Samstag, 1. Juni 2024

Obsternte an der Nordwand

Die Gewinnerpflanze ist...

Nutzgärtnern sind ihre Gärten meistens viel zu klein. Meiner auf jeden Fall. Zu den verschiedenen Tricks, noch Platz für leckere Dinge herauszuschinden (siehe https://gartenzone.blogspot.com/2019/08/nutzgarten-zu-klein-was-tun.html), gehört auch die Nutzung ungünstig gelegener Bereiche, zum Beispiel unvermeidliche Wände Richtung Süden, Richtung Sonne. Vor der Wand, also auf der Nordseite dann logischerweise: Starke Verschattung. Nachbars Garage, ein Gartenhaus, das Wohnhaus, die Mauer - nordseitig lassen sich zwar oft noch ein paar Kräuter und manchmal die wenigen dafür geeigneten Gemüsesorten anbauen (gibt es aber, Erfahrungen damit in einem eigenen Beitrag), Blumen sowieso, aber was ist mit Obst? Essbares? Geht das nur, wenn das Gehölz so hoch wird, dass es die Nordwand überragt? Kommt es überhaupt hoch? Gehen wir ein paar Arten durch:

Stachelbeeren

Schattenstachelbeeren, sauer und kleiner

In Büchern werden Stachelbeeren als die Obstart beschrieben, die am wenigsten Sonne braucht, sie würde auch im Halbschatten noch wachsen. Nach vielen Jahren mit Stachelbeeren unter lichten Bäumen, im Halbschatten einer Mauer ist zu sehen: Die Aussage ist richtig, aber so sinnentstellend, dass sie wertlos wird. Tatsächlich zeigen Stachelbeeren Wachstum in schattigen Bereichen, sie gedeihen so halbwegs, aber bereits Teilverschattung führt zu schwachen Erträgen und mieser Beerenqualität. Der Fruchtansatz ist gering, die Beeren bleiben klein, reifen spät, behalten grüne Töne, sie bleiben zu sauer und aromaarm. Wozu also? Bestenfalls sind sie noch etwas für einen Anbau im Topf auf einem Nordwest oder Nordostbalkon.

Akebien

Auch diese Schlingpflanzen sollen mit Schatten klarkommen. Es gibt zwei Arten, beide habe ich ausprobiert, die fingerblättrige Akebie (Akebia quinata) und die kleeblättrige Akebie (Akebia trifoliata). Letztere hat meiner Ansicht nach leicht schönere, grössere und besser schmeckende Früchte, so richtig brauchbar sind sie aber auch nicht. Auf einer verschatteten Pergola gezogen soll es klappen, aber bei mir kamen die Pflanzen im Schatten nicht hoch. Deshalb auch kein Foto, obwohl ich beide Arten ausprobiert habe. Sie brauchen eine Rankmöglichkeit und mehr Licht, bis sie wenigstens etwas Höhe erreichen.

Kiwi

Amur-Strahlengriffel, eine der dekorativsten Arten

Jetzt wird es interessanter. Drei Kiwiarten können auch in Deutschland kultiviert werden. Actinidia deliziosa in Gegenden mit langem Herbst, die bringen hühnereigrosse, behaarte, grünfleischige Früchte, bekannt aus dem Supermarkt. Am beliebtesten im Garten sind Actinidia Arguta, die kleineren, glattschaligen Kiwibeeren. Weniger bekannt und manchmal als seltene Zierpflanze gesetzt ist die dritte Art: Actinidia kolomikta, der Amur-Strahlengriffel oder der "bunte Strahlengriffel". Dieser Art hat auch glatte Beeren, die sind aber noch kleiner als die der bekannten Kiwibeeren, ansonsten gleich aussehrend. Und sie sind früher reif, nämlich schon ab Ende August. Sie fallen von selbst von der Pflanze, wenn sie ganz reif sind. Das Aroma ist okay, aber nicht weltbewegend, ähnlich der Kiwibeere, auch die Nutzung ist ähnlich - frisch essen, Mamelade. Ihr Vitamin-C Gehalt ist sehr hoch. Nachteile hat sie auch, sie ist in Winterruhe zwar absolut frosthart, aber fast noch spätfrostempfindlicher wie die Kiwibeere, der Fruchtansatz ist auch deutlich geringer. Wie alle anderen Strahlengriffel ist sie nicht selbstfruchtbar, man benötigt mindestens zwei Pflanzen, eine männliche und eine weibliche Pflanze. Eine Befruchtung durch Actinidia arguta - Kiwibeeren funktioniert nicht, schon die Blütezeiten sind unterschiedlich, Kiwibeeren treiben zwar ebenso früh, aber blühen später, oft erst im Juni. Gegen Frost hilft das weder bei der einen, noch bei der anderen Art nichts, da die empfindlichen Knospen und der weiche, saftige Austrieb schon früh im April erscheinen.

Weibliche Blüten von Actinidia kolomikta

Und sie ist die schattenverträglichste Obstart, die ich je hatte und habe. Als besonderen Bonus zeigen viele Sorten ein herrliches und buntes Laub: Grün, weiss, rötlich. Damit klappt es zudem endlich, der optisch sehr negativen nachbarlichen Garagenwand auf der Grundstücksgrenze exakt Richtung Süden ein hübsches, pflanzliches Kleid zu geben und dazu noch etwas zu ernten.

Frostschaden an Kiwi

Der Weg dorthin ist allerdings nicht so einfach. Alle Kiwis sind Schlinger, man benötigt ein Gitter, an dem sie hochranken können. Das ist an einer Mauer aber zu machen. Sie sind spätfrostempfindlich, glücklicherweise kann man sie an einer Wand vor Frostnächten leichter zuhängen. Die Nordseite bewahrt sie nicht vor frühem Austrieb, eine Verzögerung ist deshalb nicht festzustellen. Das wäre ein schöner Bonus gewesen. Und speziell der Amur-Strahlengriffel braucht auch noch konsequent feuchten Boden, erst ältere Pflanzen sind trockenverträglicher. Sie wurzelt flach, da deshalb die oberen Bodenschichten nicht austrocken sollten, ist permanentes mulchen rund um den Trieb angebracht. Man darf die Geduld nicht verlieren, nach dem einpflanzen kann es Jahre dauern, bis sie schliesslich in die Höhe will. Bei mir schafft sie insgesamt drei bis vier Meter, zwei Meter rauf und zwei seitlich, weiter will sie hier nicht wachsen. Sie spriesst wirr wie Knöterich, Kiwibeeren sind genauso, aber grösser.

Die schlimmste Wand wird schöner

Ihre Blätter haben hohen Zierwert. Iegendwo steht, männliche Pflanzen wären schöner, kann ich nicht bestätigen. Die schönste Sorte bei mir ist "Dr.Szymanowsky", die ist weiblich. Andere Sorten mit gewisser Verbreitung sind "Sentyabraskaya" (=September Sun), Pautske aus Litauen und die neuere "Vitakola", die ich auch habe. Dazu das Männchen in der Mitte - Sorte "Adam" und auch hübsch. Die schönsten Farben kommen erst bei älteren Pflanzen, also nach der Pflanzung nicht ungeduldig werden.

Weitere Arten

Vorgeschlagen werden auch Schattenmorellen, Erdbeeren oder Johannisbeeren. Schattenmorellen werden ohne Sonne noch moniliaanfälliger als sie ohnehin schon sind. Erdbeeren und Johannisbeeren bleiben sauer und haben kaum Aroma, wenn überhaupt ein Fruchtansatz da ist. Mindestens lichter Halbschatten wird verlangt. Generell sind aber alle Bäume möglich, wenn sie über den Schatten nach oben hinauswachsen können. Das ist dann aber keine Schattenverträglichkeit, sondern die Fähigkeit, mit Höhenwachstum dem Schatten zu entkommen.