Samstag, 9. März 2019

Frühlings- oder Herbstpflanzung? Die letzten Obstbaumpflanzungen.

Dieser Tage haben wir die letzten Obstbaum-Neupflanzungen auf der Obstwiesen erledigt. Der Zeitpunkt war nicht optimal. Eigentlich sollte in unseren Breiten im Herbst gepflanzt werden. Das ging 2018 aber nicht, die Trockenheit war derart brutal und anhaltend dass noch im November der Boden tiefgründig trocken und hart war. Statt in so einen Boden zu pflanzen kann man die Gehölze auch gleich verfeuern. Ziehen wir den Sonderfaktor (hoffentlich) Extremtrockenheit ab, haben Herbstpflanzungen folgende Vorteile:
  • Gute Containerware, nicht überständig
    Das Wurzelwerk wächst auch im Winter und das nicht wenig. Vorbei sind die Zeiten, in denen gefrorener Boden das Wachstum blockierte. Heute sind lange Warmphasen Standard geworden. Der neu gepflanzte Baum bildet bereits in nun milderen Wintern wertvolle Feinwurzeln. Das tut ihm im wichtigen ersten Standjahr besonders gut, die Gefahr dass er eingeht oder Trockenschäden bekommt ist geringer. Giessen sollte man im ersten Jahr allerdings sowieso immer.
  • Baumschulen halten wurzelnackte Ware nur für eine Saison vor. Häufig sind die Wunschorten sehr schnell ausverkauft. Wer im Herbst kauft, hat bessere Auswahl und kann sich die besser gewachsenen Bäume aussuchen. Im Frühling bleibt vielfach nur der Schrott übrig.
  • Im Herbst ist noch Zeit, Alternativen für nicht zu bekommende Sorten zu suchen. Man kann sich beispielsweise auch vornehmen, in der Winterruhe Reiser zu schneiden und selbst zu veredeln. Im Frühling ist das alles durch und nichts geht mehr bis zum nächsten Winter.
  • Im Frühling wird auch gerne schon Containerware statt wurzelnackter Ware ausgeliefert. Gegen gute Containerware ist nichts einzuwenden, aber vor allem Versandbaumschulen verschicken gerne Bäume in zu lange gestandenen, wurzeldurchgewachsenen, kleinen Töpfen, die schon lange gepflanzt gehört hätten. Im Hausgarten kann man mit etwas Mühe daraus noch etwas machen, auf einer Obstwiese gelingt das kaum. Dort herrschen raue Bedingungen, man kann oft nicht gut giessen, die Wurzeln müssen in die Tiefe und Breite statt sich am Stammfuss ineinander zu verschlingen.
Frisch aus der Baumschule, wurzelnackter
Jungbaum, Tüte gegen schnelle Austrocknung
Gepflanzt haben wir vor allem Nachpflanzungen für eingegangene oder lange kümmernde Bäume. Abgänge gab es letztes Jahr wegen Trockenheit, aber auch eigenen Fehlern. Vor einigen Jahren war ich noch nicht so konsequent, Bäume mit wirklich geeigneter Unterlage zu setzen und habe mich zu sehr von idiotischen Baumschulratschlägen beeinflussen lassen. Beispielsweise bei Pfirsichen: Wir haben schlechten, flachgründigen Boden. Auf so einem Boden die St. Julien A Unterlage (eine Haferpflaumenart) zu verwenden ist schlichtweg Schwachsinn. Die Bäume kümmern und vergreisen frühzeitig, viel zu wenig Wachstum, Halbstämme sind damit nicht sinnvoll erziehbar. Trotzdem bietet sie jede Baumschule an. Weil die Massenvermehrer im Osten und Süden Europas sie für Plantagen und kleine Hausgärten produzieren überschwemmt sie den Markt. Pfirsiche für die Obstwiese sollten vorzugsweise auf Bromptonpflaume oder der arteigenen Unterlage Rubira stehen. Sie ist standfest, induziert gutes Wachstum, kommt mit Trockenheit, wenig Pflege und schlechteren Böden besser klar. Damit werden meine Pfirsiche etwas, auf St. Julien A versagen sie durchweg.

Wildwachsende Blausterne auf der Obstwiese
Wer kann, sollte persönlich in der Baumschule kaufen. Auch dieses Jahr wurde ich wie jedes Jahr von Versendern schlichtweg beschissen, mir wurden trotz eindeutiger Bestellung wieder einmal Bäume auf falschen Unterlagen geliefert. Bäume zurückschicken? Nicht einfach.

Fehler, die letztes Jahr zu eingegangenen Bäumen führten waren vergessene Pflanzschnitte in Kombination mit der extremen Trockenheit oder nur die Trockenheit. Giessen auf der Obstwiese hat Grenzen, wenn es von Juni bis November keinen Tropfen regnet und sich die Klimakurve von Casablanca in Marokko durchgängig kühler zeigt wie hier.

Welche Sorten?


Baumscheiben unbedingt freihalten, hier kommt noch
Pferdemist obenauf
Was steht nun neu auf der Wiese? Die Zwetschge Juna, eine der letzten Neuzüchtungen von Zwetschgenpapst Hartmann aus Stuttgart-Hohenheim. Mit seiner Pensionierung wurde dort die Züchtungsarbeit eingestellt, jetzt wird nur noch an einem Ort in Deutschland in bescheidenem Umfang Zwetschgen gezüchtet. "Juna" ist eine sehr frühe Zwetschge, ähnlich vielseitig zu verwenden wie "Kathinka", ebenfalls eine frühreifende Hartmann-Züchtung, die aber oft etwas kleine Früchte bringt und bei mir ziemlich viel Zweigmonilia hat. Ich versuche, einige sehr frühe Zwetschgen zu bekommen, da die guten Spätsorten von der eingewanderten Kirschessigfliegenkatastrophe stark betroffen sind. Sie werden bei Reife vom Schädling abgestochen und faulen am Baum.

Die Kirsche Kordia, Nachpflanzung für eine abgegangene Kordia. Eine moderne Sorte aus Tschechien, die ich früher schon hatte, die Kirschen sind gross und platzfest, Schaufrüchte. Wie alle moderne Sorten eine Knorpelkirsche. Eine alte Sorte wären mir lieber gewesen, aber geeignete Sorten im späten Reifebereich sind sehr schwer zu beschaffen.

Pflanzschnitt Kirsche


Pfirsich auf Pfirsichunterlage
Einen weiteren Pfirsich, den "Royal Gem" vom Grosszüchter Zaiger in Kalifornien, der einen schier endlosen Ausstoss von Sorten auf den Markt wirft. Er hat dunkelrote Haut, wird früh reif und ist robust gegen die Kräuselkrankheit. Wie bei allen Frühsorten ist er nur bedingt steinlösend. Er leidet nicht unter dem übertriebenen Fruchtansatz wie "Red Haven" und damit keine oder weniger Ausdünnarbeit. Und er passt von seiner Reifezeit perfekt zu meinen anderen Sorten. Frische Pfirsiche kann man bei geschickter Sortenplanung von Ende Juni bis Ende September haben, beginnend mit Tastired (Zairisup) und Maicrest bis Valley Sweet.

Pfirsichblütenknospen 8.März
Die grosse "Kasseler Renette", ein Apfel. Nicht aus Kassel, sondern aus dem flandrischen Cassel. Viel Säure, viel Zucker, eine der völlig aus der Mode gekommenen berosteten Renetten. Äusserst gut lagerfähig ist er und soll mit trockenem Boden gut zurechtkommen, was ein sehr wichtiger Punkt für mich ist. Er trägt auch in schwierigen Jahren und ist auch nicht schorfanfällig, wie ich an einem älteren Baum schon feststellen konnte.

Ein Säulenapfel, die neue Sorte Jucunda, gezüchtet in Weinsberg. Mit Säulenäpfeln experimentiere ich schon länger. Wirklich lagerfähige und gute Sorten sind nicht darunter, aber die Wuchsform ergibt herrliche Fruchthecken. Leider ist das Pflanzmaterial teuer. Ein Säulenapfel passt einfach überall hin. Meinen Jucunda bekam ich auf der Unterlage MM111, die ist mittelstark wachsend und gut standfest. Säulenäpfel auf schwachwachsenden Unterlagen sind mehr etwas für die Terrasse, Topfobst.

Aprikosenblütenknospen 8. März
Die Aprikose Harlayne. Aprikosen sind sehr kurzlebig wegen kaum beherrschbarer Krankheiten wie Monilia und Pseudomonas, gemäss einem Versuch hat man die wenigsten Baumausfälle mit der Unterlage "Wavit" und einer Veredelungshöhe von 60cm. Haralyne zeigte sich in deutschen Versuch robust, wenig anfällig gegenüber Monilia. Wir werden sehen. Ein Erfolg ist es schon, wenn Bäume mehrere Jahre durchhalten. Alte Aprikosen findet man in unseren Breiten nur unter Dachüberständen an Hauswänden.

Quitte "Cukurgöbek". Nachdem die einstmals grosse Quittenvielfalt in Deutschland gründlich abgeräumt und zerstört wurde und jahrzehntelang nur eine handvoll Sorten lieferbar war, sucht man mitterweile im Ausland nach neuen Sortenerlebnissen. Was sich davon bewährt, muss sich aber erst zeigen. Quitten sind ein bisschen in Mode gekommen. Ich werde bald noch weitere Sorten selbst auf sorteneigene Unterlagen veredeln. Interessant sind für mich gute Saftsorten, Quittensaft und Druckmost aus Quittensaft sind mir unverzichtbar geworden.

Montag, 11. Februar 2019

Honigwein, Met - der Honig zum kippen

Honigmet kann ein herrliches Genussmittel sein. Aber nicht jeder. Kommerzielle Produkte aus dem Laden schmecken oft (eigentlich fast immer) zum abgewöhnen schlecht. Da findet man Fehlaromen, klebrig Süsses, Schönung, gestoppte Gärung mit Methoden die Nebenwirkungen haben, minderwertige Ausgangsstoffe - das kann man wirklich besser machen. Von Negativerlebnissen darf man sich nur nicht abhalten lassen, dieses Getränk wirklich zu entdecken.

Und wer ihn selber macht, merkt nach den ersten Versuchen schnell: Den richtigen Honig muss man haben. Ausserdem sind Geiz, Zeitmangel und ersetzen von Wissen durch Technik Garanten für Minderqualität. Gut zu sehen im unsäglichen Haufen endloser Youtube-Videos, oft nur verkappte Werbung: Da wird filtriert und pasteurisiert, in der Hoffnung mit Technik Fehler und Probleme auszugleichen die man gar nicht hat, wenn man gut arbeitet und gute Rohstoffe hat. Zur Balance eines ausgeglichenes Getränks mit Tiefe, anhaltendem Honigaroma und hohem Genussfaktor ist es ein langer Weg.

Der verwendete Honig muss nicht die speziellen Qualitäten für eine Abfüllung in Gläser haben, aber spezielle Qualitäten für Honigmet. In Frage kommen vor allem auch:

  • Seimhonig wie zum Beispiel ausgeschmolzener Melezitosehonig. Der wurde beim Schmelzprozess erwärmt und ist damit ein erstklassiger Backhonig. Oft lohnt sich die Abfüllung in Gläser nicht, weil es nicht viel ist, man lässt ihn im Lagereimer und entnimmt benötigte Mengen direkt. Davon hatte ich in der letzten Saison ausnahmsweise mehrere Eimer. Er eignet sich generell sehr gut für die Verarbeitung, weil das Honigaroma voll da ist, er einen sehr wohlschmeckenden Honigtauanteil hat. Er schmeckt meistens lecker nach Nadelwald, aber nicht mehr nach der früher blühenden zu eindimensionalen minzartigen Linde. Ich habe damit auch mehrmals erstklassige Lebkuchen gebacken, ihn als Zutat für allerlei Back- und Kochrezepte verwendet. Für Met kann er eine fantastische Grundlage sein, daraus stammt mein bester Met.
  • Honig, der aus irgendwelchen Gründen erhöhten Wassergehalt hat. Das macht im Kellerlager keine Probleme, aber steht er zu lange in einem warmen Ladengeschäft, steigt das Risiko, dass er anfängt zu gären. Passiert mir nur manchmal im Ausnahmefall, wenn das Wetter zur Erntezeit anhaltend feucht ist. Oder es kann auch manchmal Gründe geben, Honig eines Volks abzuschleudern der noch nicht ganz reif ist. Man kann solche Honige aber auch den Bienen erneut als Futter geben, wenn man sie anderweitig nicht verwenden will.
    Geschmacklich kann dieser Honig noch so gut sein, ins Glas fülle ich ihn nicht. Aber für Met ist er je nach Stil wie geschaffen.
  • Bei der Honigverarbeitung kann auch etwas passieren, zum falschen Zeitpunkt abgefüllt kann eine starke Phasentrennung bereits abgefüllter Gläser (oben setzt sich eine flüssige Phase ab, unten eine feste) entstehen. Einwandfreier Honig mit vollem Aroma, aber eben optisch nicht mehr schön - Met!
  • Wer Probleme mit der Vermarktung hat, hat manchmal einfach zu viel Honig. Auch den kann man im Sommer wieder den Bienen geben, die sie wieder im Überwinterungsvorrat einlagern. Oder eben anders verwerten - für Met.
Goldener Honig, goldener Met. Abgefüllt in 0,5l Bügelflaschen.

Diese Honigverarbeitung zu Met ist ururalt, schon die Kelten haben in riesigen Kesseln Met gebraut. Grundlage ist immer Honig, der vorher in Wasser aufgelöst wurde und dann vergoren wird, sehr viel mehr wird im Grunde nicht benötigt. Davon stelle ich ab und zu kleine Fässchen her, zum trinken, zum verschenken, zum verkaufen. Hat man den richtigen Honig, genügend Geduld und kann sauber arbeiten, dann wird das was, das man sehr gerne trinkt.

Kommerziell zubereiteter Met schmeckt häufig so, wie wenn bei der Herstellung eindeutig untauglicher Honig verwendet wurde. Im Allgemeinen verwenden kommerzielle Methersteller zusammengekippten Importhonig unterster Kategorie aus dem grossen Tank.

Welcher Honig ist am besten?

 
Verkaufsstand. Honig, Met, Glühmet, Honiglebkuchen.
Aber welcher Honigstil ist denn nun geeignet? Taugliche Sorten sollten mindestens einen Waldanteil haben, also Honigtau von Laub- oder Nadelbäumen enthalten. Reiner Blütenhonig ist zu dezent im Aroma. Er macht nur süss, bringt aber in der Verdünnung des Mets hinter dem Alkohol zu wenig sonstige Aromen, hat auch nur sehr wenig Säure. Sortenhonig als Ausgangsstoff können im Geschmack des Mets zu penetrant werden, Honig mit Lindenanteil zum Beispiel (minzig, manchmal scharf) oder Sonnenblumenhonig (Heftpflasteraroma) oder Kastanienhonig (Aroma nach einem durchgeschmorten Trafo). Auf dem Honigbrot sehr gut, aber flüssig wird es unbalanciert. Ein Übergangshonig von Frühling zu Sommer kann dagegen sehr gut sein, Brombeernektar erzeugt erstklassige Met-Aromen, Weissdorn, auch einige landwirtschaftliche Blütenmischungen in den letzten Schleuderungen, Phacelia sollte aber wenig enthalten sein - bringt einen Süsseüberhang und Aromen, die leicht untergehen. 
 

Das Rezept

Trocken-Weinhefe aus Polen in Papiertütchen. Kurz haltbar.

Das Standard-Honigmetrezept für mässig süssen Met, nach dem ich vorgehe ist sehr einfach und sieht so aus:

10 Liter Wasser, 5 Kilo Honig, Hefenährsalz nach Päckchenanweisungen, 1 Liter Apfel-Direktsaft, Reinzuchthefe für schwere Süssweine (Portwein, Malaga), Agrest. 

Die Zutaten gibts im Hobbykellereibedarf oder über grosse Handelsplätze wie ebay. Dort findet sich auch sehr preisgünstige Ware aus Osteuropa, die zwar meistens nur sehr kurz haltbar ist (Trockenhefe in Papiertütchen) aber mich qualitativ noch nie enttäuschte wenn man sie sofort verwendet hat. Auf Agrest und eventuelle Säuerungsmittel komme ich unten noch zu sprechen.

Benötigt wird für diese Menge ein Gärgefäss mit 15-20 Litern. Ein 15-Liter Fässchen wird sehr voll. Entgegen häufiger Warnungen entstand aber bei der Gärung nie nennenswert Schaum, so dass überschäumen kein Problem war. Vergoren wird bei Zimmertemperatur oder leicht kühler. So wird der Ansatz hergestellt:

15l - Fass mit Gärspund

Hefe im Apfelsaft auflösen und einen bis zwei Tage warm stellen, bis die beginnende Gasentwicklung den Arbeitsbeginn der Hefe anzeigt. Das ist wichtig, denn direkt ins Honigwasser gekippt werden mag die Hefe gar nicht, sie geht am schlagartig steigenden osmotischen Druck kaputt. Den Apfelsaft und alle restlichen Zutaten auf Zimmertemperatur bringen (kein kaltes Wasser direkt aus der Leitung nehmen) im Gärfass zusammenrühren. Kräftig rühren, Honig löst sich manchmal erstaunlich schwer auf. Dafür lässt sich auch ein Honigrührstab verwenden, den Imker sowieso haben wenn sie feincremigen Honig abfüllen. Der sollte nachher mit sehr heissem Wasser gereinigt werden, damit keine lebende Hefe dranbleibt und beim nächsten honigrühren Hefen in den Honig bringt.

Und dann: Gärspund drauf, zusehen, gären lassen. Es dauert ein, zwei Monate bei 15°C (die heutige normale Kellertemperatur), bis keine Gasentwicklung mehr da ist und sich die Hefe am Boden abgesetzt hat. Die Gärung stoppt, wenn die Hefe an ihrer Leistungsgrenze angekommen ist und ca. 17% Alkohol erzeugt hat. Ja nach Hefe kann das auch bei 15% oder 20% passieren, es gibt auch Hochleistungshefen. Der Zucker wird jetzt ganz oder weitgehend vergoren sein, das Zwischenergebnis liegt also zwischen nicht süss bis mässig süss. Dann zieht man den Met von der Hefe ab - mit einem Schlauch in saubere Eimer oder ein zweites Fässchen. Das Gärfässchen wird gereinigt, der Met ins Fass zurückgegeben Dabei sollte man ihn leicht schwefeln und kann ihn auch mit weiterem Honig aufzuckern, wenn man ihn süsser haben will - das ist Geschmackssache. Geschwefelt wird mit Kaliumdisulfit für Lebensmittel, E224. Dafür verwendet man 0,5 bis 1 Gramm Pulver pro 10 Liter Met. Bei Met mit wenig Restzucker besser an ein Gramm herangehen. Met oxydiert grundsätzlich leicht durch die geringe Säure und bekommt schnell einen Sherryton. Gesetzlich erlaubt wäre auch die doppelte Menge an Schwefeldioxid oder Kaliummetabisulfit bis zu 200 mg/l im fertigen Erzeugnis, berechnet als SO2. Das ist übertrieben.

Die Säure

 
Honig enthält meistens nicht viel Säure. Am meisten noch Waldhonig, der deswegen und wegen seiner langkettigen Zuckerarten auch weniger süss schmeckt. Etwas Säure kommt mit dem Apfelsaft ins Produkt. Für süssen Met sollte unbedingt zusätzlich Säure zugegeben werden, sonst wird es zu einseitig klebrig-süss. Dafür empfiehlt man oft Zitronensäure, Milchsäure, Apfelsäure. Die Richtwerte lauten: 30ml (oder 30g) 80%ige Milchsäure für 10 Liter Gesamtansatz. Das sind eineinhalb Schnapsgläser in der Standardgrösse 2cl, reicht das nicht kann man später langsam mehr geben. Geschmacklich finde ich Milchsäure aber nicht sehr befriedigend, sie wirkt neutral aber stechend. Diese Dosierung gilt auch für Zitronensäurepulver oder Apfelsäurepulver (E 296). Will man den Met verkaufen, darf man laut den "Leitsätzen für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke" maximal 3 Gramm pro Liter Met Zitronensäure zusetzen, seltsamerweise nur Zitronensäure. Andere Säuren nehmen ist nicht aufgeführt (aufgeführt in Punkt I.B.7 der Leitsätze für weinähnliche und schaumweinähnliche Getränke, BAnz. AT 27.01.2015 B1, GMBl 2015 S. 113), wofür ich keine Begründung erkennen kann. Hopfen und Gewürze sind auch erlaubt sowie Mischungen mit Fruchtsäften, wenn entsprechend deklariert.

Mein Trick ist, stattdessen selbst produzierten Agrest als Zutat zu verwenden, das ergibt geschmacklich für meinen Geschamck die beste Version. Agrest ist Traubensaft aus unreifen Weintrauben. Er sorgt für ein angenehmes, breites und nicht spitzes Säuregefühl im Mund und bringt erwünschte sekundäre Stoffe mit sich. Das Problem dabei ist aber, dass Agrest keine einheitlichen Säuregehalte aufweist. Die Analyse kommerzieller Agrest-Säfte ergibt 20-35g Säure pro Liter. Mein selbsthergestellter Agrest lag da deutlich darüber und ich erreichte bereits mit 100ml pro 10 Liter-Ansatz gut schmeckbare Säure im fertigen Met. Wer es selbst mit Agrest probieren will, sollte unbedingt erst vorsichtig eine Teilmenge zugeben, zu wenig Säure kann man erhöhen; zu viel Säure wird man nicht mehr los.

Abfüllen

Nach dem Abzug von der Hefe sollte man den fertigen Met unter Luftabschluss noch mindestens einen Monat lagern. Hat man noch Honig zugegeben, kann noch einmal eine leichte Weitergärung stattfinden. Dann sollte man ihn probieren, eventuell ein bisschen nachsäuern. Etwas Gärnebenprodukte dürfen sich noch im Aroma bemerkbar machen, die verschwinden später. Dann geht es geht ans Abfüllen. Ideal sind Flaschen mit Bügelverschluss in den Grössen zwischen 0,2 und 0,7 Liter. Er lagert sich abgefüllt in kühler Dunkelheit sehr gut und wird nur besser. Der beschriebene Met wurde nie erhitzt und nie filtriert. Ein paar Probeflaschen von meinen früheren Versuchen schmeckten nach Jahren spitze, sehr rund, Honigaroma voll da, ein Göttertrank. Was man nicht tun sollte: Von Zeit zu Zeit aus dem Fass zapfen wäre schlecht, oben im Fass vergrössert sich der Luftraum, das Aroma verschwindet wie bei offen stehendem Wein, Luftgeschmack kommt.

Prost

Süsser Met schmeckt zwischen kühl und lauwarm gut. Oberhalb Zimmertemperatur bis hin zu Glühmet-Zubereitungen bei 60°C ist eine weniger süsse Version zum empfehlen. Auch hier: Das ist Geschmackssache. Die Hefe schafft normalerweise um die 17° Alkohol, bevor sie aufgibt. Der unvergorene Honig sorgt für die Restsüsse, darunter auch nicht vergärbare Zuckerarten wie den Dreifachzucker Melezitose. Das Zeug haut also gut rein, Vorsicht! Wer ihn nicht pur trinken mag, kann ihn mit Fruchtsäften verschneiden (beliebt ist Kirschsaft), würzen, wie beliebt. Wird er mittels einem Fruchtsaftzusatz verschnitten und bleibt noch einmal stehen, kann er jedoch wieder zu gären beginnen weil der Gesamtalkoholgehalt durch die Zugabe alkoholfreien Safts wieder gesunken ist. Kommerzielle Anbieter machen eine Feinfiltration oder Kurzzeiterhitzung, um das zu verhindern. Meine Empfehlung wäre dagegen: Mischen und sofort trinken.


Met ist bei mir ein Getränk fürs Dessert oder einen Winterabend. Zum Dessert mag ihn jeder süss. Die trockenen Varianten sich auch zu anderen Gelegenheiten passend, aber da ist oft das Problem die Reproduzierbarkeit. Honig ist eben ein äusserst individuelles Ding, die Ansätze zeigen entsprechend unterschiedliche Geschmacksergebnisse.

Donnerstag, 31. Januar 2019

Radicchio Variegata Di Castelfranco, die Orchidee aus dem Keller

Variegata Di Castelfranco im Frühherbst
Radicchio (Cichorium intybus var. foliosum) war mal stärker in Mode, auch im eigenen Garten. Aber so richtig durchgesetzt hat er sich nördlich der Schweiz nicht und auch der richtige Anbau im eigenen Garten hat viele Fragezeichen behalten. Trotz gewisser Schwierigkeiten mit Aussaatterminen und Winterhärte kultiviere ich Radicchio seit Jahren, immer mehrere Sorten. Ich liebe das Aroma und den Stil dieser Salate sehr. Es sind die Aroma- und Winterkönige unter den Salaten.
Radicchio Sorte Granato geerntet im Dezember
  • Sie haben mehr Eigenaroma wie fast alle anderen Salatarten (ausgenommen vielleicht den nicht verwandten Ackersalat)
  • Die Sorten haben auch eine grosse Aromen- und Stilbandbreite
  • Die Art schmeckt in vielen Zubereitungformen - auch gekocht, angeröstet, im Risotto
  • Die Sorten sind auch nach der Ernte gut haltbar
  • die Frosthärte einiger Sorten ist gut
  • Sie sehen oft einzigartig dekorativ aus.
Warum der kommerzielle Anbau der für Deutschland geeigneten Sorten hier exotisch geblieben ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ist es die aufwendigere Anbautechnik. Die meisten Radicchiosorten vertragen das Umpflanzen nicht gut. Die Jungpflanzvorzucht hat Grenzen.

Im Laden zu kaufen?


R. Castelfranco, halbiert. Lockere, aber geschlossene Köpfe
Mässig bekannt in Deutschland wurde und blieb die einfachste Sorte, der Palla Rossa. Er hat geschlossene, dichtgepackte Köpfe, ist rund, durchgehend rot mit weissen Blattrippen, hält leichte Fröste aus. Den pflanzt man bis Ende Juli und erntet ihn im Herbst. Wahrscheinlich hat er wegen seiner Farbe einen kleinen Erfolg beibehalten und auch wegen der relativ guten Kultivierbarkeit. Trotzdem schaffte auch er es bis heute nicht in die Discounter, er bleibt in Läden mit breitem Sortiment oder im Bioladen und auf dem Markt. Andere Radicchiosorten sind extrem selten oder gar nicht zu haben. Viel häufiger ist jedoch der ziemlich geschmacksfreie und grobe verwandte Endivien zu finden und in der Bioladenszene gibts dann noch einen weiteren Verwandten, den Zuckerhut, den sieht man auch öfter in Privatgärten. Er ist schon sehr lange in Deutschland bekannt. Alle drei, Endivien, Zuckerhut, Radicchio gehören zur Familie der Wegwarten und befinden sich in einer anderen botanischen Familie wie die Lattichsalate. In der Lattichfamilie liegen Kopfsalat, Eissalat, Römersalat, und Schnittsalat.

Sorten


Reste im Janaur abgeerntet, kurz vor Starkfrost
Aussaat in Anzuchtplatten - unbedingt sehr jung verpflanzen
wegen schneller Pfahlwurzelbildung
Radicchiosorten gibt es sehr viele und einige sind für den eigenen Garten in Deutschland nicht gut geeignet. Sie benötigen lange Kultivierungszeiten, vertragen keinen Frost, sind zu schossempfindlich oder benötigen Anbautechniken, die es in Deutschland nicht gibt - zum Beispiel die Sorte Radicchio Rosso di Treviso Tardivo. Bei anderen Sorten gelingt das besser bis perfekt. Diese Saison war bei mir wieder "Rossa di Verona" dran sowie der einfache "Palla Rosso" wie jedes Jahr als sichere Miete. Ferner "Granato" mehr zur Dekoration, und vor allem der "Variegata Di Castelfranco". Angebaut habe ich schon einige Sorten mehr. Der Castelfranco war ein Glücksfall, dieses Jahr, ich hatte frische Samen, die gut keimten und das Wetter in Spätherbst und Winter hatte keine starken Minustemperaturen. Alles stimmte. Ältere Radicchiosamen keimen meiner Erfahrung nach sehr schlecht, Lattichsalatsamen halten da viel länger durch. "Variegata Di Castelfranco" ist relativ wenig frostfest, unter -4°C beginnen sich die Blattränder zu zersetzen. Das war die letzten Jahre bis Anfang Januar nie das Problem, Klimawandel sei Dank. Sollten trotzdem Kaltnächte angesagt sein, kann man ihn gut mit Vlies schützen. Oder man erntet ihn ab und lagert ihn kühl und feucht. Er hält sich ausgesprochen gut, in einem ungeheizten Gartenhaus mit feuchtem Papier bedeckt schafft er ohne grosse Einbussen einen Monat Lagerdauer. Vollends abgeerntet habe ich ihn Mitte Januar, auch dieses Jahr wird er aus dem Lager noch im Februar gegessen werden.

Seine Optik im Garten ist recht variabel, was aber typisch für viele Radicciosorten ist. Hier eine Fotoserie, was dabei herauskommen kann - alles dieselbe Sorte, Variegata Di Castelfranco:
Hier hat sich der Kopf stark und schwer entwickelt
Weniger panaschierte Version
Auch lockere Blätter sind sehr gut, wenn sich kein richtiger Kopf gebildet hat
 

 


Variegarta di Castelfranco, geerntet
Diese Sorte hat noch mehr Vorteile für den Anbau in Mitteleuropa. Es ist eine hinreichend schnellwüchsige Sorte, in unserem Klima reicht die Aussaat bis Ende Juli, um ihn im Spätherbst grosskopfig zu ernten. Seltsamerweise ist der diesbezügliche Rat einiger Samenhänder in Deutschland falsch, sie raten zur Frühjahrspflanzung. Damit wird man scheitern, denn dann schiesst er früh wegen Vernalisationeffekten und man kann gar nichts ernten ausser vielleicht Samen für eine Neupflanzung. Bildete er schliesslich Köpfe und erntet man ihn, hat er eine zarte Konsistenz, herrliche Farbspritzer, ein sehr nussiges Aroma, etwas süss, ein Hauch bitter (genau richtig). Manchmal wird dazu geraten, ihn zu bleichen, unter einen Topf zu stellen. Die Farbe wird dann noch etwas kontrastreicher. Ich würde davon abraten. Das Aroma ändert sich nicht, aber der Nitratgehalt in den Blättern steigt an, weil die Pflanze ohne Licht das Nitrat nicht verstoffwechseln kann. Im Körper bildet sich daraus das krebserregende Nitrit. Nur für ein paar hellere Blätter? Muss nicht sein.

Anbau im Keller


Wurzeln ausgegrabener Radicchio
Man kann das aber auch auf andere Weise geplant nutzen und damit sogar eine zweite Ernte einfahren. Radicchio bildet dicke, tiefe Pfahlwurzeln. Gräbt man die ganze Pflanze aus statt nur den Kopf zu ernten, kann man die Wurzeln wieder in einen Kübel mit feuchtem Sand setzen und im Keller erneut austreiben lassen. Dann bilden sich neue Blätter, die man wieder als Salat essen kann. Ich nehme dazu einen normalen Eimer mit 10-15 Liter Grösse, mit billigem Sand gefüllt und setze dort 2-5
Kelleranbau Radicchio

grob gereinigte Radicchowurzeln hinein, deren Köpfe ich abgeschmitten und bereits gegessen habe. Im Keller wächst dann die zweite Ernte heran, bei 12° und in Dunkelheit. Köpfe gibt es nicht mehr, aber Pflücksalat. Man schneidet die neuen Blätter ab und verarbeitet sie wie gewohnt.

Schon vor 150 Jahren hat man das professionalisiert - nicht nur in Italien, wo eine ganze zweite (und sehr teure) Ernte entsteht, sondern schon früher beim Endivien in Belgien. Herausgekommen ist in Belgien der Chicorée, ein zarter Spross aus Endivienwurzeln, die dunkel und warm gelagert wurden. Das können wir auch im eigenen Keller - nicht unbedingt als geschlossene Knolle, aber als optisch und geschmacklich anregende Blätter. Besonders gut geeignet: der "Variegata Di Castelfranco".

Zu guter Letzt: Die Aussprache


Leider ein Dauerthema, deshalb zum Schluss auch ein paar Worte dazu. Ja, Radicchio wird in Italien "Radikkio" ausgesprochen. Und ja, es ist trotzdem piepegal, wie man es ausspricht. Wem danach ist, der darf jederzeit Raditschio sagen oder sonst etwas, zum Beispiel Zichoriensalat. So wie man "Tomate" sagen darf, obwohl es eine Tomatl ist, dort wo sie eigentlich herkommt - nämlich den Azteken, nicht den Italienern. Es gibt kein richtig oder falsch, nur Gewohnheiten. Wie es ein italienischer Koch einmal treffend formulierte: Nur dumme, arrogante Oberlehrer korrigieren. Er sei froh, das andere Menschen der Welt italienische Küche, aus Italien stammende Lebensmittel kennelernen, nutzen, da spiele es überhaupt keine Rolle, wie das woanders jemand ausspricht. Zumal auch innerhalb Italiens oft keinerlei einheitliche und "richtige" Aussprache existiert. Im Norden Spagetti, im Süden Schpagetti. 

Endeckt, geniesst, aber nervt nicht mit angeblicher Aussprache oder Betonung.

Mittwoch, 2. Januar 2019

Ein Winter mit Quittensaft

Auch ohne "u" schön

Quitten als aromastarkes Verarbeitungsobst erlebten in den letzten Jahren einen kleinen Aufschwung. Weg waren sie nie, schon in der Antike waren sie sehr beliebt, einige Rezepte mit ihnen sind aus dieser Zeit überliefert, seither existieren sie auch in den wärmeren Gegenden Mitteleuropas. Ihr botanischer Namen lautet Cydonia oblonga - Äpfel aus Cydon, Kreta. Bei mir haben sie schon länger einen Aufschwung erlebt, Quitten sind einer der Gründe dass ich mit dem Obsthobby begonnen habe. Unsere Region kommt dem entgegen, Quitten waren hier immer häufiges Obst.

Quitten in Mode


Einer meiner Bäume, trägt regelmässig 200kg
Der Aufschwung zeigt sich daran, dass immer mehr Quittenprodukte zu haben sind, vor allem Quittensaft taucht wieder häufiger auf. Preise von 3,5 EUR bis 10 EUR pro Liter sind normal. Herausgestellt wird der gute Polyphenolgehalt, Quittensaft gilt als gesund. Begleitet wird das von weiteren Produkten wie Bücher, Aufstriche, Liköre, Rezepte, Senf, Schnaps, Quittensekt bzw. Quittenschaumwein. Letzterer kann sehr, sehr gut werden, ist allerdings noch auf der Exklusiv-Luxus-Superteuer-Ebene angesiedelt. Zu nennen wäre da Marius Wittur, der mit seiner Gründung "Mustea" einiges in Sachen Quitte erreicht hat. Leider scheint der Schwerpunkt mehr auf medialer Präsenz, Zertifizierung und Warenzeichenanmeldung zu liegen, die angeschlossene Baumschule und die meisten Produkte sind meistens nicht zu haben. Es gibt aber noch mehr Leute, die einen Schaumwein produzieren und anbieten: Heinz Kölle in Bönnigheim oder Hartmut Scheuring in Königsberg/Unterfranken. Viele Baumschulen haben Quitten ebenfalls entdeckt, wo früher nur zwei, drei Sorten Standard waren werden heute fleissig mehr Sorten gesammelt, vermehrt und angeboten. Eine Schwierigkeit dabei ist die Sortenechtheit, Quitten lassen sich schlecht bestimmen und Sortenverwechslungen sind an der Tagesordnung.

Noch Anfang Januar liegen ungeerntete Früchte ohne zu faulen
und innen unverbräunt auf der Wiese
Ihr Anbau ist durch die veränderten Jahreszeiten einfacher geworden. Quitten sind goldene Kinder der Sonne, sie lieben warme Gegenden. Ihre mässige Frostfestigkeit im Winter begrenzte früher die Zonen, in denen sie überhaupt wuchsen. Und bis heute gibt es Gegenden in Deutschland, in denen man sie besser nur als Zierpflanze wachsen lässt, in hohen Lagen, im Norden und Nordosten. Langjährige Vergleiche von Bäumen in verschiedenen Regionen, Verarbeitungsversuche und Zuckermessungen über Jahre hinweg haben es mir eindeutig gezeigt: In Gegenden mit mässigen Wärmesummen bleiben sie zu zuckerarm, aromaarm, säure- und gerbstoffreich. Dieselbe Sorte erbrachte bei 200m Höhenunterschied im Standort einmal 45°OE und war unharmonisch, in wärmerer tiefer Lage 55°OE und sehr gut als reinsortiger Saft zu trinken. Doch die genauen Erfahrungen und Anbaudetails werden noch in einem eigenen Beitrag beleuchtet. Da das Klima immer wärmer wird, gibts es auch immer mehr quittengeeignete Gegenden, Quitten scheinen bis jetzt zu den Gewinnern des Klimawandels zu gehören.

Hydropresse. Unten die Wasseranschlüsse.
Jedenfalls reagieren sie auch sehr stark auf unterschiedliches Sommerwetter und Behangsdichte. Mein Rekordzuckergehalt einer Quitte lag bei einer Konstantinopler Apfelquitte bei sagenhaften 110°OE, das sind 22,6° Brix. 2018 lagen die Zuckergehalte durchweg deutlich oberhalb 70°, ebenfalls mit noch weit höheren  Spitzen-Einzelwerten. Das Jahr war bekanntlich extrem trocken und heiss. Quitten waren das einzige Obst, das ich noch ernten und verwerten konnte, Äpfel und Birnen vertrockneten am Baum und fielen schliesslich im November faulend und klein herunter. Auch ganze Apfelbäume starben auf unserem schlechten Boden ab. Nur auf besserem Boden gab es noch Ernten, dann aber mit starken Qualitätseinbussen, Fehlaromen, ein klebriger Saft ohne Säure. Quitten nicht, sie waren gut und aromastark wie nie. In normalen Jahren bringen Quitten hier 52-58°OE (11,3° Brix), die Unterschiede zwischen den Sorten sind bei gleicher Behangstärke nicht gerade riesig.

Diesmal geht es um die Verarbeitung von Quitten, vor allem der Saftherstellung. 2018 habe ich erstmals grössere Mengen reinsortig hergestellt. Mit zwei Methoden: Einmal mit einer Hydropresse in eigener Regie. Dann mit einem Freund zusammen in der Lohnmosterei mit grosser, klassischer Packpresse, wo wir jedes Jahr auch unsere Äpfel pressen lassen. Kleinere Mengen bis 20 Liter habe ich früher schon mit einer kleinen Spindelpresse, Mengen bis 10 Liter mit dem Handpressbeutel gemacht. Wir produzieren darüber hinaus regelmässig Quittenspeck und Quittengelee. Der Freund lässt sie auch reinsortig vergären, ich habe sie bisher immer nur dem Apfelgärmost beigemischt.

Welche Quitten für Saft?


Alle Sorten sind für reinen Quittensaft gut brauchbar. Entscheidend ist der Reifezustand und der Zuckergehalt. Bei voller Ausreife hat keine Sorte noch unangenehm viel Gerbstoffe. Wichtigster Anzeiger, ob sie reif wurden und genug Sonne bekamen ist der Zuckergehalt. Presst man ein paar Probefrüchte und misst weniger als 50° OE, sollte man vorsichtig sein. Das halte ich für die Untergrenze für Saft. Gewiss kann auch leichter Saft gut sein, das sollte man aber erst einmal gut verkosten und beurteilen, bevor man 500kg davon durch die Presse jagt und dann merkt: Der ist nix. Solche Quitten sollte man nur zugemischt im Apfelsaft verwenden, zusammen mit süssen Äpfeln. Dort helfen sie bei der Klärung, die Gerbstoffe werden verdünnt und das Aroma vielfältiger.
Meine Hauptsorte für reinen Quittensaft ist Lescovac, sie reift hier zuverlässig aus, bringt einen relativ hellen Saft mit ausgewogenen Komponenten. Lecker. Ein einziger älterer Baum liefert jährlich 100-250kg, Lescovac alterniert auch weniger wie viele andere Sorten.

Verarbeiten, pressen


Waschen, ausschneiden, abreiben
Wie haben wir den Saft gemacht? Zuckergehalt der Früchte gelegentlich geprüft ob er noch ansteigt, Quitten geerntet als sie von selbst vom Baum fielen. Ohne weitere Lagerung (sie werden nicht besser durch Lagerung, sondern veratmen ihre Aromen Stück für Stück) flaumreiche Früchte mit einem alten Stück Stoff abgerieben, schlechte Früchte aussortiert oder nur schlechte Stellen ausgeschnitten. Ob man den Flaum auf der Schale abreibt, ist Geschmackssache. Lescovac hat in normalen Jahren sowieso kaum welchen. Ich finde, das ist nicht so wichtig, aber damit bin ich wohl in der Familie in der Minderheit. Also gibts eine Abreibung. Mit der Obstmühle mahlen. Quitten wirken zwar hart, sind aber mit den Hobby-Obstmühlen problemlos zu Maische zu verarbeiten. Die Maische kommt in die Presse, eine Hydropresse mit 40l - Presskorb. Nach zehn Minuten ist der Saft draussen, die Maische ausgepresst und kann entfernt werden. Sie ist guter, kompostierbarer  Dünger oder noch besseres Tierfutter für Schafe. Fertig ist der Rohsaft.

Mit dem elektrischen Obstmuser mahlen
Abhängig von der verwendeten Technik kann man die entflaumten Quitten auch in eine Lohnmosterei bringen, dort sind 100kg aber meistens die Mindestmenge und man bezahlt für die Pressung. Vorteil ist auch, dass die Pressen mittlerweile alle eine Bag-in-Box Abfüllung bieten, man kann den fertigen Saft sterilisiert in Folienbeutel abfüllen lassen. Bis 150kg ist Eigenverarbeitung sinnvoll, darüber werden die Mengen einfach zu unhandlich. Pressen geht natürlich auch in kleinen Spindelpressen oder einem Nylonpressbeutel von Hand. Man braucht auch keine Obstmühle für kleine Mengen, bis 10kg kann man sie auch mit einer fein- bis mittelgroben Raspelscheibe einer Küchenmaschine reiben und dann mit dem Pressbeutel auspressen. Nur von Dampfentsaftung ist abzuraten, die Aromenqualität sinkt bei dieser Extraktionsmethode ziemlich ab.

Sie sind sehr gut pressbar, aber die Ausbeute ist mit 50-60 Gewichtsprozent Saft etwas geringer wie bei Apfelsaft, der bis zu 75% Ausbeute haben kann.
Quittenmaische, frisch gemahlen
Einfüllen der Maische in die Hydropresse
Der Saft fliesst
Ausgepresste Maische

Abfüllen, Haltbarkeit, Verwendung


Frisch gepresster Rohsaft
Der Saft klärt sich sehr aufgrund der enthaltenen Gerbstoffe schnell von selbst und wird dunkel. Roh schmeckt er herrlich, man sollte sich ein paar locker verschlossene Flaschen davon in den Kühlschrank stellen, ein paar Tage ist er haltbar bevor er gärt. Den Rest kann man erhitzen und steril in Flaschen füllen (dabei wird der Saft wieder hell) oder roh in ein Druckmostfass geben. Dort beginnt er auch zu gären, aber der gärungsbedingt entstehende CO2-Duck würgt die Gärung auch gleich wieder ab, er bleibt monatelang frisch obwohl er ungekocht ist. Sein Aroma hält sich sehr gut.

Quittensaft trinken wir wie Wein. Pur, unverdünnt, mässige Mengen, nicht gegen den Durst sondern zum Genuss. Apfelsaft ist oft in Verdünnung besser und auch besser durstlöschend, bei Quitten sehe ich das anders. Diese Aromabomben mit ihren leckeren Gerbstoffen verlangen nach kleinen Schlucken und langsamem Genuss statt nach Verdünnung und runterkippen. Aber das ist Geschmackssache. Leichtere Quittensäfte sind in gleicher Verpackung kürzer haltbar wie Apfelsaft. Nach einem Jahr ist die Frische nicht mehr da. Möglicherweise kann eine Ascorbinsäurezugabe das verbessern.

Roher Quittensaft lässt sich natürlich auch vergären, der oben erwähnte Schaumwein ist ein Produkt daraus. Ferner wurden schon sehr gute Essige aus Quittenmost hergestellt, Quittengelee in tausend Variationen, Likör, ein Pudding, Glühwein/Punsch, zum aromatisieren von Torten und Gebäck.

Am herrlichsten ist Quittensaft jetzt im Winter in einem Weinglas am Kamin, während es draussen trübe und kalt ist. Die goldene Frucht des Sommers erleuchtet uns in trüber Jahreszeit von innen.
Druckmostfass

Sonntag, 9. Dezember 2018

Die Hühner mausern sich

Im Herbst wird es immer ungemütlich für die Hühner. Sie mausern sich. Das bedeutet, sie verlieren Stück für Stück ausnahmslos alle ihre Federn, ein neues Federkleid wächst nach. Das ist zeitweise ein trauriger Anblick. Erst sieht das aus, als wäre das Huhn gerupft und hätte Stacheln entwickelt. Das sind die Kiele und Schutzhüllen der neuen Federn. Die neuen Federn schieben sich dann langsam aus den Kielen, die Schutzhülle geht ab und die Federn entfalten sich. Abgefallene Schutzhüllenreste sehen aus, wie wenn das Huhn Schuppen hätte.

Schlecht gelauntes Huhn in der Mauser, Kälte und Wind mag es nicht

Die Mauser ist auch ein Scharfrichter. Der Organismus der Hühner ist besonders belastet, die Todesrate liegt in dieser Zeit besonders hoch. Überleben sie, wirken sie danach wie verjüngt. Stirbt ein Huhn, geht es einen Tag vorher in eine Trauerphase. Es wird still, rennt nicht mehr herum. Abends will es wie Anderen in den Stall, am nächsten Morgen liegt es tot am Schlafplatz.

Auch die Flügelfedern werden lückig

Die Belastung für das Huhn ist während der Mauser hoch, auch deshalb legen sie dieser Zeit wenige oder keine Eier. Die Tageslänge spielt ebenfalls eine Rolle. Wenn Eier gelegt werden, sind sie oft dünnschaliger und mit mehr Schalenfehlern als sonst im Jahr. Im Laufe des Oktobers bis Mitte November vertröpfelt sich der Eierlegeeifer, danach gibts es nur noch vereinzelt Eier bis Januar. Ausser, man hält sie wie in kommerziellen Betrieben mit künstlichem Licht und ausgefeilten Futtermischungen. Würde man das nicht tun, hätte man auch keine frischen Eier für die Weihnachtsbäckerei. In früheren Zeiten hat man für den Winterverbrauch versucht, Eier länger zu lagern, hat sie in Wasserglas eingelegt, einer Alkalisilikatlösung.

Neue Federn und ihre Schutzhüllen am Kopf des Hühnchens

Auch die Flaumfedern der Hühner fallen aus. Beobachtet man die Hühner, hat man den Eindruck, sie würden frieren. Sie ziehen gerne den Hals ein, bleiben ruhig stehen und gucken unterkühlt aus der Restwäsche. Im Hühnerstall und Gehege fliegen die ausgefallenen Federn herum. Die sollte man zum Hühnermist geben, Federn bestehen wie wie Horn, Haare, Fingernägel, Hufe, aus Keratin und sind so wie Hornmehl ein organischer Dünger mit einem Stickstoffgehalt von rund 12%.

Bei der Mauser abgeworfen: Rechts Schwungfedern, links Körperfedern mit Daunenanteil
Herbst und Mauser: Man sieht etwas gerupft aus

Samstag, 1. Dezember 2018

Yakon, Polymnia sonchifolia, wieder was Neues

Yakon, Wurzel, halbiert
Immer mehr Wurzeln aus Südamerika rollen in Deutschland an. Süsskartoffeln sind fast schon eingebürgert, Yakon oder Yacón erlebt sprunghafte Verbreitung, Maca und Oka kommen, einen etwas bescheideneren späten Erfolg feiert Topinambur, Gärtner probieren auch schon Arakacha aus. Teilweise werden sie  wegen ihrer angeblichen Gesundheitswirkung angepriesen, teilweise ist es einfach die Lust auf Novitäten, die zu neuen Zielen drängt. Topinambur habe ich schon lange, Süsskartoffeln seit einiger Zeit, Maca ausprobiert und nun auch Yacón.

Im Internet ist schon sehr viel deutschsprachiges über Yakon in Deutschland zu lesen, hervorgehoben werden oft gesundheitliche Wirkungen und guter Geschmack, beispielsweise unter  https://www.garten-treffpunkt.de/lexikon/yacon.aspx. Davon will ich nichts wiederholen, sondern von eigenen Erfahrungen berichten. Vor allem der Punkt "Geschmack" wird gerne oft in blumigen Worten und positiv dargestellt. Ist das so?

Yakon Jungpflanze
Dieses Jahr zog sie in unserem Garten ein. Die ausgepflanzten Jungpflanzen entwickelten sich nur langsam, das Wachstum verlief zäh und langsam. Der Sommer war heiss und trocken, trotz viel Wassergaben kam sie nicht vom Fleck, sondern liess jeden Nachmittag die Blätter hängen. Offensichtlich tut ihr trockene Hitze nicht gut. Gegen den Herbst hin wurde endlich das Höhenwachstum stärker, aber schon beim ersten leichten Nachtfrost im Oktober wurden die Blätter geschädigt, während daneben noch Paprika und Tomaten drei Wochen länger bis November ohne Schaden wuchsen.
Yakonpflanzen im Oktober, Frostschaden
Die Höhe blieb mit 80cm bei allen Pflanzen unter den Voraussagen. Blüten gab es keine. Ich habe sie dann Ende Oktober geerntet. Pro Pflanze gab es rund ein Kilo verwertbare Knollen. Nett, aber auch keine grossen Mengen.

Wie schmeckt sie?


Frisch geerntet und halbiert
Die entscheidende Frage. Zunächst die Konsistenz: Die Knollen sind nicht sehr hart, brechen leicht und sind unglaublich saftig. Die Knollenstruktur ist viel weicher wie Topinambur, die grossen Knollen wirken innen fast schon breiig, nur aussen fester.

Nun der Geschmack: Direkt nach der Ernte war das Aroma sehr schwach, sie wirken wässrig, auch keine Süsse war zu spüren. Sie sind noch geschmacksdünner wie Topinambur, höchstens ein erdiger Hauch wie bei Karotten. Erst im späteren Nachgeschmack kommen Aromen, aber sie sind unangenehm, ein anhaltender Bitterton breitet sich aus und etwas papierartiges, das sehr lange im Mund bleibt und dem Nachgeschmack einiger Süßstoffe entspricht, vor allem die aus Glykosiden, Steviablätter, Süßholz, aber ohne die Süsse. In diesem Zustand waren sie für mich eigentlich ein Fall für den Kompost.
Hell gelagerte Knollen wurden rosa
Dann lagerte ich sie eine Zeitlang hell, wie es empfohlen wird. Dadurch sollen sie süsser und besser werden. Zuerst änderte sich die Farbe, von Weiss zu Rosa. Jetzt stimmte auch der Sortennamen "rose". Letzte Woche schliesslich nochmal verkostet. Im Geschmack zeigten sie sich nun richtig süss, aber es ist eine neutrale Süsse ohne Begleitung, wie die einer Zuckerrübe, nur weicher in der Konsistenz und ohne jede Säure. Der Bitterton verschwand. Aber selten so eine langweilige, süssliche Wurzel gegessen.

Dafür hatte sie keine Krankheitsprobleme. Die Knollen waren makellos, Drahtwürmer und Schnecken mögen sie wohl nicht. Die Süsskartoffeln in der Nähe waren durchaus wieder angefressen, am Nichtvorhandensein der Schädlinge lag es nicht. Eine ziemlich gesunde Pflanze abgesehen von der Wasserbedürftigkeit. Sturm, Blattläuse, allerlei Raupen, Sonnenbrand, nichts hat sie niedergemacht. Das dargebotene Grün wird übrigens auch von den Hühnern abgelehnt. Unsere sind ansonsten wenig heikel und fressen gerne viel Grünes, aber Yakonblätter nicht. Für Menschen werden sie als Tee empfohlen.

Fazit


Das Ergebnis stimmt nicht gerade begeistert. Sie hat einfach zu wenig Aroma, um interessant zu sein. Die Süsse ist für ein Wurzelgemüse einzigartig, aber viel zu einseitig und nicht begleitet von Geschmack. Prädikat: Netter Versuch, wird aber erst einmal nicht viel Platz im Garten bekommen.

Stengel sind innen hohl, macht sie windfester

Yakon, Frisch aus der Erde gezogen

Yakon, eben geerntet