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Sonntag, 26. August 2018

Williams Christ und die Kunst des richtigen Erntezeitpunkts bei Birnen

Pflückreife Williams am Baum
Eben hat ein Höhepunkt im Birnenjahr stattgefunden, die Williams-Christ Tafelbirnen sind pflückreif geworden. Trotz der frühen Blüte und Wärme war es zum typischen Termin Mitte bis Ende August so weit. Nur früher zog es sich manchmal in den September hinein, aber im letzten Jahrzehnt kam das kaum mehr vor. Auch die extreme Trockenheit und Sonneneinstrahlung hat sie gut vertragen - auf arteigener Unterlage wurzeln sie tief. Sie benötigen dann aber auch tiefgründigen Boden dafür. Flachgründiger Boden gefällt ihr wie allen Birnen nicht.

Ernte erstklassiger, grosser Früchte.
Ohne Pflanzenschutz gewachsen!

Williams Christ - eine der Besten


Diese alte Sorte aus England, gefunden vor 1770 in Aldermaston, 60km westlich von London ist bis zum heutigen Tag ein Hit. Sie liefert das Birnenaroma schlechthin, ihre würzige, müskierte Aromatik steht für das absolute Epizentrum des Birnengeschmacks. Klar, dass ich davon auch Bäume habe. Einige Bekannte haben sie auch, an windoffenen Lagen mit nicht ganz schlechtem Boden gedeihen sie pächtig. Am besten ausserhalb von Ortschaften, denn die idiotischen chinesischen Stinkwacholder-Zierpflanzen aus den Vorgärten sind Wirt des Birnengitterrost-Pilzes und blasen ihre Sporen jedes Frühjahr hinaus um Birnenblätter zu infizieren, leider ist Williams besonders anfällig für den Pilz. Williams Christ muss man aber einfach haben. Sie liegt bei fast allen Verwertungsarten in der Qualitätsspitzengruppe: Einmachen, trocknen, brennen. Und nicht zuletzt ist sie frisch ein schmelzender, vollsaftiger Intensivgenuss.

Die Liebeslieder über diese Sorte haben natürlich auch weniger erfreuliche Stellen. Es ist eine Sommerbirne und damit nur sehr kurz haltbar, längere Lagerung bei Niedrigtemperaturen geht zwar, aber tut ihrer Fruchtfleischstruktur nicht gut. Sie hat diverse Anfälligkeiten für Krankheiten (Schorf, Birnengitterrost, Wespen- und Vogelfrass, bei mir besonders schlimm), ist unverträglich mit den meisten Quittenunterlagen, bekommt leicht Überbehang und hat dann kleine Fruchtgrössen mit weniger Aroma.

Zu spät, zu gelb, zu reif. Früher pflücken.

Vom richtigen Pflückzeitpunkt


Wer sie im Garten hat, ist zuerst oft enttäuscht. Bei vielen Leuten liegt das am falschen Pflückzeitpunkt. Das Wissen, wann welche Tafelbirnensorte gepflückt werden sollte, ist verloren gegangen. In alten Büchern ist die Beschreibung des Pflückzeitpunkts der verschiedenen Sorten ein wichtiger Punkt und man sagte damals, dass es nur einen einzigen Tag gebe, an dem manche Birnensorten die optimale Pflückreife hätten. Nicht bei allen Sorten ist das so streng, bei Williams ist das Fenster meiner Erfahrung nach einige Tage lang. Aber es ist wichtig.

Die meisten Leute pflücken viel zu spät. Vollreif soll sie sein, die Birne, kurz bevor sie von selbst vom Baum fällt. Schliesslich ist das gekaufte Zeug immer unreif und deshalb schlechter. Ein fataler Irrtum. Solche am Baum gelblich gewordenen Williams-Birnen sind bereits mehlig und bröckelig geworden, das Aroma abgebaut. Man ist enttäuscht. So schön reif und doch schlechter wie das unreife, gekaufte Obst? Wie kann das sein? Es kann sein und ist bei Birnen sogar die Regel.

Aufhellung und Pflückreifeanzeiger beginnt am "Bauch" der Birnen
Also früher pflücken. Man holt sie im nächsten Jahr grüner vom Baum und stellt fest: Wieder nichts. Sie werden nicht mehr richtig süss, welken, bleiben aromaschwach. Nicht einfach! Was ist denn nun der optimale Zeitpunkt? Meiner Erfahrung nach liegt der bei Williams an dem Punkt, an dem die Frucht gerade noch hellgrün ist, die Schale aber bereits von der Mitte her aufhellt. Ist sie bereits gelb, ist es zu spät. Das ist auch der Zeitpunkt, zu dem sie bereits beginnt sich leichter (aber noch nicht leicht!) vom Zweig abzulösen Dann runter damit. In den Keller stellen und nach ein paar Tagen werden die ersten Birnen gelb. Dann sind sie optimal genussreif, sehr saftig, schmelzend, aromatisch. Birnen fürs Einmachen kann man schon früher verarbeiten, Birnen für die Trocknung können dagegen auch reifer sein.

Nach der Lagerung, ess- und verarbeitungsreif.
Von einem schorfanfälligeren Standort.

Trockenbirnen

Etwas zur Verarbeitung


Von der Riesenernte dieses Jahr haben wir 50% zu Trockenbirnen verarbeitet, ein paar Gläser eingemacht, sehr viel frisch gegessen und einiges verschenkt. Über Trocknungstechniken gibts hier einen eigenen Beitrag, das ergibt bei Williams ein sehr gutes Ergebnis. Kauft man solche Birnen, musst man ganz schön was hinlegen. Kilopreise um die 30-50 EUR sind normal. Hauptursprungsland ist Chile. Für uns die optimale Verwertung, denn so kann man gute Ernten lange haltbar machen.

Halbierte reife Birne - sehr saftig und süss
Angepickt von Meisen, anschliessend kommen die Wespen

Sonntag, 1. Oktober 2017

Tafeltrauben für jedermann

Gesunde Hausweinrebe am 1. Oktober
Schon seit Anfang August essen wir sie aus unserem Garten, das wird bis Anfang November so weitergehen. Jetzt Anfang Oktober ist der Höhepunkt eben überschritten: Tafeltrauben. Sie gehören zu den dankbarsten Obstsorten für jeden Garten, sei er auch noch so klein. Tafeltrauben passen wirklich überall hin, weil sie so wachsen wie man sie wachsen lässt: Im Vorgarten die Hauswand hinauf, in der dunklen Ecke gepflanzt und ins Licht nach oben geführt, an der Balkonbrüstung oder der Zaunkrone entlang, über der Terrasse als Rebenlaube... wer sonst nichts essbares im Garten hat, Tafeltrauben sollte er haben. Es gibt keine Entschuldigung, Keine zu haben.


Wenig Ärger mit späten Frösten


Weinblätter, in der Küche ebenfalls beliebt
Nicht einmal der Extremfrost Ende April dieses Jahres, der fast sämtliche andere Obstsortenblüten zerstört hat brachte Totalausfälle, nur Ernteeinbussen. Sogar ganz abgefrorene neue Tafeltraubentriebe können aus Reserveknospen noch einmal kleinere Gescheine (=Blüten) schieben, so dass es auch in schlimmsten Katastrophenjahren noch eine kleine Ernte gibt. Manche Sorten schaffen das ganz gut, zum Beispiel "Garant" oder auch "Druschba".


Enorm vielseitig


Kaum ein Obst ist so vielfältig verwendbar wie Tafeltrauben. Frisch gegessen kennt sie jeder, dass man leckeren Saft damit machen kann weiss man auch, wie leicht dies auch ohne Presse zu bewerkstelligen ist schon weniger und auch wie gut Rosinen aus kernlosen Sorten schmecken. Der Saft schmeckt pur, kann aber auch eine Zwischenstufe für Gelee, Wein, Weinessig, eingekochtem Sirup sein. Kaum mehr bekannt und leider völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist ein Produkt aus unreifen grünen Trauben: Agrest oder Verjus, ein saurer Würzsaft über den es mittlerweile einen eigenen Beitrag gibt, weil ich damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Verwendbar ist von der Rebe noch mehr, vor allem die Blätter und junge Triebe.


Sorten und Züchtungsarbeit


Boskoop Glory - meine Erste
Eine Tafeltraube war das erste Obst, das ich gepflanzt habe, noch als Stundent in Mietwohnungen. Die Rebe wuchs zwei Stockwerke hoch zu meinem WG-Zimmer und dann am Dachtrauf entlang, es war die Sorte "Boskoop Glory". Damals gut, heute gibt es Besseres. Überall wo ich danach wohnte hinterliess ich gepflanzte Tafeltraubenstöcke, einige existieren noch. Bei den Sorten tut sich enorm viel, es gibt sehr frostfeste Züchtungen die bis 800m Höhe wachsen, immer besser schmeckende aber wenig krankheitsanfällige interspezifische Züchtungen aus Vitis-Arten verschiedener Kontinente, sehr grossbeerige Sorten, eine Vielzahl kernloser Sorten. Für Privatgärten interessante Sorten werden in den letzten Jahren vor allem in Russland, der Ukraine, Moldavien gezüchtet. Mittlerweile stehen wir in der dritten Generation wenig anfälliger Tafeltrauben, die die Robustheit einiger Vitis-Arten gegen die im 19. Jahrhundert eingeschleppten fatalen Pilzkrankheiten (man fürchtete zeitweise, der gesamte europäische Weinbau wäre komplett am Ende) mit dem guten Geschmack der Europäerreben Vitis vinifera kombiniert.

Viele Sorten habe und hatte ich selber, eine sehr vielfältige Mischung aus älteren und ganz neuen Sorten: Besagte Boskoop Glory, Lakemont, Sirius, Johanniter, Olimpiada, Venus, Kodrianka, Frumoasa Alba, Palatina, Ramtes, Theresa, Charli, Druschba, Jakobsberger, Muskat Blau, Vera, Canadice, Suffolk Red, Elegant Sverhranny, Straschinski, Galahad, Kischmisch Zitroni, AmetNow, Solotoi Don, Rote Victoria, Galbena Nou, Pleven Ustojcivij, Lilla. Sicher habe ich ein paar vergessen.

...oder reicht kaufen?


Schlagzeile Rückstände Tafeltrauben
Für eigenen Anbau gibt es mehrere gute primäre und sekundäre Gründe. Im Supermarkt liegt nur Importware, die bestenfalls süsslich schmeckt, nie ganz reif ist, häufig überlagert, kein Aroma hat. Zudem gehören Tafeltrauben aus kommerziellem Anbau zu den am meisten belasteten Obstarten überhaupt. In jährlichen Untersuchungen finden sich eine Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln, Mehrfachbelastungen,  auch Grenzwertüberschreitungen. Auch mehr als Hälfte von Bio-Trauben weisen Rückstände auf. Auf solche "Cocktails" sollte man verzichten. Lange Transportwege sind die Regel: Heimischen kommerziellen Anbau in Deutschland hat die EU jahrzehntelang verunmöglicht und so haben heimische Produzenten einen hohen Kenntnisrückstand. Geeigente Anbausysteme und Sorten sind wenig bekannt, Tafeltrauben gibt es bestenfalls von Weinbauern als Nebenhobby, die auf diese Weise schlechtere Flächen verwerten und Wochenmärkte beliefern. In der Schweiz, die sich bei Tafeltrauben nichts von einer EU-Bürokratie vorschreiben lassen muss konnte man früher beginnen, den eigenen Anbau zu entwickeln. Dort liegt der Marktanteil von Trauben aus dem Land bei über 50%. Die Meisten als Bioware.

Leckere Sorten gibt es im Supermarkt nicht zu kaufen, nur neutralen Einheitsschliff. Gute blaue Sorten sind zum Beispiel nie zu finden, nur mit heruntergedimmtem Inhalt - die Gerbstoffe aus der Schale könnten stören, sagt das Marketing. Sorten mit Muskat- oder anderen Aromen kommen nicht vor oder das schwache Aroma ist veratmet, bis die Trauben im heimischen Obstteller liegen. Stattdessen werden mittels Pflanzenhormonen die prinzipiell kleinbeerigen kernlose Sorten zu grossen wässrigen Beeren aufgebläht. Viel Kilo, viel Einnahme.

Das brauchen wir nicht. Die für den häuslichen Nutzgarten im mitteleuropäischen Klima besonders geeigneten Sorten werden Stück für Stück bebildert in der Gartenzone vorgestellt, so dass man abschätzen kann ob man die auch selbst pflanzen könnte. Die Erfahrungen beruhen auf eigenem Anbau, nicht abgeschrieben, kein Bücherwissen. Pflanzt Tafeltrauben!