Donnerstag, 7. März 2024

Der schleichende Abschied von Bienen und Hummeln


Ehemaliges Biotop gem. §33 BNatSchG

Wenn man imkert oder anders die Welt der Insekten entdeckt, sieht die Welt plötzlich anders aus. Die Perspektive verändert sich. Was man vorher im vorbeigehen unbeachtet liess, sieht man plötzlich aus Sicht von Bienen und anderen Insekten. Man erkennt Pflanzenarten und Habitate, Naturnähe, anthropogene Veränderungen statt achtlos am langweiligen "Gehölz", der "Böschung"vorbeizurauschen. Stattdessen gibts mehr Hinsehen, was wo wohnt, fliegt, krabbelt wächst - oder leidet. Das beschränkt sich auch nicht nur auf imkerliches Blüten gucken, weil sie einem vielleicht Tracht bescheren und damit den Honigeimer füllen könnten, sondern generell auf die Bedürfnisse von Insekten, ihrer reichen und vielfältigen Lebenswelt. Man kann gar nicht anders. Der Planet hat sich für den Beobachter erweitert, der Horizont ist grösser geworden. Die Pespektiverweiterung passiert fast jedem Imker, der damit selber in die faszinierende Welt der Bienen eingetaucht ist. Das bezieht sich nie nur auf Honigbienen oder einen direkten Nutzen, weil sich in einem Ökosystem sowieso niemals trennen und separieren lässt.

So gehen auch Gemeinden mit wertvollen
Insektenhabitaten in Biotopen um

Leider ging es stark abwärts mit Insektenhabitaten. Die letzten Jahrzehnte waren gekennzeichnet von einem rapiden Arten- und Populationsschwund bei fast allen Hautflüglern. Wir sind gradlinig dabei, etwa die Hälfte der Arten auszurotten, was eine Zerstörung von historischem Ausmass bedeutet. Der Abschied passiert schleichend, aber kontinuierlich. Honigbienen sind nur ein kleiner Teil der Insektenwelt und nicht abzutrennen, auch wenn sie mehr Aufmerksamkeit erhalten, weil sie vom Menschen gepflegte Insekten sind, dringend erwünschte Nutzfunktionen für den Menschen übernehmen. Aber auch bei ihnen sieht es oft trübe aus. Ihre Wohnung stellt der Mensch, natürliche Wohnungen wie Baumhöhlen hat dieser Mensch in "seinen" Wirtschaftswäldern längst beseitigt. Die Waldwirtschaft will Holz ernten. Er hat stattdessen Wald durch Wirtschaftsforst ersetzt und eine ganze Reihe neuer und absolut katastrophaler Parasiten und Fressfeinde aus anderen Kontinenten eingeführt, die Honigbienen unter Druck setzen, etwa die Varroamilbe, die asiatische Hornisse, den Beutenkäfer, vermutlich auch bald die Tropilaelaps-Milbe. Er hat sie durch Zucht genetisch verändert, Bienenrassen eingeführt die hier nie heimisch waren. Die anthropogene radikale Vernutzung tut ihr übriges: In landwirtschaftlich "normal" genutzten Gegenden können Bienen sowieso nicht überleben, die ausgeräumten Landschaften bieten weder genug Pollen noch Nektar übers Jahr. Nach der (ebenfalls landwirtschaftlich verursachten) Raps-Massentracht ist meistens schon Schluss.

Wohnung und Nahrung

Ein Jahr vorher: Wildhecken. Dann abgefräst und
als illegale Durchfahrt missbraucht. Grosse legale
Einfahrt über einen Weg nur 30m weiter.

Doch für Hummeln und Wildbienen ist direkter Nahrungsmangel noch nicht einmal das Schlimmste. Schlimmer für sie ist, keine Wohnung zu finden, keine Nistplätze. Die meisten Arten benötigen Pflanzenteile, hohle Stängel, Altholz, einige nisten im Boden, am besten ungestört und offen. Nahrung benötigen sie natürlich auch, Pollen, Nektar. Die Verfügbarkeit dieser Ressourcen für Insekten war in der Vergangenheit in innerörtlichen Gebieten manchmal besser wie auf freiem Feld. Aber nur relativ. Genauergesagt hat sich der innerörtliche Bereich schlecht entwickelt und der landwirtschaftliche Bereich sehr schlecht. Die Landwirtschaft hat wenig Wahl: Heutige Landwirtschaft muss effizient sein, wer die Felder nicht wirtschaftlich orientiert bewirtschaftet geht pleite und verschwindet selber.

Der riesige und stetig auf Kosten von noch unbebauten Flächen wachsende örtliche Bereich lässt ebenfalls stark nach. Die Gründe liegen dort natürlich nicht beim Zwang zur Effizienz industriell-maschineller Bearbeitung oder maximaler Nahrungsmittelproduktion, sie liegen in stetiger drastischer antropogener Umgestaltung. Was dort wie passiert, möchte ich am Beispiel meines Wohnorts hier in Möckmühl zeigen und damit auch dazu aufrufen, selbst hinzusehen und sich dem aktiv entgegenzustellen, so klein die Möglichkeiten auch sind. Zwei Räume sind zu unterschieden:

Privatgrundstücke

Privatgarten heute - lästig

Was Privatleute mit ihren Flächen machen, wird oft thematisiert. Dort sind die Sünden auch allgemein bekannt: Schottergarten, massive Flächenversiegelung mit Bauwerken. Der alte Garten wird abgetrennt und ein extra Bürgerpalast hineingeklotzt, damit vernichtet, fette Doppelgaragen zusätzlich hingespuckt statt Gehölz. Ein stetiger Anstieg versiegelter und damit totgemachte Flächen findet statt, rund ums Haus, überall - zupflastern, beenden. Wenn Pflanzen, dann werden einseitige Pflanzenstrukturen bevorzug, oft mit weniger insektenfreundlichen Neopythen statt heimischen Pflanzen, wichtiges Kriterium ist der vermutete Pflegeaufwand. Darüber will ich hier nicht zusätzlich lamentieren. Die Bilder kennt jeder, jeder hat sie vor der Haustüre. Besser wurde nichts, man hat immer weniger Zeit, will zwar Fläche besitzen weil das Prestige im Steinzeitgehirn bedeutet (Drang nach Reviergrösse), die aber gleichzeitig so lästig ist, dass man sie zuplaniert oder zuschottert. Das kann man, also tut man es auch. Früher mit Schaufel und Eigenarbeit wäre das richtig Arbeit gewesen und man hätte sich genau überlegt, was man macht und was nicht. Heute reicht ein Anruf, die Maschinen und LKWs kommen, eine Woche später ist der lästige Garten ein toter Steinbruch mit Belag aus chinesischem Ziermarmor oder der Hang ist einfach abgebaggert zugunsten einer Betonmauer, damit ein weiterer Parkplatz mit maximaler Maschinengewalt dorthingezwängt werden kann. 

Die Stadt selbst, die Gemeinde

Mit riesigem Abstand der grösste Flächengestalter sind aber nicht Privatbesitzer, sondern die Gemeinden. Sie kontrollieren alle Strassen und Wege samt breiter Strassenränder, Gewässerränder, Erholungsflächen, viele Gebäuse- und Freiflächen und nicht wenige Betriebsflächen. Die Planung, Pflege, Pflanzung, Bewirtschaftung passiert durch die Gemeinde oder im direkten Auftrag der Gemeinde.

So ist das selbstverständlich auch hier in Möckmühl. Und auch hier findet die volle Bandbreite zerstörerischer Massnahmen statt, die Stück für Stück wichtige Insektenhabitate unwiderbringlich vernichten. Ich habe einige Beispiele zusammengetragen, die alle im kleinen Umkreis von nur 200m stattfanden. In der gesamten Gemeinde kann man das gut und gerne um zwei oder drei Kommastellen hochrechnen.

Für sich genommen sieht jede Veränderung klein und unwichtig aus. Über Jahre, Jahrzehnte hinweg summiert es sich ungeheuerlich auf, wie man mit Hilfe alter Karten und Bilder leicht sehen könnte. Einfach den tatsächlichen Zeit- und Summenfaktor wegzulügen ist der unausgesprochene Haupt-Psychotrick. Oder Fragen danach zu diffamieren: "Hab nicht so, du Ökospinner, ist doch nicht viel, spiel nicht den Verhinderer wegen wegen ein paar komischen Käfern". Insekten sind geschützt, aber ihre Lebensräume de facto nicht. Hier nur also:

Ex-Biotop. 70m weiter existiert bereits eine
breite Strasse den Hang runter. Kosten? Egal.

1. Zerstörererischer Wegebau mitten durch ein Biotop. Unterhalb der Schule bis zum Talgrund existiert ein baum- und buschbestandener Nordhang, zu steil für grassierende Bebauung (trotzdem wurde in seinem Verlauf noch kräftig gegraben und fremder Erdaushub aufgeschüttet, um den letzten Quadratmeter für Bauprojekte herauszuholen). Dort ist der Boden ungestört, es gibt eine Trockenmauer und es wächst ein dichts Feldgehölz mit Vogelkirschen, rotem Hartriegel, Feldahorn, Pfaffenhütchen, Schlehe, Wald-Zwenke, Weissdorn, Waldrebe, Wald-Heideröschen, Goldnesseln, Rainkohl, Liguster, Leinkraut, Zwetschge, Heckenrosen, Katzbeeren, Salweiden, Arzneibaldrian... Der ganze Bereich ist gesetzlich geschütztes Biotop nach §33 BNatSchG, genau definiert in Anlage 2. Es gibt eine öffentliche Karte des Landesamts für Umwelt Baden-Württemberg, wo dies auch dort eingezeichnet ist. 
Plötzlich fahren Bagger und LKWs vor. Die Stadt hat beschlossen, unter Missachtung des Schutzstatus mit einer gigantischen Erdaufschüttung einen breiten, massiven Weg dort hoch zu bauen. Für viel Geld. Meiner Vermutung nach ging es darum, viele Kubikmeter Erde irgendwo hinkippen zu können und ein bisschen Holzernte zu treiben. Vielleicht auch um Dinge, die aus persönlichen Verbindungen von Beteiligten entspringen. Hoffentlich nicht.

Also habe ich nachgefragt. So rotzfrech bin ich noch nie angelogen und für dumm verkauft worden. Der Weg soll offiziell eine Verbindung zum Sportplatz im Tal sein. Ein Witz, denn eine richtige Strasse mit Fussgängerbereich existiert bereits und der Weg darüber ist kürzer wie über das neue Bauwerk. Behauptet wurde seitens der Gemeinde auch, der Weg liefe auf einem historischen Weg. Eine freche Lüge, detailliertes Kartenmaterial reicht 200 Jahre weit zurück, dort ist nirgends ein Weg gewesen, auch kein Pfad. So eine Querung wäre auch unmöglich gewesen, dort waren langgezogene Obstwiesengrundstücke, von oben und unten erschlossen.

Ein Jahr vorher war das die artenreichste
Wildobstfläche des Stadtteils

2. Flächenversiegelung und Hallenbau auf der grössten Wildobstfläche des Wohngebiets. Hinter dem Hallenbad liegt die artenreichste Wildobstzone des Stadtteils, die Pflanzung wurde noch von einem städtischen Mitarbeiter geplant, der damals an vielen Stellen ausnehmend hübsche, insektenfreundliche, gebietstypische, ökologisch hochwertige Arten setzte, seine "Handschrift" ist noch zu erkennen. Genau diese Wildobstdickichtareale sind reiner Zucker, Lebensraum und Wohnung, eminent wichtig auch für die flächige Vernetzung - Wildbienen fliegen nur 50m weit, auf einer "Insel" können sie nicht überleben, Inzuchteffekte lassen sie verschwinden. Wichtig auch, weil deshalb nicht mit dem LKW reingefahren werden kann, der Boden ist ungestört, die Wohnung von Wildbienen, Hummeln, Tieren,

Vormals ungestörter wärmebegünstiger ungestörter Boden
und Gehölz mit enormem Wildbienenbesatz

Das ist radikal zerstört worden. Planiert, betoniert, ein Hallenbau darauf gesetzt. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, dahinter ein Betonsteinpflaster auf die letzten intakten Quadratmeter gedonnert, damit zweimal im Jahr dort jemand sitzen kann. Grund: Die Stadt hat anderswo ein grosses Gelände zerstört und will dort ein Grossprojekt hochziehen lassen. Aber anstatt wieder im Grossprojekt am gewohnten Ort einen Geräteraum einzurichten, baute man woanders eine neue Halle. Nämlich mitten im Wildobst. Gratulation. Nirgendwo werden bereits zerstörte, nicht mehr gebrauchte Flächen genutzt, sondern es wird mit geradezu zwanghafter Sucht eine noch nicht zerstörte Fläche ganz zerstört, vermutlich weil man damit die Kosten spart, seine eigenen Ruinen erst abräumen zu müssen.

Die Halle ist für den DLRG und um der typischen fehlgehenden Ausrede gleich entgegenzuwirken: Es geht mir und Anderen nicht um DLRG oder Ressourcen. Das ist ein engagierter, segensreicher, wichtiger und toller Verein, der jede Unterstützung verdient. Einer aus der Familie ist Mitglied. Keiner will dem DLRG Räume verweigern, die er hatte. Es geht um planmässige Zerstörung natürlicher Grundlagen und um bodenlose, automatisch stattfindende Ignoranz gegenüber diesen Grundlagen, die fast immer gewählte "Zerstörungalternative".

"Vorbild" Gemeinde - hier standen
30 Jahre überall kleine Felsenbirnen

3. Vernichtung von Blüh- und Fruchtgehölzen an vielen Stellen, Ersatz durch gebietsfremde "Plastikgehölze" die weder Blüte und Frucht haben und minderwertig für heimische Insekten und Symbioten sind. An mehreren Stellen finden Fällaktionen statt, manchmal bei Umgestaltungen, manchmal einfach so, weil einem etwas gerade nicht passt. Die nahe Schule verlor so per Kettensäge eine Birnbaumreihe entlang der Schule, Strassenränder verloren ihre kleinen Felsenbirnen, kleine Streifen zwischen Parkplätzen verloren Kornelkirschen und Scharlachdorn, überall wurden Weissdornbäumchen abgesägt. Wenn überhaupt nachgepflanzt wird, dann aus dem Katalog des Grauens: Endlos niedrige Hainbuchenhecken, trotzdem pflegeintensiv und damit teuer weil schnittbedüftig, Sumpfeichen, Zierkastanien. Letztere haben wenigstens Blüten, der Rest keine für Insekten, die Hälfte gebietsfremd, keine Früchte, ökologischer Wert unterklassig.

Was tun?

Soweit eine kurze Umschau in allernächster Umgebung. Was man nicht tun sollte: Schlechtgelaunt durch die immer kaputtere Gegend schleichen und sich von den Zerstörungen frustrieren lassen. Besser: Sich selber dort anders verhalten, wo man es kann, wo man die Kontrolle hat. Positive Ansätze initiieren verstärken. Auch in den Gemeinden gibt es eine Menge engagierte und bewusst handelnde Menschen. Die verbale Faust braucht man nicht immer in der Tasche lassen: Bei all diesen Zerstörungen wird gerne privat und sogar aus einem Amt heraus gegen Leute polemisiert, die das nicht gut finden. "Jaja, die Käferfreunde haben wieder was gegen ein nötiges Bauwerk". Oder die einfach rotzfrech volle Kanne anlügen, wie es die Stadt Möckmühl es bei mir getan hat. Enttäuschend. Trotzdem: Höflich nachfragen, nachfragen, nachfragen, zum Grund vordringen, fordern. Deutlich werden, wenn man merkt, dass man ohnehin für dumm verkauft wird. Damit zeigt man immerhin, dass es Leute gibt, die Katastrophen nicht hinnehmen. Die Gemeinde sind auch die Einwohner, fragen viele Leute, wird es auch für die Zerstörer ungemütlicher und zäher.

Vorher: Blühende Weissdornbäumchen
Jetzt: Amerikanische Säulen-Sumpfeichen
Nektarlose, traurige Plastikmöblierung

Sonntag, 25. Februar 2024

Ernteaussichten im Februar

Aprikose am 24.2.
Nach dem Jahr 2016 hat sich mindestens die Steinobsternte in jedem Jahr im Frühling beendet, oft schon Februar oder März. Der sogenannte Winter ist zur Regenzeit geworden; endlose Warmphasen sorgen für extrem frühen Austrieb. Es bleibt aber niemals warm, in den Kälterückschlägen danach frieren Blüten und junge Früchte ab. Die Wetterveränderungen bedeuten also massive Frostschäden und anhaltende Wetterlagen, ein statisches Wetter, das ist auch im kommerziellen Anbau ein Riesenproblem geworden. Dauerregen, dann wieder monatelang Dauertrocken, Dauerwarm bis in den Frühling, dann kalt. Steinobst wurde zum regelmässigen Totalausfall, Kernobst stark vermindert.

Dieses Jahr könnte einen Rekord für die Gegend darstellen. Die ersten offenen Aprikosen- und Kirschpflaumenblüten erschienen am 24. Februar. Normal war früher ihr Blühbeginn Ende März, die Blüte hat sich dann in den April gezogen. Das ist nicht alles: Pfirsichblüten haben auch schon rote Spitzen, ebenso die späte Mandelsorte. Auch die Wiese blüht: Krokusse, Blausterne, die ersten kleinen Narzissen. Die Birnen treiben aus, Knospen gehen auf. Maibeeren blühen.

Kirschpflaumenblüte

Blausterne am Boden

Birnen Austrieb Ende Februar, Feigenbirne von Alencon


Helfen später blühende Aprikosensorten?


Schön sieht sie ja aus, die Aprikose...
Das war auch meine Hoffnung. Und so pflanzte ich Sorten, die bekannt für ihren späten Blühbeginn sind. Haralayne, Bergeron, Vertige und andere. Haralayne und Bergeron gelten sehr spät, Blüte von April bis Mai, Vertige gilt als spät. Ja, es stimmt: Sie blühen später. Zwei Wochen, höchstens drei, nach "Orangered". Und das reicht nicht einmal annähernd, um dem Frostschaden zu entkommen. Es würde nur dann reichen, wenn die behaupteten Blütezeiten stimmen würden. Das tun sie aber nicht: In Jahren wie diesem blühen sie alle im März und ab dann kam immer noch Nachtfrost. Es ist völlig hoffnungslos, dem veränderten Wetter durch Züchtung nachzukommen. Das sprengt jede Anpassungsgrössenordnung.

Was tun?


Der Pfirsich will auch, Royal Gem
Im kommerziellen Anbau wird geschützt, geschützt, geschützt. Anbau unter Folie und im Sommer ein Netz ist Standard. Unten bewässert, oben geschützt. Nicht nur für Mimosensorten, sondern auch für Standard-Steinobst wie Äpfel. Früher war noch Frostschutzberegnung häufiger, das wurde immer mehr durch Foliendächer abgelöst, weil damit auch Hagelschutz, Gewitter und Platzrisiko erledigt werden kann. Für Privatleute sind diese Konstruktionen jedoch in der Regel nicht machbar, die Plantagentechnik ist teuer und aufwendig. Einen Hubsteiger durch Spaliergassen ziehen und Folien entfalten können wir nicht, bewässern können wir auch nicht. Es bleibt die Pflanzung im Hausgarten, an einer Hauswand, überdacht und bei Frost abgehängt. Solche Pflanzplätze hat man aber sehr wenig bis gar nicht.
Die Mandel, Ferraduel

Letztlich habe ich akzeptiert, dass die meisten Steinobstsorten zu Zierpflanzen geworden sind. Man kann die Blüte geniessen, mehr nicht. Einen interessanten Nebeneffekt hat die Frostzerstörung auch. Die Bäume sind weniger krank. Blüten sind offene Bahnen ins Saftsystem und erstklassige Eintrittspforten für Krankheiten. Beispielsweise Monilia kommt durch die Blüten in den Ast, der dann abstirbt. Beendet Frost das Blühgeschehen schnell und gründlich, finden auch weniger Infektionen statt. Und ich erlebe seither Aprikosen gesünder denn je - aber immer ohne Früchte.



Montag, 12. Februar 2024

Nashornkäfer, unser Lieblingsgartentier

Nashornkäfermännchen

Wir haben seit Jahren hunderte Nashornkäfer im Garten und wir lieben sie mehr als jedes andere Wildtier: Nashornkäfer und ihre Larven. Wie kommts, dass uns dieses Insekt so gefällt? Was ist das überhaupt für ein Viech, ein Nashornkäfer? Hübsch ist es auf den ersten Blick und warum ist es auch so nützlich?

Männchen und Weibchen, die sich in Erde versteckten

Zuerst etwas Biologie: Das Tier gehört zur Gruppe der Riesenkäfer. Nahe Verwandte hat er in Deutschland nicht, auch der Hirschkäfer ist nicht näher verwandt. Aber in den Tropen und Südosteuropa gibt es verwandte Arten. Der glückliche Nutzgärtner sieht meistens zuerst seine beeindruckenden Larven. Sie sehen aus wie viele andere Blatthornkäferlarven, sind aber enorm gross, erreichen bis zu zehn Zentimeter Länge. Sie leben im Boden. In erster Linie sind diese Larven dort zu finden, wo auch Totholz im Boden ist, ihre Lieblingsnahrung: Unter Holzmulch, an verrottenden Hölzern, auch im Kompost. Vor allem im Kompost werden junge und damit kleine Nashornkäferlarven mit Rosenkäfer- oder Junikäferlarven verwechselt, die dort häufiger sind. Und im Garten nicht so gerne gesehen, denn die anderen Arten fressen auch lebende Wurzeln. Zu unterscheiden ist die Nashornkäferraupe im Jungzustand schlecht, wenn sie älter werden kann man sie an ihrer enormen Grösse, der Tendenz zur gelblichen Färbung und ihrer Gärmagenstruktur erkennen.

Im Pferdemist lebt sichs vergnügt

Bei mir sitzen Nashornkäferlarven zu hunderten im verrottenden Pferdemist. Der enthält nämlich Holzspäne als Einstreu und daran laben sich Larven ausgiebig, das ist ihre Hauptnahrung. Man kann den gelagerten Pferdemist kaum umschichten, ohne Gefahr zu laufen, Käferlarven zu verletzen. Ich bin deshalb besonders vorsichtig und schabe das Substrat nur von der Oberfläche her ab, Larven werden gepackt und umgesetzt. Jetzt gerade passiert das und die Larven kann man nicht mehr zählen, die dabei ans Tageslicht kommen.

Ständig Larven retten...

Diese Larven sind recht aktiv, bewegen sich stetig wenn man sie einmal sieht. Ihre Nahrung besteht wie gesagt aus morschem Holz. Sie gehören zu den wenigen Tieren, die Zellulose sehr gut verdauen können, andere dieser ähnlich aussehenden Larven (wie besagter Rosenkäfer) können das lange nicht so gut. Das schafft das Nashorn über einen eigenen Gärmagen mit Hilfe von Bakterien und Pilzen ohne Sauerstoff. Dabei entsteht Methan. Das sieht man auch, tatsächlich sehen die Larven immer prall und aufgebläht aus. Es sind hocheffiziente chemische Fabriken, die über einen komplexen mehrstufigen Prozess etwas schaffen, was sonst kaum einer schafft. Die Larven erzeugen in ihrem Gärmagen eine optimale Umgebung für hilfreiche Mikroorganismen, die das Holz schnell abbauen und verdauen anschliessend sowohl die Mikroorganismen als auch deren Produkte des Holzabbaus.

Der Gärmagen mit den charakteristischen Falten und Adern

Bis zu fünf Jahre dauert die Entwicklung, dann bauen sich die Laven eine gemütliche unterirdische Höhle, verpuppen sich, schlüpfen als echte Käfer und fliegen ab Mai durch die Nacht. Die Käfer leben nur wenige Wochen, fressen wenig bis nichts, ihre Aufgabe ist nur die Paarung und Eier legen. In optimalem und warmem Substrat des Pferdemists mit Holz habe ich schon nach ein bis zwei Jahren Entwicklung die schlüpfenden Käfer. Die Käfer kennen keine Furcht. Deckt man die Larven auf, versuchen sie nur sich schnell wieder in den Untergrund zu wühlen, weg vom Licht. Für Hühner und Vögel sind es begehrte Opfer. Amseln scharren sehr tief, um an die Larven heranzukommen und zerstören dabei Pflanzen und Beet.

Larven unter Holzbrettchen, aufgedeckt. Ihre Schabespuren am Holz.


Tapferer Käfermann
Von unten

Eindrucksvoll, hübsch und effizient sind sie also, aber warum sind sie so nützlich? Fressen sie nicht auch Wurzeln an und schaden den Pflanzen? Genau das tun sie nicht. Sie fressen ausschliesslich Totholz. Totholz, das ohne sie langsam verrotten würde und bei diesem Prozess wertvolle Stickstoffverbindungen im Boden wegfrisst. Boden mit Holzspänen und vor allem mein gelagerter Pferdemist mit den Holzspan-Einstreuresten magern also stärker aus, weil die Verrottung Stickstoff kostet. Das verhinden die Nashornkäfer, setzen das Holz zügig auf eigene Kosten um und geben mir dafür erstklassigen Wurmkompost mit vielen pflanzenwertvollen gelösten Stoffen. Und lebende Wurzeln, sind die wirklich geschützt oder ist das wieder so ein Märchen? Im Gewächshaus, wo ich gelagerten Pferdemist verwendet habe ich massenhaft Larven, die Pflanzen wachsen fantastisch, ohne jede Spur von Wurzelfrass. Lasse ich Holzbrettchen liegen, kommen sofort Nashornkäferlarven hoch und schaben am Totholz. Im Sommer klopft es nachts laut im Gewächshaus. Keine Poltergeister oder Auberginen die Sexparties feiern, sondern schlüpfende Nashornkäfer. Die geschlüpften fertigen Käfer wollen fliegen und sich vermehren, donnern aber gegen das Dach statt zur offenen Tür hinauszubrummen. Wer rechnet schon damit, in einem Gewächshaus zur Welt zu kommen. Ich gehe wochenlang spätabends mit einem Licht hinein, packe die Käfer und trage sie nach draussen. Pro Abend sind das 5-25 Käfer, Männchen wie Weibchen. Kommen sie nicht hinaus, wühlen sie sich wieder in die Erde, wo sie den hellen Tag verbringen.

Das erste Fledermausgeschwader fliegt an
Batman kreist um die Laterne

Die Käfer sind herrliche Tiere. Sehr tapfer, marschieren auf der Hand herum, kennen keine Furcht. Männchen haben das riesige Horn und kämpfen auch miteinander um die flotten Käferweibchen ohne Horn. Es gibt auch Männchen ohne Horn, sie tarnen sich als Weibchen, werden deshalb nicht angegriffen und machen sich hinterrücks an die Käferweiben heran. Ein Tarnverhalten im Tierreich, das auch bei einigen anderen Arten bekannt ist. Sie fliegen ungern, aber schliesslich brummen sie durch die Nacht und bescheren uns damit ein weiteres eindrucksvollen Schauspiel, vor allem ab Ende Mai: Angelockt von den Nashornkäferscharen kommen Feldermäuse, die hinter den Käfern her sind. Und zwar das grosse Mausohr, die grösste Fledermaus Deutschlands mit über 40cm Flügelspannweite. Lautlos fetzen ganze Schwärme in waghalsigen Flugmanövern um die Strassenlaternen vor unserem Garten, die Strasse entlang, um das Gewächshaus. Manchen Leuten macht das Angst, die Fledermäuse rasen nur Zentimeter über den Kopf weg, sie fliegen auch sonst sehr niedrig, wie es für diese Art typisch ist. Krabbelnde Käfer auf dem Boden werden geortet und gefressen, aber meiner Beobachtung nach können sie auch die träge fliegenden Käfer problemlos packen und wegvespern. Trotzdem bleiben genug Nashornkäfer, um meinen Pferdemist alljährlich einen dichten neuen Besatz von Larven zu bescheren. Danke, liebe Käfer.



Samstag, 27. Januar 2024

Kürbissorten für die Lagerung

Moschuskürbis "Tosca"
Kürbisse sind meine Hauptkultur. Im Aussengarten wachsen sie seit Jahren auf etwa 40qm, jährlich bis zu zehn Sorten und eine Ernte von über hundert Früchten, wenn das Wetter mitspielt. Die meisten Früchte werden eingetauscht gegen andere nette Dinge oder verschenkt. Der Rest wird je nach Lagerfähigkeit eingelagert und gegessen. Einige verliere ich durch unerwarteten späten Schimmelbefall. Einen wichtigen Teil der Ernte bilden ausserdem die samenhüllenfreien Ölkürbisse. Die werden nicht gelagert, sondern sofort die Kerne herausgeholt und getrocknet, die kulinarisch minderwertigen Kürbisse zum Schnitzen von Kürbisgeistern verwendet.
So werden sie bei Feinkost-Albrecht verscheppert

Lange Lagerfähigkeit ist eminent wichtig, denn Kürbis ist ein herrliches Wintergemüse. Monatelang gibts keine Woche ohne Kürbis: Kürbis-Pommes, gebackener Kürbis, Kürbissuppe, Kürbis mit Nudeln und Parmesan, gekochter Kürbis japanisch... der Möglichkeiten sind genug und sie sind so vielfältig, dass sich die Familie nicht daran abgegessen hat.

Eine zentrale Frage eines jeden eifrigen Kürbis-Nutzgärtners lautet also: Welche Sorten lassen sich wie lagern? Wie ist das Maximum an Qualität herauszuholen? Dazu soll dieser Beitrag mit Hilfe der Schilderung einiger Erfahrungen der letzten Jahre beitragen und den älteren Beitrag unter https://gartenzone.blogspot.com/2018/02/perfekte-kurbisse-durch-den-winter.html vertiefen und erweitern. Zunächst noch einmal die drei Hauptarten von Kürbissen:

Moschuskürbisse, Cucurbita moschata

Die letzten Jahre die erfolgreichste Sortengruppe. Dazu gehören Butternut-Formen, die gerippten und warzigen asiatischen Formen, die sehr grossen Violina-Kürbisse in Südeuropa. Aromen manchmal etwas nussig, Esskastanie, manche ziemlich süss. In dieser Gruppe liegen meine Lagerkönige.

Speisekürbis, Cucurbita maxima

Riesenkürbisse mit Rekordgrössen bis zu 1,2 Tonnen, Hokkaido-Kürbis, die gut haltbare "Hubbard" Gruppe, Marrows, Turbankürbisse und mehr. Je nach Sorte mehr oder weniger gut haltbar. Struktur gekocht eher mehlig, manchmal süsslich, Esskastanienaromen.


Gartenkürbisse, Cucurbita pepo

Generell nicht besonders lagerfähig, aber enorm vielgestaltig. In dieser Gruppe befinden sich die Ölkürbisse, die grossen Schnitzkürbisse im Herbst, sehr viele Zierkürbissorten und die sehr leckeren Acorns, Zucchini, Patisson-Kürbis, und andere. Diese Typen wollen wir hier mangels Langlagerfähigkeit nicht weiter aufgreifen.


Wie optimal lagern?

Mit den Jahren haben sich Vorlieben, Stärken und Schwächen vieler Sorten beim mitteleuropäischen Anbau herausgestellt. Wichtig für die Optimierung der Lagerfähigkeit ist:

  • Nach einem vollen Jahr Lagerung!
    Nur reife, absolut makellose Früchte einlagern. Schalenfehler, Fehler am Nabel, kleine Risse - das geht nicht gut, sondern fault bald. Nicht ganz reife Früchte können mittelmässig lagerfähig sein, bleiben aber ohne volles Aroma. Da Kürbisse sowieso keine intensiven Aromen haben, sollte man das Restaroma nicht verschenken. Ein häufiger Schalenfehler sind Verfärbungen an der Auflagefläche. Solche Kürbisse trocknen auf dem Lager durch die fehlerhafte Schale schneller aus, bekommen früher Kavernen, bauen schneller ab. Dem kann man begegnen, in dem man den unreifen Früchten im Beet Holzbrettchen unterlegt und sie so reifen lässt. Funktioniert.
  • So wichtig wie die Lagerung ist das Einlagerverhalten. Auch für das Aroma. Ich habe es in einem direkten Vergleich mit Moschata-Sorten ausprobiert, es stimmt: Kürbisse bekommen erst bei Warmlagerung nach zwei bis vier Wochen ab Ernte ihr volles Aroma und die volle Lagerfähigkeit. Warmlagerung heisst: ohne Sonne, trocken, 15° bis Zimmertemperatur. Insbesondere Süssaroma entsteht erst dann. Erst werden sie trocken und überdacht an die Nordseite des Hauses auf Bretter gelegt, da der Oktober meistens sehr warm geworden ist, ist das ideal. Wird es kalt, kommen sie ins Haus und später in den (mit 15° recht warmen) Keller.
  • Behandlung der Früchte nach der Ernte. Beim Transport dafür sorgen, dass die harten Stengelreste nicht andere Kürbisse verletzen. Nie feucht liegen lassen.
  • Grenzen anerkennen. Es gibt Jahre, da faulen sie einfach, obwohl alle Faktoren identisch erscheinen. Mikrorisse? Unerkannte Wanzenstiche? Wetterkapriolen, die Früchte schädigen? Ich weiss es nicht. In einem von vier Jahren sind sie einfach nicht so gut haltbar.

Was waren die herausragenden Kürbissorten der letzten Jahre und ihre Eigenschaften?

 

Tosca

Grosses Beet mit vorwiegend "Tosca" bei der Ernte

Die Nr. 1 in meinem Anbau seit Jahren. Sie ist ein typischer Moschata, wie er seit 150 Jahren im Mittelmeerraum sehr populär ist, diese Gruppe kann man auch "Violina-Kürbisse" nennen. Sie bringt sehr grosse (Gewicht vier Kilo auf gutem Boden), herrlich aussehende terrakottafarbene Früchte mit heller Beduftung. Ihre Lagerfähigkeit ist nicht nur gut, sondern auch die Bewahrung ihrer hohen Fruchtqualität über die Monate.

Im Aroma sind Violinas generell intensiver als die schwächeren Butternuts, süsser und kräftiger. Ihr Fruchtfleisch ist leuchtend orange, kaum ein Gemüse wirkt farbintensiver. Dafür werden sie manchmal faseriger und die Früchte sind mit vier Kilo Gewicht unhandlich gross. Verdirbt eine Frucht, verderben gleich mehrere Kilos. Die Grösse hat auch Vorteile: Man hat weniger Mühe, sie mittels der oben erwähnten Holzbrettchen vor Schalenfehlern zu schützen.

Spalten von "Tosca" vorbereitet zum Backen im Ofen

Hauptnachteil ist die späte Reife. Alle der ursprünglicheren Moschatas reifen spät, in manchen Lagen Mitteleuropas wird einiges nicht reif. Bei mir werden in den meisten Jahren 80% der angesetzten Früchte reif, ansonsten immer noch genug, um den Anbau zu rechtfertigen. In Hochlagen würde ich den aber nicht anbauen.

Andere Violinas waren wirklich zu spät reif, hatten ungünstige Fruchtformen (zu warzig, zu gerippt, erschwert die Verarbeitung). Tosca lag immer gut in einer Schnittmenge positiver Eigenschaften. Angebaut hatte ich schon "Violina" (wichtige kommerzielle Sorte in Italien), Lunga di Napoli (riesig, spät reifend), Beja.


Valencia

Ernte 2023. Mitterechts oben "Valencia"

Eine Zwischenstufe zwischen den Violinas und den Butternut-Kürbissen. Aber eine Gute! Valencia gehört zu den am besten schmeckenden Moschata-Sorten, ist sehr süss und aromatisch, hat etwas von Karotte, Süsskartoffel, ist noch intensiver und homogener als Tosca. Glatte Schale, kleine Früchte. Reift auch gut nach. Von diesem Typ hatte ich schon mehrere Sorten, "Sonca" etwa, dieser und andere  wurden aber nicht reif. "Valencia" wurde immer weitgehend reif und schaffte immer sehr gute Erträge, auch wenn der Boden nicht so supergut vorbereitet war. Er möchte gerne dieselben Anbaubedingungen wie Tosca.


Leckor

Kürbis "Leckor" bei der Ernte

Eine F1-Hybride. Gehört zu den Maxima-Sorten, die alle ein wenig mehr Probleme bei Langlagerung haben. Mehr Schimmelgefahr, mehr unerklärbarer Verderb. Sorten wie Leckor sind in Ostasien populär, reif wie unreif, speziell die japanische Küche verwendet sie gerne. In Europa kam dieser Typ zuerst als "Hokkaido Kürbis" auf den Markt, meistens mit orangefarbener Schale, die weich kocht. Häufiger sind aber grüne und graue Sorten. Und dort sind auch die Aroma- und Langlagerschätze zu finden. "Leckor" ist wie "Tosca" eine Sorte, deren Eigenschaften nicht perfekt, aber ganz gut in einer brauchbaren Schnittmenge liegen. 1,5 Kilo schwer, gekocht sämiges Fruchtfleisch, weniger süss wie Tosca, eher "kartofflig" wie "karottig". Sehr gut für Suppe, dann etwas abschälen, damit die Suppenfarbe knallig bleibt. 


JWS 6823

Standardbutternut "JWS 6823"

Ebenfalls eine F1-Hybride und einer der wenigen mehltautoleranten Butternut-Kürbisse. So lagerfähig wie andere Langlager-Butternuts, nicht zu unterscheiden. Mit Butternuts ist es so eine Sache. Sie sind eine relativ junge Moschata-Form und ich habe den starken Eindruck, dass sie auf genetisch recht schmaler Basis stehen. Die Vielfalt ist gering. Es gibt zwar hunderte Sorten und für den kommerziellen Anbau wird ständig mehr gezüchtet, aber sie wirken alle sehr ähnlich: Eher schwach aromatisch, gut lagerfähig (bei mir bis zu acht Monate) im Anbau problemlos, glatt und gut zu verarbeiten, schnell reifend, reifen in Mitteleuropa generell auch in weniger guten Lagen immer aus. Sehr verkaufsfähige Idealgrössen, optisch ansprechend. Alle Sorten wirken ähnlich. Sie unterschieden sich eigentlich nur hinsichtlich ihrer Anbauqualitäten: Manche Sorten bleiben kompakter, haben recht uniforme Früchte (was stark erwünscht ist) und ein paar sind auch ganz gut mehltautolerant. Wie eben auch JWS. Im privaten Anbau eine sehr günstige Eigenschaft, vor allem in mehltaufördernden Lagen, wo unbehandelt oft schon Ende August echter Mehltau die Assimilationsleistung der Blätter hemmt und damit die Fruchtqualität senkt. Der Rest unterscheidet sich nicht von anderen Butternuts. JWS ist meine "Butter und Brot" Butternutkürbissorte, sie hat nie enttäuscht, bleibt aber natürlich innerhalb der Limitierungen aller Butternuts. Ausprobiert hatte ich schon Butterscotch, Betternut (nicht ganz so mehrtauresistent), Tiana (gut), Victory, Waltham (schwaches Aroma), Honeynut...

Kürbispommes

Montag, 15. Januar 2024

Puffbohnen, Verarbeitung und ein tolles Einlegerezept

Frisch geerntetes Rohprodukt, Puffbohnenkerne

Im Winter isst der Nutzgärtner die haltbar gemachten Schätze des Sommers. Und bei Puffbohnen wachsen sogar die Pflanzen im Winter. Mit dem Winteranbau von dicken Bohnen habe ich endlich wieder brauchbare Erträge, fast wie zu Zeiten meiner Eltern, die in einer kalten aber feuchten Hochlage auf schlechtem Boden im Frühlings/Sommeranbau immer gut geerntet haben. Sommeranbau, der hier nicht mehr geht. Die trockene Hitze prügelt die Pflanzen nieder. Aber der Winteranbau hat sich in meiner Gegend mittlerweile voll bewährt. Auch dieses Jahr sind die Jungpflanzen der Oktoberaussaat sehr gut aufgegangen, wachsen in Warmphasen, überstehen Kaltphasen ohne zusätzlichen Schutz, überstehen die neue winterliche Regenzeit. Ich habe die Anbaufläche ausgeweitet, auch wegen ihrer guten Biomasseproduktion und der vorteilhaften Stickstoff-fixierung der Wurzeln im Boden.

Letzten Sommer war dann die Ernte aus dem Winteranbau so gut, dass ich erstmalig so viele Bohnenkerne hatte, um weitere Verarbeitungsmethoden auszuprobieren. Was tun mit dem Segen, wie dicke Bohnen haltbar machen?

Einfrieren, Konserven und trocknen

 
300 Gramm Puffbohnen tiefgekühlt
Normalerweise werden sie frisch zubereitet sowie blanchiert und portionsweise eingefroren. Sehr simpel. Enthülsen, ggf. mit etwas frischem Bohnenkraut wenige Minuten in sprudelnd heissem Wasser blanchieren, abgiessen, mit kaltem Wasser abschrecken, ab in den Gefrierbeutel und das Gefriergerät. Hält sich mindestens zwei Jahre. Auftauen am Besten ebenso schnell: Die gefrorenen dicken Bohnen in eine Schüssel und kochendes Wasser aus dem Wasserkocher drüberkippen. Dann weiterverarbeiten. Hatten wir schon in früheren Beiträgen.

Eine haltbar gemachte Version im Glas mit Wasser existiert auch, wird aber anders hergestellt, es ist eine klassische Konserve. Sehr selten verkaufen deutsche Supermärkte als Aktionsware auch dicke Bohnen / Puffbohnen im Glas. Das letzte derartige Angebot stammte von Aldi Süd, lief unter "heimische Genüsse" oder so ähnlich. Die dicken Bohnen sind aber wie andere Konserven nur in Wasser und Salz eingelegt gewesen. Es waren sehr kleine Kerne, sehr jung geerntet, sie wirken im Stil und (schwachen) Aroma erbsenähnlich, mit denen sie ja auch verwandt sind. Die machten keinen Spass, schmeckten verkocht, nicht recht zu gebrauchen. Das Wasser löst viele Stoffe aus den Bohnen. Nicht teuer, als Zutat für Salate und kalte Beilage brauchbar, aber muss nicht sein. Da kann ich auch Dosenerbsen kaufen, die sind sogar noch billiger.

Geschälte Kerne - mühsam!
Puffbohnengericht mit geschälten Kernen

Früher wurden sie einfach getrocknet. Auch das geht weiterhin und ist in manchen Gebieten noch bekannt, aber zur Folkore geworden oder in der Verwendung weiterhin kein Gourmetprodukt (etwa arabisch, Foul oder Ful). Habe ich auch probiert. Problem ist: Nach dem einweichen und kochen ist die Konsistenz nicht mehr toll, die umgebende Samenhaut bleibt zäh, das Innere, die Keimblätter werden mehlig, totgekocht und geschmacksarm. Man muss die Dinger nämlich über Nacht einweichen und dann je nach Grösse und Zustand nochmal ein bis zwei Stunden kochen. Andere Hülsenfruchtarten überstehen das besser. Eine Verbesserung ist es auch, wenn man kleinfrüchtige oder relativ junge Früchte trocknet. Aber die behalten noch weniger Aroma und es wird noch mühsamer. Manche Zubereitungsarten machen sich die Probleme zunutze, wenn man beispielsweise etwas wie "Fave a coniglio" daraus macht, Puffbohnen nach Kaninchenart. Man kocht sie nach Einweichen dann mit Gewürzen, nimmt sie mit den Fingern, drückt und saugt sich die Keimblätter heraus, wirft die Samenhaut weg. Die alten deutschen Rezepte (Dicke Bohnen "Münsterländer Art" oder "Westfälische Art") hat man früher auch aus getrockneter Ware hergestellt, aber das ist mit Tiefkühlware so viel besser, dass es keiner mehr mit Trockenware machen will.

Eine Variante sind die getrockneten Keimblätter, also bereits geschälte Kerne der Ackerbohnen, ohne Samenhaut. Kann man kaufen, zu finden beispielsweise unter "Mezze Fave Sgusciate", bekannt vom Mittelmeer bis Indien. Für den Nutzgärtner bleibt das uninteressant, denn er kann nur von Hand schälen, dann wird alles so irre mühsam und mehrstufig aufwendig, dass es in keinem Verhältnis mehr zum Effekt steht.

Eingelegte dicke Bohnen

Vor ein paar Jahren bin ich dann zufällig auf eingelegte dicken Bohnen gestossen, ein kommerzielles Produkt aus Sardinien namens "Favette condite in olio di oliva". Das klang nicht unplausibel, schliesslich wurden schon in der Steinzeit dicke Bohnen rund ums Mittelmeer kultiviert. Dass vieles noch unter italienischem Namen zu finden ist, ist kein Zufall. Schon im alten Rom waren Puffbohnen ungeheuer verbreitet, Standardnahrung der Armen, das hat sich über die Jahrtausende erhalten. Sie sind jedoch ausserhalb der Tropen nicht nur in Italien, sondern überall bekannt und angebaut worden. In Gegenden des heutigen Italiens gibt es bis heute die grössten Reste der langen Verarbeitungs- und Verwertungstradition. Viel ist davon jedoch nicht populär geblieben, die Produkte sind weit nach hinten sortiert oder man hört nichts mehr davon. Seltsamerweise. Eingelegte dicke Bohnen als kommerzielles Produkt scheinen beispielsweise ausserhalb Sardiniens heute kaum zu existieren. Diese in Öl und Gewürze eingelegte gekauften Bohnen schmeckten aber auf Anhieb sehr gut, leider machte die vorgeschriebene Zutatenliste ohne Mengenangaben nur dürre Aussagen über den Inhalt, ein Rezept war nicht im Netz zu finden. Inhalt: "Pferdebohnen (63%), Olivenöl, Petersilie, Fenchel, Knoblauch, Schwarzer Peffer, Salz, Zucker, Säureregulator: Zitronensäure". Hersteller CP&G Srl - Ayo Alimenti, Sardinien. Zum sehr stolzen Preis von 21,94 € pro 1 kg, was dem Niveau von edlem Käse entspricht. Sonst war fast nichts, wenig aus Italien, nichts aus Spanien, nichts aus Griechenland, nichts aus Nordafrika, nichts aus dem östlichen Mittelmeerrand.

Also habe ich mich ans ausprobieren gemacht, überlegt wie man sie zubereiten könnte, getestet und dann die Mengen erhöht. Jetzt im Winter ist der beste Zeitpunkt, die Ergebnisse auszuprobieren und Manöverkritik zu üben. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die selber eingelegten dicken Bohnen schmeckten spitze und ich werde künftig einen guten Teil der Ernte wieder so zubereiten. Sie sind haltbar ohne Kühlung, ideale Antipasti vor einem besseren Abendessen, zusammen mit halbgetrockeneten Tomaten, Oliven, angeröstetem hellem Brot und einem kräftigen Rotwein etwa. Ein Hochgenuss, vor allem jetzt im Winter. Die Bohnen nehmen Gewürzaromen sehr gut auf, werden trotz der Salzzugabe nicht hart, harmonieren mit Öl und der Gewürzkomposition sehr gut. Innen sämig, Puffbohnenaroma auch sehr gut erhalten. Machen sich wie gesagt gut auf einem Vorspeisenteller oder als herzhafter Bestandteil eines Abendessens zwischen anderen Genüssen.

Das nachgebaute Rezept

Probiert habe ich folgendes:

  • Die Puffbohnenkerne blanchieren, d.h. zwei Minuten in sprudelnd kochendem Wasser kochen, dann herausnehmen, sofort abschrecken und auf einem Küchentuch eine Minute entfeuchten lassen. Sie müssen nicht ganz trocken sein, aber auch nicht mehr ganz nass.
  • Die Puffbohnen sofort danach in Gläser mit Twist-Off Verschluss schichten. Verwendet werden Gläser, in denen vorher 500 bis 720ml Füllgut war, etwa eingelegte saure Gurken oder solche Produkte. Ein paar schwarze Pfefferkörner in jedes Glas dazulegen, Knoblauchzehen nach Geschmack, ein dickes Blatt mit glatter Petersilie, Fenchelgrün aus dem Garten, ein gestrichener Teelöffel Salz, ein Spritzer Weissweinessig, auf Zucker habe ich verzichtet. Wenn, dann etwas Honig, ein gestrichener Teelöffel.
  • Sterilisieren im Ofen
    Etikettenreste der vormaligen Olivengläser stören nicht
  • Dann kommt das Öl: Reines Olivenöl war mir zu heftig und auch zu teuer für den ersten Versuch. Stattdessen Sonnenblumenöl plus etwas Olivenöl genommen. Liegen die dicken Bohnen dicht im Glas, braucht man gar nicht viel Öl, max. 25% des Gesamtvolumens. Nur die Lücken werden aufgefüllt. Eventuell die Puffbohnen vorher zurechtschütteln oder etwas ins Glas drücken, damit sie besser gepackt sind.
  • Deckel drauf, nur leicht zuschrauben, die Gläser in den grossen Topf ins Wasserbad auf den Herd stellen. Oder in den Einkochtopf. Erhitzen, bis das Wasser leicht kocht und damit auch den Inhalt. Oder nur die Gläser in den Ofen, ohne Deckel, Heissluft bei 100°C, dann dauert es länger, so habe ich es gemacht. Die dicken Bohnen mit dem Öl und den Gewürzen werden auch mit erhitzt und somit sterilisiert. Wer unsicher ist, mit einem Bratenthermometer die Temperatur des Inhalts messen.
  • Fertig eingelegt, lagerfähig, lecker
  • Nach max. einer Viertelstunde (Inhalt >90°C) die heissen Gläser mit dem Topflappen herausnehmen und sofort (!) fest zudrehen, kippen, damit der Deckel benetzt wird. Nach zehn Sekunden wieder aufrichten und stehen lassen, bis sie abgekühlt sind. Sortieren: Gläser mit nach innen gewölbten Deckel haben Unterdruck aufgebaut und sind dicht, steril, langfristig haltbar. Andernfalls hat etwas nicht geklappt und der Inhalt sollte gekühlt werden, dann in den kommenden Wochen verbraucht. Da sind sie zwar noch nicht gut durchgezogen, aber besser so wie verderben lassen, nur weil die Deckel nicht luftdicht waren. Dann wäre die ganze Mühe für die Katz gewesen. Ich bekomme normalerweise fünf von sechs solchen Gläsern luftdicht hin. Für eine Fabrik wäre das schlecht, für das private Hobby in der Hausküche ist es gut.
Gewürze, im Glas, mit Öl im Glas

Das wars. Nur noch etikettieren. Nach zwei Monaten sind die Gewürze durchgezogen. Ergebnis sind fantastische Antipasti, haltbar ohne aktive Kühlung. Zwei Jahre haltbar im Keller gelagert, dunkel. Vor allem Öl sollte nie hell stehen.

Warum gibts das nicht häufiger? Vermutlich, weil das ein eher neues Produkt ist, da Einlegen in Öl keine lange Tradition hat. Konsumierbare billige Saatenöle gab es früher kaum und Olivenöl war immer teuer. Die billige Armeleutehülsenfrucht in teurem Olivenöl einlegen, das konnte sich nie als ein häufiges Produkt entwickeln.

Simpel: Puffbohnen mit Kürbis, dazu Rührei und Reis

Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.