Donnerstag, 4. Juli 2024

Gesetzlich verbotenes Unkraut im Nutzgarten

Seit Jahren kämpfe ich mit einem speziellen Unkraut, sowohl im Hausgarten als auch im Aussengarten. Soweit nichts Besonderes, ausser bei einem Punkt: Der deutsche Staat hat dieses Unkraut verboten. Aber eigentlich ist es eine verwilderte wertvolle Nutzpflanze für den Nutzgarten und fürs Feld, eine der Ältesten, die die Menschheit hat, auch in Europa schon seit 6000 Jahren in Kultur. Vor allem in Süddeutschland werden jetzt Viele wissen, um welche Pflanze es geht. Um Schlafmohn, papaver somniferum.

Schlafmohn, offensichtlicher Zufallsaufgang vor Jahren in einem Garten (nicht meiner)


Schlafmohn im Nutzgarten

Den kennt jeder. Klatschmohn.
Im Pollensammelrausch

Schlafmohnpflanzen wachsen in vielen Gärten wild und auch oft auf Ruderalflächen. Ich habe sie schon überall gesehen. Sie sind absolut anspruchslos, ausserordentlich gesund und gedeihen auf jedem Boden. Unkraut. Eine Menge Leute kennen ihn nicht einmal, irgendein Mohn eben, es gibt ja endlos viel davon. Klatschmohn mit seinen leuchtend roten dünnen Blüten kennt man noch eher und im Garten auch bunte Ziermohnarten, manche im Westen der USA heimisch, manche in Eurasien. Der Schlafmohn fällt da gar nicht auf. Im Frühling geht er unscheinbar von selbst auf, strebt schnell bis auf durchschnittlich einen Meter in die Höhe, dabei erzeugt er mehrere Blütenstände. Im Frühsommer erscheinen die Blütenknospen, dann blüht er, meist blassviolett (es gibt weisse, gelbe, rote Varianten) mit dunklem Blütenblattfleck - jede Blüte ist nur ein paar Stunden offen, bevor sie verblüht. In dieser Zeit bietet Mohn den Insekten sehr viel wertvolle graue Pollen, aber keinen Nektar. Auf die Pollen fliegen Viele, vormittags summt und brummt es in den Blüten, Bienen, Hummeln, grosse und sehr kleine Wildbienenarten, ja sogar die fetten Holzbienen holen sich dankbar die Pollen, denn um diese Jahreszeit herrscht bereits wachsender Pollenmangel. Pollen enthält Proteine, die als wichtigste Nahrung für Wachstum und Vermehrung der Insekten dienen. Reine Nektarsucher wie zum Beispiel Schmetterlinge besuchen die Blüten dagegen nicht.

Knospen, Blüten, Kapseln

Die Herrlichkeit einer Blüte ist schnell vorbei, aber durch die vielen Blütenknospen blüht immer Mohn, fast den ganzen Sommer lang. Nach der Blüte verbleiben die bekannten grünen Kapseln mit den Samen drin, sie reifen ab Mitte Juli, können dann geerntet werden, wenn sie nicht schon durch Wind und Bewegung von selbst ausgestreut wurden, denn es sind nur Wildlinge. Alle kommerziell angebauten Sorten haben Kapseln, die die unerwünschte Selbstaussaat verhindern. Die Mohnkapseln sind sehr dekorativ und die Samen sind Grundlage für das hochwertige Mohnöl oder erstklassigen Backmohn. Die Körner sind viele Monate haltbar, vor der Verwendung müssen sie noch gequetscht oder gemahlen werden und dann sofort verwendet. Für die Backmohnverwendung sind auch Wildlinge absolut tauglich. Eine mittelgrosse Kapsel der Wildlinge enthält rund zwei Gramm Samen. Mit 100 Kapseln bekommt man also 200 Gramm Samen zusammen. Eine Pflanze hat mehrere Blüten und Kapseln, schon mit 10-20 Pflanzen berkommt man brauchbare Mengen für diew Küche. Opiate enthalten die Samen nur in unwirksamen Spuren, sofern keine anderen Pflanzenteile mit dabei sind, sie also gut gerntet und gereinigt wurden. Für eine Backmohn-Eigenzubereitung können sie einfach ausgesiebt werden. Samenkapseln, andere Pflanzenteile, der milchige Pflanzensaft können dagegen auch Opiate enthalten. Das gilt generell für alle Grau- und Weissmohnsorten und Wildlinge, während das starke Zeug, die Opiumsorten in Südasien auch Alkaloide in den Samenkörnern haben kann. Die wachsen im hiesigen Klima aber gar nicht, bringen hier nichts.

Mohnsamen von ein paar Kapseln


Aufmachen, Polizei

Es gibt ihn auch wild in stärkeren Farben
Kapsel mit unreifen Samen. Rund 1000 pro Kapsel.

Aber, ach. Wie auch in anderen Dingen herrscht bei Mohn in Deutschland ein aufgeregter, herrschsüchtiger Verbots- und Kontrollzwang, der sich und vor allem seine Vertreter selbst lächerlich macht. Am Mohn ist alles verboten, nicht einmal trockene Kapseln dürfen gehandelt werden. Die Pickelhauben-Oberlehrer-Besserwisserei existiert hingegen in England, Österreich, der Schweiz und den meisten anderen europäischen Ländern nicht, dort ist ist der Anbau von Schlafmohn sehr wohl zulässig, manchmal beschränkt auf Mengen und Sorten. In Simbach verboten, hinter der Grenze in Braunau legal. Felix Austria. Auf wundersame Weise herrscht dort deswegen keineswegs mehr Missbrauch und Abhängigkeit durch bösen Mohn im Hausgarten. Verboten ist dort überall nicht der Anbau, sondern die Suchtstoffherstellung. In Deutschland benötigt dagegen sogar der Hobbygärtner für eine einzige Pflanze im Hausgarten eine behördliche Genehmigung. Genehmigt wird ausschliesslich eine Kultur bis zu 10 Quadratmetern, sie gilt für drei Jahre und kostet satte 95 EUR Gebühren (dafür kann man fast 20kg importierten Mohn kaufen), denn wie alle Bürokraten will diese unproduktive Kaste für ihren ungefragt verordneten Mist auch noch bezahlt werden. Genehmigt wird ausserdem aussschliesslich die Sorte "Mieszko"oder "Zeno Morphex". Hübsche Sorten, Ziersorten, wie sie in England sehr beliebt sind oder all die schönen gefüllten Sorten werden nicht genehmigt. Und sogar noch mehr: Findet jemand wild aufgegangenen Schlafmohn in seinem Garten, ist er verpflichtet, ihn mit Stumpf und Stiel auszurotten, wer jetzt ein knackig rollendes "r" im Befehlston hört, der hört korrekt.

Riesiges Schlafmohnfeld zur Samenproduktion
in der Provinz Seeland / Niederlande

Grundlage ist das Betäubungsmittelgesetz § 29 und §29a, Höchststrafe für derlei Verbrechen 15 Jahre. Hat man den mit ein paar Pflanzen im Garten, wird es sehr schwierig, einem Richter klarzumachen, dass es sich nicht um Anbau handelt, sondern um nicht angebauten Wildwuchs. Beschäftigt sind damit neben der hochbezahlen Juristenkaste allerlei Bundesämter, die stetig irgendwelche Risikobewertungen und viel weiteres Gelaber hinauspumpen und sich damit selbst als wichtig erhöhen, während gleichzeitig ringsum in Europa kaum einer Probleme mit ein paar Pflanzen im Garten hat. Seltsamerweise wurde gleichzeitig jahrelang ein riesiger Bohei um Hanf gemacht, dann mit Pauken und Trompeten sage und schreibe drei Pflanzen erlaubt, vom im Nutzgarten viel nützlicheren Mohn redete kein Mensch, obwohl dort die Rechtslage in Europa immer schon viel eindeutiger pro Pflanze ist und das wohlbegründet.

Narbenrest an der Kapsel

Dabei enthalten diese Mohn-Gartenwildlinge keineswegs nennenswerte Opiatmengen. Die kommerziellen Graumohn- und auch die Alkaloidsorten haben viel grössere Samenkapseln, die die Samen zudem nicht oder nur schwer von selbst ausstreuen oder bei der Ernte aussamen, denn das wäre ein gewaltiger Verlust für den Anbauer. Das "Argument", man könne schliesslich Opiatsorten unter die opiatfreien Sorten schmuggeln, ist eine dreiste Lüge, denn an diesem Kapselbau ist sofort zu erkennen, ob es ein Wildling ist. Der Opiummohn hat ausserdem helle Blüten, die Kapseln sind dreimal so gross wie unsere ungezüchteten Wildlinge, die zudem wie in allen nördlichen Gebieten sowieso nur geringe Alkaloidgehalte erreichen. Auch bei importiertem Mohn (der heimische Anbau wird und wurde ja trotz langer Tradition mit aller Staatsgewalt weitgehend blockiert) ist die Streubreite gross, ständig wird Backmohn teuer analysiert, dabei hatte mal Ware aus Australien den höchsten Alkaloidgehalt, die aus Österreich, Tschechien den Niedrigsten. Erwiesen wurde in der Arbeit von BAJPAI et al. (2000), dass grosse Kapseln, weisse Blüten, wenig Samen in Zusammenhang mit einem hohen Alkaloidgehalt stehen. Unsere Wildlinge haben keine dieser Eigenschaften. Interessant auch die Arbeit von Dittbrenner über die hohe intraspezifische Diversität von Schlafmohn. Mohn = Droge und zu hohe Risiken ist ganz einfach falsch.

Wie wird man zum Verbrecher?

Mitkommen, sie sind verhaftet

Wer zum Straftäter werden will und mal sehen wie das geht mit der Opiumherstellung, jätet kein Unkaut. Und noch mehr kann man leicht probieren, auch wenn dabei nichts Verwertbares und schon gar keine Mengen entstehen, die irgendeinen Wert haben. Die klassische Methode fürs Opium ist, unreife Kapseln schräg von oben nach unten anzuritzen und einen Tag später den ausgetretenen und angetrockneten Milchsaft mit dem Messer abzuschaben. Damit können ein paar Milligramm der schwarzbraunen Kruste gewonnen werden, die nachfolgenden Reinigungsschritte sind aber aufwendiger. Wie hoch der Alkaloidgehalt ist und wie er sich zusammensetzt, ist dabei zu keinem Zeitpunkt mit Hausmitteln festzustellen, man weiss nicht was man eigentlich bekommt. Neuzeitlicher werden einfach die trockenen ganzen Pflanzen gehäckselt und dann mit einem organischem Lösungsmittel (zum Beispiel Alkohol) ausgelaugt. Die entstehende Lösung wird dann konzentriert. In Wasser sind die Alkaloide schwer löslich. Generell haben aber synthetisch hergestellte Opiate und andere synthetische Rauschmittel das "Naturprodukt" schon sehr lange sehr gründlich überflügelt. Drogenküche schlägt Acker um Längen. Und Garten sowieso.

Und wem zufällig Unkrautsamen in eine löchrige Tasche hüpfen, der sollte keine Spaziergänge machen, vor allem nicht an Verkehrsinseln, Polizeistationen, Gerichten, bei Wichtig-Wichtig Majestäten vorbei. Nicht, dass dann Samen dieser streng verbotenen Höllenpflanze auf die Erde rieseln, Deutschland würde im Opium-Drogenrausch versinken, eine Insel der Unglückseligen.

Der traurige Rest in der Landwirtschaft

Mohnblätter mit Nanobeschichtung

Der landwirtschaftliche Anbau in Deutschland ist wie gesagt trotz der alkaloidarmen Sorten mehr als bescheiden aufgrund der Bürokratenlast durchgekallter Behörden. Aber die Pflanzen sind als Feldfrucht vor allem zur Blütezeit Anfang Juni herrlich anzusehen und fallen aufgrund ihrer hiesigen Seltenheit auf. Mohnfelder bringen es sogar zu Zeitungsartikeln. Als dieses Jahr ein Landwirt unserer Region wieder ein genehmigtes Feld hatte (für das gesunde und wohlschmeckende Mohnöl und Backmohn), sprach sich das herum, ganze Scharen kamen angefahren, um sich dort im Mohn fotografieren zu lassen und zertrampelten dabei Pflanzen, so dass der Landwirt eigens eine Stelle für gute Fotos einrichtete, um die Menge zu lenken. Mohn ist als Feldfrucht nicht nur lecker, sondern auch hübsch und zusammen mit Raps eine der ganz wenigen heimischen Kulturen auf den Feldern, deren Blüten Insekten viel Nahrung bieten. Jedenfalls nach positiv beschiedener behördlicher kostenpflichtiger Genehmigung.


Insekten lieben Mohn

...auch bei Regen hochattraktiv


Samstag, 1. Juni 2024

Obsternte an der Nordwand

Die Gewinnerpflanze ist...

Nutzgärtnern sind ihre Gärten meistens viel zu klein. Meiner auf jeden Fall. Zu den verschiedenen Tricks, noch Platz für leckere Dinge herauszuschinden (siehe https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/nutzgarten-zu-klein-was-tun.html), gehört auch die Nutzung ungünstig gelegener Bereiche, zum Beispiel unvermeidliche Wände Richtung Süden, Richtung Sonne. Vor der Wand, also auf der Nordseite dann logischerweise: Starke Verschattung. Nachbars Garage, ein Gartenhaus, das Wohnhaus, die Mauer - nordseitig lassen sich zwar oft noch ein paar Kräuter und manchmal die wenigen dafür geeigneten Gemüsesorten anbauen (gibt es aber, Erfahrungen damit in einem eigenen Beitrag), Blumen sowieso, aber was ist mit Obst? Essbares? Geht das nur, wenn das Gehölz so hoch wird, dass es die Nordwand überragt? Kommt es überhaupt hoch? Gehen wir ein paar Arten durch:

Stachelbeeren

Schattenstachelbeeren, sauer und kleiner

In Büchern werden Stachelbeeren als die Obstart beschrieben, die am wenigsten Sonne braucht, sie würde auch im Halbschatten noch wachsen. Nach vielen Jahren mit Stachelbeeren unter lichten Bäumen, im Halbschatten einer Mauer ist zu sehen: Die Aussage ist richtig, aber so sinnentstellend, dass sie wertlos wird. Tatsächlich zeigen Stachelbeeren Wachstum in schattigen Bereichen, sie gedeihen so halbwegs, aber bereits Teilverschattung führt zu schwachen Erträgen und mieser Beerenqualität. Der Fruchtansatz ist gering, die Beeren bleiben klein, reifen spät, behalten grüne Töne, sie bleiben zu sauer und aromaarm. Wozu also? Bestenfalls sind sie noch etwas für einen Anbau im Topf auf einem Nordwest oder Nordostbalkon.

Akebien

Auch diese Schlingpflanzen sollen mit Schatten klarkommen. Es gibt zwei Arten, beide habe ich ausprobiert, die fingerblättrige Akebie (Akebia quinata) und die kleeblättrige Akebie (Akebia trifoliata). Letztere hat meiner Ansicht nach leicht schönere, grössere und besser schmeckende Früchte, so richtig brauchbar sind sie aber auch nicht. Auf einer verschatteten Pergola gezogen soll es klappen, aber bei mir kamen die Pflanzen im Schatten nicht hoch. Deshalb auch kein Foto, obwohl ich beide Arten ausprobiert habe. Sie brauchen eine Rankmöglichkeit und mehr Licht, bis sie wenigstens etwas Höhe erreichen.

Kiwi

Amur-Strahlengriffel, eine der dekorativsten Arten

Jetzt wird es interessanter. Drei Kiwiarten können auch in Deutschland kultiviert werden. Actinidia deliziosa in Gegenden mit langem Herbst, die bringen hühnereigrosse, behaarte, grünfleischige Früchte, bekannt aus dem Supermarkt. Am beliebtesten im Garten sind Actinidia Arguta, die kleineren, glattschaligen Kiwibeeren. Weniger bekannt und manchmal als seltene Zierpflanze gesetzt ist die dritte Art: Actinidia kolomikta, der Amur-Strahlengriffel oder der "bunte Strahlengriffel". Dieser Art hat auch glatte Beeren, die sind aber noch kleiner als die der bekannten Kiwibeeren, ansonsten gleich aussehrend. Und sie sind früher reif, nämlich schon ab Ende August. Sie fallen von selbst von der Pflanze, wenn sie ganz reif sind. Das Aroma ist okay, aber nicht weltbewegend, ähnlich der Kiwibeere, auch die Nutzung ist ähnlich - frisch essen, Mamelade. Ihr Vitamin-C Gehalt ist sehr hoch. Nachteile hat sie auch, sie ist in Winterruhe zwar absolut frosthart, aber fast noch spätfrostempfindlicher wie die Kiwibeere, der Fruchtansatz ist auch deutlich geringer. Wie alle anderen Strahlengriffel ist sie nicht selbstfruchtbar, man benötigt mindestens zwei Pflanzen, eine männliche und eine weibliche Pflanze. Eine Befruchtung durch Actinidia arguta - Kiwibeeren funktioniert nicht, schon die Blütezeiten sind unterschiedlich, Kiwibeeren treiben zwar ebenso früh, aber blühen später, oft erst im Juni. Gegen Frost hilft das weder bei der einen, noch bei der anderen Art nichts, da die empfindlichen Knospen und der weiche, saftige Austrieb schon früh im April erscheinen.

Weibliche Blüten von Actinidia kolomikta

Und sie ist die schattenverträglichste Obstart, die ich je hatte und habe. Als besonderen Bonus zeigen viele Sorten ein herrliches und buntes Laub: Grün, weiss, rötlich. Damit klappt es zudem endlich, der optisch sehr negativen nachbarlichen Garagenwand auf der Grundstücksgrenze exakt Richtung Süden ein hübsches, pflanzliches Kleid zu geben und dazu noch etwas zu ernten.

Frostschaden an Kiwi

Der Weg dorthin ist allerdings nicht so einfach. Alle Kiwis sind Schlinger, man benötigt ein Gitter, an dem sie hochranken können. Das ist an einer Mauer aber zu machen. Sie sind spätfrostempfindlich, glücklicherweise kann man sie an einer Wand vor Frostnächten leichter zuhängen. Die Nordseite bewahrt sie nicht vor frühem Austrieb, eine Verzögerung ist deshalb nicht festzustellen. Das wäre ein schöner Bonus gewesen. Und speziell der Amur-Strahlengriffel braucht auch noch konsequent feuchten Boden, erst ältere Pflanzen sind trockenverträglicher. Sie wurzelt flach, da deshalb die oberen Bodenschichten nicht austrocken sollten, ist permanentes mulchen rund um den Trieb angebracht. Man darf die Geduld nicht verlieren, nach dem einpflanzen kann es Jahre dauern, bis sie schliesslich in die Höhe will. Bei mir schafft sie insgesamt drei bis vier Meter, zwei Meter rauf und zwei seitlich, weiter will sie hier nicht wachsen. Sie spriesst wirr wie Knöterich, Kiwibeeren sind genauso, aber grösser.

Die schlimmste Wand wird schöner

Ihre Blätter haben hohen Zierwert. Iegendwo steht, männliche Pflanzen wären schöner, kann ich nicht bestätigen. Die schönste Sorte bei mir ist "Dr.Szymanowsky", die ist weiblich. Andere Sorten mit gewisser Verbreitung sind "Sentyabraskaya" (=September Sun), Pautske aus Litauen und die neuere "Vitakola", die ich auch habe. Dazu das Männchen in der Mitte - Sorte "Adam" und auch hübsch. Die schönsten Farben kommen erst bei älteren Pflanzen, also nach der Pflanzung nicht ungeduldig werden.

Weitere Arten

Vorgeschlagen werden auch Schattenmorellen, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Schattenmorellen werden ohne Sonne noch moniliaanfälliger als sie ohnehin schon sind. Erdbeeren und Johannisbeeren bleiben sauer und haben kaum Aroma, wenn überhaupt ein Fruchtansatz da ist. Mindestens lichter Halbschatten wird verlangt. Generell sind aber alle Bäume möglich, wenn sie über den Schatten nach oben hinauswachsen können. Das ist dann aber keine Schattenverträglichkeit, sondern die Fähigkeit, mit Höhenwachstum dem Schatten zu entkommen.

Freitag, 3. Mai 2024

Maibeeren, Lonicera kamtschatica, frühe Strauchbeeren im Garten

Maibeere, junger Busch nach dem Austrieb

Zu den mässig erfolgreichen und erst spät eingeführten Beerenobstpflanzen gehört die Maibeere oder Kamtschatka-Heckenkirsche. Andere Namen sind blaue Heckenkirsche oder Honigbeere, Honeyberry. Das ist ein Geissblattgewächs, das zur Lonicera caerulea - Familie gehört, die weltweit verbreitet ist. Heute zur Beerenobstnutzung verkaufte Gartenpflanzen sind gezüchtete Hybriden, die von verschiedenen Lonicera caerulea Varietäten oder sogar Arten abstammen, die in Nordostasien heimisch sind. In Japan habe ich davon auf der nördlichen Insel Hokkaido fächendeckend wildwachsende Matten gesehen, die dort verbreitete Art ist etwas niedriger wie die Sibirischen Arten und nennt sich nach einem Wort der Ainu-Ureinwohner "Haskap". Sie ist als Obst in Nordjapan allgemein seit Jahrhunderten bekannt und beerntet, man kann daraus hergestellte Marmelade und andere Produkte kaufen. Die Varietäten Ostsibiriens reifen später, werden grösser und verlieren auch die Blätter später. In ihren Ursprungsgebieten bevorzugt sie leichten Boden, neutrales Bodenmilieu, Vollsonne bis Halbschatten. Man könnte glauben, dass sie ähnliche ökologische Lücken wie Heidelbeeren besetzt, aber Maibeeren sind im Gegensatz zu Heidelbeeren Flachwurzler, benötigen mehr Licht und wollen sauren Boden nicht zwingend - sie gedeihen aber darauf besser.

Maibeerenbusch mit Fruchtbehang unter Netz, ansonsten keine Früchte


Hinsichtlich ihrer Qualitäten als Beerenopstpflanze wird sie züchterisch bearbeitet vor allem in Russland, Kanada (University of Saskatchewan hauptsächlich), Polen und Japan. Weltweit gibt es 3000 Hektar Plantagen, was im Vergleich zu anderen Beerenobstpflanzen sehr wenig ist. In Europa und Deutschland blieb sie lange ziemlich unbekannt. Die ersten Pflanzen bekam ich vor einigen Jahren und konnte Erfahrungen damit sammeln, nun habe ich an die zehn Sorten.

Wie sieht sie aus?


Blattwerk der Maibeere
Die Pflanze wächst buschartig, bleibt wenig ausladend und erreicht maximal 1,5m Höhe, aber wohl nur unter sehr guten Bedingungen - meine blieben aber mit sehr wenigen Ausnahmen bei einem oder unter einem Meter. Ihr Erscheinungsbild ist etwas sparrig, die Blätter haben einen charakteristischen Blaustich und wirken samtig, so wie amerikanische Blaubeeren. Sie treibt sehr zeitig aus, man kann schon oft im Februar grüne Teile sehen. Die Blütenansätze sind ebenso früh, die weissliche Blüte folgt Ende März oder im April (manchmal gehen sogar schon im Spätherbst ein paar Blüten auf) . Die Blüten sind sagenhaft frosthaft bis -8°C, der Busch ist damit gut garniert. Oft leider nicht schon im Mai, sondern erst im Juni oder sogar erst im Juli werden die länglichen, tiefblauben Früchte reif. Dass sie ein sehr frühes Beerenobst wäre, ist teilweise eine Marketinglüge. Der Farbumschlag von grün nach blau passiert schon viel eher, in manchen Jahren schon im April und suggeriert frühe Reife, aber man muss die Früchte noch wochenlang länger hängen lassen, ehe sie auch Süsse und wenigstens ein bisschen Aroma entwickeln. Kultursorten haben einige Zentimeter lange blaue Beeren, oft krumm geformt und teilweise hohl, in der Wildnis bleiben die Beeren viel kleiner.
Blüten im März oder April, darunter sehr junge grüne Früchte

Wie schmecken die Beeren?


Junge, unreife Beeren, April

Die Beere ist saftreich, blau beduftet und schmeckt anfangs beim Farbumschlag zu blau neutralsauer. Nach einigen weiteren Wochen, erst kurz bevor sie von selbst abfällt hat sie auch ihren Geschmackshöhepunkt. Dann ist sie süsssäuerlich bis süss (je nach Sorte und Standort), aus der Haut lassen sich etwas Gerbstoffe herauskauen, eigene Aromen bleiben dagegen nur im Hintergrund. Manche Leute schmecken bei manchen Sorten Bittertöne heraus und lieben oder hassen das, je nach eigenem Geschmack. Konsistenz, Farbe und Saftreichtum erinnern an Heidelbeeren, aber die Aromen haben nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Maibeeren sind deutlich neutraler, Viele sagen langweilig. So empfinde ich das auch. Trotzdem oder gerade deshalb sind sie ein Naschobst, das zu allem passt, weil es nichts übertönt. Der Saft ist ausgesprochen kräftig eingefärbt, die Farbe ist ein dunkles Braurot. Die Art der Säure ist angenehm, nicht spitz. Grosse Sortenunterschiede kann ich nicht feststellen. Es gibt Sorten, bei denen Verkäufer behaupten, sie hätten Eigenaromen, zum Beispiel "Fianit". Da ich angesichts der Pseudosortenflut nicht alles ausprobieren kann, ist das möglich, aber zweifelhaft, weil die bisherigen Sorten alle so aromaschwach sind, ein Sprung in mehr Eigenaromen hinein wäre ein grosser Fortschritt.

Reife Maibeeren, geerntet
Halbierte Maibeeren - teils hohl, teils eine Doppelkammer

  

Wie gelingt der Anbau, wie sind ihre Bedürfnisse?


Die Blätter lassen Wasser stark abperlen

Der Anbau gelingt scheinbar leichter wie der von Heidelbeeren, weil sind nicht ganz so zickig mit einem Bedürfnis nach einem sauren Boden sind. Aber auch Maibeeren haben ihre Grenzen, oberhalb von ph 7 sollte man nur mit Regenwasser giessen, einpflanzen in Rhododendronerde ist dann auch besser. Aber gut angewachsen klappt es auch mit höheren ph Werten. Ein erster Nachteil ist die Befruchtung: Sie ist nicht selbstfruchtbar, man benötigt verschiedene Sorten gleichzeitig blühender Büsche, damit der Fruchtansatz  gelingt.

Typischer Hitzeschaden an Maibeere

Frost verträgt sie ganz erstklassig, Sommerhitze mag sie nicht. Ihre Lichtbedürfnisse sind bei mir deutlich höher als die von Heidelbeeren, im Schatten wird sie nichts, im Halbschatten bleibt sie dünn. Das ist hierzulande schwierig, gleichzeitig Sonne und keine Hitze. Trockenheit verträgt sich auch nicht gut, grössere Pflanzen schaffen es besser. Als Flachwurzler nicht verwunderlich. Bei Hitzestress gibt es Blattverbrennungen. In den deutschen Versuchspflanzungen (z.B. das Versuchszentrum Köln-Auweiler) wird grundsätzlich bewässert. Das war auch anfangs mein Problem. Die Pflanzen wuchsen kaum und dauernd starben Triebe ab. Unser trockener, kalkreicher Boden und das Klima war tödlich. Ausserdem benötigt sie Boden mit viel organischem Material sowie gute Düngung. Gerne wird die Meinung verbreitet, sie eigne sich als Unterpflanzung unter andere lichte Gehölze, sie vertrage Halbschatten und andere Wurzeln. Nichts davon bewahrheitete sich bei mir, solche Pflanzen mickerten besonders und gingen sogar ein. Hinzu kommt bei Unterpflanzungen das Problem der Wurzelkonkurrenz.

Tote Äste im Frühjahr an Maibeere

Gefällt es ihr, wird sie sehr alt. Leider dauert es auch lange, bis sie richtig trägt. Erst nach etwa fünf Jahren erreichen die Erträge ein gutes Niveau, das dann viele Jahre lang anhält. Schneiden braucht man sie kaum. Immer wieder wird von Kiloerträgen pro Pflanze berichtet. Das habe ich noch nie erreicht, auch nach Jahren nicht, nicht einmal annähernd. Ausserdem ist die Pflückleistung schlecht. Die Beeren hängen einzeln, innen und nach unten, man sucht zu lange im Busch herum. Ist sie wirklich reif, fallen sie von selbst ab. Das ist noch einmal Mehraufwand beim ernten.

Krankheiten und Schädlinge sind selten. Läuse können vorkommen, diverse Raupen, Spinnmilben, Mehltau. Die Reife findet zudem zu einer Zeit ab, zu der die Importkatastrophe Kirschessigfliege noch nicht massenhaft auftritt und dunkle Früchte absticht, das ist also ein Pluspunkt.

Fegeschaden an Maibeere

Ein grosses Problem in den Versuchspflanzungen und ebenso bei mir sind jedoch Vögel, der Vogelschutz mit Netzen ist teuer aber unumgänglich. Meiner Erfahrung nach geht es eine Zeitlang gut und man wiegt sich in Sicherheit. Die Vögel merken lange nicht, dass unter den grünen Blättern auch Beeren sind, jedenfalls bei mässigem Behang. Und plötzlich geht es schlagartig los, schon vor der Vollreife, wer dann erst das Vogelnetz herauskramt hat schon lange nichts mehr, was er schützen könnte.

Ein eher kurios klingendes Problem sind Fegeschäden. Auf meinen Aussengrundstück ist das aber durchaus ein grosses Problem. Hirsche und Rehböcke fegen sich den Bast nachwachsendes Geweihs mit Hilfe von peitschenartigen Trieben ab. Aus irgend einem Grund bevorzugen sie bei mir dazu jährlich Maibeerensträucher. Die Rinde wird dabei abgeraspelt, der betroffene Ast strbt. Dagegen hilft nur Zugangskontrolle, Zaunschutz. Schwierig, wenn keine Zäune erlaubt sind.

Das Problem mit dem Klima

Austrieb schon im Januar

Tatsächlich ist kaum eine Sorte bei mir wirklich etwas geworden, weder am Haus, noch im Aussengarten, nicht auf gutem Boden, nicht auf flachgründigem Boden. Sortenempfehlungen kann ich deshalb mit gutem Gewissen nicht geben. Die beste Sorte war noch Docz Velikana, warum auch immer.  Das kann auch reiner Zufall sein. Unter anderem habe oder hatte ich schon die Sorten Kalinka, Wojtek, Czulymskaia, Aurora, Boreal Beauty, Amfora, Zoluschka, Morena. Die ersten Sorten in Deutschkand waren "Mailon", "Maistar" und "blue Velvet", alle nicht mehr zu empfehlen. Jüngst gibts wieder einen Schwung bisher nicht verbreiteter kanadischer Sorten. Die Sortenexplosion ist riesig, man hat den Eindruck jeder Hinterhofgärtner versucht, jeden Sämling als neue Sorte zu verkaufen. Knallhart gesagt: Die meisten Sorten haben sehr niedrigen Neuheitswert mit ständig neuen Etiketten. Bis sich das bereinigt, wird es lange dauern. Auffallend waren bei mir immer viele tote Triebe an den Pflanzen, die Pflanzen wuchsen "rückwärts". Gut wuchsen sie nur in einem feuchten und kühleren Jahr, was die gleichmässige Wasserverfügbarkeit als wichtigen Punkt nahelegt. Bei genauer Beobachtung zeigte sich auch ein Grund für die toten Äste: In den hiesigen und normal gewordenen dauernden Wärmephasen im Winter mit ganze Januarwochen über 10° C zogen Triebe Saft, sie verlor ihre hohe Frostfestigkeit, der übliche kräftige Kälterückschlag danach brachte sie um. In kontinentalerem Klima übersteht sie den Winter wesentlich besser. Hinzu kommen Sonnenbrand- und Hitzeschäden bis zum kompletten Ausfall in (den nun regelmässig auftretenden) heissen Sommern. Die Blätter verbrennen regelrecht, werden braun. Sprühregner sind mir zu viel Aufwand, das Wasser habe ich auch gar nicht.

Maibeeren zwischen anderem Beerenobst

Maibeerentaugliche Bedingungen habe ich somit nicht und damit ist sie für mich und Teile Deutschlands noch kein richtiges Frühobst. Schade! Aber die Züchtung geht weiter, die Wildbestände und damit Genressourcen sind gross, es könnte gut sein dass neuere Sorten immer interessanter werden. Potential hat sie, auch wenn sie noch lange nicht dort ist, wo sie auch in meiner Gegend Spass macht. Im Moment würde ich sie nur in Gegenden mit weniger Sommerhitzespitzen (dazu gehört auch das Rheintal, das zwar warm ist aber niemals die sehr negativen Hitzespitzen zeigt, wie wir sie haben), mehr Niederschlägen und ohne Kalkboden anpflanzen. Naschobst für feuchte Höhenlagen und mildfeuchte Gegenden mit saurem oder neutralem Boden.


Sonntag, 21. April 2024

Sterbende Äste an Steinobst: Monilia

Lichte Aprikosenkrone mit moniliabefallenen Ästen

Zweigmonilia,  Monilia-Spitzendürre, monilia laxa oder Monilinia ist in meiner und vielen anderen Lagen die beherrschende und begrenzende Pilzkrankheit an sehr vielen Steinobstarten. Am schlimmsten wütet sie an Aprikosen, Renekloden, Sauerkirschen, Koreakirschen. Stark befallen werden auch Mirabellen, viele Kirschen, Mandeln, Zwetschgen, Pfirsiche. In manchen Jahren erwischt es auch Kernobstaustriebe, dann vor allem Birnensorten. Manche Lagen sind besser, luftigsonnige Südostlagen, Höhenlagen, kontinentales Klima haben Vorteile bis hin zu dem Punkt, dass sie dort überhaupt nicht auftritt. Auch überdacht, etwa an Hauswänden mit Dachüberstand ist Steinobst moniliageschützt.

Wenige Wochen vorher

Aprikosen trifft es immer am stärksten. Dieses Jahr war der schlimmste Befallsfrühling seit langem. Ausgerechnet! Denn ausnahmsweise sind die Blüten und Jungfrüchte lange nicht abgefroren, wie es seit 2017 immer der Fall war. Stattdessen sind diesmal die Zweige samt Jungfrüchten wegen Moniliabefall sofort nach Blüte abgestorben bis hin zum Totalverlust von Bäumen. Es ist zum mäusemelken, einmal friert nichts sofort wieder ab und dann vernichtet diese Krankheit alles. Wie sieht sie aus, Diagnosebild?

Monilia laxa, das Schadbild

Monilia an Koreakirschen (prunus tomentosa)

An Aprikosen ist die Krankheit leicht zu identifizieren. Kurz nach oder schon während der Blüte sterben mindestens die letztjährigen Triebe, sie verwelken. Das kann eine Weile anhalten und auch noch später im Jahr weitergehen. Charakteristisch sind Harztropfen, die durch Saftdruck aus den Ästen austreten. Der Pilz dringt bei Feuchtigkeit (länger Tau nachts reicht) durch die offenen Blüten und Rindenverletzungen in die Äste, breitet sich dort zuerst im jungen Holz aus und blockiert die Saftbahnen. Äste ohne Blüten werden kaum befallen. Hinter der Blockade zur Astspitze hin stirbt der Ast dadurch unrettbar ab, mitsamt Blüten, Früchten, Blättern dran. Vor der Blockade staut sich Saft und Baumharz, tritt schliesslich aus. Man kann zusehen, wie der Baum rückwärts wächst.

Monilia bei einer Zwetschge

Der Harzfluss ist auch Pfirsichen und Mandeln zu sehen. An anderem Steinobst nur manchmal oder nicht. An Birnen verwelkt die ausgetriebene Knospe mit den neuen Blüten und Blättern, auch an Kirschen erwischt es zuerst die Blütenbüschel. Betroffene Austriebe welken.

Monilia in den Austriebsbüscheln von Birnen

Gerne übersehen, aber dann bitter bereut wird es, wenn Moniliapilze durch Winterschnitt in den Baum kommten Vor allem Jungpflanzen, die nach der Pflanzung einen Pflanzschnitt erhalten sind stark gefährdert. Dort dringen Moniliapilze über die offenen Astringe auch in älteres Holz und machen richtig übel Schaden. Vermeidbar! Niemals Steinobst im Winter schneiden. Das wird von selbsternannten Experten gerne in Abrede gestellt, meist weil sie es mal gemacht und haben und "nichts passierte" oder weil sie gar nicht begriffen haben, dass sich Steinobst und Kernobst in diesem Punkt stark unterscheiden. Oder pures Glück oder eine bevorzugte Lage wird dann voller Ahnungslosigkeit zur Allgemeingültigkeit erhoben. Ein Fehler. Auch ich habe dieses Jahr wieder zwei Bäume, Pfirsich und ein Aprikose, die von der Baumschule mit Pflanzschnitt geliefert wurden (auch, damit sie leichter versendet werden können) und deren Äste dann natürlich von den Schnittorten her weit hinein abgestorben sind. Das war auch die Jahre vorher so, dieser Schnitt ist selbst bei günstigem Wetter eine sehr zuverlässige Eintrittspforte in den vormals gesunden Baum.

Monilia an Früchten?

 

Monilia fructigena Fruchtmumie mit veritablem Sporenrasen. Entfernen!
Durch Baumschulen und in Unterhaltungen wird Fruchtmonilia ausserdem gerne mit Zweigmonilia durcheinandergebracht. Für die an Früchten ist ein anderer Stamm verantwortlich, Monilia fructigena. Beide sind zwar nahe verwandt, aber zeigen völlig unterschiedliche Schadorte und Schadbilder. Fruchtmonilia befällt Früchte, wie der Name schon nahelegt. Durch kleinste Verletzungen in der Schale (Insekten, Risse, Wickler, Kirschessigfliege...) gelangt der Pilz in die Frucht, die dann fault. Das passiert bei praktisch allen Baumobstarten, Kernobstfrüchten wie Steinobstfrüchten. Monilia ist massgeblich für hängenbleibende Fruchtmumien verantwortlich. Das sind im Folgejahr böse Sporenquellen direkt neben neuen Früchten und erhöhen den Befallsdruck.

Wenn also irgendjemand, eine Baumschule von "robst gegen Monilia" daherredet, wäre erst einmal zu fragen, welche Monilia eigentlich gemeint ist. Die in Ästen oder die in Früchten? Entscheidend bei Steinobst ist immer Monilia laxa, die Spitzendürre. Eine höhere Anzahl fauler Früchte kann man leichter ertragen wie sterbende Äste und "rückwärts wachsende" Bäume.

Monilia bekämpfen

Charakteristischer Harztropfen vor totem Jungholz

Vorbeugende Massnahmen gegen Zweigmonilia sind:

  • Kein Baumschnitt und keine Astverletzungen im Winter. Steinobst "grün", erst nach der Blüte schneiden, wenn es warm und trocken ist.
  • Luftfeuchte, windstille, morgenschattige Lagen meiden, wenn man anfällige Gehölze pflanzt. Morgensonne ist wichtig, weil solche Orte nach nächtlichem Tau schneller abtrocknen, die Pflanzen sind kürzer feucht. Hört sich leicht an, aber in diesem engen, sehr dicht besiedelten Land kann man sich natürlich keine Grundstücke heraussuchen, man kann schon froh sein, wenigstens einen kleinen Rest-Hausgarten zu haben. Wer Aprikosen am Haus will, sollte unbedingt einen der wertvollen Orte mit Dachüberstand dafür nehmen, am besten einen der Richtung Ost oder Südost geht - Morgensonne statt Wetterseite.
  • Auch durch Verletzungen dringt Monilia ein
    Sortenwahl: Es gibt keine resistenten Aprikosen. Jede einzelne Sorte war dieses Jahr befallen. Sortenunterschiede existieren aber. Die sollte man unbedingt nutzen, wenn man neu pflanzt. Stark anfällig ist übrigens auch alles, was als Wildaprikose und Zuckeraprikose verkauft wird, ebenso praktisch alle alten Sorten, zum Beispiel die Marmeladenaprikose "ungarische Beste". Renekloden sind auch alle anfällig. Bei Mirabellen zeigt sich die Metzer Mirabelle robuster wie die Nancymirabelle. Etwas weniger anfällig zeigt sich bei mir "Orangered", "Kioto", "Elsa", "Mia". "Congat", eine späte Sorte soll auch besser sein, das muss ich noch ausprobieren. Sehr interessant ist ihre Kombination mit einer späten Blütezeit.
  • Der "luftige Schnitt" wird gerne empfohlen. Eine lichte Krone soll weniger anfällig sein. Das halte ich für eine wertlose Formel. Die besonders betroffenen Steinobstsorten wachsen sowieso nie dicht. Und man schneidet sowieso, damit keine Fruchtäste verschattet sind, damit ist das mit erledigt. Besser eine möglichst starkwachsende Unterlage, damit überhaupt Wachstum stattfindet trotz den nötigen Rückschnitten wegen toter Äste.
  • Tote Zweige ausschneiden. Aber erst später ab Frühsommer, niemals zu Infektionszeiten, wenn es feucht und noch kalt ist! Das wird in allen Ratgebern niemals gesagt, ist aber wichtig. Missachtet man das und schneidet noch im Frühling, erreicht man genau das Gegenteil, man zerstört die Äste noch tiefer, durch die offenen Stelle dringen neue Sporen ins lebende Gewebe ein. Erst bei anhaltender Wärme und Trockenheit schneiden, bei Aprikosen schneidet man bis kurz hinter den Harztropfen, von der Astspitze her gesehen.
  • Fruchtmonilia: Fruchtmumien konsequent entfernen.
Monilia: Durch die Blüten eingedrungen

Aktive Bekämpfung: Das übliche Bild, im kommerziellen Anbau kann die volle Dröhnung von Fungiziden auf die Bäume gedonnert werden. Privatleuten wurde Stück für Stück alles entzogen. Das letzte brauchbare Mittel ist "Duaxo Universal Pilz-frei" (Wirkstoff: Difenoconazol), sicher ist das auch bald weg. "Protect Garden Curacor T Steinobst-Pilzfrei" mit Fenhexamid soll etwas wirken, an Aprikosen aber zweifelhaft. Mit diesen Mitteln muss man mehrfach behandeln, wenn die erste Blüte offen ist, wenn der Baum voll blüht und wenn er verblüht ist. Das ist utopisch und gelingt selten, denn gerade in Infektionsjahren gibt es diese Gelegenheiten gar nicht, das ist ja gerade das Problem: Es regnet und deshalb kann man nicht spritzen. Gleichzeitig ermöglicht der Regen erst die Infektionen. Zugespitzt gesagt: Korrekt spritzen geht nur, wenn es unnötig ist, weil kein Infektionswetter herrscht. 

Später Befall an Aprikose, welkende Blätter

Der kommerzielle Anbau darf sich mit ganz anderen Mitteln betrinken: Kupfermittel, Mittel mit Fludioxonil, Mefentrifluconazole, Trifloxystrobin, Pyraclostrobin + Boscalid, Tebuconazol + Fluopyram sowie interessanterweise auch Kaliumhydrogencarbonat (enthalten im Produkt "Kumar") - das ist eine Backpulverart, in Lebensmitteln als E501 zugelassen und hier im Blog schon öfter genannt.

Kaliumhydrogencarbonat kann man auch selbst ausprobieren, weil es leicht erhältlich und anmischbar ist. Verboten ist natürlich trotzdem alles. Angewendet wird es ebenfalls ab Blühbeginn. Keine Rückstände, ungefährlich für Bienen. Einziger Nachteil: Schädigt Raubmilben der Art Typhlodromus pyri (fressen Spinnmilben an Obstgehölzen) und räuberische Blumenwanzen der Art Orius laevigatus (fressen Spinnmilben und Thirpse). Auch solche einfachen und ungiftigen Grundstoffe haben Nebenwirkungen. KHCO3 wirkt immer nur präventiv und nicht kurativ (heilend). Es zerfällt in Wasser, CO2 und Pottasche (Kaliumkarbonat). Dessen Anwendung wird mein Projekt nächstes Jahr.

Dienstag, 9. April 2024

Sellerie zum Keimen bringen

Eigene Ernte Sellerie

Apium graveolens var. rapaceum, Sellerieknollen, das sind die grossen und oft langweiligen Rübenknollen. Hat man sie im Nutzgarten, dann oft als Jungpflanze in der 6er Schale gekauft, ausgepflanzt, dann wenig gepflegt und im Herbst zum Frost geerntet. Anschliessend landet er im Eintopf. Häufiger aber spart sich auch der Nutzgärtner den Anbau komplett. Er kauft stattdessen die Bollen lieber im Supermarkt, wo sie ganzjährig und sehr billig zu haben sind. Billig ist er, weil er im kommerziellen Anbau hohe Hektarerträge schafft, 35 Tonnen/ha sind keine Ausnahme. Sellerie - dröge.

Samentütchen Sellerie

Alt ist er auch und er stammt aus der alten Welt: Er wurde schon von 3000 Jahren im neuen Reich in Ägypten genutzt, auch im antiken Griechenland, woanders mit Sicherheit ebenfalls. Heutzutage ist er ein weniger beliebtes Gemüse und in Gärten ist er wirklich nicht oft zu sehen, obwohl sein Anbau nicht so schwer ist. Aber: Dröges Image, wenig Platz, billig, den lässt man lieber beiseite, lieber was anderes, lieber die tausendste Tomatensorte. Stark zu Unrecht vernachlässig meiner Meinung nach. Denn die kommerziellen Sorten sind im Anbau immer überdüngt (er ist Starkzehrer, fette Knollengrössen nur mit fettem Dünger), gezüchtet auf möglichst weisse Knollenfarbe, bei der Ernte leicht zu schneidende Wurzeln, Grösse/Ertrag. Unter die Räder kommt dabei das Aroma. Wer mal eine Knolle einer alten Sorte roh aus dem Garten probiert hat, merkt dann erst, was er versäumt hat und was da noch drin stecken kann. Zartbrechende und nie zähe oder wattige Konsistenz, eine intensive ätherische Aromatik, nussige Komponenten, Fruchtsäuren. Selllerie kann eine Aromabombe sein. Alte Sorten sind nicht immer weiss, sie sind auch mal von dunkleren Adern durchzogen wie "Magdeburger Markt" oder beige wie "Ruhm von Zwijndrecht". Kleine und hocharomatische Knollen liefert z.B. "Alba" oder "Bergers Weisse Kugel".

Jungpflanzenkauf - nicht mal die Sorte steht drauf

Über alle Kulturdetails will ich jetzt keinen Aufsatz schreiben, denn seit vielen Jahren zeigt bereits ein sehr früher Punkt nach wie vor riesige Probleme, sozusagen der Knackpunkt. Nämlich die Aussaat, die Keimung. Sellerie ist Lichtkeimer, also nur flach säen. Direktsaat im Feiland klappt bei mir nie. Er geht nicht auf. Oberfläche schnell trocken ist einer der Gründe. Tipps wie in einen Streifen mit Substraten wie Vermiculit säen halfen nicht. Also in die Pflanzschale im Haus, mit Aussaaterde. Geht mal, geht mal nicht. Dauert mal lange, mal kurz. Ich komme nicht dahinter, wie das mit mehr Zuverlässigkeit hinzubekommen ist. Am Ende kauft man dann doch wieder die Jungpflanzen. Ein paar Tricks habe ich aber gelernt und einiges geht jetzt besser, dieses Jahr stimmte erstmalig vieles in Kombination. Hier die Erfahrungen damit.

Sellerie aussäen - wie?

Selleriesamen ist winzig klein, leicht, einzelne Körner sind nicht zu säen. Pilliertes Saatgut gibt es für die kommerzielle Jungpflanzenanzucht, aber in normalen Mengen für den Hobby-Nutzgärtner habe ich es noch nicht entdeckt, vor allem nicht alte Sorten. Ein Windstoss fegt ihn von der Hand. Seine Haltbarkeit beträgt angeblich sechs Jahre, aber ich merkte schon im Jahre drei, dass kaum mehr was geht. Offenbar benötigt er auch sehr gute Lagerungsbedingungen. Durchgehend kühl, dunkel. Haben wir Samen, geht es ab Ende Februar los, geht aber auch noch bis Mitte März: 



  • Aussaat in eine Schale statt in Einzeltöpfe. Schale am Südfenster im Licht, Zimmertemperatur, 20°C.
  • Vorbereitung: Nährstoffarme Aussaaterde in die Schale füllen, festdrücken, Selleriesamen darüberstreuen, mit dem Finger auf die Erde drücken, aber nicht hineindrücken. Mit Wasser aus der Sprühflasche befeuchten. Die offenliegenden Samen so lassen. Noch einmal Sprühflasche drüber. Oft wird "mit Sand bestäuben" empfohlen, aber meiner Erfahrung nach senkt das nur die Keimrate. Keine Staunässe verursachen, nicht zu feucht.
  • Anzucht mit locker aufgelegter Folie
  • Nun ein Trick: Eine Frischhaltefolie locker auflegen. Locker, nicht festdrücken, nicht festziehen. Das sorgt für Feuchtigkeit an den Samen trotz voller Beleuchtung. Ist viel besser wie ein Deckel auf der Anzuchtschale. Gute Erde schimmelt nicht so schnell. Frischhaltefolien bestehen aus Polyethylen ohne Weichmacher, die Erde oder die Pflanzen bekommen keine unerwünschten Stoffe ab.
  • Warten, warten, warten. Sellerie lässt sich Zeit. Nicht giessen, die Folie hält genug Feuchtigkeit. Schale am Licht lassen. Zusatzheizung unnötig, Wenn mal Sonne drauf scheint, schadet das nicht. Nur Kälte mag er nicht. Beginnt die Keimung, dann Folie nicht abheben, es kommen mit der Zeit noch viele Nachkeimer, er keimt folgernd. Den bereits gekeimten Jungpflanzen schadet die Folie nicht.
  • Eben pikiert und noch etwas schwach auf der Brust
  • Hat man einen schönen Jungpflanzenrasen, lässt man sie noch zwei Wochen wachsen, dann vereinzeln, pikieren in die Vertiefungen von Anzuchtplatten.
  • Das umpflanzen stresst enorm, viele Feinwurzeln reissen ab. Also erst wieder langsam hochpäppeln. Dann auch erstmalig mit etwas Dünger im Giesswasser. Auspflanzung ins Beet des Freilands nicht vor Mai. Kältephasen führen dazu, dass er schiesst. Das Risiko erhöht sich bereits, wenn er bei der Anzucht mal kalt stand, obwohl die Pflanzen da noch sehr klein sind. Deshalb keine Anzucht an Fenstern, die man auch mal kippt. Der kühle Luftzug rächt sich später.

Hätte man pilliertes Saatgut, wäre Aussaat direkt in Anzuchtplatten noch arbeitssparender. Optimal wäre geprimtes Saatgut, das steht aber nur kommerziellen Käufern zur Verfügung, das muss man allerdings auch sofort verwenden.

Aber auch so bekommt man mit eigener Anzucht die Chance, Sorten zu entdecken, die eine ganz andere Aromaklasse darstellen wie der 79 Cent - Riesenhurgel aus dem Supermarkt.

So langsam wird er wieder. Sind aber noch Wochen bis zur Auspflanzung.

Dienstag, 26. März 2024

Schnecken im Garten: Garten-Wegschnecke Arion Hortensis gewinnt

Die beiden Hauptgewinnerarten: Kleine Gartenwegschnecke
und spanische Wegschnecke als Jungtier

Schnecken, Gärtners Lieblingsthema. Wahrscheinlich gibts kein einziges Gartenblog, Gartenforum, Gespräche über Nutzgärten, in denen das Thema Schnecken nie angesprochen wird. Gerade ist Pflanz- und Aussaatzeit, da schleimt es besonders hoch, auch bei mir. Reihen wir uns also ein in den Wirbel um die gefrässigen Gastropoden.

Aber keinen Rundumschlag. Vielmehr ist die Frage aktuell und interessant, was sich mit dem veränderten Wetter in Sachen Schnecken getan und verändert hat, wo die aktuellen Probleme liegen. Verändert hat sich nämlich durchaus sehr viel. Es gibt Gewinner, Verlierer und auch alte Probleme sind schwächer geworden, Neue sind entstanden. Im Zentrum soll die Art "Arion hortensis" stehen, die kleine Garten-Wegschnecke. Es gibt anhaltende Diskussionen um genaue Artabgrenzungen, manchmal wird Arion distinctus (gemeine Wegschnecke) dazugezählt und manchmal wird Arion hortensis in Unterarten aufgeteilt. Das soll nicht Thema sein, im folgenden wird von Garten-Wegschnecke die Rede sein, egal wie genau man die sowieso sehr ähnlichen Arten aufteilt. Dieses Viech ist nämlich Hauptgewinnerin, über Jahre hinweg immer häufiger geworden und hat am meisten vom veränderten Wettermuster profitiert. Die Populationsdichten stiegen jahrelang stetig und in den vergangenen Monaten hatte nicht nur ich einen einzigartigen Befallshöhepunkt erlebt, weil die winterliche Regenzeit besonders früh begann.


Arion hortensis, wer ist das?

Kleine Gartenwegschnecke, von oben
Kleine Gartenwegschnecke, von unten

Diese Schneckenart mit vollem Namen "kleine Garten-Wegschnecke" ist eine kleine schwarze bis graubraune Nacktschnecke, hat eine ins Orange gehende Sohle und bleibt damit von oben her farblich sehr gut getarnt. Die Art ist ausgesprochen klein, wenn sie kriecht und langgezogen ist, dann liegt sie bei 3, höchstens 4cm. Sie lebt vorwiegend unterirdisch und kommt gerne nach Regen an die Erdoberfläche. Je trockener der Boden, desto tiefer kriecht sie hinunter. Das kann sie sehr gut, denn sie ist klein und kann sich sehr schmal machen, schon ein winziger Regenwurmgang reicht ihr, grosse Schneckenarten schaffen das nicht. Gerne sitzt sie dann an unterirdischen Wurzelresten, wo noch Feuchtigkeit ist. Damit schadet sie auch Wurzelgemüse viel stärker wie andere Arten, auch in Kartoffelknollen frisst sie sich hinein. Unterirdisch ist sie nicht bekämpfbar. Ihr Riesenvorteil ist zudem, dass sie auf diese Weise auch lange Trockenphasen so gut übersteht und vor allem eines schafft: Sich 12 Monate im Jahr schnell zu vermehren, auch im Winter. Sie wird sofort aktiv, wenn die Temperaturen über Null Grad steigen. Und damit hat sie stark erweiterte Betätigungszeiträume bekommen, denn die Zahl der Frosttage hat sich mehr als halbiert und damit die Aktivitäts- und Vermehrungstage des Winterhalbjahres verdoppelt. Stattdessen ist der Winter zur Regenzeit geworden - die Schnecken jubilieren. Ihre Nahrungspflanzen sind dieselben wie die aller anderer Nacktschnecken. 

Schneckensex zwischen zwei Arion Hortensis. Es sind Zwitter, Jede legt Eier.


Warum ist sie ein Problem?

Petersilienwurzel, durchlöchert von Arion Hortensis

Kleine Schnecke, frisst nicht viel, könnte man denken. Von wegen, sie macht das mit hoher Populationsdichte und starker flächenmässiger Präsenz wieder wett. Sie ist überall. Auch durch Schneckenzäune kommt sie locker, ihre Bodengängigkeit hilft ihr dabei, sie bewegt sich wie gesagt auch unterirdisch. Nematoden auszubringen hilft bei dieser Art und auch bei der spanischen Wegschnecke nicht. 

Kartoffel und Arion Hortensis

Hauptproblem ist, dass sie im neuen Warmwinter so aktiv ist. Hinzu kommt, dass der Winter gleichzeitig eine immer wichtigere Anbauzeit geworden. Wenn die Schnecken nicht wären. Die Pflanzen wachsen langsam, in jeder milden Phase kommt die Gartenwegschnecke und gleich dazu auch die spanische Wegschnecke und wandert zu den Pflanzen. Winterblumenkohl, Winterrettiche, alle Wintersalatsorten, im Spätwinter ausgepflanzte und gekeimte Jungpflanzen, Kulturen die heute auch im Winter im Beet bleiben wie Teltower Rübchen, Wurzeln der gelben Rübe ab Herbst massiv, sie schlagen zu. Der hohe Besatz mit Arion Hortensis sorgt dann rund ums Jahr auch im Sommerhalbjahr für anhaltende Schäden, dann nicht nur ober-, sondern leider auch stark unterirdisch.


Was tun gegen die kleine Gartenwegschnecke?

So sitzen sie an Brettern

Eine wirkliche Lösung habe ich nicht gefunden, nur viele Dinge die nicht funktionieren und ein paar, die ein bisschen funktionieren.



  • Nematoden: Wirkungslos. Die sauteuren Produkte mit beispielsweise PH Nematoden (Phasmarhabditis californica) gegen Schnecken kann man sich sparen.
  • Schneckenzaun: Wenig Wirkung. Auch teuer und unbequem. Innerhalb des Zauns muss erst strikt bekämpft und dann stetig beobachtet und weiter bekämpft werden. Wirkt besser gegen grosse Arten.
  • Nützlinge: Eine Dauerlüge, die längst nur noch nervt weil sie jeder nachplappert, ohne zu wissen was er sagt. Wir haben nachweislich eine sehr hohe Igel- und Blindschleichendichte, trotzdem explodierte der Schneckenbesatz geradezu. Eine Wildkamera filmt ständig neben anderem Getier auch Igel und selbst wenn nach Regen die Schleimer offen über den Boden kriechen, laufen die Stacheltiere ausnahmslos daran vorbei. Jedenfalls an den heutigen echten Problemarten.
  • Pak Choi Jungpflanze
    Schneckenkorn half nicht
  • Schneckenkorn: "Ferramol" mit Eisen-III-phosphat ist praktisch wirkungslos ggen Arion Hortensis und gleichzeitig das teuerste Schneckenkorn, bezogen auf die empfohlene Aufwandsmenge pro Quadratmeter. Profis verwenden es nicht. Tönnchenförmiges Schneckenkorn mit Metaldehyd (=Trockenspiritus wie in "Esbit") wirkt mässig bis schlecht. Produkte mit kleinerem Granulat (z.B. "Schneckenlinsen") wirken mässig. Die Aufwandsmenge pro Quadratmeter ist identisch, aber das feinere Granulat wird dichter gestreut, so dass die winzigen Gartenwegschnecken es leichter finden. Trotzdem dünn streuen und zwar nur direkt nach Regenende. Dann aber konsequent, bevorzugt Abends.
    Generell sind diese Präparate aber viel schlechter als man hofft. Da Stück für Stück alles verboten wird, wurde vor zwei Jahren der Metaldehydgehalt per Vorschrift ganz kräftig abgesenkt, der beträgt jetzt noch 25g/kg, die Landwirte können weiterhin welches mit 59,1 g/kg Metaldehyd nehmen, weil ja schliesslich ins kommerziellen Beet keine Nützlinge gehen (Vorsicht, Ironie). Wir sollen also wie immer lieber mit Hilfe der Maximaldröhnung angebaute Produkte kaufen statt selber anbauen. Solange daran verdient wird (weniger der Anbauer verdient, mehr der Staat über Steuern und der Schneckenkornhersteller sowie Händler), ist eben alles besser. Achja, logisch: Selbstverständlich wurde das schwächere Schneckenkorn teurer, nicht billiger.
  • Unter Holz im Winter, kein Ausnahmebild.
    Die sauberste, wenn auch nicht müheärmste Methode sind Holzbretter. Alle Arten, aber ganz besonders die Gartenwegschnecke lieben glattes, feuchtes Holz, um dort drunter bei Trockenheit zu ruhen. Meine Wege zwischen den Beeten sind nicht zuletzt deshalb mit simplen, locker aufgelegten Brettern realisiert: Glattkantbretter, Fassadenholzbretter, Schalbretter, breite Holzlatten. Etwas Patina wirkt besonders anziehend, weil sie Mulm und zusätzlich Feuchtigkeit schafft. Man geht durch den Garten, dreht die Bretter um und beseitigt die daran haftenden Schnecken, guckt sich dann noch den Boden unter der Auflagefläche an. Ich habe im gesamten "Winter" regelmässig Bretter mit -zig Schnecken drunter gefunden. Wenn ich das alle zwei Tage und bei feuchter Witterung täglich mache, pendelt sich die Fundrate auf täglich ein bis drei Schnecken pro Meter Brett ein. Besonders die Zonen Richtung Nachbargrundstücke sind wichtig, auf denen nichts bekämpft wird. Von dort wandern sie stetig ein und verstärken die sowieso schon überall vorhandene Population.
  • Vorhanden und gut getarnt
  • Kombinationsmethoden waren mal gut, heute nicht mehr richtig. Typisches Beispiel: Schneckenkorn unter Holzbrett. Damit verhindert man auch, dass Schneckenkorn von anderen Tieren direkt oder indirekt aufgenommen wird, ähnlich wie Köderboxen mit grössenbegrenztem Zugang. Nur Nacktschnecken, die sich bevorzugt unter die Bretter verkriechen können kommen damit in Berührung, keine grossen Schneckenarten, keine Gehäuseschnecken, keine anderen Tiere. Diese Methode wurde uns durch die erzwungene Wirkstoffabsenkung leider versaut. Unter dem Brett ist es dauerfeucht, die Schnecken überleben dann das schwach wirkende Schneckenkorn mittlerweile oft, bleiben nur eine Zeitlang inaktiv und machen irgendwann einfach weiter. So führt in der Praxis die verordnete Wirkstoffverdünnung sogar dazu, dass wieder mehr unerwünschte Beifänge entstehen, weil man das neue schwache Zeug nun erst recht flächig und stärker ausstreut, damit es überhaupt Wirkung zeigt.

 

Andere Arten

Junge spanische Wegschnecken, Arion vulgaris.
Alt werden sie ziegelrot.

Auch die bereits genannte spanische Wegschnecke (Arion vulgaris, jung meist gelbbäunlich, nicht immer von der Gemeinen Wegschnecke Arion distinctus zu unterschieden) profitiert vom neuen Wetter, aber sie vermehrt sich nach wie vor weniger im Winter, sondern erst wieder ab Ende Februar. Dann aber auch heftig. Die Kleine Wegschnecke (Arion intermedius) blieb wie sie war häufig, alle anderen Arten haben abgenommen, etwa schwarze und andere Schnegel, Weinbergschnecken, Schnirkelschnecken. Alle diese Arten leiden eher durch die langen, heissen Trockenphasen und können das in der Winterregenzeit nicht ausgleichen. Weinbergschnecken sind deshalb nicht nur im Garten, sondern auch auf meinen Obstwiesen zur Seltenheit geworden, obwohl sie vorher dort häufig waren. Die grossen Schnegel haben ebenfalls Seltenheitswert, nur im Wald sind sie noch häufig.