Donnerstag, 9. November 2023

Pawpaw, Riesenernte und weitere Erkenntnisse

Pawpawblüte

Dieses Jahr war das Jahr der Pawpaws. Fast das gesamte Baumobst ist wieder einmal ausgefallen, Blütenfrost, Wetter, Schadorganismen. Aber meine Pawpaw-Bäumchen sind mittlerweile etwas grösser und schafften einen richtig guten Fruchtbehang. Die Blüten kommen spät und vertragen Frost relativ gut. Das Gesamtgewicht der Ernte lag bei 20kg. Und auch sonst entwickelte sich einiges weiter bei dieser Obstart, so dass die früheren Beiträge eine Erweiterung verdienen.

Fast im Vollertrag

Die meisten Pawpaw-Bäumchen sind nicht mehr so klein, der Grösste erreicht jetzt 3m Höhe. Er wächst stetig 20-35cm pro Jahr. Der Sommer war diesmal stressarm, alle angesetzten Früchte wurden auch gross. Die Äste bogen sich unter der Fruchtlast, aber nichts ist abgerissen. Pawpaw-Holz ist zwar brüchig, aber Zugbelastung hält es aus.

Guter Behang, fast reif

Das Fruchtgewicht der reifen Früchte reicht von winzigen 20g - Früchtchen bis 400g - Bollen, im Schnitt waren es 100-150g, wie ein Apfel. Innen im weichen gelben Fruchtfleisch befinden sich natürlich auch die Samen, der Anteil beträgt etwa 6-8 Gewichtsprozent. Mit dem Samen sollte man auch die wenig angenehmen Nabelreste entfernen, dunkle Knubbel im Anschluss an die Samen. Einfach mit einem Löffel herausheben.

Essreif


Verpflanzen?

Auf manche Erfahrung hätte ich gerne verzichtet. Mittlerweile sind neue Sorten auch in Deutschland lieferbar, es gibt nun auch eine spezialisierte Baumschule. Ihre Preise sind gesalzen, aber immerhin, die Vielfalt wächst. Ein klein wenig Züchtung findet statt - in den USA. Auch die Sorten des Züchters Neal Peterson und drei Sorten der Kentucky State University haben es nach Europa geschafft. Darunter sind sehr interessante Sorten, gerade für den Hausgarten. Da ich mit einer meiner Sorten unzufrieden war, habe ich sie vorsichtig ausgegraben, verpflanzt und eine Sorte der Peterson - Pawpaws gesetzt. Gekauft in einem Gartenmarkt, mittlerweile sind sie weder selten noch schwierig zu bekommen. Und dabei erlebt, was auch Andere schon sagten: Verpflanzen geht oft schief. Das verpflanzte Bäumchen trieb zwar noch aus, ging dann aber trotz Pflege ein. Pawpaw lieben keine Verpflanzung. Damit kappt man die wichtige Pfahlwurzel.

Sehr wichtig: Die Reifezeit

Nachdem die letzten Jahre angesetzte Früchte immer wieder abgeworfen wurden, weil die Bäume noch zu klein war um sie zu ernähren, zweimal Früchte unreif abgeworfen wurde weil sie im starken Trocken- und Hitzestress litten, gab es diesmal eine anders begründete Enttäuschung: Viele Früchte reiften heran, aber sie reiften nicht mehr aus. Und das in einem Jahr, das einen sehr warmen, langen Herbst erlebte. Andere Pawpaw-Besitzer der Region berichteten ähnliches.

Pawpawblüte in Kälte und Nässe

Was ist passiert? Die Antwort liegt in den Wetterdaten. Es bestätigten sich frühere Beobachtungen: Pawpaws reagieren empfindlich auf kalte Nächte im Frühjahr. Glücklicherweise nicht, indem sie Blüten oder Jungfrüchte abwerfen, sondern indem sie massiv einbremsen. Austrieb, Wachstum, Blühgeschehen laufen wie in Zeitlupe ab. So war es dieses Jahr. Tagsüber zwar oft warm (mit Rückschlägen), aber nachts bis Ende April Phasen mit 1°C und leichtem Bodenfrost, bis fast in die dritte Maiwoche ging es noch auf 3° herunter. Und so zog sich die Blüte schier endlos über vier Wochen hin und lief noch folgernder ab wie ohnehin schon in anderen Jahren. Die sehr lange Zeitlupen-Blühphase führte dann zwar zu einer guten Befruchtung, aber die Früchte hingen im Schnitt erst zwei Wochen später am Baum, was sie auch nicht mehr aufholten bis Oktober. Es fehlte dann "hintenraus".

Reife, von selbst gefallene Früchte

Und so lieferte die Prima 1216 statt in der ersten Oktoberwoche erst Mitte Oktober reife, bitterstofffreie Früchte und da die Reife auch wieder folgerte und wegen beginnender Herbstkälte kaum mehr vorankam, hing noch ein Drittel Anfang November unreif in den Bäumen. Prima 1216 gehört meinen Sortenvergleichs-Erfahrungen nach eigentlich zur mittleren Reifegruppe, ist sogar etwas früher als der Durchschnitt. Nach einer Woche Lagerung waren sie zwar noch gut essbar, aber erreichen nicht die Qualität ganz am Baum ausgereifter Früchte.

Weich, süss, aber unreif

Damit zeigt sich, dass selbst in unserer Weinbaugegend das Risiko zu gross ist, dass mittlere Sorten nicht ausreifen. Jahre wie dieses mit nachtkühlem Frühling sind trotz anschliessender Hitzesommer keine grosse Ausnahme. Unser Klima im maritim-kontinentalen Übergangsbereich der Mittelbreiten ist weit stärker schwankend wie das kontinental-subtropische Klima in ihrem Ursprungsgebiet. Frühe Sorten sind also wie schon vermutet essentiell, etwa Allegheny, Halvin, Kentucky Champion, Atwood, KSU-Benson, NC-1. Auch Sorten, die nur früh anfangen, dann aber sehr lange folgernd "dahintropfen" kommen noch in Frage, dafür ist Shenandoah bekannt. Die ersten Früchte reifen deutlich vor Prima 1216. Man kann damit alle Jahreswettertypen ausnutzen, hat in frühen Jahren ab Ende September bis Ende Oktober frische Früchte und in späten Jahren immerhin noch eine Teilernte. Vielleicht der beste Kompromiss.

Aroma, Qualität bei Pawpaws

Fast erntereif, Frucht wird oben gelblich

Das lässt sich sehr einfach auf einen entscheidenden Punkt reduzieren: stressfreies Wachstum, dann volle Ausreife. Aroma und Qualität drehen sich ausschliesslich um eine gute Reife. Gute gereifte Pawpaws aller Sorten sind aromastark, nicht bitter, gelb, weich, duften das Zimmer voll, haben keine Fremdaromen, etwa die Komponente "vergammelte Banane" bei halbreif geernteten, dann gelagerten Früchten. Pawpaws sind da wirklich tückisch, denn wie schon in einem früheren Beitrag erwähnt bringen auch notreife Früchte gelbe und weiche Früchte, behalten aber Bittertöne und unangenehme Aromen. Sie tarnen und täuschen, um dann zu enttäuschen. Das schreibt der Unkundige der ganzen Obstart zu und schätzt Pawpaws anschliessend insgesamt ungerecht schlecht ein. Die war doch reif! War sie nicht.

Reifekurven, wenn alles gutgeht in einem guten Jahr - mein subjektiver Eindruck

Sorten

Pawpaw-Sämlingsbaum im Herbstkleid

Neben mehreren Prima 1216, einem Sämling, einer Shenandoah, einer Prolific habe ich noch eine Overleese. Eine Allgheny werde ich noch kaufen, die Prolific entfernen, sie reift zu spät und setzt zu schlecht an, die Blüten werden nicht gut von der danebenstehenden Prima befruchtet. Nicht alle Sorten befruchten sich offenbar gleich gut. Die Unterschiede zwischen den Sorten sind überhaupt erstaunlich gross. Der Sämling wächst um einiges stärker und schöner wie alle Namenssorten. Seine Blätter sind viel kleiner und gesünder, besonders Prima 1216 bekommt im Herbst noch lange vor dem Blattfall Blattschäden, nekrotische Stellen. Der Sämling setzte um Jahre später Blüten an, die viel kleiner waren wie die der Sorten. Früchte hat er noch gar keine angesetzt. Ich lasse ihn stehen, er ist hübsch und kann als Befruchter fungieren. 

Verarbeitung

Pawpaw-Sorbet

Die Erntemassen animierten zum Ausprobieren weiterer Verwendungen. Zuerst sollte es Eis sein. Das war schwieriger wie gedacht. Das Rühren in der Eismaschine klappte nicht so gut wie bei anderen Sorten, eine Schicht am Rand fror im Gegensatz zu anderen Eissorten fest. Ein Sorbet mit Eiweiss und Zucker gelang dann gut. Das Eis hatte nettes Pawpaw-Aroma, die Konsistenz blieb etwas seltsam. Dick auf der Zunge, etwas zäh, nicht richtig schleimig, aber klebrig wirkend. 

Etwas Mus habe ich eingefroren, dazu die Früchte zerquetscht und durchpassiert. Die grossen Kerne sollte man vorher ganz herausnehmen, sonst blockiert die Passiermühle.

Was tun mit dem Segen?

Mit dem Pürree ein Quarkdessert zu aromatisieren schwächte das Aroma und auch da war die Konsistenz etwas seltsam, es wirkt zäh und liegt etwas klebrig im Mund. Die Frage stellt sich, ob es Gerichte gibt, in denen man sich diese spezielle Konsistenz zunutze machen kann, wo das erwünscht ist. 

Sehr gut war eine Pawpawmilch, zubereitet wie eine Bananenmilch. Fruchtfleisch mit Milch und Purierstab mixen. 

Sollten die Bäume so weitertragen, wird mir jedenfalls das Rohmaterial für Versuche nicht ausgehen. Festzustellen war auch, dass man schnell an die Mengengrenzen kommt. Die Früchte halten sich ja nicht. Viele habe ich dann verschenkt. Bevor man also mit Sortensammlungen anfängt, sollte man genug Leute kennen, die Pawpaws wollen oder sich Verkaufskanäle schaffen.

Obstteller mit selbstangebauten Früchten im Oktober, links Pawpaw





Eine Woche später: Überreif, wie Bananen.

Sonntag, 5. November 2023

Noch mehr Neues von der Yakon, Polymnia sonchifolia

Yakonblüte, schön, aber kommt spät im Jahr

Yacón, das hört sich an wie ein mexikanischer Drogenhändlerboss. "Yacón will wissen, was du für 100 Kilo Stoff zahlst." Vor ein paar Jahren habe ich sie erstmalig angebaut und dort https://gartenzone.blogspot.com/2018/12/yakon-polymnia-sonchifolia-wieder-was.html darüber berichtet. Sehr begeistert war ich nicht. Aber aufgegeben wird auch nicht, ich habe immer wieder gepflanzt, mehrere Sorten, mehrere Orte, viele neue Erfahrungen. Jetzt habe ich die diesjährige Ernte eingefahren und möchte noch einmal darüber berichten.

 

Ertrag und Pflanzplatz

Die Erträge waren in den Folgejahren lange mies, die Pflanze wuchs nicht oder die Knollen brachten nicht viel. In voller Sonne gab es Blattschäden und bei hohen Temperaturen stellte sie wie alle diese Hochlandpflanzen das Wachstum ein. In Norddeutschland oder Hochlagen mag das anders laufen, aber wir haben eine sehr sommerheisse Gegend. Im Dreiviertelschatten wuchs sie ein bisschen besser, setzte aber wenig an. Es war praktisch immer zu trocken für die Pflanze, vor allem auf meinem Boden. Yacón sind Säufer! So viel Wasser brachte ich gar nicht an die Pflanze, wie sie will. Die Erträge kamen dann auf 1 bis 1,5 kg pro Pflanze, was ich für mager halte. Blüten waren selten zu sehen, hoch wurde sie gar nicht erst.

Jungpflanze am idealen Platz. Richtung Süden die Teilverschattung

Erst mit der Zeit hatte ich den Dreh raus und erst dieses Jahr war alles so weit optimiert, dass sie ein Volltreffer wurde. Mein Nachbar hat mich nämlich auf meiner Südseite komplett zugebaut. Direkt auf der Grundstücksgrenze. Eine Garage, Wassertanks, hohe Pflanzen und dann eine riesige Balken-Foliendachkonstruktion. Ein breiter Streifen auf meiner gesamte Gartensüdseite ist dadurch verschattet. 

Aber die Yacónpflanzen explodierten dort förmlich, wie ich feststellte. Ich pflanzte hinter den Foliendächern. Die schatteten zu 50 % ab. Zum Pflanzzeitpunkt im Mai bis Anfang Juli stand zudem die Sonne so hoch, dass ohnehin noch viel Licht hinkam. Dann wanderte der Schattenwurf wegen Folien und hohen Tomaten. Aber meine Yacon-Pflanzen hatten auch Höhe gewonnen, die wuchsen so schnell wie der Sonnenhöchststand mit dem Jahresverlauf sank. Damit war der Boden und der untere Bereich im Schatten, oben war Luft und Sonne. Ideal, immer gleich teilverschattet, diesmal keine Hitzeschäden! Die grossen Pflanzen mit den grossen Blättern sorgten nebenbei auch dafür, dass kaum Unkraut kam.

August. Sie wächst kräftig.
September. Blüte. Oben immer Sonne trotz Herbstbeginn.

Durch den früh beschatteten Boden war auch Verdunstung und Verschlämmung gebremst. Nochmal ideal. Und schliesslich packte ich eine dicke Mulchauflage rund um die Pflanze. Auch das erwies sich als ideal. Es verbesserte die Wasserversorgung entscheidend: Das Giesswasser drang viel leichter in den Boden, die Verdunstung nach oben blockiert, bessere Nährstoffversorgung. Anders als behauptet habe ich durchaus den Eindruck, dass Yacónpflanzen ganz schön Nährstoffe ziehen, sie aber nur nutzen können, wenn auch alle anderen Punkte stimmen. Dann explodiert sie. Und so hatte ich im Oktober Pflanzen, die aus einem Stangenwald berstanden, der 2 m Durchmesser erreicht und 2 m Länge. Aber nicht 2m Höhe, denn die langen Triebe fielen etwas auseinander statt immer steil senkrecht zu wachsen. Sie blühten ab September, sogar Samen zeigten sich. Im Oktober wurden einige Blätter vom ersten Nachtfrost zerstört, Ende Oktober erntete ich die Wurzeln und bekam pro Pflanze 4,5 kg verwertbare Wurzeln. Das war dann doch eine ganz andere Nummer wie die Jahre vorher.

Direkt nach der Ernte

Probleme durch Schnecken trotz starkem Schneckenbesatz von Arion Hortensis hatte sie nach wie vor nicht, keine Krankheiten, keine Schädlinge. Das ist eine echte Stärke dieser Art.

Und schliesslich die Sorte: Am meisten brachte die Sorte "Morado", die es auch häufig zu kaufen gibt. Die Knollen sehen auch gut aus, bei der Ernte rot, später dann dunkler. An den Pflanzen waren keine Unterschiede zu anderen Sorten zu sehen, das kann aber durch andere Faktoren überlagert sein. Morado soll überdurchschnittlich gross werden. Wird sie. Die oberirdische Biomasseproduktion zusätzlich zu den Knollen ist nicht schlecht, so wie bei vielen Helianthae und Smallanthus. Einige aus diesen Gattungen (zum Beispiel Silphium perfoliatum) sind sogar als Energiepflanzen nutzbar, die Biogasausbeute ist mit Mais vergleichbar.

Gewaschen, netto 4,5kg
Einzelknollen bis zu 739g
Auch die Stängel sind Brummer. Unten am Stock sinds sogar bis 4cm Durchmesser


Das Aroma

In der Sonne süss werden lassen

Direkt nach der Ernte sind sie praktisch ungeniessbar, das stimmt weiterhin auch bei dieser Sorte. Man sollte die Wurzelknollen möglichst unverletzt lassen, abspülen und für einige Tage auf einen Gartentisch in der Sonne legen, jedenfalls bei Frostfreiheit. Das ergibt dann nach spätestens einer Woche mildes, saftiges, süsses Fruchtfleisch, das viel mehr von Obst hat wie von Wurzelgemüse. Im Hintergrund steht noch etwas Erdaroma, etwa Richtung Topinambur. Sie isst sich roh ganz angenehm, schälen sollte man sie aber. Sie bräunt etwas an der Luft. Mittlerweile kommen auch immer mehr Verwendungs- und Rezepttipps im deutschen Sprachraum an. Sie bleibt beim Kochen fest. Und da nun endlich gute Rohware da ist, kann ich da loslegen. Kaufen kann man sie nach wie vor nur im Ausnahmefall. Markt, Bioladen, selten, frech, teuer. Kilopreise um die 10 EUR sind die Regel.

Die Vermehrung

Rhizome, Wurzeln, Speicherknollen, Stengel

Das bleibt ein Problem. Die Jungpflanzen sind sauteuer. Selber vermehren ist also wichtig. Die dicken Knollen sind reine Speicherorgane und dienen nicht der Vermehrung. Dafür sind die Rhizome da, das sind die unterirdischen Sprossachsen, der Wurzelstock. Rhizome sind nicht die Wurzeln selbst. Eine Wurzel besitzt weder Nodien (Sprossknoten) noch Internodien (Verdickungen). Von dem Rhizom gehen nach unten die eigentlichen Wurzeln und Knollen, nach oben die Triebe der Blätter aus. Die Rhizome der Yacon sind kleine, manchmal (ja nach Sorte) rote Verdickungen direkt unter der Erde. Man lagert den ganzen Block und teilt dann im Frühjahr die Rhizome ab, setzt sie einzeln in einen 8 cm Topf mit Erde, zieht die Pflanzen vor. Aus einem gut entwickelten Stock kann man bis zu 20 Rhizome gewinnen.

Den Stock sollte man trocken in Sand bei 1-4° über den Winter lagern. Das ist im Nutzgarten natürlich schwierig. Der Keller ist wärmer, Gartenhäuser nicht frostfrei. Ideal wäre eigentlich ein kühl eingestellter Kühlschrank. Wer aber einen weiteren Kühlschrank deswegen benötigt, kann gleich die Jungpflanzen kaufen, das ist billiger wie die entstehenden Stromkosten.

Meine Überwinterungsversuche fanden bisher in der Garage statt, in einem Eimer mit Sand. Und der richtige Erfolg war es noch nicht, bisher nur Teilerfolge - ich muss die Rhizome recht früh wider in einen Topf setzen, sonst halten sie nicht bis ins Frühjahr. Hat man einen geeigneten Boden, wäre noch eine Überwinterung in der Erdmiete einen Versuch wert. Maus- und feuchtigkeitsgeschützt natürlich. Da gibt es noch etwas zu entdecken.

Halbierte Yacon Blütenstände mit Samen

Da Yacon auch Blüten bilden, könnte man auf die Idee kommen, sie aus Samen zu vermehren. Das wäre dann eine generative statt vegetative Vermehrung und das Ergebnis könnte von der ursprünglichen Sorte abweichen.

Problem ist dabei, dass die Blüten erst spät im Jahr erscheinen, ähnlich wie bei Topinambur und dann die Samen nicht mehr voll ausreifen. Trotzdem habe ich einzelne braue Samen in meinen Blüten gefunden, die aber nicht reif genug waren. Mit etwas Nachreife im Haus, Blütenstängel in Vase und später dann die Blüten trocknen lassen, könnte vielleicht etwas keimfähiges herauskommen.

Donnerstag, 26. Oktober 2023

Fehlschläge, frisch geliefert

Der Sommer war wieder Garten und mehr - draussen, nicht am Bildschirm mit schweissigen Fingern. Nach der Blog-Sommerpause nun mitten im Herbst der erste neue Beitrag, dessen Thema schon fast Tradition hat: Was lief besonders krass schief dieses Jahr? Man verkündet ja immer gerne kleine und grosse Erfolge im Garten. Verschweigen wir aber auch ganz freimütig die Fehlschläge dieses Jahres nicht, zumal man viel daraus lernen kann.

Pak Choi, geschossen in Frühlingshitze


Knollenziest, Crosne, Stachys affinis

Viel unscheinbares Grün, wenig dahinter...

So lecker die Knöllchen dieses Lippenblütlers sind und obwohl er sogar als invasive Art geführt wird: Es war fast schon zu erwarten, dass es nichts wird. Wurzelgemüse hat es meistens schwer hier. Auch der Knollenziest, der lieber sandigen Boden will und viel Wasser, dazu Temperaturen um 23°C. Hoffnungsvoll gepflanzt, wuchs er mässig, von den 50cm Höhe keine Spur, es blieb bei 20cm. Jetzt ausgegraben und nachgesehen, was unten dran ist. Und die Knollen sind: Lächerlich. Eigentlich nicht vorhanden. Die Grösste hatte 3mm Durchmesser. Das wird nichts mehr. Kompletter Fehlschlag.

Wo sind die Knollen am Knollenziest?!

 

Pak Choi und die Gartenschnecke

Abgefressener Pak Choi, nicht gefressenes Schneckenkorn

Pak Choi ist eine Art glatter Chinakohl, kleiner, hat ähnliche Bedürfnisse wie dieser, ist eine tolle Zutat für schnelles Bratgemüse. Er wächst nur im Herbst, die Frühlingspflanzungen sind mir noch nie gelungen, auch dieses Jahr nicht. Jedes einzelne Pflänzchen ist wieder einmal geschossen und bildete sehr bald einen dünnen Blütenstengel mit Blüten aus, anstatt Blattwachstum zu zeigen. Tagsüber Hitze, kalte Nächte, das klappt nicht, auch Chinakohl geht im Frühling nur in einem anderen, weniger extremen Klima.

Kohlerdflöhe am Pak Choi

Zweiter Versuch im Frühherbst, nachdem die Kohlerdflöhe endlich verschwunden sind, die alle jungen Kohlgemüse ziemlich schnell fertigmachen. Diesmal ist es die Sorte Tatsoi, die kleinbleibende Minipflanzen ausbilden soll. Mühsam in einer Pflanzplatte vorgezogen, dann ausgepflanzt. 80% wurden in den kommenden Tagen von Gartenschnecken gefressen, Arion Hortensis. Diese Art sind schwarze, kleine Schnecken, die ganzjährig ihr Unwesen treiben und sowohl im Blog als auch im Garten häufig anzutreffen sind. Dieses Jahr war es eine absolute Katastrophe. Zwei feuchte Wochen Ende Juli reichten dafür aus. Das reichte, um eine Massenvermehrung zu ermöglichen. Man sieht sie nicht, auch nachts nur selten, sie sitzen im Boden, bevorzugt an Wurzeln, kommen hoch wenn es feucht genug ist, kriechen nicht weit umher, sondern fressen die nächstliegende Pflanzen ab. In meiner Not streute ich dann Schneckenkorn. Ergebnis waren sehr viele Schleimspuren und tote Minischnecken, aber der Frass ging weiter. Weiteres Schneckenkorn bewirkte dann nichts mehr. Alle meine Herbstpflanzungen waren schwer unter Druck.

Arion Hortensis, Gartenschnecke. Klein und tödlich.

Und die überlebenden estlichen 20% der Pak Choi Pflanzen: Begannen sofort zu schiessen. Nette gelbe Blüten, wie im Frühling. Denn der Herbst hatte endlose Hitzetage, die Pflanze will aber gemässigte Temperaturen.


Samenkauf als Glückssache: Chinakohl Scarlette

Auch der Herbst-Chinakohl stand unter keinem glücklichen Stern. Ich wollte wieder die violette Mutation pflanzen, davon gibt es einige Sorten, zum Beispiel Scarlette oder Scarvita. Den hatte ich schon einmal, speziell für Salate ist sein Aroma und seine Optik sehr schön. Chinakohl ist ebenfalls eine empfindliche Kultur, diesmal habe ich ihn unter ein Gemüseschutznetz gepflanzt, um die vielfältigen tierischen Schädlinge zu vermeiden, Kohlfliege, Raupen, Kohldrehherzmücke, Erdflöhe. Allerdings kann man damit Pilzerkrankungen verstärken, denn es bleibt länger feucht unterm feinmaschigen Netz. Schnecken, Unkraut sind auch nicht leicht zu bekämpfen.

Jedenfalls wuchsen die Pflänzchen nach etwas trockenbedingter Bremse und wurden grösser - leider aber rein grün. Keine Spur von violett. Auch später nicht. Die Chinakohl-Köpfe wurden mittelgross bis klein. Das Aroma war nicht sehr lecker, etwas grob-kohlig. Viel Mühe, Ziel verfehlt, diesmal nicht wegen Anbaufehlern, sondern Samenhändlerfehlern.

Bei Sichtung des Samentütchens fiel mir dann ein, dass ich bei derselben Firma vor zwei Jahren schon einmal kräftig reingefallen bin: Lügende Rüben: Teltower Rübchen gefälscht.

Also Samentüte fotografiert mit Chargennummer drauf, Pflanzen fotografiert, an Dürr geschickt, geschrieben dass die Pflanzen der vermeintlichen Sorte Scarlette nicht violett wurden. Auch Wochen später keine Antwort, Firma Dürr schweigt. Ich denke, das ist das Ende meiner Käuferbeziehung zu Dürr. Fehler passieren, aber dort eindeutig zu oft.


Abschied von Äpfeln

Gut gepflegt und doch abgestorben: Roter Bellefleur

Steinobst gibt es schon seit einschliesslich 2017 nicht mehr, das neue Wetter sorgt mit bisher undenkbaren Warmphasen mitten im Winter für sehr frühen Austrieb, der dann von Nachtfrösten regelmässig zerstört wird. Neue Krankheiten, virulentere Krankheiten, immer mehr importierte Katastrophen, extreme Trockenheit mit Hitze sorgen dafür, dass der privat Nutzgärtner in der ganzen Gegend nur noch wenig bis nichts erntet.

Das Kernobst leidet auch. Trockenheit, Sonnenbrand, Krankheiten wie Rindenbrand, die so schlimme Katasatrophen verursachen, dass die Mehrheit der bekannten Sorten gar nicht mehr anbaufähig sind. Dieses Jahr war nicht einmal besonders schlimm, aber Schäden der letzten Jahre wüteten weiter in den gestressten Bäumen. Und dieses Jahr starben Bäume auch komplett ab. Ein wunderschöner roter Bellefleur etwa, sechs Jahre alt, gut gepflegt und im Ertragsbeginn. Schlagartig tot. Auch andere Äpfel, zwei ältere Säulenapfelbäume etwa - abgestorben. Auf der Wiese steht kaum noch ein Baum im Ertragsalter, die älteren Bäume sind fast alle so schwer geschädigt dass sie entfernt werden mussten und von den Neupflanzungen zeigen sich nur manche Sorten dem neuen Wetter gewachsen. Bisher.

Die Wiese kostet viel Zeit und Mühe. Früher haben wir regelmässig zwei Tonnen und mehr Äpfel bekommen plus massenhaft Steinobst, heute bin ich froh, wenn es noch zwei Kisten Äpfel werden, Steinost gibt es gar nicht mehr. Der Hobbyobstbau ist noch mühevoller und traurig gewordem und dies nicht nur in Einzeljahren so, sondern jedes einzelne Jahr der gesamten letzten sieben Jahre war sehr schlecht.

Gewisse Mitmenschen aus dem benachbarten Möckmühl-Züttlingen sind da schon weiter: Nach den Steinen letztes Jahr hat man mir diesmal am Sonntag Mittag, den 8.10.2023 Gartenabfall, irgendwelche Blumentopfrest angefahren und auf die Wiese gekippt. Obstwiesen als kostenlose Auffüllplätze, immerhin dafür scheinen sie für einige Zeitgenossen nützlich zu sein.

Sonntag vormittag mir auf die Obstwiese geworfen

 

Gute Geister nötig, Unsere Kürbisgeister im Herbst

Freitag, 14. April 2023

Tafeltrauben - Planung von Neupflanzungen und Verkäuferprosa

Öffentliche Sortenverkostung Tafeltrauben

Im April war früher die Pflanzzeit für Reben im Weinbau. Nach dem Ende der deutlicheren Nachtfröste hat man sie gesetzt. Heute ist das nicht mehr so wichtig, Herbstpflanzung ist sogar vorzuziehen, denn beim heutigen Winterwetter mit seinen langen Warmphasen wachsen die Wurzeln bereits im Winter und es wird selten so kalt, dass der Jungpflanze Frostschäden drohen.

Auch dieses Jahr haben ich neue Sorten gepflanzt und ein paar Sorten gerodet. Hinausgeflogen sind unter anderem die sehr gut schmeckende aber stark für Stiellähme und Mehltau anfällige Suffolk Red, die auch permanent gigantisches Wachstum zeigte und damit sehr viel Arbeit für wenig Kiloertrag machte. Auch "Straschinski" ist Vergangenheit, sie wuchs an einem Premiumplatz aber blieb geschmacklich deutlich hinter anderen Sorten zurück, generell hat sie einen sehr einfachen Stil. Die untere Hälfte der Trauben bleib trotz kräftiger Ertragsreduzierung weich, klein, sauer, oben waren dafür dicke Schaubeeren. Auch zwei russische Sorten mit unterirdischer Geschmacksqualität sind gerodet.  All diese Sorten hatten zudem ein kurzes Erntefenster, nur zwei Wochen auf dem Höhepunkt, dann zerfallen sie.

Neu gepflanzt sind "Ontario" und "Einset seedless". Das mag verwundern und wie ein Rückschritt aussehen, sind das doch relativ alte Sorten, die nicht mehr so populär sind. Um das zu erklären muss man etwas ausholen. Die meisten Tafeltraubenzüchtungen, die an Privatleute verkauft werden kamen die letzten Jahre aus der Ukraine, Russland, in zweiter Linie aus Moldavien und anderen Ländern Osteuropas. Auch die Mehrheit meiner Sorten kommt daher. Diese Züchtungen bevorzugen meist (es gibt Ausnahmen) einen bestimmten Stil. Kernpunkte davon sind:

  • grosse Beerengrössen und Optik ist wichtigster Faktor, erwünscht sind auch grosse Trauben. Viele Kunden für die Reben sind kleine Nebenerwerbsanbauer, die ihre Ernte auf dem Markt verkaufen. Deshalb gab es auch lange nur wenig kernlose Sorten, weil kernlose Sorten kleinbeeriger sind.
  • die Aromen und ihre Bandbreite spielen eine geringere Rolle - möglichst süss müssen sie sein, das reicht. Ein paar werden unter "Muskat" abgehandelt. Bereits die Geschmacksbeschreibungen sind wenig differenziert.
  • lange spielte Krankheitsfestigkeit keine so wichtig Rolle, denn in dem kontinentalen Klima und angesichts der sehr leichten Verfügbarkeit von allerlei Pflanzenschutzmitteln (die dort Jeder kaufen und ohne Hemmungen anwenden darf, ganz im Gegensatz zu Deutschland) war das nicht oberste Priorität.
  • die genetische Bandbreite ist gering. Es sind immer wieder dieselben Eltern in den Stammbäumen. Es gibt zum Beispiel endlos viele Abkömmlinge von "Wostorg" und "Talisman".
  • eine grosse Sortenschwemme existiert, jeder versucht etwas vorzustellen und sofort zu verkaufen. Das reift dann beim Kunden, die meisten Sorten verschwinden schliesslich wieder, weil sich später herausstellt, dass trotz Verkäufersäuselns doch irgendwelche Punkte problematische k.o. Faktoren sind. Diese Inflation ist sehr ärgerlich für Leute mit wenig Platz wie es im engen Deutschland üblich ist, man kann hier nicht einfach zwanzig Sorten setzen, abwarten was rauskommt und dann halt achtzehn wieder roden. Hier hat man von vornherein häufiger nur Platz für zwei Reben und wenn die nichts sind, hat man jahrelang gar nichts was man will.
  • positive Eigenschaften sind: Es gibt auch viele sehr frühe Sorten und einige, die sehr frostfest sind, also für Grenzlagen geeignet. Hohe Frosthärte schaffen auch nordamerikanische Züchtung, übertreffen es sogar, aber die sind in Europa gar nicht zu haben und sie sind auch geschmacklich nicht der Hit. Beispiele dafür sind Valiant, die -40°C aushält oder Swenson, Edelweiss, Minnesota 78, Bluebell, Beta, Baltica, Atcan, St. Croix, Zilga.
Viel Arbeit nötig, Schnitt und Ausdünnen

Ältere Sorten haben bereits unter vielen unterschiedlichen Umständen ihre Qualitäten gezeigt. Man kann sich auch leichter in Natura ansehen, was sie bringen und sie probieren. Von "Ontario" und "Einset" weiss ich aufgrund von älteren Pflanzungen in der Nachbarschaft bereits, dass sie trotz unseres schwierigen Wetters ein unglaublich langes Erntefenster haben, weil die Beeren erstklassig haltbar sind ohne zu verderben, dass sich Einset gut für Rosinen eignet und der anfangs vielleicht zu kräftige Erdbeergeschmack mit der Zeit eben wird und dass sie sehr krankheitsfest sind. Mich störte nämlich an meinen jetzigen später reifenden Sorten, dass es spätestens Mitte Oktober immer schon vorbei war mit Tafeltrauben. Sorten, die sich lange gesund am Stock halten sind selten. Im November noch Trauben auf dem Tisch zu haben ist herrlich.

Speziell amerikanische Sorten spielen auch oft gekonnt mit den genetischen Anteilen der in Nordamerika heimischen Wildreben, die Aromenvielfalt und Varianz ist gross, die erdbeerartigen Töne häufig. Beispiele dafür sind die auch in Europa sehr populären Sorten "Venus", "Jupiter", "New York Muskat". Sie sind oft (aber nicht immer!) unkompliziert bei hoher Ertragssicherheit, bringen aber nicht die Riesenbeeren an Riesentrauben (die man dann doch wieder ausdünnen muss) wie es viele russische Sorten tun.


Wo kaufen?

 

All die schönen Sorten, die man gerne hätte - woher bekommt man sie?

  • Gartenmarkt. Dort eher nicht. Dort sind viel häufiger einfache Reben unter Phantasienamen zu haben, die Auswahl ist generell sehr klein. Ein paar grössere Märkte haben manchmal ein leicht besseres Angebot, aber meistens sind es die üblichen Standardsorten, die angeboten werden: Muskat Blau, Lakemont, Vanessa, Venus, oft auch Züchtungen von Wolf Reben, von denen ich nicht viel halte. Preise manchmal gut, aber nie billig.
  • Rebschule Schmidt, https://www.rebschule-schmidt.de. Ein nur auf Tafeltrauben spezialisierter Betrieb mit einer relativ grossen, guten Auswahl, breites Sortenspektrum und gut aufgebauten Internetseiten, ideal für Anfängerkäufer. Einige Sorten sind recht teuer geworden. Die neuesten Sachen bekommet man nicht, aber die Pflanzware hat gute Qualität, wird sauber verpackt verschickt. Hier kaufe ich auch manchmal. Einmal stimmte allerdings die Sorte nicht und einmal bekam ich Monate nach einer sofort bezahlten Rechnung eine Mahnung. Der Betrieb ist sicher gut, die Buchhaltung und Ordnung dahinter hat noch Luft nach oben. Preise leicht über Gartenmarkt. Andere Versender in Deutschland: "Heidis Tafeltrauben", https://www.heidis-tafeltrauben.de, "Pillnitzer Tafelreben" https://pillnitzer-tafelreben.de
  • eBay. Die Anbieter dort betreiben manchmal Wucher, manchmal sind sie absoluter Preiskönig. Dann aber meist mit weniger guten Ursachen. Weil der eigentlich vorgeschriebene Pflanzenpass fehlt zum Beispiel oder weil es eigentlich illegale Direktträgerware (also bewurzelte Stecklinge) ist. Wer Bescheid weiss, die Angebote verfolgt, nicht an einen Betrüger gerät, der bekommt konkurrenzlos günstige und oft sehr neue Sorten. Für den etwas abenteuerlustigeren Kunden. Ich hatte schon Glück und Pech damit, auf jeden Fall muss man wissen was man will und viel Zeit in die Suche stecken, auch wegen der unterschiedlichen Schreibweisen der Sorten.
  • Direktversender aus Osteuropa. Häufig aus Polen, Slowakei oder Slowenien. Dank Internet und Übersetzungssoftware heute ein normaler Einkauf. Dort sind dann auch die ganz grossen Vermehrer mit dem ganz grossen Sortenspektrum und vielen ganz neuen Sorten zu finden. Die Preise sind zum Zeit noch (2023) sehr niedrig. Beispiele: http://www.winorosl.pl (nach der Liste suchen, bieten Edelreiser und bewurzelte Reiser an) oder https://www.shop.zahradnictvolimbach.sk (oft aber leergekauft), es gibt noch mehr.

 

Die Verkäuferprosa

 

Grosse Beeren, kleines Aroma

Ein eigenes Kapitel sind die Sortenbeschreibungen. Klar, dass alles immer super klingt, es soll ja gekauft werden. Osteuropa-Seiten haben oft ein Zahlensystem für die Krankheitsfestigkeit und andere Parameter. Das ist in Deutschland dann nicht immer nachvollziehbar, die Situation, der Kontext ist eben anders. Man sollte sich also nicht zu sehr auf die scheinbare Solidität von Zahlen und Noten verlassen.

Geschmacksbeschreibungen sind schwierig, Verkäufer verzichten darauf meistens und verwenden nur wenige formelhafte Ausdrücke. Die muss man lesen wie ein Arbeitszeugnis, das auch immer gut klingt, aber eine zweite Ebene enthält, die eigentliche Information. Einige Beispiele habe ich gesammelt und liste das mal auf, hier das kleine 


Lexikon der Verkäufersprache

 

Angenehmes Aroma: Überhaupt kein Aroma.
Feines Muskataroma: Muskataroma nur zu erahnen, aber nicht zu schmecken.
Erdbeerton: Der Geschmack nach nassem Fuchsfell bei Einkreuzung amerikanischer Rebarten, der sogenannte "Foxton".
Angenehmer Erdbeerton: Alle möglichen untypischen Aromen zwischen angenehm und penetrant.
Sehr schmackhaft: Keine differenzierten Aromen, sondern nur süsssauer.
Sehr saftig: Hat kein oder schlabberiges Fruchtfleisch, mehr Kelter- als Esstraube.
Angenehm knackig: Unangenehm dicke Beerenschale.
Geschmack fruchtig–süß: Leer, etwas Zucker, etwas Säure, nichts mehr.
Feinfruchtig: Oft nicht besonders süss.
Fleischige Beeren: Inclusive Sorten mit gallertartig-schleimigem Fruchtfleisch.
Hoher Ertrag: Muss zwingend mit viel Arbeit ausgedünnt werden, sonst mangelnde Ausreife, schlechte Qualität und sterbende Fruchtruten im Winter durch die sommerliche Überlastung und dadurch bedingte unzureichende Holzreife.
Gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten immer Ernte-Totalausfall.
Sehr gute Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen die typischen Mehltau-Pilzkrankheiten nötig, ansonsten meistens Ernteausfall.
Hervorragende Krankheitsfestigkeit: Behandlung gegen Pilzkrankheiten nicht immer nötig.
Mittelfrühe Reife: Reift oft nicht in Mitteleuropa aus.
Späte Reife: Reift in Mitteleuropa nur in allerbesten Lagen oder gar nicht aus.
Wunderschöne Trauben: Ein Blender ohne innere Qualitäten.
Liebt geschützten Standort: Nicht im Freien, nur unter Dachüberstand pflanzen, ansonsten bleibt sie sauer und krank.
Schöner, starker Wuchs: Gibt ein Monster, das stark geschnitten und geführt werden muss. Viel Holz- und Blattproduktion, wenig gute Frucht.
Sehr grosse Beeren: Platzempfindlich bei Niederschlägen.
Kernarm: "Nur" ein bis zwei Kerne pro Beere, aber im Mund trotzdem kernig, im Biss splitternd und bitter.

Alle Eigenschaften, die nicht genannt werden: Negativ. Fehlen zum Beispiel Angaben zu den Kernen, dann hat die Sorte besonders viele, grosse, unangenehme Kerne.

 

Pflanzung

 

Querschnitt Rebholz - 5cm Durchmesser in 5 Jahren

Das ist noch der einfachste Teil. Dabei kann man sich die Vorschläge der Verkäufer halten. Die Erde um die Rebe herum bewuchsfrei halten, beispielsweise mulchen. Giessen bei wenig Niederschlag, nicht zu oft aber gute Mengen. Der Wuchsbeginn kann sich extrem stark unterschieden, ich hatte schon "verschnupfte" Reben, die erst Mitte Juni ausgetrieben haben oder im ersten Jahr ein aus unerfindlichen Gründen sehr schwaches Wachstum. Das sieht dann aus wie ein scheinbar totes Edelreis. Dann wieder eine, die im ersten Jahr eine vier-Meter Ranke machte. Viel Wasser und wenig Stress (auch Hitzestress ist schlecht!) spielt dabei eine Rolle, das können aber nicht einzigen Faktoren gewesen sein.

Wenn Düngung, dann nur wenig und früh im Jahr, die Gefahr ist gross dass man damit nur die Holzreife verdirbt, weil sie durch den Düngerschub zu lange wächst, dann sterben Zweigpartien im folgenden Winter gleich wieder ab.

Wichtig noch: Gescheine, also Blüte sollte man die ersten beiden Jahre entfernen. Ist sie gut gewachsen, kann man im zweiten Jahr einen kleinen oder halbierten Blütenstand steehen lassen, um die Sortenechtheit zu verifizieren. Und dann, ab dem dritten Jahr beginnt die ersehnte Erntephase mit hoffentlich erwartungsgemässen Ergebnissen!

Montag, 27. März 2023

Nutzgarten zu klein - was tun?

Wer gerne nutzgärtnert, träumt früher oder später von "Selbstversorgung" in den meisten Monaten des Jahres. Wirkliche Selbstversorgung mit Lebensmitteln ist natürlich ein völlig utopischer Traum, für Grundstoffe wie Getreide, Öl und tierische Produkte wie Butter oder Milch, benötigt man wenigstens eine Kleinlandwirtschaft und viel, viel Zeit, dazu viele solide Kenntnisse jenseits von Smartphone-Tipperei. Selbst die Versorgung mit Kartoffeln und Obst stossen in 400-800qm grossen Hausgrundstücken schnell an enge Grenzen. Aber Gemüse und Obst von Juni bis Dezember, Hühnereier, das geht wenn die Familie nicht zu gross ist.

Tricks und Methoden für gute Nutzung

Zentral plazierte eingeschossige Verwinkelungen oder grundstücks-
orientierte Optimierung - ein Riesenunterschied für den Garten

Auch unser Garten ist mir viel, viel zu klein. Das Grundstück ist ca. 700 Quadratmeter gross, das Wohnhaus stammt aus den frühen 1970er Jahren und wurde weder sinnvoll im Grundstück plaziert (wofür ein gemeindetypisch peinlich-vollidiotischer städtischer Bebauungsplan mitverantwortlich war) noch mit Verstand geplant. Es verbraucht viel wertvolle Fläche für wenig Wohnraum, weil ein Dach-Halbgeschoss zwar gebaut werden musste, aber trotz grosser Baumasse wegen zu niedriger Decken nicht bewohnbar sein kann - das wurde vom Bebauungsplan erzwungen. Das Dachgeschoss ist 30cm zu niedrig, Schuld ist die Gemeinde, dazu noch Architektenfehler. Bei allen Nachbarhäusern war man ein bisschen schlauer, wenn auch nicht schlau, wenigstens missachtete man dort einige Bebauungsplanvorschriften gerade so, dass die Gebäude immerhin besser nutzbar wurden. Aber so ist es nun einmal geworden, Umbau wäre im Prinzip ein Abriss - ist Gartenfläche einmal zerstört und zubetoniert, ist sie für immer kaputt. Ich versuche, das Beste aus den Resten zu machen. Wir haben das so getan:

  • Gartenwege nur im nicht anders nutzbaren Traufbereich
    des Hauses, Holzbretter im Nutzgarten
    Keinen Krempel im Garten, keine festen Wege ausserhalb der Traufe des Hauses, kein Beton, keine Hüttchenbauerei. Das benötigt alles Platz, schafft neue dunkle Ecken, zerteilt Kleines in sehr Kleines. Um durch die Beete zu gehen, legen wir simple schmale Holzbretter im Abstand von 2m auf, Überreste der Renovierung. Die lassen sich leicht wieder wegnehmen und ersetzen. Der Abstand beträgt deshalb 2m, weil man etwa einen Meter weit ins Beet greifen kann. Da man das von zwei Seiten her tun kann, ist mit 2m also alles hinreichend bequem pflanz- und erntbar.
  • Auch weniger gut besonnte Bereiche konsequent nutzen. So wachsen bei uns auch auf der Nordseite des Hauses Nutzpflanzen, sogar Gemüse. Entweder es verträgt artbedingt Halbschatten wie zum Beispiel Mangold, Pflücksalate oder es hat eine kurze Vegetationszeit und wächst in den drei Sommermonaten mit hochstehender Sonne, die auch die Nordseite ganz besonnt. Kräuter wie Minze, Melisse, Sauerampfer, Rauke ziehen sogar Halbschatten vor. Man kann dort auch in die Höhe gehen: An Drähten gespannt wachsen Minikiwis, an der Rückwand des nachbarlichen Schuppens werden Tafeltrauben bis 3m hochgezogen, an der Koniferenhecke des anderen Nachbarn streben zwei Pawpaws hoch. Die leichte Beschattung wird von den Nachbarn akzeptiert, wachsen doch bei ihnen sowieso nur sterbenslangweilige Koniferen, Gebäude oder Architektenpetersilie wie Forsytien und ähnliche biologische Wüsten mit Neophyten.
  • Auch sehr kleine Bereiche sind ungeheuer wertvoll, wenn sie gut liegen. Auf einem nur 30cm breiten freien Reststreifen zwischen unserer und der Garageneinfahrt des Nachbarn wachsen zwei Tafeltrauben. Es ist schmal, dafür herrscht dort volle Sonne und leichte Erreichbarkeit. Unten am Boden gedeihen eine Stachelbeere und eine weitere essbare Ribes-Art. Vier reichtragende Obstpflanzen auf winziger Fläche.
  • Zierende Nutzpflanzen statt nutzlose Zierpflanzen! Reine Zierpflanzen und ein ungenutzter Vorgarten müssen nicht sein. Unter den Obstgehölzen gibt es äusserst schöne, zierende Arten, die auch von der Grösse her sehr gut in Vorgärten passen. Beispiele: Mispeln mit ihrem herrlichen Blüten- und Fruchtschmuck sowie tropisch wirkenden grossen Blättern oder Quitten, Nanking-Kirschen (Prunus tomentosa) als niedriger Busch, Pfirsiche, Ölweiden als Hochbusch, Kornelkirschen, Duft-Johannisbeere, praktisch das gesamte Wildobst und vieles mehr.
  • Den Boden in gutem Zustand halten. Flächenversiegelung gleich welcher Art ist tabu. Regenwasser muss überall in den Boden kommen können statt zur Kläranlage abgeleitet zu werden. Das Obstgehölz daneben mit seinen Wurzeln unter Rasensteinen statt Betonplatten wird es danken. Eine Bodenuntersuchung machen lassen, entsprechend den Ergebnissen düngen. Auf kleiner Fläche kann man sich keine Böden leisten, die aus dem Gleichgewicht sind. Bewässerung ist ein Thema, das von Jahr zu Jahr wichtiger wird, weil die häufiger gewordenen Wetterextreme für immer mehr Ernteausfälle sorgen. Immerhin kann man bei anhaltenden Trockenphasen in einem Hausgarten gegensteuern. Wir haben einen Regenwassertank - unter der Terrasse, so dass kein Platz verschwendet wird.
  • Kleinbleibende Obstbäume (wir haben Dank dem Vorbesitzer eine alte Reihe mit Birnen auf schwachwachsender Unterlage), Nutzung von Fassaden für hochleitbare Pflanzen wie Akebien, Wein, Kiwis, das sind altbekannte Taktiken. Grosse Bäume stehen lassen (wir haben eine alte Kirsche), aber keinesfalls solches Obst nachpflanzen. Baumobst freistehender Bäume ist etwas für Obstwiesen. Beerenobst und Obstspaliere passen besser in den Hausgarten.
  • Ebenso altbekannt bei Gemüse sind gute Fruchtfolgen. Nach den Radieschen Frühkartoffeln, danach Radicchiosalate. Ein Beet, drei Ernten. Die in den letzten Jahren verlängerte Vegetationszeit kommt uns dabei entgegen. Eine interessante Erweiterung dieses Prinzips ist, überlappende Kulturen zu pflanzen. So werden im zeitigen Frühling Salat, Radies, Kohlrabi & Co aufs Beet gesetzt / gesät, dann kommen Anfang Mai vorgezogene Paprika oder Tomaten dazwischen. Der Salat wächst weiter, kann noch gross werden bis die Tomaten im Juni gross und schattenwerfend geworden sind. Auch Winteranbau nutzen!
  • Kürbisranken aufs Garagendach
  • Der Kürbis rankt aufs Garagendach hoch, die Chili, die Gurke, Aubergine steht im Kübel auf der Terrasse - man kann auch nutzen, was bereits versiegelt wurde. Vor allem eine Südterrasse, die von Sonne und Wärme überläuft verträgt wärmebedürftige Kübelpflanzen. Am Terrassenrand wachsen Feigen, am Haus Auberginen und Tomaten im Kübel - ohne Braunfäule Dank Dachüberstand.
  • Auf Dinge verzichten, die man in hoher Qualität auch kaufen kann. So sind gelbe Rüben / Karotten im Garten nett, benötigen aber eine lange Vegetationsdauer und sind in durchaus guter Qualität auch käuflich zu erwerben. Bei aromatischen Freilandtomaten oder ausgereiften Melonen sieht es dagegen anders aus, da lohnt sich der Eigenanbau auf den wertvollen Gartenflächen viel mehr, weil der Unterschied zur Kaufware riesig ist.

 

Mehr Fläche?


Der Rest des Hausgartens.
Am schwierigsten ist die direkte Lösung, nämlich einen grösseren Garten in Wohnortnähe zu bekommen. Bauland kaufen wäre in unserer und fast allen anderen Gemeinden dagegen zwar teuer, aber kein Problem, dafür werden Flächen mit grossem Eifer ausgewiesen. Flächen zubetonieren ist Usus, erlaubt, gewünscht, befürwortet, einen Garten anlegen nicht. In unserem sehr engen und dicht besiedelten Bundesland mit permanent hohem Bevölkerungswachstum durch Zuzug (es passiert seit 50 Jahren genau das Gegenteil aller Prognosen der letzten 50 Jahre, nämlich extremes Wachstum mit einer Hochdruckbetankung statt Schrumpfung), dem überall existierenden endlosen Häuser- und Strassenbrei sind Nutzgartenflächen selbst in Landgemeinden die Ausnahme. Das Gegenteil ist der Fall, es wird überall nachverdichtet, zugebaut, überplant - die Gärten werden immer kleiner, immer kaputter, immer verschotterter, immer unnützer. Ganz besonders stark ist der Zerstörungsdruck ausgerechnet in klimatisch bevorzugten Gegenden mit gutem Boden. Dort war die Bevölkerungsdichte auch früher schon höher und heute quetscht sich dort alles noch enger. Oder anders gesagt: Wo nichts wuchs, wohnte auch keiner. Heute wohnt man immer noch dort, hat aber die guten Böden und Lebensgrundlagen duch Überbauung äusserst "nachhaltig" vernichtet. An diesem absolut irren und widersinnigen permanenten Baumasse- und Menschenquetschwachstum können wir Nutzgärtner aber nichts ändern.
Ehemalige Schwemmland-Gärten beim "Umbau"...

Am Haus hatte man auch früher oft wenig Platz, dort hat man sich auf empfindlichere Kulturen und Küchenkräuter konzentriert. Standard für das "gröbere" Gemüse und Kartoffeln für den Eigenbedarf war der sogenannte Krautgarten, am Ortschaftsrand gelegen, oft auch nahe einem Fliessgewässer auf gutem Schwemmland, an der Grenze der Überschwemmungszone. Diese Gärten sind heute zu 99% verschwunden. Hier in Möckmühl wurden sie in den Hochwasserschutz einbezogen und sogleich weitgehend zugebaut, teilweise regelrecht brutal vernichtet (einfach zubetoniert, nicht weiter genutzt) der Rest als Flächenreserve für weitere Vorhaben betrachtet. Auch wenn ein solcher Garten verwildert, bekommt man ihn nicht: Die Besitzer haben zwar keine Lust auf seine Bewirtschaftung, hoffen aber alle darauf, dass ihnen jemand in Zukunft den fetten Hintern damit vergoldet, weil, vielleicht, wer weiss, es könnte ja Bauland draus werden. Ist einmal etwas verbaut, ist damit ein statischer Endpunkt erreicht, Pflanzen, Garten, Natur werden dort nie wieder wachsen können. Es ist vorbei, tot.
 
Schwemmlandgärten Möckmühls nach dem "Umbau"

Patentlösungen, um an einen Garten zu kommen gibt es nicht. Auch in ländlichen Gegenden ist das Vergangenheit. 

Obstwiesen

 
Am ehesten gelingt es noch, eine Obstwiese in benachteiligter Lage oder sonst eine wildgefallene Fläche zu bekommen, deren Vernichtung nicht nicht so leicht vergoldet werden kann. Auch ich habe mangels Alternativen diesen Weg beschritten und einige Abenteuer erlebt, darüber gibt es noch viel unterhaltsames zu schreiben. Dort kann man versuchen, extensiv robuste Obstsorten anzubauen, muss aber sehr viel Arbeit und je nach Zustand auch Technik hinein investieren. Mit einer Handsäge und einem Spaten kommt man auf überwuchertem Grund nicht weiter. Es kann auch komplett schiefgehen, schlechte Böden, Krankheiten und knochentrockene Sommer machen die Anstrengungen zunichte.
 
Obstwiesen sind für Gemüseanbau ungeeignet. Es klingt zwar einfach, wird ab und zu gerne und engagiert probiert, hält sich aber nie. Zäune um ein umgegrabenes Gartenstück sind im Aussenbereich sowieso grundsätzlich nicht erlaubt, Rehe, Hasen, Wildschweine freuen sich darüber. Wasserverfügbarkeit ist immer ein Problem. Offener Boden inmitten einer Wiese leidet immer unter hohen Unkrautdruck, Schnecken wandern permanent zu. Am wichtigsten sind vielleicht die Böden selbst: Obstwiesen stehen fast immer auf schlechten Böden, ungünstigen Hanglagen, ansonsten hätte man keine Obstwiese gepflanzt, sondern einen Acker draus gemacht, der bringt Geld, eine Obstwiese vor allem Arbeit. Sie waren immer eine landwirtschaftliche Nutzungsform für schwierige, acker- und gartenbaulich weniger gute Lagen.
 
Nutzen wir also so gut wie möglich, was noch geht und vergiessen nicht zu viel Tränen über die vielen Dinge, die nicht mehr gehen.
Hausgarten heute. Nachbarschaft.

Dienstag, 28. Februar 2023

Schnapsige Quittenverwertung

Unser grösster Quittenbaum

Unsere Quitten tragen jedes Jahr besser, weil die Bäume mehrerer Sorten stetig wachsen. Sie gedeihen, und es ist wirklich die einzige Obstart hier, die trotz der brutalen Wetterveränderungen mit Hitze, durchgängiger Sommertrockenheit, Spätfrösten und ständigem Import neuer Krankheiten auf der Obstwiese überlebt, Zuwachs hat und verwertbare Ernten bringt. Quitten werden immer wichtiger. 

Auch 2022 war es die einzige Obstart, die eine gute Ernte brachte. Oft verschenken wir einen guten Teil davon, der Rest wird selber verwertet, als Saft, Gärmost, Quittenspeck, Desserts, Gelee, was man eben so macht und schon in früheren Beiträgen genannt und gezeigt wurde. Dieses Jahr wollte aber keiner Quitten. Das war die Chance, mal ein ganz anderes Ziel anzusteuern: ein eigener Quittenschnaps. Der gehört zwar zu den schwierig herzustellenden Schnäpsen und wir trinken Hochprozentiges ohnehin nur selten. Wenn, dann wenig und als Digestif nach einem ausgiebigen Sonntagsessen, aber mal einen Brand aus den eigenen Quitten machen bringt auch Spass und Erlebnis. Das Endprodukt ist haltbar, man kann es also erst einmal stehenlassen (wird dann sogar besser) und der Druck einer sofortigen Verwertung schwebt dadurch nicht über uns.

Wie fängt man sowas an, was benötigt man? 
  • Zunächst mal muss man die Mengen kalkulieren, prüfen, ob man überhaupt genug gute, reife Quitten zusammenbekommt. Gefordert sind 90 bis 140 Liter Maische, mindestens so viele einwandfreie Quitten sollte man also zusammenbekommen. Aus Gründen, die später noch detaillierter beschrieben werden, ist weniger Maische nicht zu empfehlen. Hat man mehr, sollten es Vielfache von 140 Liter sein - also 280 Liter oder 420 und so weiter.
  • HDPE-Fass 100 Liter für den Ansatz
    Benötigt werden dieselben Geräte wie für eine Saftherstellung, Obstmühle, Presse, zusätzlich ein Gär- und Transportgefäss, Reinzuchthefe. Beliebt dafür sind die bekannten blauen Chemikalienfässer ab 100 Liter Fassungsvermögen mit Deckel und Spannring. Oder eben passende Maischefässer aus dem Hausmosterei-Handel. Bekannte Firmen sind beispielsweise Speidel und Rink. Die Chemikalienfässer sind bereits sehr gut, sie sind sehr robust und bruchfest, bestehen aus HDPE (High-Density Polyethylen) und sind voll lebensmittelecht, transportfähig.
  • Das Fass benötigt einen Standplatz, wo die Maische in Ruhe gären kann. Dieser Standplatz sollte kühl aber nicht kalt sein, das schwere Fass muss man dorthin- und wieder wegbringen können, womit ein Keller über eine Treppe oft ein Problem sein wird. Eine robuste Sackkarre ist sehr von Vorteil. Gut geeignet sind Gartenhütten, leere Aussengaragen, Scheunen.
  • Man benötigt eine Abfindungsbrennerei in der Nähe und muss das schwere Fass hintransportieren können. In unserem Fall klappte das nur mit einem Anhänger, nicht im Kofferraum. Eine Brennerei ist kein Laden mit Öffnungszeiten, bevor man mit dem Fass ankommt, erst mit der Brennerei die Details vereinbaren.
  • Wirklich viel Geld benötigt man nicht. Zu zahlen ist der Brennlohn und die Alkoholsteuer.
  • Will man den Brand anschliessend noch lagern, ist dafür ein Glasballon gut geeignet. Für den Transport der Ergebnisse sind Kanister gut. Zum Abfüllen Glasflaschen nach Wunsch.

 

Maische aus Quitten herstellen

Mit der Obstmühle die Früchte zerkleinern

Am Wichtigsten für die Qualität des Brandes ist eine gute Maische. Die Quitten dafür pflückt man, wenn sie vollreif sind, wenn sie "quittengelb" beginnen, von selbst zu fallen. Danach werden sie möglichst sofort und komplett verarbeitet. Wer keine Presse und Obstmühle hat, kann sie auch in einer Lohnmosterei pressen lassen, bekommt dann aber nur Saft und keine Maische mit Fruchtfleisch. Nur den Saft vergären geht, aber mit dem Fruchtfleisch zu vergären, ergibt mehr und besseres Aroma.

Sorten mit hohem Zuckergehalt sind zu bevorzugen. Je mehr Zucker, desto mehr Ausbeute. Unsere Hauptsorte ist da leider nur mittelmässig und erreicht 50-60° OE (12,6 bis 14,7 Grad Brix). Ein billiges Refraktometer klärt den Zuckergehalt schnell. Die anderen Sorten erreichen teils deutlich mehr, 70° OE (17,1° Brix) sind keine Seltenheit, die Rekordwerte bei schwachem Behang und starkem Sommer liegen noch höher. In anderen Regionen mag das weniger oder mehr sein, aber generell lohnt es sich kaum, bei unter 50° OE einzumaischen und zu brennen. Ausbeute und Aromen sind dann zu gering.

Quitten waschen, Flaum abreiben!
Für die Maischeherstellung sollte man sie waschen und Flaum auf der Schalenoberfläche gut abreiben. Der enthält ein Öl, das dem Brand geschmacklich schadet. Bei dieser Gelegenheit sehr genau nach Faulstellen sehen, vor allem um den Nabel herum, zweifelhafte Früchte wegwerfen. Die Guten in die Obstmühle werfen, eimerweise das Fass mit der Maische füllen. Die Maische enthält auch Luftbläschen, für 90 Liter Maische muss der Füllstand also etwas höher liegen.

Quittenmaische verflüssigt sich während der Gärung nicht gut, zusätzlich sollte man bis etwa 20% Quittensaft zugeben, um den Saftanteil sachte zu erhöhen. Also nach der Obstmühle nicht alles ins Fass kippen, sondern auch eine gewisse Menge ganz normal abpressen. Früher hat man gerne etwas Wasser und Zucker zugegeben. Zuckerzugabe ist aber logischerweise wegen der Alkoholsteuer nicht erlaubt und das hätte ohnehin nur den Alkoholgehalt, nicht das Aroma erhöht, also sein lassen! Wir wollen beste Qualität, nicht beste Quantität.
Quittenmaische frisch gemust. Bazig, nicht fliessfähig

Die Maische in Gärung im Fass

Das Fass kommt an den Ort, an dem es ein paar Monate kühl stehen kann. Vorab vermehrte Reinzuchthefe (Sorte: Kaltgärhefe) rein, mit einer sauberen Stange rühren, Deckel darauf, Gärspund. Wir hatten ein blaues Chemikalienfass und einfach den Deckel mit Dichtung locker aufgesetzt, ohne den Spannring zu verriegeln. Dann eine Apfelkiste auf den Deckel gestellt, sodass durch die Gärung ein dauernder leichter CO₂-Überdruck im Fass herrschte und kein Sauerstoff eindringen kann. Anfangs muss man das Maischefass noch gelegentlich öffnen und mit einem Stock umrühren, sonst sammeln sich alle Feststoffe durch die Gärung oben und quellen eventuell aus dem Fass. Also auch genug Raum lassen, etwa ein 120 Liter Fall für 100 Liter Maische nehmen. Nach zwei bis höchstens drei Monaten ist die Maische normalerweise komplett vergoren, auch Fruchtstücke sind musig weich, lassen sich mit der Hand leicht zerdrücken. Mit einer Kelle holt man sich etwas aus dem Fass und prüft, ob das Ergebnis wirklich zuckerfrei und damit ganz durchgegoren ist. Bitte so wenig wie möglich öffnen, nicht "gucken", Luftzutritt ist schädlich.

In der Literatur wird gerne geraten, die Maische anzusäuern, um Fehlgärungen zu verhindern, dafür wird Schwefel-, Milch- oder Phosphorsäure genutzt. Darauf verzichten wir. Wichtiger ist es, gut vermehrte Reinzuchthefe für Gärung in kühlen Räumen zuzugeben. Vorher alles langsam auf gleiche Temperatur bringen, damit die Hefe keinen Kälteschock bekommt. Geht die Gärung schnell und kräftig los und taugt die Maische etwas, ist das ein guter Schutz gegen Fehler wie Essigstich.

Noch etwas Saft ohne Feststoffe dazu

 

Anmelden, Steuern bezahlen

Der Steuerbescheid

Man kann, aber sollte die Maische nicht lange lagern. Vor allem nicht in die warme Jahreszeit hinein. Die Hefe zersetzt sich und das gilbige Aroma eines Proteinabbaus kommt, Fruchtaromen werden schwächer. Also ab zum Brenner, der einem auch dabei hilft, den Brand anzumelden. Kein Schnaps ohne Gesetz, Bürokratie, Behörden, Steuern zahlen. So läuft das:

  1. Der Brenner meldet den Brand auf einem Formular beim Zoll an. 
  2. Dann dauert es mehre Tage bis Wochen. Irgendwann schickt der Zoll eine Rechnung an euch, die sogenannten "Stoffbesitzer". Ihr habt Steuern zu bezahlen - rund 10 EUR pro Liter unverdünntem Alkohol. Die entstehende Alkoholmenge wird vom Zoll nur geschätzt und richtet sich nach einer Tabelle, dem sogenannten Ausbeutesatz. Bei Quitten lag der 2022 bei 2,6. Dieser Wert entspricht der Alkoholmenge in Litern reinen Alkohols (lA), die bei mehligen Stoffen aus 100 kg und bei nichtmehligen Stoffen aus 1 hl der Stoffe gewonnen wird. Hier: Richtlinien und Tabelle. Wir zahlten für unsere 90 Liter Maische etwa 25 EUR Alkoholsteuer.
  3. Der Brenner erhält gleichzeitig vom Zoll die Genehmigung für den Brand und einen Brenntermin, an dem der die Maische brennen muss. Ohne amtliche Genehmigung geht nichts.

 

Der Brand

Die Brennerei. Sauber, aufgeräumt, funktional, gut.

Einige Brenner lassen einen zusehen, wie sie brennen. Der Vorgang erfordert viel Erfahrung und vor allem muss der Brenner seine Destille sehr gut kennen. Die typischen Kleinbrennerdestillen haben alle eine Brennblase mit einem Fassungsvermögen von 140 bis 150 Litern. So löst sich auch das Rätsel, wieso der Ansatz maximal diese Menge haben sollte. Man zahlt immer für den Brandvorgang, egal ob man 50 oder 140 Liter bringt. Im einen Fall ist die Brennblase dann halt voll, im anderen nur teilweise. Pro Liter ist der Brand also um so teurer, je mehr man unter den 140 Litern bleibt. Der Aufwand für den Brenner ist auch derselbe.

Beim Brand entsteht erst Vorlauf, dann Mittellauf, schliesslich Nachlauf und die leergebrannte Maische, auch Plempe genannt - sie wandert meist direkt ins Abwasser, wird also verplempert. Der Vorlauf enthält unter anderem Methanol, ist nicht geniessbar, ja sogar giftig. Er hat auch kein Aroma. Man kann ihn mitnehmen und als Desinfektionsmittel nutzen. Wir bekamen einen Liter Vorlauf. Der Mittellauf ist das gute Zeug. Wir haben ihn gleich vom Brenner mit etwas demineralisiertem Wasser auf Trinkstärke von 42% verdünnen lassen und ihn im mitgebrachten Kanister bekommen. Es waren sieben Liter. Der Nachlauf hat etwas Aroma, aber viele unangenehme Fuselöle. Den haben wir dem Brenner gelassen. Er sammelt den Nachlauf aller Brände der vergangenen Monate und brennt sie am Ende der Saison noch einmal, das gibt noch einige verwertbare Liter Obstler. Anschliessend wird der Brennlohn gezahlt - 45 EUR bei uns, etwas billiger wäre es gewesen, wenn wir das Holz zum Maische kochen in der holzbefeuerten Destille mitgebracht hätten. 

"Schwarz brennen", also selber, illegal ohne den Zoll, das kam für uns nie in Frage. Kleinere Brenngeräte aus dem Urlaub in Osteuropa kaufen und einschmuggeln geht zwar, aber wozu? Beste Qualität ist mit diesen einfachen Destillen nicht zu erreichen. Die Kenntnisse eines erfahrenen Brenners haben wir auch nicht. Teurer Krempel für etwas, das man einmal im Jahr nutzt für ein Produkt, das man wenig konsumiert plus Strafbarkeit, das wäre hirnrissig.

Natürlich bleibt auch so mit Steuern, Brennlohn, herumfahren, dem sonstigen Aufwand alles eine finanziell tief im Minus bleibende Liebhabersache. Man bekommt die Essenz der eigenen mühevoll angebauten Früchte, das ist es auf jeden Fall wert, aber wer glaubt, er kann die Kosten durch Weiterverkauf des Brands wieder hereinholen, wird das nicht schaffen. So ist das eben bei fast allen Hobbys, wer etwas verdienen will muss Händler für Zubehör werden oder Angestellter beim Zoll.

 

Abholen, mischen, lagern, trinken

Brennergebnis - unspektakulär

Schliesslich waren wir auf dem Heimweg, mit unserem leeren Fass und zwei Alkoholkanistern. Zu Hause kann man es natürlich nicht abwarten, das Ergebnis zu probieren. Wir schraubten den Kanister auf und wunderten uns sofort: Der Duft nach Quitten erfüllte das Zimmer. Das hatte ich nicht erwartet. Erwartet hatte ich etwas mehr Obstlerartiges, dass das leichtflüchtige Quittenaroma so stark sein würde, das überraschte. Dann im Glas und im Mund: Intensiv blumig quittig, aus dem Spektrum des Quittenfruchtaromas rollte eine überraschende Fruchtsüsse über die Zunge, die nicht durch Zucker, sondern Aromen entstand. Der Brand war einerseits weich, aber auch noch in der Mitte etwas unrund, was sich durch Lagerung einebnen wird. Dass aber das Kaleidoskop des Quittenspiels mit Lagerung auch so intensiv bleibt, kann ich mir nicht vorstellen. Sicher ist: Der Brenner verstand sein Handwerk meisterhaft und unsere Maische war hochwertig. Auf jeden Fall ein Erfolg für uns, dieser erste Versuch.

Abfüllung in 5l Ballon

Wir haben dann fünf Liter in einen Glasballon getrichtert, gut verschlossen und in den Keller gestellt. In ein paar Monaten füllen wir den Inhalt in Flaschen ab. Kommerzielle Hersteller lagern bis zu zwei Jahre im Edelstahltank vor der Abfüllung. Die restlichen zwei Liter kamen in schmale, schöne 100ml Fläschchen, Korken darauf, Schrumpffolie drüber, Etikett drauf. Dazu zwei Halbliter-Apothekerflaschen, ebenso verschlossen. Die kleinen Flaschen sind ideale Geschenke, grössere Flaschen sollten bei einem halben Liter bleiben. So schnell trinkt man den Sprit nicht und in halbleer getrunkenen Flaschen verliert der Brand an Aroma. Wer trinkt schon einen halben Liter Schnaps auf einmal? Wir jedenfalls nicht.

 

Quittenbrand - das Endergebnis

Getrunken wird bei Zimmertemperatur, nicht aus dem Keller. Beliebt ist Quittenbrand nach dem Essen, pur, laut Büchern besonders nach einem Wildgericht, das ich als Vegetarier eher nicht auf dem Tisch habe. Wenn er aber derartig aromakräftig bleibt, werden wir ihn aber auch als Zutat für Desserts verwenden. Wohl bekomms.