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Sonntag, 21. April 2024

Sterbende Äste an Steinobst: Monilia

Lichte Aprikosenkrone mit moniliabefallenen Ästen

Zweigmonilia,  Monilia-Spitzendürre, monilia laxa oder Monilinia ist in meiner und vielen anderen Lagen die beherrschende und begrenzende Pilzkrankheit an sehr vielen Steinobstarten. Am schlimmsten wütet sie an Aprikosen, Renekloden, Sauerkirschen, Koreakirschen. Stark befallen werden auch Mirabellen, viele Kirschen, Mandeln, Zwetschgen, Pfirsiche. In manchen Jahren erwischt es auch Kernobstaustriebe, dann vor allem Birnensorten. Manche Lagen sind besser, luftigsonnige Südostlagen, Höhenlagen, kontinentales Klima haben Vorteile bis hin zu dem Punkt, dass sie dort überhaupt nicht auftritt. Auch überdacht, etwa an Hauswänden mit Dachüberstand ist Steinobst moniliageschützt.

Wenige Wochen vorher

Aprikosen trifft es immer am stärksten. Dieses Jahr war der schlimmste Befallsfrühling seit langem. Ausgerechnet! Denn ausnahmsweise sind die Blüten und Jungfrüchte lange nicht abgefroren, wie es seit 2017 immer der Fall war. Stattdessen sind diesmal die Zweige samt Jungfrüchten wegen Moniliabefall sofort nach Blüte abgestorben bis hin zum Totalverlust von Bäumen. Es ist zum mäusemelken, einmal friert nichts sofort wieder ab und dann vernichtet diese Krankheit alles. Wie sieht sie aus, Diagnosebild?

Monilia laxa, das Schadbild

Monilia an Koreakirschen (prunus tomentosa)

An Aprikosen ist die Krankheit leicht zu identifizieren. Kurz nach oder schon während der Blüte sterben mindestens die letztjährigen Triebe, sie verwelken. Das kann eine Weile anhalten und auch noch später im Jahr weitergehen. Charakteristisch sind Harztropfen, die durch Saftdruck aus den Ästen austreten. Der Pilz dringt bei Feuchtigkeit (länger Tau nachts reicht) durch die offenen Blüten und Rindenverletzungen in die Äste, breitet sich dort zuerst im jungen Holz aus und blockiert die Saftbahnen. Äste ohne Blüten werden kaum befallen. Hinter der Blockade zur Astspitze hin stirbt der Ast dadurch unrettbar ab, mitsamt Blüten, Früchten, Blättern dran. Vor der Blockade staut sich Saft und Baumharz, tritt schliesslich aus. Man kann zusehen, wie der Baum rückwärts wächst.

Monilia bei einer Zwetschge

Der Harzfluss ist auch Pfirsichen und Mandeln zu sehen. An anderem Steinobst nur manchmal oder nicht. An Birnen verwelkt die ausgetriebene Knospe mit den neuen Blüten und Blättern, auch an Kirschen erwischt es zuerst die Blütenbüschel. Betroffene Austriebe welken.

Monilia in den Austriebsbüscheln von Birnen

Gerne übersehen, aber dann bitter bereut wird es, wenn Moniliapilze durch Winterschnitt in den Baum kommten Vor allem Jungpflanzen, die nach der Pflanzung einen Pflanzschnitt erhalten sind stark gefährdert. Dort dringen Moniliapilze über die offenen Astringe auch in älteres Holz und machen richtig übel Schaden. Vermeidbar! Niemals Steinobst im Winter schneiden. Das wird von selbsternannten Experten gerne in Abrede gestellt, meist weil sie es mal gemacht und haben und "nichts passierte" oder weil sie gar nicht begriffen haben, dass sich Steinobst und Kernobst in diesem Punkt stark unterscheiden. Oder pures Glück oder eine bevorzugte Lage wird dann voller Ahnungslosigkeit zur Allgemeingültigkeit erhoben. Ein Fehler. Auch ich habe dieses Jahr wieder zwei Bäume, Pfirsich und ein Aprikose, die von der Baumschule mit Pflanzschnitt geliefert wurden (auch, damit sie leichter versendet werden können) und deren Äste dann natürlich von den Schnittorten her weit hinein abgestorben sind. Das war auch die Jahre vorher so, dieser Schnitt ist selbst bei günstigem Wetter eine sehr zuverlässige Eintrittspforte in den vormals gesunden Baum.

Monilia an Früchten?

 

Monilia fructigena Fruchtmumie mit veritablem Sporenrasen. Entfernen!
Durch Baumschulen und in Unterhaltungen wird Fruchtmonilia ausserdem gerne mit Zweigmonilia durcheinandergebracht. Für die an Früchten ist ein anderer Stamm verantwortlich, Monilia fructigena. Beide sind zwar nahe verwandt, aber zeigen völlig unterschiedliche Schadorte und Schadbilder. Fruchtmonilia befällt Früchte, wie der Name schon nahelegt. Durch kleinste Verletzungen in der Schale (Insekten, Risse, Wickler, Kirschessigfliege...) gelangt der Pilz in die Frucht, die dann fault. Das passiert bei praktisch allen Baumobstarten, Kernobstfrüchten wie Steinobstfrüchten. Monilia ist massgeblich für hängenbleibende Fruchtmumien verantwortlich. Das sind im Folgejahr böse Sporenquellen direkt neben neuen Früchten und erhöhen den Befallsdruck.

Wenn also irgendjemand, eine Baumschule von "robst gegen Monilia" daherredet, wäre erst einmal zu fragen, welche Monilia eigentlich gemeint ist. Die in Ästen oder die in Früchten? Entscheidend bei Steinobst ist immer Monilia laxa, die Spitzendürre. Eine höhere Anzahl fauler Früchte kann man leichter ertragen wie sterbende Äste und "rückwärts wachsende" Bäume.

Monilia bekämpfen

Charakteristischer Harztropfen vor totem Jungholz

Vorbeugende Massnahmen gegen Zweigmonilia sind:

  • Kein Baumschnitt und keine Astverletzungen im Winter. Steinobst "grün", erst nach der Blüte schneiden, wenn es warm und trocken ist.
  • Luftfeuchte, windstille, morgenschattige Lagen meiden, wenn man anfällige Gehölze pflanzt. Morgensonne ist wichtig, weil solche Orte nach nächtlichem Tau schneller abtrocknen, die Pflanzen sind kürzer feucht. Hört sich leicht an, aber in diesem engen, sehr dicht besiedelten Land kann man sich natürlich keine Grundstücke heraussuchen, man kann schon froh sein, wenigstens einen kleinen Rest-Hausgarten zu haben. Wer Aprikosen am Haus will, sollte unbedingt einen der wertvollen Orte mit Dachüberstand dafür nehmen, am besten einen der Richtung Ost oder Südost geht - Morgensonne statt Wetterseite.
  • Auch durch Verletzungen dringt Monilia ein
    Sortenwahl: Es gibt keine resistenten Aprikosen. Jede einzelne Sorte war dieses Jahr befallen. Sortenunterschiede existieren aber. Die sollte man unbedingt nutzen, wenn man neu pflanzt. Stark anfällig ist übrigens auch alles, was als Wildaprikose und Zuckeraprikose verkauft wird, ebenso praktisch alle alten Sorten, zum Beispiel die Marmeladenaprikose "ungarische Beste". Renekloden sind auch alle anfällig. Bei Mirabellen zeigt sich die Metzer Mirabelle robuster wie die Nancymirabelle. Etwas weniger anfällig zeigt sich bei mir "Orangered", "Kioto", "Elsa", "Mia". "Congat", eine späte Sorte soll auch besser sein, das muss ich noch ausprobieren. Sehr interessant ist ihre Kombination mit einer späten Blütezeit.
  • Der "luftige Schnitt" wird gerne empfohlen. Eine lichte Krone soll weniger anfällig sein. Das halte ich für eine wertlose Formel. Die besonders betroffenen Steinobstsorten wachsen sowieso nie dicht. Und man schneidet sowieso, damit keine Fruchtäste verschattet sind, damit ist das mit erledigt. Besser eine möglichst starkwachsende Unterlage, damit überhaupt Wachstum stattfindet trotz den nötigen Rückschnitten wegen toter Äste.
  • Tote Zweige ausschneiden. Aber erst später ab Frühsommer, niemals zu Infektionszeiten, wenn es feucht und noch kalt ist! Das wird in allen Ratgebern niemals gesagt, ist aber wichtig. Missachtet man das und schneidet noch im Frühling, erreicht man genau das Gegenteil, man zerstört die Äste noch tiefer, durch die offenen Stelle dringen neue Sporen ins lebende Gewebe ein. Erst bei anhaltender Wärme und Trockenheit schneiden, bei Aprikosen schneidet man bis kurz hinter den Harztropfen, von der Astspitze her gesehen.
  • Fruchtmonilia: Fruchtmumien konsequent entfernen.
Monilia: Durch die Blüten eingedrungen

Aktive Bekämpfung: Das übliche Bild, im kommerziellen Anbau kann die volle Dröhnung von Fungiziden auf die Bäume gedonnert werden. Privatleuten wurde Stück für Stück alles entzogen. Das letzte brauchbare Mittel ist "Duaxo Universal Pilz-frei" (Wirkstoff: Difenoconazol), sicher ist das auch bald weg. "Protect Garden Curacor T Steinobst-Pilzfrei" mit Fenhexamid soll etwas wirken, an Aprikosen aber zweifelhaft. Mit diesen Mitteln muss man mehrfach behandeln, wenn die erste Blüte offen ist, wenn der Baum voll blüht und wenn er verblüht ist. Das ist utopisch und gelingt selten, denn gerade in Infektionsjahren gibt es diese Gelegenheiten gar nicht, das ist ja gerade das Problem: Es regnet und deshalb kann man nicht spritzen. Gleichzeitig ermöglicht der Regen erst die Infektionen. Zugespitzt gesagt: Korrekt spritzen geht nur, wenn es unnötig ist, weil kein Infektionswetter herrscht. 

Später Befall an Aprikose, welkende Blätter

Der kommerzielle Anbau darf sich mit ganz anderen Mitteln betrinken: Kupfermittel, Mittel mit Fludioxonil, Mefentrifluconazole, Trifloxystrobin, Pyraclostrobin + Boscalid, Tebuconazol + Fluopyram sowie interessanterweise auch Kaliumhydrogencarbonat (enthalten im Produkt "Kumar") - das ist eine Backpulverart, in Lebensmitteln als E501 zugelassen und hier im Blog schon öfter genannt.

Kaliumhydrogencarbonat kann man auch selbst ausprobieren, weil es leicht erhältlich und anmischbar ist. Verboten ist natürlich trotzdem alles. Angewendet wird es ebenfalls ab Blühbeginn. Keine Rückstände, ungefährlich für Bienen. Einziger Nachteil: Schädigt Raubmilben der Art Typhlodromus pyri (fressen Spinnmilben an Obstgehölzen) und räuberische Blumenwanzen der Art Orius laevigatus (fressen Spinnmilben und Thirpse). Auch solche einfachen und ungiftigen Grundstoffe haben Nebenwirkungen. KHCO3 wirkt immer nur präventiv und nicht kurativ (heilend). Es zerfällt in Wasser, CO2 und Pottasche (Kaliumkarbonat). Dessen Anwendung wird mein Projekt nächstes Jahr.

Dienstag, 26. März 2024

Schnecken im Garten: Garten-Wegschnecke Arion Hortensis gewinnt

Die beiden Hauptgewinnerarten: Kleine Gartenwegschnecke
und spanische Wegschnecke als Jungtier

Schnecken, Gärtners Lieblingsthema. Wahrscheinlich gibts kein einziges Gartenblog, Gartenforum, Gespräche über Nutzgärten, in denen das Thema Schnecken nie angesprochen wird. Gerade ist Pflanz- und Aussaatzeit, da schleimt es besonders hoch, auch bei mir. Reihen wir uns also ein in den Wirbel um die gefrässigen Gastropoden.

Aber keinen Rundumschlag. Vielmehr ist die Frage aktuell und interessant, was sich mit dem veränderten Wetter in Sachen Schnecken getan und verändert hat, wo die aktuellen Probleme liegen. Verändert hat sich nämlich durchaus sehr viel. Es gibt Gewinner, Verlierer und auch alte Probleme sind schwächer geworden, Neue sind entstanden. Im Zentrum soll die Art "Arion hortensis" stehen, die kleine Garten-Wegschnecke. Es gibt anhaltende Diskussionen um genaue Artabgrenzungen, manchmal wird Arion distinctus (gemeine Wegschnecke) dazugezählt und manchmal wird Arion hortensis in Unterarten aufgeteilt. Das soll nicht Thema sein, im folgenden wird von Garten-Wegschnecke die Rede sein, egal wie genau man die sowieso sehr ähnlichen Arten aufteilt. Dieses Viech ist nämlich Hauptgewinnerin, über Jahre hinweg immer häufiger geworden und hat am meisten vom veränderten Wettermuster profitiert. Die Populationsdichten stiegen jahrelang stetig und in den vergangenen Monaten hatte nicht nur ich einen einzigartigen Befallshöhepunkt erlebt, weil die winterliche Regenzeit besonders früh begann.


Arion hortensis, wer ist das?

Kleine Gartenwegschnecke, von oben
Kleine Gartenwegschnecke, von unten

Diese Schneckenart mit vollem Namen "kleine Garten-Wegschnecke" ist eine kleine schwarze bis graubraune Nacktschnecke, hat eine ins Orange gehende Sohle und bleibt damit von oben her farblich sehr gut getarnt. Die Art ist ausgesprochen klein, wenn sie kriecht und langgezogen ist, dann liegt sie bei 3, höchstens 4cm. Sie lebt vorwiegend unterirdisch und kommt gerne nach Regen an die Erdoberfläche. Je trockener der Boden, desto tiefer kriecht sie hinunter. Das kann sie sehr gut, denn sie ist klein und kann sich sehr schmal machen, schon ein winziger Regenwurmgang reicht ihr, grosse Schneckenarten schaffen das nicht. Gerne sitzt sie dann an unterirdischen Wurzelresten, wo noch Feuchtigkeit ist. Damit schadet sie auch Wurzelgemüse viel stärker wie andere Arten, auch in Kartoffelknollen frisst sie sich hinein. Unterirdisch ist sie nicht bekämpfbar. Ihr Riesenvorteil ist zudem, dass sie auf diese Weise auch lange Trockenphasen so gut übersteht und vor allem eines schafft: Sich 12 Monate im Jahr schnell zu vermehren, auch im Winter. Sie wird sofort aktiv, wenn die Temperaturen über Null Grad steigen. Und damit hat sie stark erweiterte Betätigungszeiträume bekommen, denn die Zahl der Frosttage hat sich mehr als halbiert und damit die Aktivitäts- und Vermehrungstage des Winterhalbjahres verdoppelt. Stattdessen ist der Winter zur Regenzeit geworden - die Schnecken jubilieren. Ihre Nahrungspflanzen sind dieselben wie die aller anderer Nacktschnecken. 

Schneckensex zwischen zwei Arion Hortensis. Es sind Zwitter, Jede legt Eier.


Warum ist sie ein Problem?

Petersilienwurzel, durchlöchert von Arion Hortensis

Kleine Schnecke, frisst nicht viel, könnte man denken. Von wegen, sie macht das mit hoher Populationsdichte und starker flächenmässiger Präsenz wieder wett. Sie ist überall. Auch durch Schneckenzäune kommt sie locker, ihre Bodengängigkeit hilft ihr dabei, sie bewegt sich wie gesagt auch unterirdisch. Nematoden auszubringen hilft bei dieser Art und auch bei der spanischen Wegschnecke nicht. 

Kartoffel und Arion Hortensis

Hauptproblem ist, dass sie im neuen Warmwinter so aktiv ist. Hinzu kommt, dass der Winter gleichzeitig eine immer wichtigere Anbauzeit geworden. Wenn die Schnecken nicht wären. Die Pflanzen wachsen langsam, in jeder milden Phase kommt die Gartenwegschnecke und gleich dazu auch die spanische Wegschnecke und wandert zu den Pflanzen. Winterblumenkohl, Winterrettiche, alle Wintersalatsorten, im Spätwinter ausgepflanzte und gekeimte Jungpflanzen, Kulturen die heute auch im Winter im Beet bleiben wie Teltower Rübchen, Wurzeln der gelben Rübe ab Herbst massiv, sie schlagen zu. Der hohe Besatz mit Arion Hortensis sorgt dann rund ums Jahr auch im Sommerhalbjahr für anhaltende Schäden, dann nicht nur ober-, sondern leider auch stark unterirdisch.


Was tun gegen die kleine Gartenwegschnecke?

So sitzen sie an Brettern

Eine wirkliche Lösung habe ich nicht gefunden, nur viele Dinge die nicht funktionieren und ein paar, die ein bisschen funktionieren.



  • Nematoden: Wirkungslos. Die sauteuren Produkte mit beispielsweise PH Nematoden (Phasmarhabditis californica) gegen Schnecken kann man sich sparen.
  • Schneckenzaun: Wenig Wirkung. Auch teuer und unbequem. Innerhalb des Zauns muss erst strikt bekämpft und dann stetig beobachtet und weiter bekämpft werden. Wirkt besser gegen grosse Arten.
  • Nützlinge: Eine Dauerlüge, die längst nur noch nervt weil sie jeder nachplappert, ohne zu wissen was er sagt. Wir haben nachweislich eine sehr hohe Igel- und Blindschleichendichte, trotzdem explodierte der Schneckenbesatz geradezu. Eine Wildkamera filmt ständig neben anderem Getier auch Igel und selbst wenn nach Regen die Schleimer offen über den Boden kriechen, laufen die Stacheltiere ausnahmslos daran vorbei. Jedenfalls an den heutigen echten Problemarten.
  • Pak Choi Jungpflanze
    Schneckenkorn half nicht
  • Schneckenkorn: "Ferramol" mit Eisen-III-phosphat ist praktisch wirkungslos ggen Arion Hortensis und gleichzeitig das teuerste Schneckenkorn, bezogen auf die empfohlene Aufwandsmenge pro Quadratmeter. Profis verwenden es nicht. Tönnchenförmiges Schneckenkorn mit Metaldehyd (=Trockenspiritus wie in "Esbit") wirkt mässig bis schlecht. Produkte mit kleinerem Granulat (z.B. "Schneckenlinsen") wirken mässig. Die Aufwandsmenge pro Quadratmeter ist identisch, aber das feinere Granulat wird dichter gestreut, so dass die winzigen Gartenwegschnecken es leichter finden. Trotzdem dünn streuen und zwar nur direkt nach Regenende. Dann aber konsequent, bevorzugt Abends.
    Generell sind diese Präparate aber viel schlechter als man hofft. Da Stück für Stück alles verboten wird, wurde vor zwei Jahren der Metaldehydgehalt per Vorschrift ganz kräftig abgesenkt, der beträgt jetzt noch 25g/kg, die Landwirte können weiterhin welches mit 59,1 g/kg Metaldehyd nehmen, weil ja schliesslich ins kommerziellen Beet keine Nützlinge gehen (Vorsicht, Ironie). Wir sollen also wie immer lieber mit Hilfe der Maximaldröhnung angebaute Produkte kaufen statt selber anbauen. Solange daran verdient wird (weniger der Anbauer verdient, mehr der Staat über Steuern und der Schneckenkornhersteller sowie Händler), ist eben alles besser. Achja, logisch: Selbstverständlich wurde das schwächere Schneckenkorn teurer, nicht billiger.
  • Unter Holz im Winter, kein Ausnahmebild.
    Die sauberste, wenn auch nicht müheärmste Methode sind Holzbretter. Alle Arten, aber ganz besonders die Gartenwegschnecke lieben glattes, feuchtes Holz, um dort drunter bei Trockenheit zu ruhen. Meine Wege zwischen den Beeten sind nicht zuletzt deshalb mit simplen, locker aufgelegten Brettern realisiert: Glattkantbretter, Fassadenholzbretter, Schalbretter, breite Holzlatten. Etwas Patina wirkt besonders anziehend, weil sie Mulm und zusätzlich Feuchtigkeit schafft. Man geht durch den Garten, dreht die Bretter um und beseitigt die daran haftenden Schnecken, guckt sich dann noch den Boden unter der Auflagefläche an. Ich habe im gesamten "Winter" regelmässig Bretter mit -zig Schnecken drunter gefunden. Wenn ich das alle zwei Tage und bei feuchter Witterung täglich mache, pendelt sich die Fundrate auf täglich ein bis drei Schnecken pro Meter Brett ein. Besonders die Zonen Richtung Nachbargrundstücke sind wichtig, auf denen nichts bekämpft wird. Von dort wandern sie stetig ein und verstärken die sowieso schon überall vorhandene Population.
  • Vorhanden und gut getarnt
  • Kombinationsmethoden waren mal gut, heute nicht mehr richtig. Typisches Beispiel: Schneckenkorn unter Holzbrett. Damit verhindert man auch, dass Schneckenkorn von anderen Tieren direkt oder indirekt aufgenommen wird, ähnlich wie Köderboxen mit grössenbegrenztem Zugang. Nur Nacktschnecken, die sich bevorzugt unter die Bretter verkriechen können kommen damit in Berührung, keine grossen Schneckenarten, keine Gehäuseschnecken, keine anderen Tiere. Diese Methode wurde uns durch die erzwungene Wirkstoffabsenkung leider versaut. Unter dem Brett ist es dauerfeucht, die Schnecken überleben dann das schwach wirkende Schneckenkorn mittlerweile oft, bleiben nur eine Zeitlang inaktiv und machen irgendwann einfach weiter. So führt in der Praxis die verordnete Wirkstoffverdünnung sogar dazu, dass wieder mehr unerwünschte Beifänge entstehen, weil man das neue schwache Zeug nun erst recht flächig und stärker ausstreut, damit es überhaupt Wirkung zeigt.

 

Andere Arten

Junge spanische Wegschnecken, Arion vulgaris.
Alt werden sie ziegelrot.

Auch die bereits genannte spanische Wegschnecke (Arion vulgaris, jung meist gelbbäunlich, nicht immer von der Gemeinen Wegschnecke Arion distinctus zu unterschieden) profitiert vom neuen Wetter, aber sie vermehrt sich nach wie vor weniger im Winter, sondern erst wieder ab Ende Februar. Dann aber auch heftig. Die Kleine Wegschnecke (Arion intermedius) blieb wie sie war häufig, alle anderen Arten haben abgenommen, etwa schwarze und andere Schnegel, Weinbergschnecken, Schnirkelschnecken. Alle diese Arten leiden eher durch die langen, heissen Trockenphasen und können das in der Winterregenzeit nicht ausgleichen. Weinbergschnecken sind deshalb nicht nur im Garten, sondern auch auf meinen Obstwiesen zur Seltenheit geworden, obwohl sie vorher dort häufig waren. Die grossen Schnegel haben ebenfalls Seltenheitswert, nur im Wald sind sie noch häufig.

Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.

 

Donnerstag, 28. Dezember 2023

Chinakohl verstrickt sich im Netz

Chinakohl unter Gemüsenetz

Chinakohl war hier im Blog vor allem in den Beiträgen "Fehlschläge des Jahres" ein Star. Das lag und liegt am grundlegend neuen Wetter, das sehr viele Probleme speziell für alle Kohlsorten mit sich brachte, was in diesem Beiträgen oft zur Sprache kommt. Alles war dabei: Am schlimmsten sind mehr und neue Schädlinge, dann schiessende Köpfe Dank Wetterextremen, mehr Pilzkrankheiten die früher keine Rolle spielten, schwaches Wachstum oder gar kein Wachstum wegen anhaltender Hitze.

Trotzdem: Aufgegeben wird nicht. Ich liebe Chinakohl und Kapitulation kommt nicht in Frage. Chinakohl verwende ich am liebsten für Kimchi, dafür braucht man richtig grosse Mengen. Auch sonst ist er vielseitig und beliebt, für Salate, Bratgemüse, auf belegten Broten, in Pfannkuchen... wirklich aufgegeben habe ich nur den Frühjahrsanbau, der ist so ziemlich chancenlos geworden. Er braucht ein mildes, feuchtes Frühjahr. Heute herrscht in der Regel schon im April knochentrockene anhaltende Hitze samt sehr früh aktiven Schädlingen, dann doch wieder Frost im Mai, er schiesst dann zuverlässig. Wenn, dann Anbau im Herbst.

Typisches oberirdisches Schadbild von Kohlfliegen

Der neueste Verbesserungsversuch lief mittels Gemüsenetz. Sowas habe ich schon früher gelegentlich an anderen Kulturen probiert, bin aber nie richtig warm damit geworden. Es war umständlich, brachte andere Probleme mit sich. Nun also Chinakohl. Meine Hoffnung war, dass sich die Versprechungen der Verkäufer bewahrheiten:

  • Kein Zuflug von Kohlfliegen. Fatale Schädlinge, die sehr häufig geworden sind. Sie bringen Kohlgemüse zum welken. Die heute normale trockenwarme Witterung ist ein Turbo für sie. Sie fressen Wurzeln, bohren sich von unten in die weissen Blattrippen, wo die Würmer Frassgänge und dann Fäulnis verursachen.
  • Kein Zuflug all der vielen Falter, deren Raupen sich gnadenlos durch die Blätter fressen. Das sind Kohleulen, Wintersaateule, Gemüseeule, Hausmutter, Kohlweisslinge.
  • Kein Zuflug der vielen anderen Schädlinge wie Kohldreherzmücke oder Kohlmotte. Die Drehherzmücke hat sich die letzten Jahre sehr stark ausgebreitet, früher war sie nur im Süden nennenswert vorhanden, jetzt jedes Jahr flächendeckend und stark.
  • Kein Zuwandern von Schnecken und der extrem gewordenen Kohlerdflöhen. Nur, was schon unterm Netz ist, kann dem Chinakohl noch schaden.
Chinakohl Vorkultur in Pflanzplatte

Gehofft, getan. Die Vorkultur auf dem ausgewählten Beet war Kartoffeln. Boden vorbereitet im Juli, Chinakohlpflanzen in einer Pflanzplatte vorgezogen, Sorte Emiko (früher schon die Sorten Granaat, Parkin, Cantoner, Kilakin, Scarlette rot, One Kilo als Lieblingssorte gehabt). Schneckenbekämpfung, Auspflanzung diesmal Anfang August, dann sofort ein Gemüsenetz installiert. Dafür habe ich Holzlatten mit etwas angerundeten Kanten (damit das teure Netz nicht beschädigt wird) als Abstandhalter in den Boden gesteckt und das Netz in 40cm Höhe darübergezogen. Überstehende Ränder eingerollt und entweder leicht in Erde eingegraben oder mit einer langen, steinbeschwerten Holzlatte am Boden fixiert. Diese Konstruktion hat sich bewährt, kein Sturm und kein Ereignis hat sie umgeworfen. Die Lattenfixierung ist wichtig, wie sich herausstellte, dann man muss doch wieder öfters das Beet öffnen und wieder schliessen. Die Latten sind dafür günstig, sie drücken das Netz plan an den Boden, man kann sie aber auch abheben und dann das Netz an dieser Seite öffnen. Eine Seite habe ich gehäufelt, das Netz etwas eingegraben. Das Netz blieb bis kurz Vor der letzten Ernte Ende November auf den Pflanzen. Als Vorteile zeigten sich:

Fast erntereif unter dem Netz
  • 60% der Problemschädlingsarten blieben tatsächlich draussen. Das waren Kohldreherzmücken, Kohlfliegen, einige Raupenarten. Bei Kohlerdflöhen war nichts zu beweisen, weil die Auspflanzung so spät passierte, dass die schon weg waren. Vor allem die Abwehr von Kohlfliegen war sehr günstig für den Chinakohl.
  • Das Netz war auch ein Schutz gegen die marodierenden Tauben, die mir hier zuverlässig und ganzjährig Jungpflanzen, vor allem alle Kohl- und Salatarten zerhacken und vernichten. Deswegen muss ich sowieso stark mit Vogelschutznetzen arbeiten. Die sind zwar einfacher zu handhaben, aber das erledigt das Gemüsenetz auch gleich mit.
  • Auch gegen Hagel war das Netz ein erstklassiger Schutz.

 

Und sogleich die Nachteile:

  • Trotzdem raupenzerfressen bis ins Innere...
    Schnecken bleiben nicht draussen. Die kleine schwarze Gartenschnecke Arion Hortensis kam durch den Boden, sie ist ohnehin der schlimmste Schleimer im Garten. Das Netz hielt auch ihre Fressfeinde wie Igel oder Blindschleichen draussen. Man sieht durch das Netz zudem erst spät, oft zu spät die Frassschäden. Dann muss man sofort aufdecken und Schnecken bekämpfen.
  • Erdraupen bleiben nicht draussen. Sie kamen erst mit der Zeit und überraschten mich, weil es lange gut ging. Ich rechnete nicht mehr mit Ärger und bemerkte bedingt durch die schlechte Sicht durch das Netz nicht, dass sie bereits Riesenschäden beim Chinakohl angerichtet hatten. Sie frassen sich tief in die Köpfe. Offenbar kriechen sie auch durch die Erde zu Wirtspflanzen.
  • Erdraupe auf frischer Tat
    Die Luftfeuchte war unter dem Netz grösser, was verstärkten Befall mit Pilz- und Bakterienkrankheiten zur Folge hatte, vor allem Ringfleckenkrankheit (Neopseudocercosporella brassicae), aber auch Phoma, Nassfäule. Ich hatte zur Kontrolle dieselben Sorten auch ausserhalb des Netzes und sie blieben bei diesen Krankheiten deutlich gesünder. Auch Regenwürmer nisteten sich stärker zwischen den Blättern ein. Sie fressen zwar den Chinakohl nicht, aber verschmutzen ihn innen.
  • Nicht alles schön unterm Netz
    Netz rauf, Netz runter. Ein weiterer Daueraufwand entsteht. Denn auch unter dem Netz vermehrt sich Unkraut sehr gerne, man muss genau nachsehen was sich an und in den Köpfen tummelt und schliesslich will man auch mal etwas ernten. Die Zeremonie, das Netz abzuziehen und dann wieder dicht hinzupfriemeln gefiel nicht. Wann gibts solche Netze mit Reissverschluss?
  • Das Beet muss sich in Forum und Grösse an das Netz anpassen. Zu kurz geht nicht, Lücken aus Netzabschnitten gehen nicht. Damit ist man unflexibler. Schneidet man sich das Netz zurecht, hat mal bald nur noch Teilstücke, die im Folgejahr noch weniger nutzbar sind.
  • All das Material kostet Geld. Viel Geld, denn das Netz ist nicht billig. In 8 von 12 Monaten des Jahres muss es irgendwo aufbewahrt werden, braucht also auch unbenutzt Platz. Man muss es reinigen, rollen (es lässt sich kaum falten), Rolle zubinden...
Etwas mickrig, aber so soll er sein
nach Entfernen der Umblätter

Fazit: Die Ernte verwertbarer Chinakohlköpfe war etwas besser, aber nicht gut. Das Netz ist ein Schritt voran, aber Nachteile sind ebenfalls vorhanden und so deutlich, dass man nicht auf Anhieb "ja" zu seinem Einsatz sagen kann. Am meisten nervt mich, dass man immer mehr Zeugs, Krempel, Massnahmen, Material, Einkäufe braucht, um Dinge wieder etwas besser (aber nicht mal gut) wachsen zu lassen, die früher leichter gingen. Wie beim Obst: Irgendwann geht das alles ur noch in steriler, künstlicher Vollschutzumgebung. Beispiel Erdbeeren: Erst das Erdbeerfeld, dann wird künstliche Bewässerung nötig, dann vom Feld in den Folientunnel, dann in die Stellagen, dann in die geschlossenen Stellagen. Und dann? Zellkulturen aus dem Bioreaktor, essfertig zurechtgeschnitten?

Nassfäule unterm Netz. Ohne Netz nicht.

Sehr grosser Blattverlust durch die Raupen. Viele Blätter sind nur noch Hühnerfutter. Die Raupen sowieso.

Samstag, 28. Mai 2022

Kohlpflanzen und Tauben

Taube: Erst sichten, dann fressen

Kohlarten haben es wahrlich nicht mehr leicht. Früher war das ein absolutes Standardgemüse, kein Garten ohne Kohlrabi, Kraut, Rettich, Blumenkohl. Eine sichere Miete. Später kam noch Chinakohl, Broccoli, Blattkohl und weitere Arten dazu. Aber schon seit Jahren geht es generell abwärts mit dem Anbauerfolg, der Nutzgärtner bekommt nur immer mehr Ärger, aber keine Erträge mehr. Auch hier im Blog wurde das schon oft thematisiert. Die zum Standard gewordenen langen, extremen Trocken- und Hitzephasen wirken sich besonders katastrophal auf viele Kohlarten aus. Schädlinge profitieren auch stark davon. Selbst robuste Arten haben zunehmend mit Problemen zu tun. Das bekommen auch die Profis zu spüren. Hier in der Gegend gibt es etwas professionellen Krautanbau, ohne Dauerbewässerung (häufig noch Überkopfberegnung) und erschreckend viel Pflanzenschutzmitteln geht da gar nichts mehr.

Starke Hitze und tiefe Kälte = Geschossen

Dieses Jahr sind auch bei mir wieder einige frühe Kulturen sofort gescheitert. Pak Choi wurde ein Opfer der Hitzeperiode mit über 30°C im April und Anfang Mai, dazu noch eiskalte Nächte. Das führt zu Vernalisation. Die Pflanze stellt aufgrund von Temperaturstress das Wachstum ein, bildet keine neuen Blätter und fängt an zu blühen. Nichts mehr zu ernten. Auch andere Arten gingen hops. Frühlingsrettiche wurden wie sehr oft schnelle Opfer der Kohlerdflöhe und und schliesslich vernichteten Kohldrehherzmücken Teile des Kohlrabis. Dabei hatte ich Jungpflanzen extra im Haus vorgezogen, um frühe Schäden zu vermeiden.

Zuerst die jungen Blätter, dann die Alten

Und es kommen immer neue Malaisen dazu. Letztes Jahr wurden plötzlich Blätter sämtlicher Kohlarten (ausser Rettichen) skelettiert. Raupen? Schnecken? Nichts war zu sehen. Auch keine Schleimspuren, Was ist das nur? Vor allem junge Blätter wurden abgefressen, wenn die weg waren kamen ältere Blätter dran. Und Jungpflanzen wurden herausgerissen. Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Weisskraut - alles vernichtet. Ein versuchsweise aufgelegtes Schutznetz stoppte das, es waren also keine sehr kleinen Tiere. Irgendein grösserer tierischer Schädling war verantwortlich. Wer frisst Kohlblätter? Eine Wildkamera brachte dann die Beweise: Morgens von Sonnenaufgang bis etwa 8:00 Uhr flogen Tauben zu, marschierten zu Fuss durch den gesamten Garten, stellten sich vor die Kohlpflanzen und zerhackten systematisch alle Blätter. Jungpflanzen wurden dadurch auch herausgerissen. Das wiederholte sich dieses Jahr in exakt gleicher Weise. Hier der Film meiner Wildkamera von heute morgen, 7:30 Uhr:


Kohlrabi, abgefressen

Was tun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Wieder einmal einkaufen gehen und viel arbeiten, Schutznetze erwerben, auflegen und bis zur Ernte drauflassen. Festklemmen, damit sie der Wind nicht wegbläst. Abstandhalter wie Folientunnelbögen verwenden, damit der Kohl nicht zu Boden gedrückt wird, Zum Unkraut jäten, hacken und ernten muss man dann jedesmal alles wieder öffnen. Die Mühe ist durchaus erheblich, aber nicht mehr vermeidbar. Dass sich opportunistisch lebende (also Generalisten) Vogel - Massenarten hemmungslos vermehren, ist bekannt, während die spezialisierteren Vogelarten immer weniger werden. Auch die Ringeltaubendichte ist recht hoch geworden und zu deren Gewohnheiten gehört heute offenbar auch der Frass von Kohlpflanzen, gründlich und radikal. Das endet auch nicht im Sommer, sie tun das immer. Andere Schutzmöglichkeiten gibt es heute nicht mehr. Aktive Abwehr ist natürlich verboten. Frühere Generationen haben sie mit Leim oder Fallen gefangen (Produkte dafür sind Rattenleim wie Saratoga Top-Fix). Schnüre, blitzende und blinkende Gegenstände halten sie nicht ab.

Andere Gärtner berichten von Taubenschäden auch an Bohnen, Erbsen, Heidelbeeren, Stachelbeeren. Meine Stachelbeerstecklinge vernichten sie in der Tat ebenfalls immer, wenn ich sie nicht unter Netzen ziehe - die Blätter werden ansonsten komplett abgefressen. Wohlgemerkt: Gemeint sind bereits Frassschäden an den Pflanzen selbst, nicht erst an reifen Beeren. So weit kommt es gar nicht, wenn schon die Pflanzen kahlgemacht werden. Auch der Kohl ohne Blätter stellt das Wachstum ein bzw. wird einfach so lange abgefressen, bis er stirbt. Die Probleme hat auch der Profianbau, seit die EU-Vogelschutzrichtlinie lange Schonzeiten auch für schadenverursachende Massenarten eingeführt hat. Früher konnte wenigstens im Spätsommer eine Bestandskontrolle stattfinden, nun erst ab 1.11., wogegen Bauern auch immer wieder protestieren.

Broccoli. Aus und vorbei.

Am besten, wir bauen "tier- und umweltfreundlich" im sterilen Gewächshaus auf künstlichen Substrat an, klimatisiert, durch eine Luftschleuse zu betreten, bewässert, gedüngt. Lebensmittel aus dem Vollschutz. Wer ansonsten im Garten noch etwas ernten will, muss sich unter Schutznetze und Beregner flüchten und verzichtet besser von vornherein auf einige Gemüsearten.

Dienstag, 22. März 2022

Das Tomatenjahr beginnt - bitte ohne Braunfäule

Braunfäule Phytophthora infestans, erster Blattbefall

Alle Jahre wieder: Jungpflanzenanzucht von Tomaten ist ab Mitte März wieder angesagt, nach den Paprika, vor den Gurken, Melonen, Kürbissen. Nach der Braunfäulekatastrophe letztes Jahr werden vermutlich einige Nutzgärtner dieses Jahr einen stärkeren Drang zu anderen Anbautechniken und einem robusteren Sortenspektrum verspüren. 

Die Tomatenseuche

Eigentlich ist die Braunfäulekatastrophe schon 40 Jahre älter. Bis Anfang der 1980er Jahre gab es damit wenig Probleme im Tomatenanbau. Der verursachende Braunfäulepilz Phytophthora infestans ist zwar seit 1845 nach Europa eingeschleppt worden, verursachte die bekannte Hungersnot in Irland weil auch Kartoffeln befallen werden, aber die damals und danach noch einmal eingeschleppten Stämme waren nur zu nichtsexueller Vermehrung fähig und es konnten bald resistente Sorten gezüchtet werden. Danach passierte, wovor Biologen dringend gewarnt hatten: Eine zur sexuellen Vermehrung fähige Variante wurde aus Amerika um 1980 nach Europa eingeschleppt. Sie kann sich ständig genetisch verändern und rekombinieren. Seither ist Feuer unterm Tomatendach und hat einigen Nutzgärtnern Freilandtomaten regelrecht ausgetrieben. Faulende Früchte, sterbende Pflanzen im Sommer, das macht keinen Spass. Bis vor zehn Jahren waren alle Sorten stark anfällig, ganz langsam gelang es, ein paar wenige robustere Sorten zu züchten - erst einmal nicht in Europa.

...dann an Stengeln

Freilandtomaten sind auch in privaten Gärten eine Seltenheit, denn der Pilz benötigt Luftfeuchte, Wasser, um sich zu vermehren. Die meisten Leute bauen sie deshalb unter Folie an, unter Dachüberständen im Topf, im Gewächshaus. Das ist speziell bei Tomaten ausgesprochen schade, denn nur im Freiland entwickeln sich auch kräftige Aromen. Foliendächer filtern UV-B Strahlung der Sonne, die für die Aromabildung wichtig ist. Hinzu kommt manchmal erheblicher Aufwand für die Dachkonstruktionen und der traurige optische Eindruck einer Hüttenlandschaft im Garten. Man kann zwar von seinen Foliendachtomaten schwärmen und besser als Supermarktware sind sie meist auch, aber man sollte dann auch einmal den direkten Vergleich mit einer voll besonnten Freilandpflanze gleicher Sorte machen, das öffnet die Augen und die Geschmacksknospen. Zudem sind die Zeiten grosser Tomatenbeete vorbei, man quetscht sie nun unter ein begrenztes Tomatendach. Das Tomatenjahr im Freiland ist ansonsten kurz geworden, ab Mitte Juli droht Totalausfall durch Braunfäule, meist ist es Mitte August so weit, wenn die Nächte kühler und taufeuchter werden.

Noch eine Seuche: Alternaria

Alternaria an Tomatenblättern

Die Jahre vor 2021 gab es aufgrund sehr trockener Jahre drei Jahre lang weniger Braunfäule, dafür mehr Alternariabefall. Diese Krankheit kann man am Anfang nicht immer von Braunfäule auseinanderhalten. Alternaria kommt früher im Jahr, schon bevor sich Braunfäule breitmacht, die braunen Blattnekrosen sind oft gezont und haben im Gegensatz zu Braunfäule immer einen gelben Hof. Alternaria ist zum Glück selten ein kompletter Spielverderber. Braunfäule verbreitet sich hingegen rasend schnell, zerstört auch die Stengel und Früchte, die ganze Pflanze ist hin.

Hausmittel, Stärkungsbrühen haben sich in Versuchen gegen Braunfäule als nutzlos erwiesen. Pflanzenschutzmittel, Fungizide existieren leidlich, sollen aber hier nicht Thema sein. Nutzgärtner greifen sowieso nur höchst ungern oder gar nicht zu solchen Mittel. Am liebsten mogeln wir uns an den Krankheiten vorbei, durch gute Anbaubedingungen, Hilfsmittel wie die genannten Foliendächer und resistente Sorten, sofern vorhanden und qualitativ brauchbar.

Züchtung resistenter Sorten

Endphase Braunfäule

Solche Sorten existieren mittlerweile, aber der Weg dorthin war sehr lang, die Züchtung begann in den USA schon 1940 und es gibt noch Vieles zu verbessern. Einen sehr grossen Schritt erreichte Dr. Randy Gardner (der heisst wirklich so) von der North Carolina State University, er stellte im Jahr 2010 mehrere klassisch gezüchtete Tomatensorten mit erstmals multigenetisch verankerter Resistenz vor. Er nutzte dafür sehr kleinfrüchtige, Wildtomaten nahestehende Resistenzträger. Ergebnissorten aus dieser Züchtung waren unter anderem Defiant, Iron Lady, Jasper, Mountain Magic, Mountain Merit und noch ein paar mehr. Leider alles F1-Hybriden. Das löste Hoffnungen und Aktivitäten anderer Leute aus, so dass heute noch ein paar mehr Sorten verfügbar geworden sind. Kräftig beworben wird "Primabella", "Rondobella", verfügbar sind "Buffalosun", "Consuelo", "Honey Moon", "Crimson Crush". Weitere Sorten nennen sich zwar Resistent, haben aber nur einfache Resistenzen, die nicht lange halten. Beispiele: Philovita (Züchtung von De Ruiter Seeds, eine Marke von Bayer-Monsanto), Fantasio. Von denen halte ich nicht viel, die Samen sind so teuer wie wirklich resistente Sorten, Braunfäulebefall findet nur leicht verzögert statt.

"Defiant" habe ich im Anbau, seit die ersten Samen nach Europa gekommen sind und seither noch viele resistente Sorten mehr. Diese Sorten sorgten vor allem letztes Jahr dafür, dass ich Tomaten bis in den Herbst ernten konnte, während Nachbarn und Bekannte in ungünstigen Jahren pünktlich zur Haupterntezeit ab Ende Juli alles abräumen mussten - Totalschaden. Auch meine klassischen Sorten gingen über den Jordan, auch danebenstehende resistente Neuzüchtungen bekamen mit der Zeit ein paar Symptome, das blieb aber fast immer begrenzt, sie lebten, fruchteten ungerührt weiter. Und mehr noch: Seither gelingt es sogar wieder, Tomaten extensiv im Freiland anzubauen, ohne Dach. Speziell "Defiant" ist teilweise determinant und wird nicht besonders hoch. Man kann diese Sorten ohne grosse Pflege in einem Aussengarten setzen, einmal am Spiralstab festmachen und dann mit wenig Aufsicht wachsen lassen. Das ist ideal, wenn man viel Tomatensugo und getrocknete Tomaten für den Winter haltbar machen will. Einmal die Woche hingehen und schwungweise ernten, kochen, passieren, abfüllen.

Nun mal einige meiner eigenen Sortenerfahrungen mit diesen neuen Sorten hier im Freilandanbau:

Defiant

Tomate Definant abgeerntet, Ende August
im Braunfäulejahr 2021 - kaum Befall.

Darüber steht schon einiges weiter oben. Es ist die Sorte, zu der ich immer wieder zurückgekommen bin. Wuchs problemlos, wird im Freiland 100 bis 150cm hoch, im Gewächshaus auch höher. Ideal für extensiven Anbau. Fruchtet und reift früh und reichlich und dann bis zum Frost, so ganz echt determinant ist sie glücklicherweise dann doch nicht. Dankbare Sorte mit guten Erträgen. Pflanze wird bei guten Infektionsbedingungen nur punktuell von Braunfäule befallen, wächst weiter, fruchtet weiter. Tomaten etwas uneinheitlich in der Grösse, die Meisten haben typische 70-100g mit viel Fruchtfleisch, im Stil wie eine kleine Fleischtomate. Ihr Aroma ist wirklich gut, voller Tomatengeschmack, volle Farbe, schöne Konsistenz. Nicht platzempfindlich. Für alle Verwendungen, besonders Sugo. Nachteile hat sie auch: Eine stark erhöhte Anfälligkeit für Blütenendfäule, vor allem bei heissem Wetter. Calcium verbessert diese Mangelerscheinung. Ich habe das einfach in Kauf genommen, schwarze Stellen abgeschnitten und die Frucht weiter zu Sosse verkocht.

Honey Moon

Riesiger Nabel

Fleischtomate. Wuchs bis 180cm. Reife etwas spät, Erträge unterer Durchschnitt. Tomaten >200g, gleichmässig, hat einen leicht himbeerartigen Farbton, aber nicht richtig Pinkrosa. Auf Fotos sieht man das oft nicht richtig. Haut ist ziemlich hart. Die Früchte haben einen charakteristischen grossen Nabel, sie lösen etwas schwer vom Stengel, auch wenn sie reif sind. Man sollte sie wirklich ganz ausreifen lassen, dann erreichen sie erst ihre Güte. Aroma ist gut, tomatig, mit Säure und Schmelz. Platzt nicht. Blütenendfäule kommt vor, wie auch bei den meisten anderen Sorten von Gardner. Ich vermute, der Resistenzträger brachte das in die Zuchtlinien.

Tomate Honey Moon Schnittbild
Tomate Honey Moon Strauch

 


Cocktail Crush

Tomate Cocktail Crush

Die meisten braunfäulefeste Sorten sind eher klein, es gibt überdurchschnittliche viele "Naschtomaten" oder Kirschtomaten, Cocktailtomaten. "Cocktail Crush" ist auch sowas, Früchte um 50g. Grosse Pflanze, wächst in die Höhe, Erträge durchschnittlich, mittelfrühe Sorte. Braunfäulefest, auch keine Alternaria gesehen. Aroma durchschnittlich. Nach zwei Jahren habe ich sie aussortiert, denn sie hat einen gravierenden Nachteil: Sie platzt bei mir zuverlässig am Stock nach Regen. Was soll ich mit einer Tomate, die nach Regen platzt, wo doch der Hauptvorteil einer braunfäuleresistenten Sorte der Freilandanbau ohne Folie ist?

Mountain Merit

Ähnelt in Allem der Sorte "Defiant", konnte sie teilweise nicht gut unterscheiden. Früchte tendentiell etwas grösser, Pflanze auch, Erträge gleichhoch, Blütenendfäule nicht besser. Früchte etwas weicher. Ersatz für "Defiant", falls man die nicht bekommt. Vorsicht: Eine andere braunfäulefese Sorte heisst "Mountain Magic", nicht verwechseln. "Mountain Magic" hat kleinere Früchte, nur max. 60 Gramm schwer. Auch sehr gut, aber aber eben nur eine Cocktailtomate.

Iron Lady

Noch ein naher "Defiant" Verwandter.  Diese Dreiergruppe zeigt wenig Unterschiede. Sie wirken alle wie kleine Fleischtomaten, recht gut im Aroma, hinreichend gut braunfäulefest. In dieser Gruppe kann man nichts falsch machen, wenn man mit Blütenendfäule klar kommt.

Consuelo 

Eine Kirschtomate. Wuchs über 180cm, geht in die Länge. Aroma durchschnittlich, platzt nicht, keine Blütenendfäule, die bei Kirschtomaten sowieso selten vorkommt. Erträge etwas schwach. Wenn schon Kirschtomate, dann wenigstens viele der kleinen Früchte. Erwies sich als nicht ganz so braunfäulefest wie die anderen Sorten, unter starkem Befallsdruck wird sie schliesslich deutlicher krank. Damit fraglich, denn an braunfäulefesten Kirschtomaten herrscht sowieso kein Mangel. Als "robust" kann man sie aber definitiv ezeichnen.

Weitere Sorten

Daneben schwirren noch einige Sorten herum, die oben schon genannt wurden, sie werden auch als recht braunfäulefest gepriesen, Sunviva etwa. In Feldversuchen hat sich das aber nicht bestätigt, diverse Nachteile hat sie auch noch, etwa sehr platzanfällig. Jahrelang geisterte ferner "De Berao" durch die endlosen Abschreiberartikel, die Sorte ist allerdings sogar stark anfällig und taugt geschmacklich wirklich nichts. Einige andere Sorten sind aber durchaus tauglich, meine Erfahrungen sind jedoch noch nicht langjährig genug, um da belastbare Aussagen zu machen. Wer probieren will: Primabella (gleicher Züchter wie Sunviva, Dr. Bernd Horneburg / Göttingen) und Rondobella, Resibella, Vivagrande; Rubylicious (Kirschtomate), Buffalosun (gelbe Fleischtomate, USA) und Gourmansun (gelbrote Ochsenherztomate), Paoline und weitere. So oder so: Endlich Sorten, die man im Freiland ausprobieren kann!

Woher bekommt man diese Sorten?

Einzelne Sorten haben den Weg ins Standardsortiment grosser Endkundensamenverkäufer gefunden. Bezugsquellen: Iron Lady gibt es bei Pötschke, Honey Moon hat Sperli im Programm, Rondobella und Andere gibts von Culinaris im Samenhaus. Kiepenkerl hat Primabella. Bobby Seeds hat mehrere Sorten. Mit diesen Stichworten und Sortennamen findet man genügend Händler oder auch Grosshänder wie beringmeier.de. Ich bin ziemlich sicher, dass solche Sorten in wenigen Jahren auch bei Nutzgärtnern einen festen Platz im Anbau haben. Bei mir haben sie das schon länger. Das ist so erfolgreich, dass Manche vermuten, ich würde nachts mit einem bösen Spritzmittel heimlich Tomatenpflanzen behandeln, anders könne man ja keine Freilandtomaten wachsen lassen. Ein Nachbar baut riesige Dachkonstruktionen, ein Anderer geht auf frühe Freilandernten, bevor er seine befallenen Stöcke leider abräumen muss. Mein Hinweis auf die neuen Sorten verhallte (noch?), Phytophthora infestans und Folien-, Balkenverkäufer freut es.