie erklärt man jemand, der flüssigen Supermarkthonig aus der Spritzflasche kennt und flüssigen (oft minderwertigen, weil wasserreichen) Honig aus den Subtropen, dass in Deutschland auf ganz natürliche Weise kein Honig lange flüssig bleibt? Ich habe es oft und ehrlich erklärt, aber es wurde von diesen Käufergruppen niemals auch nur annähernd akzeptiert oder gar ernst genommen. Sie lächeln ungeduldig zu Erklärungen, wie man ein Kind oder einen ertappten Lügner anlächelt. Leider!

Frühlingsblütenhonig im Lagereimer, kristallisiert

Flüssiger Honig wird in diesen Gruppen mit unverfälschtem Honig in Verbindung gebracht, dabei ist das Gegenteil der Fall. Für sie sind jegliche Kristalle und Kristallisation der Beweis, dass der Imker Zucker untergerührt hat. Man fixiert das Glas scharf, dreht es endlos von Boden zu Deckel und guckt mit aufgesetztem ernstgrinsendem Expertenblick nach, ob irgendwo ein Kristall zu sehen ist. Das ist natürlich ein lächerlich schlechter Witz, Zuckerverfälschungen und ähnlicher primitiver Beschiss mögen ja in Gegenden wie Pakistan üblich sein, fliegen in Deutschland aber schon seit 100 Jahren Dank Labor sofort auf und bei den ständigen Kontrollen (auch mein Honig wurde schon unangemeldet mehrmals geprüft) sind solche Versuche absolut unwitzig, ziehen (zu recht) saftige Strafen nach sich. Ein weiterer Witz ist, dass sich mit Zuckersirup Honige sogar leichter flüssig halten liessen, wenn man das Verhältnis der Zuckerarten entsprechend wählt, etwa viel Fruktose verwendet. Ich reiche meinen Honig ausserdem so wie viele Imker selber oft zur Prüfung im akkreditierten Labor ein, weil das wichtige und hochqualifizierte Rückmeldungen für mich sind - die Auswertungen kann kann auch der Honigkäufer einsehen, sie hängen in meinem Honigregal. Untersucht und im Prüfbericht bescheinigt wird Sauberkeit, Farbe, Konsistenz, Geschmacksbild, Mikroskopische Untersuchung auf Pollenzahl, Pollenarten, Pilzelemente, Rostsporen, Algen, Sonstige, Physikalische Untersuchung auf Wassergehalt, Leitfähigkeit (um Honigtauanteile festzustellen), Invertasegehalt (Enzymaktivität), HMF-Gehalt (Lagerung, Hitze, Alter), Sediment und auf Wunsch noch einige Parameter mehr.

In den Waben bleibt Honig länger flüssig

Die zweite Frage ist immer die nach Wabenhonig. Nicht nach den Schälchen zum Auslöffeln, sondern nach grossen, kiloschweren Honigwaben aus dem Honigraum. Ob der Honig überhaupt reif ist, spielt bei ihnen keinerlei Rolle, nur schwer muss die Wabe sein. Gefragt wird auch im Herbst oder Winter. Dass es den in Mitteleuropa sowieso nur zweieinhalb Monate geben kann, erzeugt erneutes Unverständnis. "Wabenhonig" wird von diesen Interessenten als bester einziger Honig angesehen, die Fragesteller sind auch da in vergangenen Jahrhunderten stehengeblieben. In ihren Herkunftsländern ist immer noch Presshonig durch kneten, Seimhonig durch Erhitzen oder schleudern mit korrodierten Honigschleudern aus Blech verbreitet, diese primitiv-schlechten und völlig überholten Methoden ergeben minderwertige Ergebnisse, hinzu kommt noch eine elend schlechte Lagerpraxis. Der vermeintlich einzige saubere Honig ist dort der Wabenhonig. Dabei ist auch dieser Wabenhonig häufig unreif und sehr leicht fälschbar, man füttert den Bienen einfach Industriezucker zu, den sie dann zusammen mit natürlicher Tracht in den Waben einlagern. Sieht normal aus, schmeckt mild. Beschiss auf der ganzen Linie.

Bei der Schleuderung

Auch hier wieder: Das fliegt in Deutschland sofort auf, ausser man hat hohe kriminelle Energie für ein geheimes Doppelspiel und ausgesprochen dumme Käufer, die einem unter der Hand ganze Waben abnehmen, Hauptsache billig. Wer Betrugsimker sein und solche Kunden bedienen und glücklich machen will, füttert dann bei einem einzelnen Volk mit Zuckersirup zu, schleudert den Honig aber nicht, sondern entnimmt dort nur volle Waben für die "Spezialkunden". Billigpreis, grosse Masse, grosse Freude! In den Honigwaben ist zudem eine stabile Wachsmittelwand enthalten, bedingt durch die optimierte Art der Bienenhaltung in Magazinbeuten seit 150 Jahren in Europa und USA. Wer Honigwaben aus Magazinbeuten isst, muss automatisch mit wenig Genuss auf dickem, alten Wachs herumkauen, spuckt es dann in den Abfall aus - der europäische Imker schleudert dagegen nur den Honig mit Zentrifugalkraft heraus und verwendet das Wachs zu 100% wieder, auch das Entdeckelungswachs.

Honig "flüssig" bei Feinkost-Albrecht.
Für einige Kundengruppen die bessere Wahl.

Die dritte Frage obengenannter Klientel ist der übliche Versuch, zu handeln. Leider sind das langweilende und zeitraubende Spiele, die Endpreise sind bereits sehr billig und ich empfinde es als üble Geringschätzung der Bienenprodukte, davon noch weiter herunterzugehen. Wieso soll ich Verluste freiwillig vergrössern und mich dafür noch zeitstehlend mit dummem Palaver belabern lassen? Honig bleibt bei gut arbeitenden Imkern sowieso nie übrig, man kann ihn auch wieder den Bienen zurückgeben und spart entsprechend den Futterkauf, es gibt niemals Übermengen, die man unbedingt los werden muss. Ich gebe zu, ich bin müde geworden, immer wieder tauben Ohren etwas von der Realität zu erzählen und dann noch plumpdumme Handelsversuche wegen des "schlechten" weil kristallisierten Honigs über mich ergehen zu lassen, die mich nur meine Zeit kosten. Liebe Leute, dann geht bitte gleich zu einem anderen Verkäufer der euch fachgerecht reinlegt oder werdet glücklich mit Aldis Mischung aus China, Südamerika und alles mit Allem - garantiert flüssig bleibend und billig. Das habe ich nicht und will es nicht, vielmehr war dieser Mist einer der wichtigen Gründe, selber Bienen zu halten. Der Honig meiner Bienen ist nachweisbar maximal naturbelassen und nachweisbar ausschliesslich aus der Region.

Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.

Dienstag, 22. März 2022

Das Tomatenjahr beginnt - bitte ohne Braunfäule

Braunfäule Phytophthora infestans, erster Blattbefall

Alle Jahre wieder: Jungpflanzenanzucht von Tomaten ist ab Mitte März wieder angesagt, nach den Paprika, vor den Gurken, Melonen, Kürbissen. Nach der Braunfäulekatastrophe letztes Jahr werden vermutlich einige Nutzgärtner dieses Jahr einen stärkeren Drang zu anderen Anbautechniken und einem robusteren Sortenspektrum verspüren. 

Die Tomatenseuche

Eigentlich ist die Braunfäulekatastrophe schon 40 Jahre älter. Bis Anfang der 1980er Jahre gab es damit wenig Probleme im Tomatenanbau. Der verursachende Braunfäulepilz Phytophthora infestans ist zwar seit 1845 nach Europa eingeschleppt worden, verursachte die bekannte Hungersnot in Irland weil auch Kartoffeln befallen werden, aber die damals und danach noch einmal eingeschleppten Stämme waren nur zu nichtsexueller Vermehrung fähig und es konnten bald resistente Sorten gezüchtet werden. Danach passierte, wovor Biologen dringend gewarnt hatten: Eine zur sexuellen Vermehrung fähige Variante wurde aus Amerika um 1980 nach Europa eingeschleppt. Sie kann sich ständig genetisch verändern und rekombinieren. Seither ist Feuer unterm Tomatendach und hat einigen Nutzgärtnern Freilandtomaten regelrecht ausgetrieben. Faulende Früchte, sterbende Pflanzen im Sommer, das macht keinen Spass. Bis vor zehn Jahren waren alle Sorten stark anfällig, ganz langsam gelang es, ein paar wenige robustere Sorten zu züchten - erst einmal nicht in Europa.

...dann an Stengeln

Freilandtomaten sind auch in privaten Gärten eine Seltenheit, denn der Pilz benötigt Luftfeuchte, Wasser, um sich zu vermehren. Die meisten Leute bauen sie deshalb unter Folie an, unter Dachüberständen im Topf, im Gewächshaus. Das ist speziell bei Tomaten ausgesprochen schade, denn nur im Freiland entwickeln sich auch kräftige Aromen. Foliendächer filtern UV-B Strahlung der Sonne, die für die Aromabildung wichtig ist. Hinzu kommt manchmal erheblicher Aufwand für die Dachkonstruktionen und der traurige optische Eindruck einer Hüttenlandschaft im Garten. Man kann zwar von seinen Foliendachtomaten schwärmen und besser als Supermarktware sind sie meist auch, aber man sollte dann auch einmal den direkten Vergleich mit einer voll besonnten Freilandpflanze gleicher Sorte machen, das öffnet die Augen und die Geschmacksknospen. Zudem sind die Zeiten grosser Tomatenbeete vorbei, man quetscht sie nun unter ein begrenztes Tomatendach. Das Tomatenjahr im Freiland ist ansonsten kurz geworden, ab Mitte Juli droht Totalausfall durch Braunfäule, meist ist es Mitte August so weit, wenn die Nächte kühler und taufeuchter werden.

Noch eine Seuche: Alternaria

Alternaria an Tomatenblättern

Die Jahre vor 2021 gab es aufgrund sehr trockener Jahre drei Jahre lang weniger Braunfäule, dafür mehr Alternariabefall. Diese Krankheit kann man am Anfang nicht immer von Braunfäule auseinanderhalten. Alternaria kommt früher im Jahr, schon bevor sich Braunfäule breitmacht, die braunen Blattnekrosen sind oft gezont und haben im Gegensatz zu Braunfäule immer einen gelben Hof. Alternaria ist zum Glück selten ein kompletter Spielverderber. Braunfäule verbreitet sich hingegen rasend schnell, zerstört auch die Stengel und Früchte, die ganze Pflanze ist hin.

Hausmittel, Stärkungsbrühen haben sich in Versuchen gegen Braunfäule als nutzlos erwiesen. Pflanzenschutzmittel, Fungizide existieren leidlich, sollen aber hier nicht Thema sein. Nutzgärtner greifen sowieso nur höchst ungern oder gar nicht zu solchen Mittel. Am liebsten mogeln wir uns an den Krankheiten vorbei, durch gute Anbaubedingungen, Hilfsmittel wie die genannten Foliendächer und resistente Sorten, sofern vorhanden und qualitativ brauchbar.

Züchtung resistenter Sorten

Endphase Braunfäule

Solche Sorten existieren mittlerweile, aber der Weg dorthin war sehr lang, die Züchtung begann in den USA schon 1940 und es gibt noch Vieles zu verbessern. Einen sehr grossen Schritt erreichte Dr. Randy Gardner (der heisst wirklich so) von der North Carolina State University, er stellte im Jahr 2010 mehrere klassisch gezüchtete Tomatensorten mit erstmals multigenetisch verankerter Resistenz vor. Er nutzte dafür sehr kleinfrüchtige, Wildtomaten nahestehende Resistenzträger. Ergebnissorten aus dieser Züchtung waren unter anderem Defiant, Iron Lady, Jasper, Mountain Magic, Mountain Merit und noch ein paar mehr. Leider alles F1-Hybriden. Das löste Hoffnungen und Aktivitäten anderer Leute aus, so dass heute noch ein paar mehr Sorten verfügbar geworden sind. Kräftig beworben wird "Primabella", "Rondobella", verfügbar sind "Buffalosun", "Consuelo", "Honey Moon", "Crimson Crush". Weitere Sorten nennen sich zwar Resistent, haben aber nur einfache Resistenzen, die nicht lange halten. Beispiele: Philovita (Züchtung von De Ruiter Seeds, eine Marke von Bayer-Monsanto), Fantasio. Von denen halte ich nicht viel, die Samen sind so teuer wie wirklich resistente Sorten, Braunfäulebefall findet nur leicht verzögert statt.

"Defiant" habe ich im Anbau, seit die ersten Samen nach Europa gekommen sind und seither noch viele resistente Sorten mehr. Diese Sorten sorgten vor allem letztes Jahr dafür, dass ich Tomaten bis in den Herbst ernten konnte, während Nachbarn und Bekannte in ungünstigen Jahren pünktlich zur Haupterntezeit ab Ende Juli alles abräumen mussten - Totalschaden. Auch meine klassischen Sorten gingen über den Jordan, auch danebenstehende resistente Neuzüchtungen bekamen mit der Zeit ein paar Symptome, das blieb aber fast immer begrenzt, sie lebten, fruchteten ungerührt weiter. Und mehr noch: Seither gelingt es sogar wieder, Tomaten extensiv im Freiland anzubauen, ohne Dach. Speziell "Defiant" ist teilweise determinant und wird nicht besonders hoch. Man kann diese Sorten ohne grosse Pflege in einem Aussengarten setzen, einmal am Spiralstab festmachen und dann mit wenig Aufsicht wachsen lassen. Das ist ideal, wenn man viel Tomatensugo und getrocknete Tomaten für den Winter haltbar machen will. Einmal die Woche hingehen und schwungweise ernten, kochen, passieren, abfüllen.

Nun mal einige meiner eigenen Sortenerfahrungen mit diesen neuen Sorten hier im Freilandanbau:

Defiant

Tomate Definant abgeerntet, Ende August
im Braunfäulejahr 2021 - kaum Befall.

Darüber steht schon einiges weiter oben. Es ist die Sorte, zu der ich immer wieder zurückgekommen bin. Wuchs problemlos, wird im Freiland 100 bis 150cm hoch, im Gewächshaus auch höher. Ideal für extensiven Anbau. Fruchtet und reift früh und reichlich und dann bis zum Frost, so ganz echt determinant ist sie glücklicherweise dann doch nicht. Dankbare Sorte mit guten Erträgen. Pflanze wird bei guten Infektionsbedingungen nur punktuell von Braunfäule befallen, wächst weiter, fruchtet weiter. Tomaten etwas uneinheitlich in der Grösse, die Meisten haben typische 70-100g mit viel Fruchtfleisch, im Stil wie eine kleine Fleischtomate. Ihr Aroma ist wirklich gut, voller Tomatengeschmack, volle Farbe, schöne Konsistenz. Nicht platzempfindlich. Für alle Verwendungen, besonders Sugo. Nachteile hat sie auch: Eine stark erhöhte Anfälligkeit für Blütenendfäule, vor allem bei heissem Wetter. Calcium verbessert diese Mangelerscheinung. Ich habe das einfach in Kauf genommen, schwarze Stellen abgeschnitten und die Frucht weiter zu Sosse verkocht.

Honey Moon

Riesiger Nabel

Fleischtomate. Wuchs bis 180cm. Reife etwas spät, Erträge unterer Durchschnitt. Tomaten >200g, gleichmässig, hat einen leicht himbeerartigen Farbton, aber nicht richtig Pinkrosa. Auf Fotos sieht man das oft nicht richtig. Haut ist ziemlich hart. Die Früchte haben einen charakteristischen grossen Nabel, sie lösen etwas schwer vom Stengel, auch wenn sie reif sind. Man sollte sie wirklich ganz ausreifen lassen, dann erreichen sie erst ihre Güte. Aroma ist gut, tomatig, mit Säure und Schmelz. Platzt nicht. Blütenendfäule kommt vor, wie auch bei den meisten anderen Sorten von Gardner. Ich vermute, der Resistenzträger brachte das in die Zuchtlinien.

Tomate Honey Moon Schnittbild
Tomate Honey Moon Strauch

 


Cocktail Crush

Tomate Cocktail Crush

Die meisten braunfäulefeste Sorten sind eher klein, es gibt überdurchschnittliche viele "Naschtomaten" oder Kirschtomaten, Cocktailtomaten. "Cocktail Crush" ist auch sowas, Früchte um 50g. Grosse Pflanze, wächst in die Höhe, Erträge durchschnittlich, mittelfrühe Sorte. Braunfäulefest, auch keine Alternaria gesehen. Aroma durchschnittlich. Nach zwei Jahren habe ich sie aussortiert, denn sie hat einen gravierenden Nachteil: Sie platzt bei mir zuverlässig am Stock nach Regen. Was soll ich mit einer Tomate, die nach Regen platzt, wo doch der Hauptvorteil einer braunfäuleresistenten Sorte der Freilandanbau ohne Folie ist?

Mountain Merit

Ähnelt in Allem der Sorte "Defiant", konnte sie teilweise nicht gut unterscheiden. Früchte tendentiell etwas grösser, Pflanze auch, Erträge gleichhoch, Blütenendfäule nicht besser. Früchte etwas weicher. Ersatz für "Defiant", falls man die nicht bekommt. Vorsicht: Eine andere braunfäulefese Sorte heisst "Mountain Magic", nicht verwechseln. "Mountain Magic" hat kleinere Früchte, nur max. 60 Gramm schwer. Auch sehr gut, aber aber eben nur eine Cocktailtomate.

Iron Lady

Noch ein naher "Defiant" Verwandter.  Diese Dreiergruppe zeigt wenig Unterschiede. Sie wirken alle wie kleine Fleischtomaten, recht gut im Aroma, hinreichend gut braunfäulefest. In dieser Gruppe kann man nichts falsch machen, wenn man mit Blütenendfäule klar kommt.

Consuelo 

Eine Kirschtomate. Wuchs über 180cm, geht in die Länge. Aroma durchschnittlich, platzt nicht, keine Blütenendfäule, die bei Kirschtomaten sowieso selten vorkommt. Erträge etwas schwach. Wenn schon Kirschtomate, dann wenigstens viele der kleinen Früchte. Erwies sich als nicht ganz so braunfäulefest wie die anderen Sorten, unter starkem Befallsdruck wird sie schliesslich deutlicher krank. Damit fraglich, denn an braunfäulefesten Kirschtomaten herrscht sowieso kein Mangel. Als "robust" kann man sie aber definitiv ezeichnen.

Weitere Sorten

Daneben schwirren noch einige Sorten herum, die oben schon genannt wurden, sie werden auch als recht braunfäulefest gepriesen, Sunviva etwa. In Feldversuchen hat sich das aber nicht bestätigt, diverse Nachteile hat sie auch noch, etwa sehr platzanfällig. Jahrelang geisterte ferner "De Berao" durch die endlosen Abschreiberartikel, die Sorte ist allerdings sogar stark anfällig und taugt geschmacklich wirklich nichts. Einige andere Sorten sind aber durchaus tauglich, meine Erfahrungen sind jedoch noch nicht langjährig genug, um da belastbare Aussagen zu machen. Wer probieren will: Primabella (gleicher Züchter wie Sunviva, Dr. Bernd Horneburg / Göttingen) und Rondobella, Resibella, Vivagrande; Rubylicious (Kirschtomate), Buffalosun (gelbe Fleischtomate, USA) und Gourmansun (gelbrote Ochsenherztomate), Paoline und weitere. So oder so: Endlich Sorten, die man im Freiland ausprobieren kann!

Woher bekommt man diese Sorten?

Einzelne Sorten haben den Weg ins Standardsortiment grosser Endkundensamenverkäufer gefunden. Bezugsquellen: Iron Lady gibt es bei Pötschke, Honey Moon hat Sperli im Programm, Rondobella und Andere gibts von Culinaris im Samenhaus. Kiepenkerl hat Primabella. Bobby Seeds hat mehrere Sorten. Mit diesen Stichworten und Sortennamen findet man genügend Händler oder auch Grosshänder wie beringmeier.de. Ich bin ziemlich sicher, dass solche Sorten in wenigen Jahren auch bei Nutzgärtnern einen festen Platz im Anbau haben. Bei mir haben sie das schon länger. Das ist so erfolgreich, dass Manche vermuten, ich würde nachts mit einem bösen Spritzmittel heimlich Tomatenpflanzen behandeln, anders könne man ja keine Freilandtomaten wachsen lassen. Ein Nachbar baut riesige Dachkonstruktionen, ein Anderer geht auf frühe Freilandernten, bevor er seine befallenen Stöcke leider abräumen muss. Mein Hinweis auf die neuen Sorten verhallte (noch?), Phytophthora infestans und Folien-, Balkenverkäufer freut es.