Donnerstag, 21. April 2022

Honigkunde: Fest, kristallin, flüssig, cremig, wolkig?

Der wolkige Honig

Viermal Honigwolken im Sommerhonig

Einige Honigkäufer haben eine Lieblingskonsistenz und Lieblingsoptik, die ihr Honig haben soll. Honig kann kristallisierte Konsistenz haben, cremig oder flüssig sein. "Wolken" gehören eher nicht zur Vorzugsoptik. Aber was sind eigentlich Wolken im Honig? Sichtbar sind Wolken nur in kristallisiertem und festen Honig. Dort werden dann unregelmässige, schleier- oder eben wolkenartige hellkristalline Bereiche im Honig durch das Glas sichtbar. Wie entstehen sie? Das ist schnell (vereinfacht) erklärt: Fast jeder Honig kristallisiert. Die ungeordneten Zuckermoleküle ordnen sich dabei in festen Kristallstrukturen an, wenn sie um Kristallisationskeime wie z.B. Pollen herum die ersten Kristalle bilden. Geordnete Zuckermoleküle benötigen weniger Platz wie flüssige: Er schrumpft leicht. Hat der Honig einen niedrigen Wassergehalt (=hohe Qualität), dann gibt es keine flüssige Phase, die die entstandenen Zwischenräume zwischen den Kristallen auffüllt. Dort entstehen stattdessen winzige Leerräume, Lufteinschlüsse zwischen den Kristallen - die hellen Wolken werden sichtbar. Bevorzug im oberen Bereich des Glases, unten füllen sich die Lufteinschlüsse häufiger mit restlichem Flüssigzucker.

Diese Wolken sind eigentlich ein Qualitätszeichen, sie zeigen niedrigen Wassergehalt und fehlende unerwünschte Phasentrennung an. Man kann sie auch optisch geniessen, genau wie eine schöne Perlage in Sekt, wirbelnde Nuancen in einem Getränk oder Strukturen auf einer Apfelschale. Die Wolken oder überhaupt kristallisierter oder cremiger Honig sind für Manchen aber ein Hindernis, so gut der Honig auch sein mag.

Cremiger Honig. Etwas grobe Kristalle, typisch für Sommerhonig

Cremiger Honig

Cremiger Honig ist in der Regel kristallisierender oder bereits kristallisierter Honig, der vom Imker kurz mit einem Rührstab gerührt und dann sofort in die Gläser abgefüllt wird. Durch das kurze rühren werden die Zuckerkristalle etwas runder geschliffen, der Honig bekommt mehr oder weniger eine cremige Konsistenz, viel mehr ändert sich nicht. Korrekt gerührter Honig entwickelt keine Wolken mehr. Er ist immer streichfähig, aber zählt dann als "mechanisch bearbeitet". Es gibt einen Bio-Anbauverband, der diese Bearbeitung verbietet, dann können die Honige aber ziemlich hart werden und sind nicht mehr gut streichfähig. Hat man Kunden, die auch wirklich harten Honig akzeptieren, ist das Glück, denn dieser unveränderte Zustand ist das eigentlich auch das Beste für den Honig.

Nur flüssiger Honig erwünscht

Kristalle - Detail

Kristallisierter Honig wird meist gerne von jedem Honigliebhaber akzeptiert, wenn er nicht sehr hart ist und sonst gut schmeckt. Es gibt aber auch vermehrt Honigkunden, die ihn radikal ablehnen, was einen Rückfall in längst vergangene Zeiten darstellt. Insbesondere kristallisierter Honig mit Wolken wird von ihnen vehement und grundsätzlich abgelehnt. Das erlebe ich bei Honigkäufern gruppenspezifisch: Mit arabischen, russischen, türkischen Honiginteressierten laufen die Gespräche zum Beispiel fast immer gleich ab. Die erste Frage ist immer nach "flüssigem" Honig. Sie fragen nicht nach seinem Aroma, Honigtyp, Qualität, sondern immer nach "flüssig". Aber: Es gibt fast keinen naturbelassenen flüssigen Honig in Mitteleuropa. Die einzige Sorte, die zuverlässig flüssig bleibt ist der helle, aromafreie und reinsortige Robinienhonig. In Deutschland ist der mangels Robinienwäldern selten als Sortenhonig zu haben. Er wird importiert und ist auch behauptete Hauptsorte der massenhaften ausgefeilten Fälschungen chinesischer Herkunft. Auch der öfter flüssig aussehende dunkle Waldhonig kristallisiert früher oder später fast immer. Wenn Honig wirklich flüssig bleibt, hat das oft andere Gründe: Er wurde wärmegeschädigt oder von den Grossverarbeitern wurden Pollen industriell herauszentrifugiert. Wie erklärt man jemand, der flüssigen Supermarkthonig aus der Spritzflasche kennt und flüssigen (oft minderwertigen, weil wasserreichen) Honig aus den Subtropen, dass in Deutschland auf ganz natürliche Weise kein Honig lange flüssig bleibt? Ich habe es oft und ehrlich erklärt, aber es wurde von diesen Käufergruppen niemals auch nur annähernd akzeptiert oder gar ernst genommen. Sie lächeln ungeduldig zu Erklärungen, wie man ein Kind oder einen ertappten Lügner anlächelt. Leider!

Frühlingsblütenhonig im Lagereimer, kristallisiert

Flüssiger Honig wird in diesen Gruppen mit unverfälschtem Honig in Verbindung gebracht, dabei ist das Gegenteil der Fall. Für sie sind jegliche Kristalle und Kristallisation der Beweis, dass der Imker Zucker untergerührt hat. Man fixiert das Glas scharf, dreht es endlos von Boden zu Deckel und guckt mit aufgesetztem ernstgrinsendem Expertenblick nach, ob irgendwo ein Kristall zu sehen ist. Das ist natürlich ein lächerlich schlechter Witz, Zuckerverfälschungen und ähnlicher primitiver Beschiss mögen ja in Gegenden wie Pakistan üblich sein, fliegen in Deutschland aber schon seit 100 Jahren Dank Labor sofort auf und bei den ständigen Kontrollen (auch mein Honig wurde schon unangemeldet mehrmals geprüft) sind solche Versuche absolut unwitzig, ziehen (zu recht) saftige Strafen nach sich. Ein weiterer Witz ist, dass sich mit Zuckersirup Honige sogar leichter flüssig halten liessen, wenn man das Verhältnis der Zuckerarten entsprechend wählt, etwa viel Fruktose verwendet. Ich reiche meinen Honig ausserdem so wie viele Imker selber oft zur Prüfung im akkreditierten Labor ein, weil das wichtige und hochqualifizierte Rückmeldungen für mich sind - die Auswertungen kann kann auch der Honigkäufer einsehen, sie hängen in meinem Honigregal. Untersucht und im Prüfbericht bescheinigt wird Sauberkeit, Farbe, Konsistenz, Geschmacksbild, Mikroskopische Untersuchung auf Pollenzahl, Pollenarten, Pilzelemente, Rostsporen, Algen, Sonstige, Physikalische Untersuchung auf Wassergehalt, Leitfähigkeit (um Honigtauanteile festzustellen), Invertasegehalt (Enzymaktivität), HMF-Gehalt (Lagerung, Hitze, Alter), Sediment und auf Wunsch noch einige Parameter mehr.

In den Waben bleibt Honig länger flüssig

Die zweite Frage ist immer die nach Wabenhonig. Nicht nach den Schälchen zum Auslöffeln, sondern nach grossen, kiloschweren Honigwaben aus dem Honigraum. Ob der Honig überhaupt reif ist, spielt bei ihnen keinerlei Rolle, nur schwer muss die Wabe sein. Gefragt wird auch im Herbst oder Winter. Dass es den in Mitteleuropa sowieso nur zweieinhalb Monate geben kann, erzeugt erneutes Unverständnis. "Wabenhonig" wird von diesen Interessenten als bester einziger Honig angesehen, die Fragesteller sind auch da in vergangenen Jahrhunderten stehengeblieben. In ihren Herkunftsländern ist immer noch Presshonig durch kneten, Seimhonig durch Erhitzen oder schleudern mit korrodierten Honigschleudern aus Blech verbreitet, diese primitiv-schlechten und völlig überholten Methoden ergeben minderwertige Ergebnisse, hinzu kommt noch eine elend schlechte Lagerpraxis. Der vermeintlich einzige saubere Honig ist dort der Wabenhonig. Dabei ist auch dieser Wabenhonig häufig unreif und sehr leicht fälschbar, man füttert den Bienen einfach Industriezucker zu, den sie dann zusammen mit natürlicher Tracht in den Waben einlagern. Sieht normal aus, schmeckt mild. Beschiss auf der ganzen Linie.

Bei der Schleuderung

Auch hier wieder: Das fliegt in Deutschland sofort auf, ausser man hat hohe kriminelle Energie für ein geheimes Doppelspiel und ausgesprochen dumme Käufer, die einem unter der Hand ganze Waben abnehmen, Hauptsache billig. Wer Betrugsimker sein und solche Kunden bedienen und glücklich machen will, füttert dann bei einem einzelnen Volk mit Zuckersirup zu, schleudert den Honig aber nicht, sondern entnimmt dort nur volle Waben für die "Spezialkunden". Billigpreis, grosse Masse, grosse Freude! In den Honigwaben ist zudem eine stabile Wachsmittelwand enthalten, bedingt durch die optimierte Art der Bienenhaltung in Magazinbeuten seit 150 Jahren in Europa und USA. Wer Honigwaben aus Magazinbeuten isst, muss automatisch mit wenig Genuss auf dickem, alten Wachs herumkauen, spuckt es dann in den Abfall aus - der europäische Imker schleudert dagegen nur den Honig mit Zentrifugalkraft heraus und verwendet das Wachs zu 100% wieder, auch das Entdeckelungswachs.

Honig "flüssig" bei Feinkost-Albrecht.
Für einige Kundengruppen die bessere Wahl.

Die dritte Frage obengenannter Klientel ist der übliche Versuch, zu handeln. Leider sind das langweilende und zeitraubende Spiele, die Endpreise sind bereits sehr billig und ich empfinde es als üble Geringschätzung der Bienenprodukte, davon noch weiter herunterzugehen. Wieso soll ich Verluste freiwillig vergrössern und mich dafür noch zeitstehlend mit dummem Palaver belabern lassen? Honig bleibt bei gut arbeitenden Imkern sowieso nie übrig, man kann ihn auch wieder den Bienen zurückgeben und spart entsprechend den Futterkauf, es gibt niemals Übermengen, die man unbedingt los werden muss. Ich gebe zu, ich bin müde geworden, immer wieder tauben Ohren etwas von der Realität zu erzählen und dann noch plumpdumme Handelsversuche wegen des "schlechten" weil kristallisierten Honigs über mich ergehen zu lassen, die mich nur meine Zeit kosten. Liebe Leute, dann geht bitte gleich zu einem anderen Verkäufer der euch fachgerecht reinlegt oder werdet glücklich mit Aldis Mischung aus China, Südamerika und alles mit Allem - garantiert flüssig bleibend und billig. Das habe ich nicht und will es nicht, vielmehr war dieser Mist einer der wichtigen Gründe, selber Bienen zu halten. Der Honig meiner Bienen ist nachweisbar maximal naturbelassen und nachweisbar ausschliesslich aus der Region.

Sonntag, 3. April 2022

Die Minikirschen vom Ministrauch: Prunus tomentosa

Filzkirsche, prunus tomentosa - Früchte, halbiert, Stein

Weniger bekanntes Beeren- und Wildobst ist eine echte Entdeckungsreise für Nutzgärtner, einiges davon sehr lohnend. Da gibt es Schätze zu heben wie Maibeeren, Ölweiden, spezielle ribes-Arten wie Goldjohannisbeere oder höherwachsende stachelbeerartige Ribes-Hybriden, Apfelbeeren, Fruchtsorten von Rosen wegen der Hagebutten und viel mehr - alles willkommen!

 

Die Filzkirsche

Blühbeginn der Filzkirsche

Eine ebenfalls wenig bekannte Sorte ist Prunus Tomentosa geblieben. Diese optische Minikirsche hat viele Namen: Nanking-Kirsche, Koreakirsche, Filzkirsche, japanische Mandelkische und noch ein paar mehr. Mini ist die rote Frucht und Mini ist die Pflanze - im Vergleich zu europäischen Kirschenbäumen, prunus avium. Sie stammt aus Ostasien, wächst dort eher in trockenen und windigen Gegenden, das Holz ist sehr frostfest, sie kommt mit vielen Bodenarten klar und wurde dort schon sehr lange in kleinem Massstab als Obst und Zierpflanze geschätzt. Genetisch liegt sie näher an Pflaumen wie an Kirschen. Noch ähnlicher ist sie möglicherweise den amerikanischen Sandkirschen Prunus pumila, die in vier Varietäten in ganz Nordamerika vorkommen. Beide Arten besetzen ähnliche Habitate, bleiben kleinwüchsig, die Früchte wirken ähnlich und sie lassen sich miteinander kreuzen. Angeblich sind die in Europa verbreiteten Fruchtsorten der Filzkirsche in Wirklichkeit Hybriden: Filzkirschen mit Anteilen eingekreuzter Sandkirschen. Nachprüfen kann das der Nutzgärtner nicht. Am meisten Züchtungsaktivität, Kreuzungsversuche und Sorten gibt es in Russland und der Ukraine, fast alle Fruchtsorten kommen von dort. Daneben existieren noch wenige kanadische Kreuzungen und Spezialitäten direkt aus der Mongolei und China, zum Beispiel eine weissfrüchtige Sorte, in Europa unter einem neuen Fantasienamen auf den Markt gekommen. Sehr schade ist, dass generell kaum Sorten nach Deutschland gelangen. Die grösserfrüchtigen, wohlschmeckenden russischen und ukrainischen Züchtungen sind nicht oder kaum zu bekommen. Angeblich sind die Sträucher kurzlebig: 10 bis 15 Jahre Höchstalter sollen normal sein.

Sand- und Filzkirschen wurden auch für die Kreuzung schwachwachsender Prunus-Unterlagen verwendet. Die Sandkirsche ist zudem Elternteil für eine Aprikosen-Sandkirschenhybride mit Namen Aprikyra. Eine interessante Pflanze, die ich auch habe und ebenfalls eine Beschreibung verdient. Einige weitere interessante Kreuzungen mit Beteiligung der kleinen Sand- und Filzkirschen sind noch zu erwarten.

Gesammelte Früchte und Blatt Filzkirsche

 

Aussehen und Früchte

Holz der Filzkirsche
Kerne der Filzkirsche

Filzkirsche heisst sie, weil der junge Austrieb filzig aussieht. Finde ich zwar nicht so eindeutig, aber nun ist der Name vergeben. Die Pflanzen sehen aus wie wenig verzweigte Sträucher, die oft unter 1m Höhe bleiben, bei guten Bedingungen maximal jedoch 2,5m erreichen, nicht ausladend oder dicht werden. Sie bleiben immer licht, sind also nicht als optisch begrenzende Heckenpflanze geeignet. Die Blätter sind klein, mit Rippen, kleinen Hainbuchenblättern leicht ähnlich. Austrieb und Blütezeit sind eher früh, bis zu zwei Wochen vor den grossen Kirschbäumen. Dann erscheint ein sehr reicher Blütenschmuck, so dicht und schön dass sie in Europa erst als Zierpflanze statt als Beerenobst gesehen wurde. Die Blüten sind weiss, einige Sorten reichen ins Rosa. Aus ihnen entwickeln sich kleine grüne Früchtchen, die je nach Sorte ab Ende Juni bis in den August hinein reif werden. Sie werden dann glänzend rot (bis auf eine weisse Sorte), bleiben immer unter 2cm Durchmesser, enthalten einen Stein, sein Anteil ist hoch, noch höher wie der prozentuale Steinanteil einer Sauerkirsche. Das Fruchtfleisch ist saftig, gallertartig, es liegt mehr auf der weichen Seite. Der Zuckergehalt erreicht maximal 12%, sie bleiben damit weniger gehaltvoll wie viele Kirschsorten. Der Geschmackstyp ist der einer süsseren Sauerkirsche, angenehm, die Aromabildung ist jedoch nicht stark, es gibt auch keine eindeutigen, identifizierenden Komponenten. Bleibt die Frucht lange am Strauch hängen, hat sie noch weniger Aroma. Sie fault nicht, wird nur stetig weicher und dunkler, bevor sie schliesslich abfällt oder mumifiziert. Das Erntefenster ist recht lange, bis zu mehreren Wochen, ein Vorteil. Gegen Ende sind sie schüttelfähig.

Blühende, Jungfrüchte, Fruchtmumien des letzten Jahres


Die Anbauerfahrungen

Fruchtbehang

Vor einigen Jahren bekam ich meine ersten Pflanzen, Fruchtsorten und Sämlinge. Wie bei vielen weniger bekannten Beerenobstsorten, die noch nahe an den Wildformen liegen konnte ich keinen echten Unterschied zwischen Fruchtsorte und Sämling erkennen. Vielleicht hat auch nur der Verkäufer betrogen oder war selber ahnungslos, was bei solchen wenig bekannten Obstarten eher die Regel wie die Ausnahme ist. Immerhin unterschied sich die Fruchtfarbe leicht und die Blütezeit. Unter Sortennamen gehandelt werden "Efimka", "Red Ninja", Leucocarpa (weiss, identisch mit "Snövit", eigentlich eine mandschurische Sorte), "Orient", "Amur". Die Pflanzen wuchsen gut an, gingen dann sehr langsam, an einem Standort schneller in die Höhe. Fruchtsorten holte ich mir vor allem deshalb, um genetisch unterschiedliche Pflanzen zu haben, denn Filzkirschen benötigen einen Befruchter, sie sind nicht selbstfruchtbar. Europäische Kirschen sind nicht oder schlecht als Befruchter brauchbar. Befruchtertauglich sind auch verschiedene amerikanische Prunus-Arten wie die Feuerkirsche, die in Deutschland aber kaum vorhanden sind. Also besser auf unterschiedliche Filzkirschen setzen und mindestens zwei verschiedene Filzkirschen nebeneinander pflanzen.

Blüten Prunus Tomentosa

Blüten erscheinen im zweiten Jahr zerstreut, ab dem dritten Jahr stärker. Damit kommen auch die einzeln an 1cm kurzen Stielen hängenden Früchte. Die höchsten Erträge hatten frei und luftig wachsende Sämlinge ohne Schatten und ohne Nebenpflanzen. Der Gesamtertrag erreichte pro Pflanze vielleicht zwei Kilo, die Ästchen waren dmit bereits sehr gut behangen. Mehr wird nur bei besseren Fruchtgrössen zu erreichen sein. Die obengenannten russischen Sorten sollen zum Beispiel einiges mehr schaffen. Pflücken ist mühsam. Die Früchte muss man für die Verarbeitung durch eine flotte Lotte (Passiermühle) drehen, um die Steine loszuwerden, von Hand entsteinen ist aufwendig. Verwendet habe ich sie hauptsächlich frisch, direkt vom Strauch. Man pflückt sich eine Handvoll der kleinen Beerenfrüchte, zerdrückt sie im Mund, spuckt die Steine dabei aus. Für Marmelade oder Saft ist der Pflückaufwand etwas hoch, das Ergebnis nicht unbedingt besser als Sauerkirschprodukte und aromatischer schon gar nicht. Die Vorteile sind: Naschobst in Kniehöhe mit wenig Platzbedarf und herrliche Blütenpracht.

Der Hauptnachteil: Zweigmonilia

Zweigmonilia an der Filzkirsche

Der beschriebene Hauptnachteil des Moniliabefalls hat sich auch bei mir gezeigt. Die Art ist leider stark anfällig auf Zweigmonilia. Das bekam sie jedes Jahr, egal ob teilverschattet, windoffen, Trockenheit zur Blütezeit, vollsonnig. War irgendwie unvermeidlich. Besonders junge Äste sterben dann einfach ab, die Blätter vertrocknen. Andererseits war das nie so fatal, dass die ganze Pflanze starb oder so tiefgreifend wie bei einigen Sauerkirschsorten, die ohne Behandlung nicht mehr anbaufähig sind. Gummifluss war auch nicht zu sehen. Ich habe zunächst die befallenen Äste herausgenommen. An grösseren Pflanzen habe ich die Pilzkrankheit schliesslich ignoriert. Versuche mit Fungiziden nicht gemacht, wahrscheinlich muss man da so wie in Sauerkirschplantagen vorgehen und recht früh behandeln. Verjüngungsschnitte bleiben wegen des Moniliabefalls ebenfalls überflüssig. Wenn Äste sowieso absterben, ist schon genug "zurückgeschnitten".

Fazit

Früchte am Zweig

Die Filzkirsche, Prunus Tomentosa ist ein anbauwürdiges Wildobst, aber noch nicht besonders nutzbar. Am besten steht sie frei und luftig mit mehreren anderen befruchtungsfähigen Filzkirschen. Plazieren würde ich sie eher im Vorgarten wie neben den Johannisbeeren im Nutzgarten. In Fruchtqualität und Verwendungsmöglichkeiten liegt sie auf Wildobstniveau, was sich aber mit der Weiterzüchtung von Fruchtsorten ändern könnte. Die zwei Haupt-Knackpunkte sind ihre Moniliaanfälligkeit und die bescheidene Fruchtgrösse, eine Aromabombe ist sie auch nicht - aber angenehm im Mund und schön am Strauch.

Dienstag, 22. März 2022

Das Tomatenjahr beginnt - bitte ohne Braunfäule

Braunfäule Phytophthora infestans, erster Blattbefall

Alle Jahre wieder: Jungpflanzenanzucht von Tomaten ist ab Mitte März wieder angesagt, nach den Paprika, vor den Gurken, Melonen, Kürbissen. Nach der Braunfäulekatastrophe letztes Jahr werden vermutlich einige Nutzgärtner dieses Jahr einen stärkeren Drang zu anderen Anbautechniken und einem robusteren Sortenspektrum verspüren. 

Die Tomatenseuche

Eigentlich ist die Braunfäulekatastrophe schon 40 Jahre älter. Bis Anfang der 1980er Jahre gab es damit wenig Probleme im Tomatenanbau. Der verursachende Braunfäulepilz Phytophthora infestans ist zwar seit 1845 nach Europa eingeschleppt worden, verursachte die bekannte Hungersnot in Irland weil auch Kartoffeln befallen werden, aber die damals und danach noch einmal eingeschleppten Stämme waren nur zu nichtsexueller Vermehrung fähig und es konnten bald resistente Sorten gezüchtet werden. Danach passierte, wovor Biologen dringend gewarnt hatten: Eine zur sexuellen Vermehrung fähige Variante wurde aus Amerika um 1980 nach Europa eingeschleppt. Sie kann sich ständig genetisch verändern und rekombinieren. Seither ist Feuer unterm Tomatendach und hat einigen Nutzgärtnern Freilandtomaten regelrecht ausgetrieben. Faulende Früchte, sterbende Pflanzen im Sommer, das macht keinen Spass. Bis vor zehn Jahren waren alle Sorten stark anfällig, ganz langsam gelang es, ein paar wenige robustere Sorten zu züchten - erst einmal nicht in Europa.

...dann an Stengeln

Freilandtomaten sind auch in privaten Gärten eine Seltenheit, denn der Pilz benötigt Luftfeuchte, Wasser, um sich zu vermehren. Die meisten Leute bauen sie deshalb unter Folie an, unter Dachüberständen im Topf, im Gewächshaus. Das ist speziell bei Tomaten ausgesprochen schade, denn nur im Freiland entwickeln sich auch kräftige Aromen. Foliendächer filtern UV-B Strahlung der Sonne, die für die Aromabildung wichtig ist. Hinzu kommt manchmal erheblicher Aufwand für die Dachkonstruktionen und der traurige optische Eindruck einer Hüttenlandschaft im Garten. Man kann zwar von seinen Foliendachtomaten schwärmen und besser als Supermarktware sind sie meist auch, aber man sollte dann auch einmal den direkten Vergleich mit einer voll besonnten Freilandpflanze gleicher Sorte machen, das öffnet die Augen und die Geschmacksknospen. Zudem sind die Zeiten grosser Tomatenbeete vorbei, man quetscht sie nun unter ein begrenztes Tomatendach. Das Tomatenjahr im Freiland ist ansonsten kurz geworden, ab Mitte Juli droht Totalausfall durch Braunfäule, meist ist es Mitte August so weit, wenn die Nächte kühler und taufeuchter werden.

Noch eine Seuche: Alternaria

Alternaria an Tomatenblättern

Die Jahre vor 2021 gab es aufgrund sehr trockener Jahre drei Jahre lang weniger Braunfäule, dafür mehr Alternariabefall. Diese Krankheit kann man am Anfang nicht immer von Braunfäule auseinanderhalten. Alternaria kommt früher im Jahr, schon bevor sich Braunfäule breitmacht, die braunen Blattnekrosen sind oft gezont und haben im Gegensatz zu Braunfäule immer einen gelben Hof. Alternaria ist zum Glück selten ein kompletter Spielverderber. Braunfäule verbreitet sich hingegen rasend schnell, zerstört auch die Stengel und Früchte, die ganze Pflanze ist hin.

Hausmittel, Stärkungsbrühen haben sich in Versuchen gegen Braunfäule als nutzlos erwiesen. Pflanzenschutzmittel, Fungizide existieren leidlich, sollen aber hier nicht Thema sein. Nutzgärtner greifen sowieso nur höchst ungern oder gar nicht zu solchen Mittel. Am liebsten mogeln wir uns an den Krankheiten vorbei, durch gute Anbaubedingungen, Hilfsmittel wie die genannten Foliendächer und resistente Sorten, sofern vorhanden und qualitativ brauchbar.

Züchtung resistenter Sorten

Endphase Braunfäule

Solche Sorten existieren mittlerweile, aber der Weg dorthin war sehr lang, die Züchtung begann in den USA schon 1940 und es gibt noch Vieles zu verbessern. Einen sehr grossen Schritt erreichte Dr. Randy Gardner (der heisst wirklich so) von der North Carolina State University, er stellte im Jahr 2010 mehrere klassisch gezüchtete Tomatensorten mit erstmals multigenetisch verankerter Resistenz vor. Er nutzte dafür sehr kleinfrüchtige, Wildtomaten nahestehende Resistenzträger. Ergebnissorten aus dieser Züchtung waren unter anderem Defiant, Iron Lady, Jasper, Mountain Magic, Mountain Merit und noch ein paar mehr. Leider alles F1-Hybriden. Das löste Hoffnungen und Aktivitäten anderer Leute aus, so dass heute noch ein paar mehr Sorten verfügbar geworden sind. Kräftig beworben wird "Primabella", "Rondobella", verfügbar sind "Buffalosun", "Consuelo", "Honey Moon", "Crimson Crush". Weitere Sorten nennen sich zwar Resistent, haben aber nur einfache Resistenzen, die nicht lange halten. Beispiele: Philovita (Züchtung von De Ruiter Seeds, eine Marke von Bayer-Monsanto), Fantasio. Von denen halte ich nicht viel, die Samen sind so teuer wie wirklich resistente Sorten, Braunfäulebefall findet nur leicht verzögert statt.

"Defiant" habe ich im Anbau, seit die ersten Samen nach Europa gekommen sind und seither noch viele resistente Sorten mehr. Diese Sorten sorgten vor allem letztes Jahr dafür, dass ich Tomaten bis in den Herbst ernten konnte, während Nachbarn und Bekannte in ungünstigen Jahren pünktlich zur Haupterntezeit ab Ende Juli alles abräumen mussten - Totalschaden. Auch meine klassischen Sorten gingen über den Jordan, auch danebenstehende resistente Neuzüchtungen bekamen mit der Zeit ein paar Symptome, das blieb aber fast immer begrenzt, sie lebten, fruchteten ungerührt weiter. Und mehr noch: Seither gelingt es sogar wieder, Tomaten extensiv im Freiland anzubauen, ohne Dach. Speziell "Defiant" ist teilweise determinant und wird nicht besonders hoch. Man kann diese Sorten ohne grosse Pflege in einem Aussengarten setzen, einmal am Spiralstab festmachen und dann mit wenig Aufsicht wachsen lassen. Das ist ideal, wenn man viel Tomatensugo und getrocknete Tomaten für den Winter haltbar machen will. Einmal die Woche hingehen und schwungweise ernten, kochen, passieren, abfüllen.

Nun mal einige meiner eigenen Sortenerfahrungen mit diesen neuen Sorten hier im Freilandanbau:

Defiant

Tomate Definant abgeerntet, Ende August
im Braunfäulejahr 2021 - kaum Befall.

Darüber steht schon einiges weiter oben. Es ist die Sorte, zu der ich immer wieder zurückgekommen bin. Wuchs problemlos, wird im Freiland 100 bis 150cm hoch, im Gewächshaus auch höher. Ideal für extensiven Anbau. Fruchtet und reift früh und reichlich und dann bis zum Frost, so ganz echt determinant ist sie glücklicherweise dann doch nicht. Dankbare Sorte mit guten Erträgen. Pflanze wird bei guten Infektionsbedingungen nur punktuell von Braunfäule befallen, wächst weiter, fruchtet weiter. Tomaten etwas uneinheitlich in der Grösse, die Meisten haben typische 70-100g mit viel Fruchtfleisch, im Stil wie eine kleine Fleischtomate. Ihr Aroma ist wirklich gut, voller Tomatengeschmack, volle Farbe, schöne Konsistenz. Nicht platzempfindlich. Für alle Verwendungen, besonders Sugo. Nachteile hat sie auch: Eine stark erhöhte Anfälligkeit für Blütenendfäule, vor allem bei heissem Wetter. Calcium verbessert diese Mangelerscheinung. Ich habe das einfach in Kauf genommen, schwarze Stellen abgeschnitten und die Frucht weiter zu Sosse verkocht.

Honey Moon

Riesiger Nabel

Fleischtomate. Wuchs bis 180cm. Reife etwas spät, Erträge unterer Durchschnitt. Tomaten >200g, gleichmässig, hat einen leicht himbeerartigen Farbton, aber nicht richtig Pinkrosa. Auf Fotos sieht man das oft nicht richtig. Haut ist ziemlich hart. Die Früchte haben einen charakteristischen grossen Nabel, sie lösen etwas schwer vom Stengel, auch wenn sie reif sind. Man sollte sie wirklich ganz ausreifen lassen, dann erreichen sie erst ihre Güte. Aroma ist gut, tomatig, mit Säure und Schmelz. Platzt nicht. Blütenendfäule kommt vor, wie auch bei den meisten anderen Sorten von Gardner. Ich vermute, der Resistenzträger brachte das in die Zuchtlinien.

Tomate Honey Moon Schnittbild
Tomate Honey Moon Strauch

 


Cocktail Crush

Tomate Cocktail Crush

Die meisten braunfäulefeste Sorten sind eher klein, es gibt überdurchschnittliche viele "Naschtomaten" oder Kirschtomaten, Cocktailtomaten. "Cocktail Crush" ist auch sowas, Früchte um 50g. Grosse Pflanze, wächst in die Höhe, Erträge durchschnittlich, mittelfrühe Sorte. Braunfäulefest, auch keine Alternaria gesehen. Aroma durchschnittlich. Nach zwei Jahren habe ich sie aussortiert, denn sie hat einen gravierenden Nachteil: Sie platzt bei mir zuverlässig am Stock nach Regen. Was soll ich mit einer Tomate, die nach Regen platzt, wo doch der Hauptvorteil einer braunfäuleresistenten Sorte der Freilandanbau ohne Folie ist?

Mountain Merit

Ähnelt in Allem der Sorte "Defiant", konnte sie teilweise nicht gut unterscheiden. Früchte tendentiell etwas grösser, Pflanze auch, Erträge gleichhoch, Blütenendfäule nicht besser. Früchte etwas weicher. Ersatz für "Defiant", falls man die nicht bekommt. Vorsicht: Eine andere braunfäulefese Sorte heisst "Mountain Magic", nicht verwechseln. "Mountain Magic" hat kleinere Früchte, nur max. 60 Gramm schwer. Auch sehr gut, aber aber eben nur eine Cocktailtomate.

Iron Lady

Noch ein naher "Defiant" Verwandter.  Diese Dreiergruppe zeigt wenig Unterschiede. Sie wirken alle wie kleine Fleischtomaten, recht gut im Aroma, hinreichend gut braunfäulefest. In dieser Gruppe kann man nichts falsch machen, wenn man mit Blütenendfäule klar kommt.

Consuelo 

Eine Kirschtomate. Wuchs über 180cm, geht in die Länge. Aroma durchschnittlich, platzt nicht, keine Blütenendfäule, die bei Kirschtomaten sowieso selten vorkommt. Erträge etwas schwach. Wenn schon Kirschtomate, dann wenigstens viele der kleinen Früchte. Erwies sich als nicht ganz so braunfäulefest wie die anderen Sorten, unter starkem Befallsdruck wird sie schliesslich deutlicher krank. Damit fraglich, denn an braunfäulefesten Kirschtomaten herrscht sowieso kein Mangel. Als "robust" kann man sie aber definitiv ezeichnen.

Weitere Sorten

Daneben schwirren noch einige Sorten herum, die oben schon genannt wurden, sie werden auch als recht braunfäulefest gepriesen, Sunviva etwa. In Feldversuchen hat sich das aber nicht bestätigt, diverse Nachteile hat sie auch noch, etwa sehr platzanfällig. Jahrelang geisterte ferner "De Berao" durch die endlosen Abschreiberartikel, die Sorte ist allerdings sogar stark anfällig und taugt geschmacklich wirklich nichts. Einige andere Sorten sind aber durchaus tauglich, meine Erfahrungen sind jedoch noch nicht langjährig genug, um da belastbare Aussagen zu machen. Wer probieren will: Primabella (gleicher Züchter wie Sunviva, Dr. Bernd Horneburg / Göttingen) und Rondobella, Resibella, Vivagrande; Rubylicious (Kirschtomate), Buffalosun (gelbe Fleischtomate, USA) und Gourmansun (gelbrote Ochsenherztomate), Paoline und weitere. So oder so: Endlich Sorten, die man im Freiland ausprobieren kann!

Woher bekommt man diese Sorten?

Einzelne Sorten haben den Weg ins Standardsortiment grosser Endkundensamenverkäufer gefunden. Bezugsquellen: Iron Lady gibt es bei Pötschke, Honey Moon hat Sperli im Programm, Rondobella und Andere gibts von Culinaris im Samenhaus. Kiepenkerl hat Primabella. Bobby Seeds hat mehrere Sorten. Mit diesen Stichworten und Sortennamen findet man genügend Händler oder auch Grosshänder wie beringmeier.de. Ich bin ziemlich sicher, dass solche Sorten in wenigen Jahren auch bei Nutzgärtnern einen festen Platz im Anbau haben. Bei mir haben sie das schon länger. Das ist so erfolgreich, dass Manche vermuten, ich würde nachts mit einem bösen Spritzmittel heimlich Tomatenpflanzen behandeln, anders könne man ja keine Freilandtomaten wachsen lassen. Ein Nachbar baut riesige Dachkonstruktionen, ein Anderer geht auf frühe Freilandernten, bevor er seine befallenen Stöcke leider abräumen muss. Mein Hinweis auf die neuen Sorten verhallte (noch?), Phytophthora infestans und Folien-, Balkenverkäufer freut es.

Donnerstag, 10. März 2022

Die Selbstversorgerphantasie

Selbstversorger- aber nur Gemüse, kaum Nährmittel

"Selbstversorger" ist seit einiger Zeit ein absoluter Modebegriff. Das ist eigentlich recht witzig, denn der Begriff ist schlichtweg eine Lüge. Niemand in Mitteleuropa schafft es, Selbstversorger zu sein. Es sind so wenig Leute wie nie auch nur annähernd Selbstversorger und auch ganz Deutschland kann sich nicht einmal annähernd selbst von dem versorgen, was hier wächst.

Selten gehen Wünsche und Realität von Nutzgärtnern so weit auseinander wie bei diesem Begriff. Gross wird in allerlei Videos, Webseiten, in sozialen Netzen durch endlos Experten und Grünfingern von Selbstversorger-Methoden berichtet. Manche Leute stellen komplexe Rechnungen auf und fragen sich, wie gross der Garten sein muss, wieviel man anbauen muss um die Selbstversorger-Ehrenmedallie zu verdienen. Aber Selbstversorger ist gar niemand, auch nicht Leute die auf viel bebaubarem Land sitzen. Wer es nicht beruflich macht, kann nicht einmal Grundzutaten für tagtäglich gegessene einfachste Lebensmittel selbst herstellen. Praktisch alle Kalorien, alle Sattmacher, alle Nährmittel, Zucker wachsen kaum in unseren Nutzgärten. Wo sind sie, die Getreidesorten für unser Brot, Gebäck und unsere Nudeln? Wo im Garten stehen die Pflanzen und/oder Tiere für Fett und Öl? Wo wachsen unsere Hülsenfrüchte für genug Proteine, die Linsen, die Soja- und Kernbohnen, die Kichererbsen? Selbst der Kartoffelbedarf lässt sich aus den allermeisten Gärten nicht decken. Eier, ja, mit Hühnerhaltung, aber woher nehmen wir das Hühnerfutter? Das gilt auch für andere Tiere. Kuh, Schwein? Schafe sind leicht populärer geworden - bei den wenigen glücklichen Leuten, die grosse Liegenschaften geerbt, angeheiratet oder mit Millionen gekauft haben. Jedoch auch da: Butter, Käse, Milch haben, nur mit Schafen - viel Spass.

Selbstversorgung mit Tomaten gelungen

Letztlich bedeutet der Begriff "Selbstversorgung" immer nur, dass man mit viel Einsatz in einigen Monaten etwas Gemüse und Obst aus eigenem Anbau hat und ein paar wenige platzprivilegierte Tierhalter noch einige wenige tierische Produkte erwirtschaften, wobei sie relevante Anteile des Tierfutters dazukaufen. Was uns tatsächlich satt macht, kaufen wir fast immer, es wird nicht vom netten Biobauern nebenan, sondern von spezialisierten Grossbetrieben angebaut, meistens im Ausland oder mit importierten Futtermitteln. Und von Textilienfasern und nachwachsender Energie fangen wir besser gar nicht erst an zu reden.

Wir kaufen es nicht nur von anderen Produzenten im Land, wir importieren es von ausserhalb, über Kontinente hinweg. Denn in grossem Maßstab läuft es nicht anders. Deutschland ist grösster Lebensmittelimporteur der Welt, schon seit Jahrzehnten, bis heute. Gemessen nicht nur im Wert, sondern auch in der Menge. Allein von 2000 bis 2010 haben sich Agrarimporte von knapp 10 Millionen Tonnen auf über 15 Millionen Tonnen erhöht, das nicht nur absolut, sondern auch ein hoher Pro-Kopf-Wert. Schon seit weit über hundert Jahren kann im (damals noch viel grösseren und landwirtschaftlich reicheren) Land nicht einmal mehr annähernd das produziert werden, was verbraucht wird. Selbstversorger? Hat sich was. Und was hier produziert wird, verlässt sich auch auf importierte Produkte, zum Beispiel Tierfutter. Deutsche Milch und deutsches Schweinefleisch? 90% des Futters für die hier gezüchteten Tiere wird importiert - der grösste Teil aus anderen Erdteilen. Es gibt nur ein paar wenige Spezialprodukte, bei denen das Produktionssaldo positiv ist. Selbst bei so urdeutsch wirkenden simplen Obstsorten wie Äpfeln ist Deutschland das grösste Importland der Welt - importiert werden Äpfel im Wert von über einer halben Milliarde Euro, exportiert weit weniger. Beim Apfelsaft ist die Situation noch weit drastischer.

Kartoffeln, reichen eine Woche

Woher solls auch kommen? Das Bundesland Baden-Württemberg hat beispielsweise 816000 Hektar Ackerfläche. Bei mittlerweile (ununterbrochen entgegen allen Vorhersagen stetig steigenden) 11 Millionen Einwohnern macht das nicht einmal 750 Quadratmeter Acker pro Kopf aus. Weltweit sind es 1800 bis 2000 Quadratmeter. Nachbar Frankreich liegt bei 2700, Rumänien bei über 5000, hat ausserdem sehr hochwertige Böden. Auf diesem 750 Quadratmeter-Acker müssten Nährmittel, Öle, Zucker, Hülsenfrüchte, alle Futtermittel, Faserpflanzen, Energiepflanzen produziert werden, in einem Klima das nur maximal fünf frostfreie Monate im Jahr hat und mittlerweile ertragsmindernd unregelmässig gewordene Niederschläge zwischen monatelanger Trockenheit und Überschwemmung. Völlig absurd. Tatsächlich würden noch nicht einmal streng vegane und einseitige Ernährung, Lumpen statt Kleider aus Faserpflanzen, Holzherd (Holz woher?) statt Biogas aus Mais, intensiver Anbau ausreichen von dieser Fläche würdig zu leben. Im Bioanbau mit seinen obendrein niedrigeren Erträgen würde bitterer Hunger recht früh kommen. Nimmt man Mangel, Kälte und extrem einseitige Ernährung die bald zu Krankheiten führen in Kauf, könnte bei Intensivanbau (Düngemittel woher?) vielleicht das sofortige hungern vermieden werden. Jeden Tag im Jahr ein roher, kalter Getreidebrei in Wasser würde bei 800g Weizenertrag (353kcal/100g) pro qm im konventionellen Anbau pro Quadratmeter wenigstens den Magen füllen, dafür wären 360qm nötig, auf dem Rest der Fläche müssten Proteine, Gemüse für Vitamine stehen und die Energie für Landmaschinen, Dünger- und Pflanzenschutzmittel müsste aus der Luft herbeischweben. Und Vorsicht, alles ist perfekt zu lagern, kein Gramm zu verschwenden, nichts verschimmeln, nichts von Käfern fressen lassen. Keine Missernte erleben. Fazit: Die Decke ist nicht nur ein bisschen, sie ist um ein Vielfaches und drastisch zu kurz.

Ein Kofferraum voll Selbstversorgung

Die Aussichten für die Zukunft sind nicht besser. Agrarland wird rasend schnell absichtlich und gründlichst vernichtet. Im Grün regierten Baden-Württemberg geht der Flächenfrass beispielsweise hemmungslos weiter wie bei Dauerbesoffenen, die nicht von der Flasche weg können. Es ändert sich nur jeweils die Flaschenfarbe, momentan ist sie Grün. Die besten Böden unserer Gemeinde wurden mit rücksichtsloser Brutalität gegen das Land zu Grosslagern, anderen Lager und LKW-Aufmarschplätzen zubetoniert. Welche Partei an der Macht ist, spielt absolut keine Rolle, unter der grünen Regierung läuft alles ungehemmt weiter wie bisher mit Rekordjahren wie 2017, die Selbstlügen dazu sind nur noch grösser geworden. Auch die dies immer weiter anheizende Bevölkerungszunahme durch die politisch hocherwünschte Zuwanderung ohne jedes Limit scheint keine Grenzen zu kennen. Es wird gequetscht, gepresst, gebaut und gestapelt und das Land damit kaputt gemacht. Bei den Agrarerträgen sind die Grenzen aber längst erreicht, da hat sich nicht mehr allzuviel getan, die meisten Kulturen liegen an ihren biologisch bedingten Grenzen, die auch durch Züchtung nicht mehr wesentlich ausgeweitet werden können. Die Hektarerträge von Reis in Asien, Mais in Deutschland, Weizen, Gerste änderten sich im letzten Jahrzehnt nicht mehr wirklich.

Der Selbstversorger ist also ein Traumwesen, im Grossen wie im Kleinen. Eine unehrliche Täuschung, die sich täglich zwischen wachsenden Industriegebieten, wachsenden Bürgerpalästen, wachsenden Freiflächen-Solaranlagen und immer mehr extremen Wetterlagen weiter und weiter von der Realität entfernt. Es wäre ehrlicher, nur von Hobbygärtner, Nutzgärtner, Genussgärtner zu reden, der ein paar ausgewählte Genüsse teilweise selber anbaut, aber nie davon länger satt wird.

Selbstversorger mit LKWs, hier war einmal bester Ackerboden

 

Dienstag, 1. März 2022

Scharlachdorn, das leckere Wildobst

Angebissenes Früchtchen

Jetzt ist Pflanzzeit für ein nahezu unbekanntes, aber wertvolles Wildobst. Er sieht auch jetzt im Winter eindrucksvoll aus und meine erste Begegnung mit ihm vor ein paar Jahren löste eine intensive Suche nach der genauen Art aus. Begegnet bin ich ihm in der Hecken- und Gehölzzone am städtischen Hallenbad, wo viele interessante Pflanzen gewachsen sind. In den 1970er Jahren gab es hier in Möckmühl einen Gartenbauer in städtischem Auftrag oder jemand des städtischen Bauhofs, der richtig was drauf hatte. Bepflanzungen aus dieser Zeit stechen richtiggehend heraus. Es wurden viele insektenfreundliche Blühgehölzarten gepflanzt, sehr standortangepasst, robuste Arten, fast immer auch fruchttragend, Wildobst für Vögel, pflegeleicht. Oft einfallsreich und mit Liebe zur Vielfalt, nicht nur die gerade modischen Standartarten der damaligen Zeit. Irgendwann in den 1990er Jahren gab es dann offenbar einen Verantwortlichenwechsel und was ab dann gepflanzt wurde, wurde sichtlich wertlos, lieblos, langweilig. Seit einigen Jahren fand dann ein totaler Zusammenbruch statt. Den alten Blühpflanzenbeständen begegnet das heutige Personal regelrecht hasserfüllt, es wird seither rücksichtslos ausgeholzt, abgesägt und durch absolute Katastrophen ersetzt, wenn man gezwungen ist etwas Neues zu pflanzen. Wildbirnen - Kettensäge, stattdessen Zwergkastanien. Blühhecken - abgesägt, stattdessen Hainbuche. Weissdorne - Kettensäge, stattdessen schmale Sumpfeichen. Kornelkirsche - abgegraben, stattdessen gar nichts. Es ist kaum mehr etwas übrig aus der befähigten Gartenbauergeneration.

Früchte in Vollreife, teilweise schon abgefallen 29.8.

Bis vor einigen Jahren war auch um das städtische Hallenbad herum noch viel dieser tollen ursprünglichen Bepflanzung vorhanden. Darunter auch mehrere auffallende weissdornartige Gewächse, etwa 3-3,5m hoch und mit eindrucksvollen langen Dornen. Da habe ich sie kennengelernt. Im Spätsommer hatten sie rote Früchte, die ich probiert habe und davon sehr überrascht war. In Deutschland wachsende Weissdornarten sind normalerweise nur für Vögel interessant, die Früchte sind zwar geniessbar, aber als Wildobst für den Menschen wenig attraktiv. Sie sind mehlig und haben kaum Aroma. Aber der hier war richtig gut, hat sich deutlich und positiv von anderen Weissdornen abgehoben.

Früchte gesammelt 29.8.
  • Fast schon saftige Früchte jedenfalls viel weniger trocken wie die anderer Weissdorne
  • Für einen Weissdorn Früchte mit guter Grösse, etwa 1,5cm Durchmesser im Schnitt. Weich, innen Kerne, die man mitessen konnte oder ausspucken, leichter trennbar als bei anderen Weissdornen.
  • Das Beste war der Geschmack, das Aroma: Im Gegensatz zu den bekannten Weissdornen war dieser kräftig, mit deutlichen Aromakomponenten (in der Reihenfolge) nach Hagebutte, Orange, Apfel, süss mit angenehmer Säure und keinen unrunden Gerbstoffnoten. Farbe des Fruchtfleischs: Gelborange, oft kräftig gefärbt.

Aber was war es? Von weitem wirkte die Pflanze wie ein Zierapfel. Weissdornarten der Gattung Crataegus gibt es wie Sand am Meer, dazu noch Hybriden, Kreuzungen, ich war mir nicht mal sicher ob es überhaupt ein Baum dieser Familie ist. Schliesslich der Treffer: Es handelte sich um "Scharlachdorn" (Crataegus pedicellata oder Crataegus coccinea oder Crataegus intricata), eine Weissdornart aus Nordostamerika.

Scharlachdorn - der Baum

Habitus des Baums im Winter

Die Art wächst manchmal etwas sparrig und wird nur ein paar Meter hoch. Er ist schnittverträglich, man kann ihn auch als Hecke mit 1-2m Höhe ziehen. Optisch wirkt er wegen der Dornen gefährlich, ist aber nicht so eng und undurchdringlich wie dieser Eindruck nahelegt. Wie die meisten amerikanischen Laubholzarten bekommt er eine schöne Herbst-Blattfärbung. Er blüht sehr reichlich und schön mit typischen Rosacea-Blüten (für Bienen sehr attraktiv, Nektar und Pollen) ab Mitte April, die Früchte sind ab Ende August, September reif.

Fruchtsorten und Auslesen auf Fruchtqualität scheint es nicht zu geben, gefunden ich ich keine. Leider, denn er wäre es wert. Als Wildobst ist er nicht bekannter wie andere Weissdornarten. Optisch ähnliche Früchte haben auch der Arnold-Weißdorn (Crataegus arnoldian), der Punktierte Weissdorn (Crataegus punctata) und der Pennsylvanische Weissdorn (Crataegus pennsylvanica. Von diesen ebenfalls amerikanischen Arten gibt es auch Auslesen, Zbigniew, Ljudmyl, Shamil, benannt in der Ukraine.

Blüten Scharlachdorn, eben aufgegangen am 15. April


Eigener Anbau

Eindrucksvolle Dornen

Lange lebten sie nicht mehr, die Scharlachdorne. Bis auf eine letzte, traurig verkümmerte Pflanze hat die Stadt sie wie üblich alle einfach abgesägt oder die Blühheckenreste mit ihnen abgebaggert, teils zugebaut oder zubetoniert - die übliche Ignoranz, Ablehnung, Inkompetenz, Bebauungsdruck, an dessen Ende immer dauerhaft tote Flächen stehen.

Für mich war Scharlachdorn so interessant, dass ich die Art in die Hecke am Rand der Obstwiese gepflanzt habe. Dort zeigte sich zunächst recht langsames Wachstum, das sich dann plötzlich beschleunigte. Ohne die "Pflege" der Gemeinde wuchs er schön, mit einem leicht geschwungenen Haupttrieb, durchaus ein ansehnliches kleines Bäumchen. Hitze, Winterfrost und Trockenheit überstand er von Anfang an. Er fing bald an zu fruchten, wobei die Früchte zunächst etwas kleiner bleiben, bei älteren Pflanzen werden sie grösser. Da zwar baldiger Fruchtbehang, aber kein anderer Scharlachdorn in der Nähe war, ist er offensichtlich selbstfruchtbar oder heimischer Weissdorn befruchtet ihn, letzteres unwahrscheinlich aber möglich. Und Vorsicht, trotz der Dornen werden weiche Jungtriebe vom Wild gefressen, Jungpflanzen müssen also geschützt werden. Die Früchte sind wie alle kleinen roten Früchte für Vögel attraktiv. Krankheiten gleich welcher Art waren nicht sichtbar. Weissdorne sind meistens gesunde, unempfindliche Pflanzen, aber feuerbrandanfällig, was ich am Scharlachdorn aber nicht beobachtet habe. Kalkboden ist von Vorteil.

Knospe am 21.12. mit schönem, lackartigem Schutzharz überzogen
Reife Früchte, schwach doldenartig

Die Früchte sind wie gesagt überraschend lecker, am Besten frisch gegessen und die Kerne bei Bedarf ausgespuckt. Die Reife findet folgernd statt, vollreife Früchte fallen von selbst vom Baum  und können dann noch gut verwertet werden. Man kann auch schütteln oder direkt pflücken. Die Verarbeitung ist einfach, da die Früchte weich sind. Für das Fruchtmus dreht man sie zerquetscht durch eine Passiermühle und für Saft (zur Geleebereitung) lässt man die Maische mit etwas Pektinase stehen, wie in früheren Beiträgen https://gartenzone.blogspot.com/2021/12/der-saftladen.html beschrieben. Optisch sehen ältere Bäume Dank der leuchtenden Früchte reich behangen aus, aber die "Erntetonnage" ist nicht so riesig. Besser also gleich zwei Bäume setzen, wenn man es auf die Verwertung der Früchte abgesehen hat.

Seine begrenzte Grösse und anderen Vorteile machen ihn auch für Haus- und Vorgarten geeignet. Scharlachdorn - einer der wertvollsten Weissdorne.

Austrieb, aufbrechende Knospen am 19.2.

Jungbaum nach ein paar Jahren im Winter

Blätter und unreife Früchte Scharlachdorn 30.5.

Freitag, 18. Februar 2022

Die lieben Nachbarn

Herausgepflügter Grenzstein
Im engen und sehr stark vernutzten Deutschland ist es für Nutzgärtner heute fast unmöglich, taugliche Hausgärten oder wenigstens nicht zu weit entfernte Aussengärten zu bekommen. Wer nichts Brauchbares erbt, kein grosses Glück hat und nicht auf Goldsäcken sitzt, hat Pech gehabt und kann einen Garten nur in Form von "Farmville"-Spielen auf dem Smartphone beackern oder mit Balkontomaten spielen. Fette Garagen und Stellplätze, überall hingequetschte aufgeblähte und dröge Bürgerpaläste sind viel leichter zu finden wie bepflanzbare Fläche.

Und auch mit einem vorhandenen Garten gibt es unvermeidliche Begleiterscheinungen in Form von Nachbarn, zwischen die man zwangsläufig eingezwängt ist, ihren Koniferen oder anderen Schattenwurfkonstruktionen, den rauchenden Dauergrills, die mückenbrütenden künstlichen Gartenteichsümpfe, im Hitzestau zugepflasterten Bodens und allerlei Hüttenbauwerken. Wir haben immerhin noch das Glück, dass unsere Nachbarn einige Begleiterscheinungen unseres Nutzgartens und Nutztiere akzeptieren, was sonst oft kritisch gesehen wird - die Hühner etwa oder ein Bienenvolk auf dem Grundstück. Das ist alles nicht selbstverständlich und auch wenn es rechtlich erlaubt ist: Der Unfrieden nagt trotzdem, wenn es dann doch wühlt, egal ob berechtigt oder nicht.

In unserem Aussengarten im benachbarten Dorf Möckmühl-Korb geht es jedoch anders zur Sache. Da werden wir permanent genau beglotzt, weil wir nicht daneben wohnen, nicht zum Dorf gehören und wurden auch schon rücksichtslos offen angegriffen. Am Rande des Dorfs gibt es Nachbarn, die neben unserem alten Gartengrundstück richtig Ärger machten. Auch sonst läuft da einiges komisch, hätte ich das gewusst hätte ich auf das Gartengrundstück dort verzichtet - Bekannte warnten mich schon, Korb sei das "Dorf der Bekloppten", was ich als ironische Übertreibung wertete. Und dabei kannte ich sogar schon einige Leute dort, auf die das gut passt. Aufgefallen sind mir dort immer nur überdurchschnittlich viele verkniffenen Gesichter und dass unglaublich genau beobachtet wird, wer was macht, mehr noch wie die dorftypische gegenseitige Kontrolle, aber das wertet man auch erst als Subjektivität, Zufall.

Es sollte schlimmer kommen als nur komische Eindrücke. Wir haben dort wie im Hausgarten auch ein Pferdemistbeet, das mit Vlies abgedeckt wird, dort kommen Kürbisse drauf, ganz klassisch. Der riecht weder frisch noch abgelagert. Selbst wenn es kurzzeitig so wäre (was es nicht war), in einem Dorf mit verbreiteter Vieh- und Tierhaltung aller Art wäre das völlig normal. Aber das in der Nähe permanent herumsitzende und glotzende (was mir völlig egal ist) Rentnernachbarpaar brachte dazu einen überraschenden, heftigen, lauten, giftigen Frontalangriff aus heiterem Himmel, die Pferdeäpfel würden stinken, keine Pferdeäpfel im Garten gefälligst, sie werden sich beschweren bei der Gemeinde, unmöglich. Und so weiter. Hä?

Von da an kam noch viel mehr, über das zu beklagen sich hier nicht lohnt zu berichten. Ignorieren? Sicher. Auch hier: Der Unfrieden nagt trotzdem. Und die gestörten Quengler neigen dazu, ihren eigenen Unfrieden mit erfundenen Geschichten weiter auszubauen, Andere einzubeziehen, so dass sich ungute Stimmung ausbreitet. So passierte es auch. Und wehe! man macht selber tatsächlich einmal irgendeinen einen Fehler, antwortet falsch. Unter strenger Beobachtung wird das zum Super-GAU. Rückkehr aus dem Kriegszustand bis zum Tod ausgeschlossen. Komisch war auch, wie die Leute sich selber benommen haben. Mir sollte das Mistbeet verboten werden, direkt vor meiner Nase pumpte ein Korber Landwirt den Bach trotz ausdrücklichem Wasserentnahmeverbot mit der Motorpumpe leer. Umwelt und Natur sind im ganzen Dorf nur lästiges Zerstörungsfeld.

Doch nicht nur unterbeschäftigte und nervtötende Nachbarbewohner oder aufgeblasene Holzköpfe können einem das Leben schwer machen. Draussen in der Landschaft auf meinen Obstwiesen haben auch die landwirtschaftlichen "Profis" schon für endlos Erlebnisse gesorgt:

  • Einer, Landwirt, hatte einen grossen Mäher, mit dem er die Nachbarwiese meiner Obstwiese mähte. Um sich fünf Meter Umweg zu sparen, fuhr er statt über den Weg einfach quer über mein Grundstück durch meine Baumreihen hindurch. Mit dem bereits laufenden Mäher säbelte er damit meinen schönsten Kirschbaum bodennah samt Verbisschutz ab. Reaktion von ihm: Abhauen und Schweigen.
  • Eine Zwetschgenhecke ausschliesslich auf Fläche meiner anderen Obstwiese wachsend wurde mir vom Weg her mit einem Forstschredder abgefräst. Reaktion vom bekannten Verursacher: Schweigen.
  • Ein Landwirt pflegte sein angrenzendes Zuckerrübenfeld wirklich vorbildlich und hackte besonders gross gewordenes Unkraut aus. Das warf er einfach auf meine Obstwiese, über eine Trockenmauer hinab auf meine Tafeltraubenrebenreihe. Reaktion von ihm: Schweigen.
  • Einer mähte mit schweren Gerät einen angrenzenden Grasweg. Offenbar besoffen oder am Handy spielend, denn er machte auf schnurgerader Strecke eine Kurve und fräste in meinen Heckenhang und über eine von mir angelegte Treppe aus Feldsteinen hinein, die damit zerstört wurde. Reaktion von ihm: Abhauen, schweigen.
  • In der Nähe sein reicht: Irgendwelche Erbinnen lassen ihre geerbte Obstwiese vergammeln, Meine liegt daneben. Verpachten oder nutzen lassen oder gar verkaufen wollen die Damen natürlich nicht, lieber alles trotz Mäh- und Pflegepflicht verrotten lassen. Irgendwann fällt dort ein seit Jahren toter Baum um und beschädigt den Zaun eines benachbarten Pferdehofs. Als ich bei mir Baumschnitt mache, sieht das die Pferdehofdame, kommt vorbei und macht mich ohne Punkt und Komma zur Sau, was das solle, der Baum der ihre Koppel beschädigt. Ich komme gar nicht zu Wort. Als ich es komme, sage ich ihr gesittet, dass ich mit dem Nachbargrundstück nichts zu tun habe, sie wende sich bitte an die Besitzer. Reaktion von ihr: Schweigen mit offenem Mund. Sie dreht sich um und geht einfach. Sind keine Dritten in der Nähe, werden viele Leute enthemmt und drehen leicht durch.
  • Letzte Woche: Unser entfernt liegender Acker, Erbstück, verpachtet gegen Centbeträge, weit unter landesüblicher Pacht. Ein Ende der Fläche ist nicht als Acker genutzt, sondern als eine 200qm kleine Obstwiese. Vier Bäume, teilweise alt und nicht mehr gesund. Ich pflanze neue Apfelbäume, schütze sie mit Pfahl und Draht. Landwirt mäht sie einfach um. "Ist halt passiert". Letzter und ältester Baum wird morsch, ich will ihn absägen. Baum stürzt Ende Februar im Sturm um. Landwirt fährt mit Traktor sofort in derselben Woche hin, klaut den Stamm, das Geäst lässt er liegen. Ich bekomme nicht mal mehr das Brennholz. Reaktion von ihm: Schweigen. Diese Landwirte sind im Boom-Landkreis meistens mehrfache Millionäre, Geld vom Baulandverkauf macht sie dazu, während sie sich gegen die eigenen Verpächter wie die allerletzten kriminellen Bescheisser benehmen und in ihrer Arroganz auch noch glauben, das würde keiner merken. Bezahlt werden sie auch mit Agrarsubventionen, auch für Pachtland, wer mal nachsehen will für was seine Landwirtsnachbarn Geld bekommen kann dies in einer Datenbank tun, einfach die Gemeinde eingeben in der die Leute sind: https://agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche . Übrigens hat man sich hierzulande strikt geweigert, diese Zahlungen gemäss EU-Vorschrift offen zu legen, das musste erst gerichtlich erzwungen werden. Proteste vom klimatisierten 300000 - Euro Traktor herunter wirken auch etwas seltsam.

Und Nein, Landwirte sind selbstverständlich nicht alle so, es gibt wie in fast jedem Beruf (ausser Juristen, würden Viele sagen) auch viele ausgesprochen ehrbare, hochintelligente, sachkundige, offene Menschen, mit denen von vornherein selten Probleme entstehen. Ich kenne Einige, wenn auch eher seltener vom Typ "Landwirt aus Passion und Willen" und mehr "Landwirt weil Land geerbt". Von denen ist aber hier nicht die Rede. Leider gibts auch mehr als genug der "anderen Sorte" oder reine Opportunisten: Lächeln, wo es was bringt; zuschlagen wo es was bringt. Und man kann sich niemand als Nachbarn aussuchen.

Was tun?

Was ist zu tun, wie geht man mit solchen Dingen um? Aus langer Obstwiesen- und Nutzgartenerfahrung kann ich dazu sagen:

  • Es gibt keinen Ort im engen Deutschland, der sicher vor übergriffigen oder irren Nachbarn ist. Ein Garten ist immobil, man kann nicht mit ihm umziehen wenn einem die Nachbarn nicht passen und wenn man selber umzieht, ist das Risiko woanders genauso hoch. Fazit: Keine Flucht, keine Suche nach besseren Orten machen, sondern das Risiko irrer und toxischer Nachbarn muss zunächst einmal als unvermeidliches Faktum gesehen werden. Freuen, wenn es nicht so kommt, sich klar machen dass es so kommen kann.
  • Mit Landwirten zu sprechen, die Mist bauen ist meistens ergebnislos oder, schlimmer noch, ruft Trotz und noch mehr Ärger hervor. Man wird als Hobbyist mit Obst-Hanggrundstück ohnehin nicht anerkannt, sondern lächerlich gemacht und grinsend mit völlig erlogenen Märchenerzählungen für dumm verkauft. Rechtliche Schritte bei Übergriffen kann man sich sparen. Man müsste Gerät und Person in flagranti beweisbar erwischen. Typischerweise kommt Herr Landwirt zuerst mit "das hat ein Anderer getan, vielleicht jemand der es mir anhängen will". Das ist auch ihre Standardausrede, wenn sie Grenzsteine notorisch herausackern. In eine enge Gerätehalle fahren sie millimetergenau, auf dem Acker liegen alle Grenzsteine herausgepflügt am Rand und man schneidet mit dem Tiefpflug besonders in die Nachbarobstwiese, so dass den Bäumen halbseitig die Wurzeln abgeschnitten werden. Auch das habe ich mehrmals erlebt, zum Glück nicht bei meinen eigenen Bäumen.
  • Selber mit offenen Karten spielen. Wer sich bei mir beschwert, erhält von mir meine Visitenkarte. Wer ich bin, kriegt man sowieso raus, die Visitenkarte zu überreichen strahlt Selbstbewusstsein aus und zeigt, dass man dazu steht, was man macht. Es gab schon Leute, die sich mit dieser Visitenkarte in der Hand im Überschwang des Ärgers tatsächlich bei Dritten beschwert haben, womit sie sich gründlich selbst lächerlich gemacht haben, was dann auch für Ruhe sorgte.
  • Kleine Geschenke, Versöhnlicheit, mehr als Standardhöflichkeit zeigen sind nett, bringen aber absolut nichts oder verführen zu weiteren Übergriffen nach dem Motto "Baum niederwalzen und lächelnd Geschenke dafür bekommen". Die meisten Ärgerproduzenten tun das, weil sie es können, weil man existiert, weil sie gekränkt sind, weil sie einen sowieso für dumm verkaufen und lassen davon nicht ab, wenn man auf gutes Wetter und normale Nachbarschaft macht.
  • Ungerührtes, gradliniges, korrektes Verhalten ohne oder mit ungekünsteltem Lächeln im Gesicht ist meist die beste Strategie. Bei landwirtschaftlichen Nachbarn sollte man seinen passiven Schutz stärken. Ein Jungbaum am Rand, der nicht von einem dünnen Holzpfahl gestützt wird sondern von einem alten Stahl-Wasserrohr wird eher nicht vom Mäher angesägt. Sichtbarmachung und Schutz des Grundstücks anstreben, zum Beispiel indem man Holzstapel direkt an die Grenze setzt und sich damit trotz Zaunverbot im Aussenbereich schützt. Das zeigt auch, dass hier kein vergessenes Wildgrundstück zur freien Verwendung liegt.
    Dummes Geschwätz von Nachbarn sollte man sich nicht anhören, damit beschmutzt man sich nur, lässt sich Zeit und Nerven stehlen. Solche verbales Müllabladungen sollte man kurz und heftig unterbrechen, anstatt Zuhörer oder gar Therapeut zu spielen.

Zu jedem Garten und jedem Grundstück gehören viele Nachbarn und bei einem gewissen Prozentsatz wünscht man sich, sie oder man selbst wären lieber woanders. Das müssen wir akzeptieren in einer Weltgegend, die erstickend dicht besiedelt, bebaut, stark genutzt ist und restlos parzelliert bis in kleinste Einheiten. Einfache Lösungen und Auswege gibt es nicht.