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Donnerstag, 4. Januar 2024

Der Biber erntet Obst, Schutz dagegen

Mahlzeit, Herr oder Frau Biber

Biber haben wir in der Gegend nach einer Pause schon seit Jahrzehnten wieder, obwohl es gar nicht so viel Raum für sie gibt. An den Flüssen hat er sich sehr schnell wieder ausgebreitet. Bäche und andere Oberflächengewässer gibt es in der Gegend jedoch nicht so viele und wenn, dann liegen die lange oder sogar den grössten Teil des Jahres trocken. Hier im Muschelkalkgebiet versickert sehr viel und sehr tief in den Untergrund. Das ist keine Biberfreude, denn bei trockenfallendem Gewässer sind vor allem seine Jungtiere ungeschützt und können Beute von Mardern, Füchsen, Greifvögeln werden. Auch die Gehölzzonen an den Trockenbächen bleiben eher klein, es gibt wenig vernässte Zonen, keinen Sumpf, keinen Bruch, damit hat er weniger Nahrungspflanzen.

Dieses fette Nagetier frisst Rinde lebender Gehölze, bedient sich aber auch opportunistisch an landwirtschaftlichen Kulturen wie Mais. Man kann lange Listen mit positiven und eben auch negative Folgen herableiern, Vorteile wie Konflikte. Optisch sofort jedem Menschen auffallend ist: Wo es auftaucht, sterben Bäume. Ganz besonders Apfelbäume. Diese Eigenart des Apfelvorzugs konnte ich schon länger an wassernahen Grundstücken beobachten und nun habe ich sie auf der eigenen Wiese erlebt: Ein Biber hat mir eine mittelalte Renette weitgehend abgefressen. Er verwertet diesen Obstbaum auf seine Weise.


 "Mein" Biber mit der Wildkamera. Frisst Geäst wie Spaghetti.

 

Der Biber räumt auf bzw. ab

Mein Apfel - geerntet vom Biber.
Art und Höhe deuten auf ein Jungtier hin.

Ärgerlich. Aber was das Ereignis so unerwartet macht, ist der Ort, die Wiese liegt nämlich nur an einem Graben, der den grössten Teil des Jahres knochentrocken ist. Trotz langjährigen Biberrevieren am Fluss gab an diesem Graben niemals Biber. Deshalb hatte ich mich auch auf solche Schäden nur zu 90% und nicht zu zu 100% vorbereitet. Von den 20 Bäumen dort sind 15 recht gut mit Drahthosen oder Manschetten geschützt, vor allem weil auch schwere Fegeschäden durch Wild stattfinden. Grössere Stämme weiter weg vom Bach sind nicht mehr geschützt. Wild fegt nur an dünneren Stämmen. Nachdem schon Draht eingewachsen ist und die Befürchtung aufkam, damit auch der Waschbärenpest eine Kletterhilfe zum Obst hoch zu bieten, fehlen sie an den dickeren Stämmen abseits vom immer schon biberfreien Graben.

Nun fanden aber zum ersten Mal seit 21 Jahren wieder über drei Monate anhaltende Regenfälle von Herbst bis jetzt statt. Der Graben führte schon im Frühherbst plötzlich Wasser und das seither ständig, weil es ausnahmsweise fast täglich regnete. Das fliessende Wasser verführte Jungbiber, sofort einzuwandern und auch sogleich Obstbäume zu "ernten". Bei meinem Apfel zeigte sich auch eine weitere Spezialität: Der stand gar nicht am Bach, sondern ein Stück den Hang rauf. Ungeschützt im Bach standen eine Birne und zwei Steinobstbäume. Und hunderte grosse und kleine Gehölze aller Art. Da musste er direkt vorbei, aber die hat er nicht angerührt. Der Apfel musste es sein. Nur den hat er abgenagt. Dafür nimmt er auch unbequeme Wege in Kauf. Ein Verhalten, das ich auch auf den Wiesen andernorts sehen konnte, wo der Biber sowieso schon in angrenzenden Gewässern lebt: Apfel wird ganz klar bevorzugt. Er frisst Rinden und alle Hölzer, aber eben am liebsten Apfel. Und dafür watschelt er auch einen Hang hinauf, an Weide, Birne, Erle, Zwetschge vorbei.

Des Jungbibers Fussabdrücke, Hinterpfoten gross, Vorderpfoten klein
 

Was tun gegen Biber am Obstbaum?

Vorbeugen. Im Internet gibt es viele Beispiele für einen Stammschutz. Hier in der Gegend werden Estrichmatten als Stammschutz empfohlen, eine Art Armierungsgitter. An dem 2mm dicken verzinkten Stahl verliert selbst ein Biber die Nagelust. Die Matten werden rund gebogen und um die Stämme befestigt, am Boden verankert damit der Biber sie nicht einfach hochschiebt. Zusammenbinden kann man die gebogenen Matten mit Kabelbindern oder Draht.

Das ist nicht teuer. Die Naturschutzbehörde und der hiesige Wasserbauhof halten sogar solche Matten vor, sodass sie schnell bei Biberproblemen zur Verfügung stehen und so erhaltenswerte Bäume geschützt werden können. Das ist eine optimale Lösung, und ein gutes Beispiel für unbürokratische Problemlösung die wirklich etwas bringt, vorausgesetzt man weiss das und gerät gleich an die richtigen Ansprechpartner. Was nun jeder Leser dieses Beitrages auch versuchen kann, wenn er Obst an Wasserläufen hat, an denen Bibereinwanderung droht oder schon erste Schäden an Obstbäumen da sind und es deshalb eilig ist.

Estrichmatten. Leicht und biegsam, trotzdem sehr robust. Wenn man sie parat hat.

Zwei geschützte Bäume, jung und mittelalt. Unten der Graben, der Bütten"bach".


Was bleibt? 

Eindeutige Biberfraßspuren an Schnittgut. Er ist da.

Der Biber vermutlich nicht. Im wieder trockenen Graben wird er sicher die Lust verlieren, weil er monatelang auf dem Trockenen sitzen wird. Vorher soll er gefälligst noch was arbeiten. Ich habe Schnittgut vom Obstbaumschnitt in den Graben geworfen, vielleicht kriegt er dann Lust dazu. Angenagt hat er die Äste bereits, er ist also weiterhin präsent und betrachtet das als sein Revier. Ein Damm wäre perfekt. Der Graben hat nämlich das Problem, dass er wie eine Regenrinne bei Gewittern kurz und heftig Wasser führt, weil an seinem Oberlauf Quadratkilometerweise Flächen mit gigantischen Grosslagern und noch gigantischeren LKW-Aufmarschplätzen mit mies bezahlten Billigarbeitsplätzen zubetoniert wurden. Aus dieser konsequent vernichteten Landschaft fliesst Regenwasser sofort und heftig ab und überflutet auch extra angelegte Stauräume (auch wieder auf bestem Boden) schnell. Auf Asphalt, Beton und Blech versickert nun mal nichts, die Flächen unter all den Betongrabsteinen fallen als natürliche Speicher für Wasser aus, die sie vorher waren. Angesichts der ungünstigen Wetterveränderungen obendrauf ist das doppelt folgenreich.


Eine der vielen Folgen: Der Graben frisst sich deshalb metertief ein, Erosion nimmt die gute Erde mit, dann wieder monatelang staubtrocken und tot. Das stört dann keinen Bürgermeister und keinen Gemeinderat mehr, die vorher bestes Land planmässig und billig vernichten liessen. Ein Bekannter sagte dazu "das Schmiergeld ist schon kassiert, wie es weitergeht ist dann egal". So hätte ich das nicht gesagt, aber die Blindheit gegenüber unseren natürlichen Grundlagen zugunsten künstlich herbeigeredeter Sachzwänge und sehr kurzfristigem Denken ist eine Tatsache. Es herrscht rein quantitatives Wachstum bei qualitativem Zusammenbruch. Vielleicht lässt sich der Biber wenigstens an diesem Graben als Helfer einspannen und er baut noch einen Damm dort, bevor er wegen Trockenheit die Lust verliert - Dämme wären genau richtig gegen solche Wasserstürze, wenigstens auf ein paar Abschnitten. Ich helfe ihm jedenfalls dabei mit Schnittholz. Noch lieber wären mir Beton-Biber, die die nahen Betongrossprojekte zu Fall bringen.

"Biberrutsche". Sein Aufgang vom Bach zur Wiese.
Abdrücke seiner hinteren Watschelpfoten mit Schwimmhaut und Krallen sind zu sehen.

Hinterpfote, auch Schwimmhaut ist zu erkennen.

Apfel mit restlicher Drahthose, die zu klein wurde.
Der Biber frisst jede erreichbare Rinde. Andere Baumarten in der Nähe blieben alle unberührt.

 

Samstag, 9. Dezember 2023

Obstneupflanzungen im neuen Klima

Neu gepflanzte Champagner Renette

Gründe für Neupflanzungen sind bei mir leider meist traurig: Vorher dort stehende Bäume sind abgestorben. Das Sterben der Obstbäume ist in den letzten Jahren aufgrund der veränderten Wetterbedingungen zur Epidemie geworden. Äpfel sterben in meiner Lage vorrangig wegen Rindenbrand, Steinobst leidet stärker unter Monilia und nun auch viel zu warmen Wintern, die zum Austrieb und dann Absterben von grossen Astpartien oder dem ganzen Baum führen, weil doch noch kräftige Nachtfröste kommen. Zweigmonilia und andere Pilzkrankheiten sind generell virulenter geworden. Junge Bäume sterben, weil Extremsommer ohne Regen gekommen sind und man zu wenig oder zu selten Wasser hinschaffen kann. Andere Bäume sterben einfach so, wie es nun mal passieren kann - aber ganz klar häufiger als früher, direkte Gründe für den Stress sind nicht immer zu sehen.

Also wird neu gepflanzt. Die Baumschulen freut es. Aber nicht mehr die der Region, ich kaufe vermehrt im Mittel-osteuropäischen Ausland, der guten Qualität wegen und weil ich dort die Sorten auf den Unterlagen (nämlich mittelstark wachsende) bekomme, die ich haben will. Ich kann nicht alles selber veredeln. Das Sortiment der meisten deutschen Baumschulen (es gibt fachlich sehr gute Ausnahmen!) passt ausserdem meistens weder zum sich veränderten Klima noch für Hobbygärtner. Die teure Ware wird sowieso immer öfter billig importiert, von grossen Vermehrern aus Ost- und Südeuropa. Früher Baumschule, heute Händler. Aber auf einen Extra-Zwischenhändler kann ich verzichten.

Wie pflanzt man heute am besten?

Wurzelballen von Äpfeln, Idealzustand. Grosse Wurzeln
geschnitten. Nie abtrocknen lassen!

Früher war es noch eine Dauerdiskussion, die Frage ob Herbst- oder Frühjahrspflanzung besser ist. Das Klima hat es entschieden: Gepflanzt wird heute ausschliesslich im Herbst. Der Herbst ist eine endlos lauwarme, trübe Angelegenheit geworden, in der meist nach langer Trockenzeit wieder eine Regenzeit beginnt. Lange Frostperioden im folgenden Winter gibt es nicht mehr, der Boden ist nie mehr als wenige Zentimeter tief gefroren. Wir hatten dieses Jahr zehn Wochen im Frühsommer ohne Regen und sechs Wochen im Spätsommer. Im Herbst begann eine Regenzeit und zwar sieben Wochen täglich (!) Regen. Dieses Muster anhaltender Trockenzeiten und Regenzeiten ab Herbst ist mit wenigen Ausnahmen seit Jahren üblich geworden. Den Wetterstil von früher gibt es nicht mehr, die Wetterlagen sind heute viel statischer, oft bis zur Katastrophe konstant. Das ist eine Folge der Klimaveränderung, der Abschwächung des polaren Jetstreams wegen abnehmender Temperaturkontraste entlang der Breitengrade, deshalb stehen die Rossby-Wellen heute viel ortsfester und mäandern auch viel weiter nach Nord und Süd.

Herbstpflanzung statt Frühjahrspflanzung ist bereits in https://gartenzone.blogspot.com/2019/03/fruhlings-oder-herbstpflanzung-die.html beschrieben und die Argumente von damals haben sich noch verstärkt. Die Angst vor harten Winterfrösten, die Neupflanzungen schädigen ist heute unbegründet. Vielmehr kann man mit einer Herbstpflanzung sogar die neuen Wachstumsmonate im Winter ausnutzen, länger Schnee und tief gefrorene Böden gab es seit Jahren nicht. Die Wurzeln beginnen sofort nach Einpflanzung zu wachsen, neue Feinwurzeln bilden sich, der Baum "schlägt Wurzeln".

Die Pflanzung muss heute mehr denn je den wetterbedingt gestörten Wasserhaushalt berücksichtigen. Zu viel Regen gibt es nicht bei Obstbäumen (wenn sie nicht neben einem Bach stehen und dann unter Wasser), aber zu wenig.

  • Wichtig sind deutliche Giessränder mit grossem Durchmesser um den Stamm herum im Traufbereich der Jungkrone. Erstens sollen plötzliche kurze und starke Regenfälle nicht oberflächlich ablaufen, sondern möglichst in den Boden eindringen. Diese Technik wird in Permakulturen immer schon in verschiedenen Formen angewendet, zum Beispiel durch ziehen geeigneter Furchen. Zweitens muss man Neupflanzungen immer giessen, das mühsam hergetragene Wasser soll ebenfalls nicht über die Wiese, sondern an die Wurzeln des Baums, es braucht Zeit um in die Tiefe zu kommen. Also schon bei der Pflanzung grosszügige Giessränder modellieren, Mindesthöhe 5cm, je mehr desto besser.
  • Die Baumscheibe nicht nur konsequent von Bewuchs freihalten (jede andere Pflanze ist Wasser- und Nahrungskonkurrenz), sondern auch die Oberfläche so gestalten, dass Wasser gut versicken kann und wenig von unten verdunstet. Beispiel: Keine Erde mit Verschlämmungstendenz oben liegen lassen!
  • Pflanzloch, Pfahl, eingestreutes Agrargel
  • In Nordafrika schon länger bei Gehölzpflanzungen angewendet, auch in Deutschland sehr empfehlenswert geworden: Die Verwendung von Agrargel oder Hydrogel im Pflanzloch. Agrargele sind "Bodenhilfsstoffe für Trockengebiete". Superabsorber, die sich bei Wasserzugabe zu einem Gel vollsaugen, ein vielfaches des eigenen Gewichts an Wasser binden und wieder langsam abgeben können. Solche Stoffe werden zum Beispiel in Babywindeln verwendet. Bis vor einigen Jahren waren das biologisch abbaubare Kunststoffe, etwa Natriumpolyacrylat, mittlerweile gibt es auch rein aus Holz hergestellte Gele auf der Basis von Lignin mit denselben Eigenschaften. Damit verlängert sich die Bodenfeuchte in Trockenzeiten und verlängert damit auch die Mindest-Giessintervalle. Details meiner guten Anwendungserfahrungen werden Gegenstand eines eigenen Beitrages sein.

Die übrigen Standardtipps zu Pflanztiefe, Behandlung des Wurzelballens, Pflanzschnitt, anbinden etc. haben sich wenig geändert. Die erste Düngung sollte aber etwas früher erfolgen als in der Literatur angegeben, weil die Bodentemperaturen meistens früher steigen und Stickstoff deshalb früher aufgenommen werden kann, früher benötigt wird, in der späteren Sommertrockenzeit dann weniger. In unserer Gegend am Südwesthang mit magerem Boden gebe ich Stickstoff an bedürftige Gehölze schon im Februar, je nach Wetter. Jungbäume bekommen viel Pferdemist oben auf die Baumscheibe, aber nicht am Stamm. Damit bleibt sie bis zur ersten Mahd bewuchsfrei und der Belag hält das Wasser besser im Boden. Eine Düngewirkung hat der Pferdemist mehr indirekt, weil er auch das Bodenleben anheizt.

Rindenbrand an "Gala"

Vor der Pflanzung kommt das Abräumen toter Bäume. Eine traurige Angelegeheit. Abgeräumt habe ich diesen Herbst einen Apfel der Sorte Roter Bellefleur, toll gewachsen, eine Lagerapfelhoffnung. Er hatte immer stärker schwarzen Rindenbrand und starb im Frühling komplett. Wenn es denn diese Sorte war, in Reiserschnittgärten wurde nach einen genetischen Untersuchung oft der Rheinische Winterrambur als "Roter Bellefleur" vermehrt. Ein geschenkter "Gala" starb auch den Rindenbrandtod. Weissanstrich nutzte nichts. Drei Pfirsiche und eine Aprikose starben aus den Gründen im ersten Absatz. Ein weiterer Apfel, zehn Jahre alt, starb. Eine "Neue Orleans Renette" wurde von einem irregeleiteten Biber abgefressen, der über einen normalerweise trockenen Graben kam, der nur durch anhaltende Regenfälle zum Bach wurde und wieder biberungeeignet trocken fallen wird. Das Tier wird doch nicht überleben, aber vorher frisst es noch meine Bäume. Eine Quitte und eine Rundpflaume, letztes Jahr gepflanzt starben, ich konnte dort schlecht giessen und habe Fehler bei der Behandlung der Baumscheibe gemacht. Den schweren Lehm aus dem Pflanzloch dort liegen gelassen. Der verschlämmt schnell. Eine andere Bodenoberfläche, die Wasser bei Trockenheit leichter versickern lässt wäre besser gewesen - grob mulchen etwa, organisches Material in den Oberboden mischen. Die Rindenbrandbäume habe ich verbrannt. 

Tod Orleans Renette durch Biberfrass

Pflanzungen diese Saison

Was kam neu? Vieles. Da ich die Wiesen und das Obst trotz der Riesenprobleme noch nicht aufgegeben habe, pflanze ich konsequent nach, Obstarten und Obstsorten, die einen Versuch wert sind, ob sie es auch im neuen Wetter schaffen.

Äpfel

Alles stimmt. Giessrand, Anstrich, Pfahl, Biberschutz

Sie war einmal Hauptsorte in Südtirol bis etwa 1960, spätreifender geschätzer Lagerapfel der erst auf dem Spätwinter schmeckt und ist einer der Elternäpfel des Brettacher: Eine Champagner Renette steht jetzt auf der Wiese. Und bleibt hoffentlich ohne Rindenbrand. Die Sorte hat auch ein Bekannter, sie wird in unserem Klima ganz gut, hat durchaus Aroma und kommt mit trockenen Sommern besser als der Durchschnitt zurecht. Sie bleibt auch etwas kleinkronig, so passte sie noch an einen Pflanzplatz im engeren Raster. Halbstamm.

Nachdem James Grieve und Klarapfel den Abgang machen bzw. schon machten, Aldingers Georg Cave versagt, fehlt mir ein Sommerapfel. Deshalb neu im Garten: Ametyst, auf mittelstarkwachsender Unterlage. Neuere tschechische Sorte, eher säuerlich, Robustheit wird gelobt, aber das wird muss sich in der Praxis beweisen.

In fast allen unseren heutigen Sorten im Stammbaum: Die Edelrenette, Reinette franche, schon 1540 erwähnt. Seither als robuster, gut lagerfähiger, sehr aromatischer Apfel bekannt. Fruchtgrösse ist aber klein. Was als derart alte und damit altbewährte Sorte so viele Nachkommen hatte, ist einen Versuch wert.

Mit dem Ribston Pepping habe ich einen zugegeben vermessenen Sortenversuch gepflanzt, allerdings kenne ich auch relativ gesunde Bäume und der Pflanzplatz ist nicht schlecht. Ribston Pepping ist einer der Cox Orange Vorfahren und in der Cox Orange Genealogie wohl die anbaufähigste Sorte unter all den sehr empfindlichen Mimosen wie Cox eine ist. Halbstamm.

Geheimrat Breuhahn, selbst veredelt, nun an seinem endgültigen Platz. Auch etwas kleinkroniger bleibend. Wurde mir sehr empfohlen als robuster Apfel mit gutem Geschmack, der sich lange lagern lässt.

Zehn Jahre alt geworden. Rindenbrand.
Mehrfacher Schutzanstrich wirkungslos.

Auch veredelt und schon am endgültigen Platz ist "Stina Lohmann". Ich bekam Reiser vom Korbiniansapfel, der aber vermutlich gar nicht mehr existiert, sondern verloren ist. Genetische Untersuchungen haben ergeben, dass die unter diesem Namen vermehrte Sorte immer nur die ältere Sorte "Stina Lohmann" ist, ein Langlagerapfel, zwar nicht allerbeste Güte, aber saftig bleibend und haltbar.

Nach einem bisher gesund gebliebenen Court Pendu Gris, einem hierzulande seltenen grauen Kurzstiel kommt nun auch ein königlicher Kurzstiel auf die Wiese. Auch eine sehr alte Sorte, seit 500 Jahren in Deutschland nachgewiesen und immer als sehr gesund beschrieben. Man sollte es allerdings schaffen, ihn luftfeucht zu lagern, sonst welkt er stark. Das bekomme ich hin mit Folienhaubenlagerung. Viel schwieriger wird sein, überhaupt bis zu einer Ernte zu kommen.

Birnen

Überraschung beim Pflanzloch ausheben:
Trockener Boden auch nach einem Monat Regen.

Dafür habe ich nicht viele Pflanzplätze, denn sie brauchen tiefgründigeren Boden. Auf Quitte veredelt nicht so sehr, dafür ist dagegen das Wachstum oft unbefriedigend. Gepflanzt wurde diesen Herbst Liegels Winterbutterbirne, eine schöne und lagerfähige Sorte, aber sehr schorfanfällig. Deshalb steht sie oben an der Hangkante, wo am meisten Wind herrscht. Die Birnen sind klein, rundlich, sehen nicht toll aus, aber das bewahrt sie vielleicht vor Diebstahl.

Winternelis hatte ich schon einmal, sie ging ein, der Platz war aber auch nicht gut. Ein sehr klein bleibender Baum, dünntriebig, aber sehr gute und ebenfalls lagerfähige Früchte, ebenfalls auf der kleineren Seite. Lagerbirnen sind ein seltenes Gut und es gibt nichts schöneres, als mitten im Winter noch süsse, schmelzende Birnen zu haben. Sie kam in eine Ecke mit bestem Boden.

Champagner Bratbirne steht noch im Beet, ist selbst veredelt, harrt noch der Auspflanzung. Leider sehr feuerbrandanfällig, gehört aber zu den hochwertigsten Mostbirnen überhaupt. Ich habe mal den Versuch gemacht, sie auf Quitte BA29 zu veredeln. Mostbirnen wollte man immer starkwachsend auf Sämlingsunterlagen, aber auf Quitte wird der Baum kleiner bleiben, früher in Ertrag kommen und mit dem flachgründigen Boden besser zurechtkommen.

Anderes Kernobst

Quitte am Steilhang - schwierig, aber möglich

Die Muskatquitte auf BA29 ist eingegangen - und wurde gleich nachgepflanzt. Der Standort ist schwierig, am steinigen Steilhang, aber wenn dort etwas zurechtkommt, dann Quitten. Mehrere andere Sorten wachsen dort bereits, eine ist sogar schon ein stattlicher Baum, sie müssen aber die ersten Jahre überleben. Das dornige Gebüsch aus Hagebutten, Mahonien, endlosen Myrobalane-Schösslingen muss kleingehalten werden, Wasser muss mittels Kletterpartien hingetragen werden. Die Quitten haben sich dort sehr gut geschlagen, von vier Quittensorten schafften es drei.

Noch eine Mispel: Eine Kurpfalzmispel. Sie wurde leider auf Weissdorn veredelt geliefert. Ich setzte sie tiefer, damit sie aus der Unterlage herauswächst.

Steinobst

Pfirsiche haben es im neuen Wetter auch schwer, Baumausfälle haben zugenommen, Monilia wurde virulenter, neue Probleme kamen hinzu. Eine neue, angeblich sehr robuste Hoffnung ist nun im Boden, Flaming Fury Lucy13, auf einem arteigenen Sämling veredelt. Die Sorte soll auch gut schmecken, sie ist kurz nach "Red Haven" reif, also Mitte bis Ende August. Die "Flaming Fury" Pfirsiche sind die Serie eines privaten US-Züchters mit -zig Sorten, bislang eher selten in Europa, aber in den USA auch im kommerziellen Anbau und mit Schwerpunkt im späten Reifebereich.

Der Drops ist gelutscht

Coes Golden Drop kommt an den Platz eines rätselhaft dahingegangenen Spillings. Coes Golden Drop ist eine Pflaume, die Richtung Reneklode geht. Steht auf Unterlage Wavit. Zur Reife sehr platzempfindlich bei Regen, sonst sehr gut. Angesichts der trockenen Sommer als neue Regel bedeutet das keine grosse Gefahr.

Bellamira bekam ich von einem Bekannten, der sie auch veredelt hat. Neuzüchtung aus Geisenheim, eine gelbe rundliche Pflaume mit grossen Erträgen. Hofentlich, denn an Erträgen mangelts mir.

Vertige, auch eine Neuzüchtung, Aprikose. Gezüchtet von INRA, Frankreich. Mit deren Mandelzüchtungen habe ich schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Veredelt ist sie auf Reneklode, das ist eher selten. In Frankreich steht sie auch im kommerziellen Bionabau, weil sie wenig Pflanzenschutz benötigt, blüht ausserdem spät, angeblich moniliafest, selbstfruchtbar. Da stimmt alles. Ich habe schon mehrere Aprikosen, die Obstart wächst bei mir auf der Südwestwiese erstaunlich gut und einige Sorten auch ohne drastische Krankheiten. Eine "Orangered" ist sogar ein richtig dicker Baum. Auf kräftiger Unterlage kommen sie auch mit dem schlechten Boden sehr gut zurecht. Aber das neue Wetter sorgt bei dieser Obstart schlimmer als bei jeder Anderen für frühe Blüten und frühen Austrieb, der Ernteausfall durch Spätfrost ist praktisch unvermeidlich. Also setze ich auf möglichst spät blühende Sorten und bei kleineren Bäumen vielleicht nächstes Frühjahr auf grosse Hauben.

Mal sehen, was in ein paar Jahren noch steht und wie es trägt. Nicht gepflanzt habe ich subtropische Arten, die zwar ebenfalls zur Freude der Verkäufer schwer in Mode sind, aber mit wenigen Ausnahmen so ziemlich versagten: https://gartenzone.blogspot.com/2023/01/klimawandel-und-neue-obstarten.html

Samstag, 9. Oktober 2021

Sugar, Sugar

"Sugar, Sugar" ist eine Hymne der Bubblegum-Musik betitelt. Gesungen in "The Archie Comedy Hour" von CBS-TV, https://www.youtube.com/watch?v=h9nE2spOw_o - der erfolgreichste Hit des Jahres 1969:

 

Das ist Lied ist so künstlich wie raffinierter Kristallzucker, die Band gab es gar nicht, es war eine Studioproduktion aus der Retorte mit einzeln engagierten Musikern. 

Um Zucker geht es sehr oft. Am Zucker hängts, am Zucker drängts. Auch beim Obst dreht sich immer sehr viel, zuweilen auch alles um den Zucker - jedes Jahr von Neuem. Die Süsse des Obsts ist entscheidend, saure Äpfel und Birnen sind kein Hit. Von einigen Obstsorten messe ich regelmässig den Zuckergehalt, das sagt viel aus über den Reifezustand, wie das Sommerwetter gelaufen ist und er hilft manchmal, unklare Sortenzuweisungen zu klären. Warme Jahre mit langem Herbst und genug Feuchtigkeit, aber keine Pilzkrankheiten sind das Optimum beim Kernobst, sie bringen viel Zucker in die Früchte. Sugar, sugar. Auch dieses Jahr habe ich einige Sorten gemessen.

Wie messen?

Refraktometer für Zuckerbestimmung von Früchten

Anfangs nutzte ich ein Aerometer, das ist eine Spindel aus Glas, die man bei 20°C im Saft schwimmen lässt. Je nach dem wie tief sie eintaucht, kann man damit das Mostgewicht des Safts messen und daraus den Zuckergehalt ableiten. Je mehr Zucker gelöst ist, desto schwerer der Saft. Diese alte und aufwendige Methode nutzt keiner mehr, seit Refraktometer sehr billig geworden sind.

Ein Refraktometer ist ein optisches Gerät, das Zuckergehalte aufgrund der Lichtbrechung messen kann. Ein Tropfen Saft reicht, der kommt aufs Objektiv und dann hält man das Gerät ins Licht. 

Skalen Brix, Öchsle, KMW/Babo
im Refraktometer

Zucker im Saft verändert die Lichtbrechung, was sich auf einer Skala abtragen lässt. Dort ist dann der Zuckergehalt abzulesen, die gebräuchlichsten Einheiten sind Öchsle, Brix, KMW (Klosterneuburger Mostwaage), Beaume. Grad Öchsle sind in Deutschland für Most sehr verbreitet und immer mehr auch Grad Brix. Da in englischsprachigen Ländern Brix verwendet wird, setzt sich diese Einheit durch, wie alles von dort, ob sinnvoll oder nicht. Öchsle sagt aus, wieviel Gramm der Liter Most wegen des Zuckergehalts mehr wiegt wie der Liter Wasser. Brix macht Aussagen über die Flüssigkeitsdichte von Saccharose in Wasser. Zehn Grad Bix beschreiben eine Dichte wie sie zehn Gramm Saccharose in 100g Saccharose-Wasser-Lösung machen, also einer zehnprozentigen Saccharose-Lösung. Der Zuckergehalt ist mit diesen Einheiten nur ungefähr bestimmbar, weil auch andere Inhaltsstoffe die Messung beeinflussen, auch die Temperatur, die genauen Arten des Zuckers - Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide? Egal wie die Skala aussieht, relative Aussagen lassen sich damit recht gut machen.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Messung am 9.10.2021 in Grad Öchsle, Umrechnung in Brix siehe hier.

Brettacher, Schnitz entnommen zur
Zuckerbestimmung

Äpfel

  • 64° OE Roter von Simonffi. Essreif, Rosenaroma, herrlicher Herbstapfel.
  • 58° OE Rebella. Schon etwas abgebaut, mehrfachresistenter Herbstapfel.
  • 65-70° OE. Zabergäu Renette. Reift etwas folgernd. Lagerfähige Renette, pflückreif aber muss noch liegen.
  • 49° OE Glockenapfel. Ausgesprochen sauer. Wirkt unreif trotz gelber Fruchtschale. Brr.
  • 56° OE Bionda Patricia. Sehr saftig, essreif.
  • 72° OE Gala. Vollsüss, vollsaftig. Heftig. Viel Aroma, essreif.
  • 66° OE Schöner von Boskoop. Fast essbar. Eine rotschalige Mutante. Sortentypisch. Starker Behang.
  • 71° OE Parkers Pepping. Hat noch viel Säure, muss lagern. Fruchtfleisch sämig.
  • 96° OE Pilot. Verstehe ich nicht. Mehrfache Messungen, der Wert stimmt. Direkt am Kernhaus hatte das Fruchtfleisch auch 92° OE. Sorte stimmt, alles typisch. Wieso hat der so viel Zucker?
  • 55° OE Idared. Der Schneewittchenapfel, aussen rot, innen schneeweiss. Essreif, jetzt gut, kann aber noch hängen.
  • 65° OE Jonagold. Immer noch Hauptmarktsorte, süss, essreif, Golden Delicious-Würze. Verursacht bei mir Allergie, wunden Mund - wie der Golden, eine Elternsorte.
  • 66° OE Pomgold. Säulenbaum, schwacher Behang dieses Jahr, reif. Bei starkem Behang viel weniger Zucker.
  • 66° OE Orleans Renette. Fruchtfleisch vom Boskoop-Typ, aber mehr Aroma, schon essbar.
  • 90° OE Red Obelisk Zierapfel. Bröseliges Fruchtfleisch, wenig Saft, bitter.
  • 76° OE Goldparmäne. Reif, edel, letzter Baum, die Sorte stirbt an Rindenbrand.
  • 54° OE Kiku, ein Fuji-Klon. Geklaut von der benachbarten Plantage. Süsslich-leer, Kernhaus glasig. Verursacht Allergische Reaktion im Mund.
  • 61° OE Brettacher. Muss noch lagern, die spritzige Langlagersorte, meine Hauptsorte.

Birnen

  • 57° OE Boscs Flaschenbirne. Essreif, gross, etwas langweilig. Zimtfarbene Berostung.
  • 75° OE Madame Verte. Noch viele unreife Aromen. Lagerbirne.
  • 43° OE Conference. Früher Blattverlust, nicht gesund.
  • 56° OE Josefine von Mechelen. Lagersorte, aber durchaus schon essbar, Optik aber sehr unreif.
  • 80° OE Gräfin von Paris. Sehr süss, aber noch fest.

Quitten

  • 60° OE Unbekannte Apfelquitte. Vielleicht ein Sämlingsbaum. Quitten reissen leicht auf.
  • 56° OE Riesenquitte von Lescovac. Hat noch deutlich Gerbstoffe, Überbehang.
  • 68° OE Zitronenquitte. Lecker, roh essbar.
  • 69° OE Cydopom. Nicht ganz reif, noch viel Säure aber nicht mehr viel Gerbstoffe.
  • 59° OE Cydora. Sollte noch hängen, nicht ganz reif.

Alle vorhandenen Sorten sind es nicht. Einige Äpfel von Jungbäumen mit wenig Ernte wie z.B. der rote Bellefleur, Zuccalmaglio fehlen, sehr späte Birnen auch, Sommersorten wie der Gravensteiner, Piros, Schöner von Bath, Klarapfel, Georg Caves sowieso und auch einige Quitten.

Fazit

Äpfel Sorte Pilot

Die Überraschungen sind die ungewöhnlich hohen Zuckergehalte des Apfels "Pilot", eine DDR-Züchtung aus Pillnitz von 1962. Die Sorte hat sehr zähes und hartes Fruchtfleisch, lässt sich aber sehr lange lagern und schmeckt ab etwa März, da wird er weicher und gefälliger. Überraschend auch die Zitronenquitte (Limon Ayvasi), die sogar roh ganz gut kommt und auch viel Zucker hat. Die Früchte waren allerdings alle etwas deformiert, vielleicht eine Frostfolge, so wie Frostzungen bei Äpfeln. Auch Cydopom schaffte gute Werte, der schwache Behang begünstigte das.

Andere Sorten lagen fast alle etwas besser wie im langjährigen Mittel Dank ausnahmsweise genug Niederschlägen und warmen aber nicht heissen Temperaturen. Die Lubera-Züchtung Bionda Patricia enttäuschte etwas, für einen Lagerapfel etwas leichte Früchte mit nicht viel Zucker. Sorten mit wenig Behang hatten noch zusätzlich Zucker, wenn der Baum wenig Früchte versorgen muss werden sie süsser.

Zuckergehalte sagen nichts über Reife, Lagerfähigkeit, Aroma aus. Der Süsseindruck wird nicht nur von Zucker, sondern vor allem vom Säuregehalt bestimmt. Da Säuren aber mit der Lagerdauer abgebaut werden, werden zuckerreiche Äpfel schliesslich süss bis sehr süss. Und haben viel Energie eingelagert, von der sie zehren können. Die Äpfel leben ja nach der Ernte weiter und veratmen den Zucker. Oder wir veratmen ihn, wenn wir ihn essen.

Auch nächstes Jahr wird es wieder heissen "sugar, sugar" - aber für den Nutzgärtner nicht für die Suche nach Bonbons aus Rübenzucker, sondern zur Skala des Refraktometers. Und küssen darf man die prallen, rotbackigen Äpfel auch. 

Nachtrag

Von einigen noch am Baum hängenden Früchten habe ich zehn Tage später nochmal den Zuckergehalt gemessen: Parkers Pepping lag jetzt bei 84° OE und entwickelte mehr Aroma; Zabergäu Renette 77° OE, Cydora liegt jetzt deutlich über 62°. Im ruhigen Herbstwetter wurde weiter kräftig Zucker eingelagert.

Sonntag, 16. Februar 2020

Misteln, Parasiten an Obstbäumen auf dem Vormarsch

Apfelbaum, von Misteln befallen
Es fällt sogar Spaziergängern auf, die sonst nichts mit Obst am Hut haben: Immer mehr der noch übrigen Obstbäume am Strassenrand und auf ungepflegten Obstwiesen zeigen auch im Winter grüne Blattkugeln in der Krone. Die meisten Leute kennen die Ursache, es sind Misteln.

Die Mistel, genauergesagt die "weissbeerige Mistel", viscum album ist ein in Europa heimischer pflanzlicher Baumparasit. Auch in Kalifornien wurde er eingeschleppt und hat sich dort im nördlichen Teil stark auf vielen Gehölzen ausgebreitet. In Europa existieren drei Unterarten der Mistel, die Tannen-Mistel, die Kiefern-Mistel und die Laubholz-Mistel, mit der wir es an Obstbäumen zu tun haben. Diese Mistelart befällt eine Vielzahl von Laubbäumen. Am häufigsten erwischt es Pappeln und Apfelbäume. Die Mistel kann sich sogar selbst befallen. Wenig befallen werden Kischen und Birnen. Aber bei hohem Befallsdruck passiert auch das.

Pappeln mit Misteln. Autobahnbrücke ohne Misteln.
Ihre klebrigen, weissen Beeren werden im Winter reif und von Vögeln verbreitet. Für Menschen sind sie giftig. Vögel bringen sie am häufigsten an weitere Äste eines bereits befallenen Baumes, aber auch an Nachbarbäume. Die verschleppten oder ausgeschiedenen Samen keimen, bilden eine Haftscheibe, dann bohrt sich der Keimling dolchartig in den Ast des Wirtsbaumes. Die Mistel ernährt sich aus dem Saftstrom des Wirtsbaumes, holt sich Wasser und Mineralstoffe. Nach einigen Jahren ist die Mistel zu einem bis zu einem Meter Durchmesser grossen ganzjährig dauergrünen Gezweig herangewachsen. Auch wenn man sie häufiger an alten Bäumen sieht, ist sie kein Schwächeparasit, sondern befällt auch maximal vitale Jungbäume.

Gekeimte Beere auf neuem Wirtsbaum mit Haftplatte.
Befallene Bäume wachsen schlechter, tragen weniger, leiden zunehmend unter dem Befall. Nach einigen Jahren können Baumkronen so stark durchwuchert sein dass es mehr Misteln wie eigenes Blattwerk gibt, das ist dann auch das Ende, der Parasit verschlingt seinen Wirt, Äste sterben ab, der Baum geht auf sein Ende zu. Kommen befallene Bäume zusätzlich in Stress, zum Beispiel durch Trockenheit, multipliziert sich die Belastung, sie leiden noch stärker. Auch Astbruch ist ein Problem, weil die belaubten Misteln im sonst unbelaubten Baum von den Winterstürmen stärker mitgerissen werden.

Neuer Befall Mistel
In Süddeutschland war sie immer häufig, nun ist sie extrem häufig geworden aber seit einigen Jahren ist sie auch im Norden stark in Ausbreitung begriffen. Sie stand nie und nirgends unter Schutz. Die Gründe dafür sind einerseits eine Veränderung des Klimas in eine Richtung, die der Mistel viel besser gefällt (mehr wintermilde Jahre) und andererseits völlige Ignoranz gegenüber ihrer Ausbreitung. Jeder Naturbesorgte im Lande will Obstwiesen- und Hochstammschützer spielen, aber kein Mensch schneidet oder pflegt noch Obstbäume. Auch in Forschung und Bekämpfung wird Null investiert. Im Rahmen von Ausgleichsmassnahmen werden zwar weiterhin immer wieder Obstbäume an Strassenrändern gepflanzt, aber sogleich umgefahren, beschädigt, ungepflegt verrotten gelassen. Und eben als Mistelwirte vergammeln lassen. Niemand entfernt noch Misteln an so einem Baum. Man guckt zu, geht weiter, die Bäume sterben Stück für Stück und der Bauer daneben freut sich, weil er dem gemeindeeigenen 5 Meter - Streifen drei Meter abackern kann, sobald die Bäume tot sind. Dieses Landgrabbing ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ich kenne keinen einzigen derartigen Streifen, dem nicht in kurzer Zeit mindestens alle Grenzsteine herausgeackert wurden.

Beeren der Mistel, Januar
Um die Obstbäume zu schützen, müsste man auf einem grösseren Areal konsequent alle Misteln entfernen. Genau das hat man früher gemacht. Obst- und Gartenbauvereine riefen früher regelmässig zu Misteltagen auf, an denen die Parasiten gemeinsam beseitigt wurden. Man musst die Äste absägen, an denen sich Misteln breitgemacht haben, nur sehr junge Misteln lassen sich noch so herausschneiden, dass sie nicht nachwachsen. Das ist Vergangenheit. Heute geht man eine schöne gefühlvolle Obstwiesenausstellung, trinkt stolz natürtrüben Saft von Streuobstwiesen und guckt gleichzeitig dem Sterben der Bäume zu.

Knospen
Gut zu sehen ist, wie von einem erstbefallenen Baum Misteln an Nachbarbäumen erscheinen und immer stärker werden. Leider habe ich auch so reinen Befallsbaum an meiner grössten Obstwiese.  Dort sieht man, wie sich die Mistel in der Krone ausbreitet. Dieser Baum steht an einem Bach auf Gemeindegrund, niemand pflegt die Bäume, wie üblich. Als ich die erste Jungmistel an einem meiner Obstbäume (zufällig eine Mispel, sozusagen eine Mistel in der Mispel) gesehen habe, musste ich etwas tun. Ich habe dann mühsam eine lange Leiter beschafft und herangetragen, über den Bach gezogen und bin in die Krone gestiegen, um den Parasiten abzusägen. Er wuchs weit oben. Das werde ich in den kommenden Jahren wiederholen müssen, denn viele der jüngeren Misteln übersieht man in einer dichten Krone. Gleichzeitig muss ich die eigenen Bäume überwachen. Ein Befall ist immer schlecht, da wie gesagt dann der ganze Ast dran glauben muss, was eventuell den Baum deformiert. Abzusägen ist der Ast nicht an der Stelle, an der die Mistel wächst, sondern bereits mindestens 30cm davor, denn die Wurzeln der Mistel gehen auch den Ast entlang und schieben wieder Blätter, wenn sie nicht mit dem Ast entfernt wird.


Endstadium einer einstmals schönen Obstwiese







Samstag, 9. März 2019

Frühlings- oder Herbstpflanzung? Die letzten Obstbaumpflanzungen.

Dieser Tage haben wir die letzten Obstbaum-Neupflanzungen auf der Obstwiesen erledigt. Der Zeitpunkt war nicht optimal. Eigentlich sollte in unseren Breiten im Herbst gepflanzt werden. Das ging 2018 aber nicht, die Trockenheit war derart brutal und anhaltend dass noch im November der Boden tiefgründig trocken und hart war. Statt in so einen Boden zu pflanzen kann man die Gehölze auch gleich verfeuern. Ziehen wir den Sonderfaktor (hoffentlich) Extremtrockenheit ab, haben Herbstpflanzungen folgende Vorteile:
  • Gute Containerware, nicht überständig
    Das Wurzelwerk wächst auch im Winter und das nicht wenig. Vorbei sind die Zeiten, in denen gefrorener Boden das Wachstum blockierte. Heute sind lange Warmphasen Standard geworden. Der neu gepflanzte Baum bildet bereits in nun milderen Wintern wertvolle Feinwurzeln. Das tut ihm im wichtigen ersten Standjahr besonders gut, die Gefahr dass er eingeht oder Trockenschäden bekommt ist geringer. Giessen sollte man im ersten Jahr allerdings sowieso immer.
  • Baumschulen halten wurzelnackte Ware nur für eine Saison vor. Häufig sind die Wunschorten sehr schnell ausverkauft. Wer im Herbst kauft, hat bessere Auswahl und kann sich die besser gewachsenen Bäume aussuchen. Im Frühling bleibt vielfach nur der Schrott übrig.
  • Im Herbst ist noch Zeit, Alternativen für nicht zu bekommende Sorten zu suchen. Man kann sich beispielsweise auch vornehmen, in der Winterruhe Reiser zu schneiden und selbst zu veredeln. Im Frühling ist das alles durch und nichts geht mehr bis zum nächsten Winter.
  • Im Frühling wird auch gerne schon Containerware statt wurzelnackter Ware ausgeliefert. Gegen gute Containerware ist nichts einzuwenden, aber vor allem Versandbaumschulen verschicken gerne Bäume in zu lange gestandenen, wurzeldurchgewachsenen, kleinen Töpfen, die schon lange gepflanzt gehört hätten. Im Hausgarten kann man mit etwas Mühe daraus noch etwas machen, auf einer Obstwiese gelingt das kaum. Dort herrschen raue Bedingungen, man kann oft nicht gut giessen, die Wurzeln müssen in die Tiefe und Breite statt sich am Stammfuss ineinander zu verschlingen.
Frisch aus der Baumschule, wurzelnackter
Jungbaum, Tüte gegen schnelle Austrocknung
Gepflanzt haben wir vor allem Nachpflanzungen für eingegangene oder lange kümmernde Bäume. Abgänge gab es letztes Jahr wegen Trockenheit, aber auch eigenen Fehlern. Vor einigen Jahren war ich noch nicht so konsequent, Bäume mit wirklich geeigneter Unterlage zu setzen und habe mich zu sehr von idiotischen Baumschulratschlägen beeinflussen lassen. Beispielsweise bei Pfirsichen: Wir haben schlechten, flachgründigen Boden. Auf so einem Boden die St. Julien A Unterlage (eine Haferpflaumenart) zu verwenden ist schlichtweg Schwachsinn. Die Bäume kümmern und vergreisen frühzeitig, viel zu wenig Wachstum, Halbstämme sind damit nicht sinnvoll erziehbar. Trotzdem bietet sie jede Baumschule an. Weil die Massenvermehrer im Osten und Süden Europas sie für Plantagen und kleine Hausgärten produzieren überschwemmt sie den Markt. Pfirsiche für die Obstwiese sollten vorzugsweise auf Bromptonpflaume oder der arteigenen Unterlage Rubira stehen. Sie ist standfest, induziert gutes Wachstum, kommt mit Trockenheit, wenig Pflege und schlechteren Böden besser klar. Damit werden meine Pfirsiche etwas, auf St. Julien A versagen sie durchweg.

Wildwachsende Blausterne auf der Obstwiese
Wer kann, sollte persönlich in der Baumschule kaufen. Auch dieses Jahr wurde ich wie jedes Jahr von Versendern schlichtweg beschissen, mir wurden trotz eindeutiger Bestellung wieder einmal Bäume auf falschen Unterlagen geliefert. Bäume zurückschicken? Nicht einfach.

Fehler, die letztes Jahr zu eingegangenen Bäumen führten waren vergessene Pflanzschnitte in Kombination mit der extremen Trockenheit oder nur die Trockenheit. Giessen auf der Obstwiese hat Grenzen, wenn es von Juni bis November keinen Tropfen regnet und sich die Klimakurve von Casablanca in Marokko durchgängig kühler zeigt wie hier.

Welche Sorten?


Baumscheiben unbedingt freihalten, hier kommt noch
Pferdemist obenauf
Was steht nun neu auf der Wiese? Die Zwetschge Juna, eine der letzten Neuzüchtungen von Zwetschgenpapst Hartmann aus Stuttgart-Hohenheim. Mit seiner Pensionierung wurde dort die Züchtungsarbeit eingestellt, jetzt wird nur noch an einem Ort in Deutschland in bescheidenem Umfang Zwetschgen gezüchtet. "Juna" ist eine sehr frühe Zwetschge, ähnlich vielseitig zu verwenden wie "Kathinka", ebenfalls eine frühreifende Hartmann-Züchtung, die aber oft etwas kleine Früchte bringt und bei mir ziemlich viel Zweigmonilia hat. Ich versuche, einige sehr frühe Zwetschgen zu bekommen, da die guten Spätsorten von der eingewanderten Kirschessigfliegenkatastrophe stark betroffen sind. Sie werden bei Reife vom Schädling abgestochen und faulen am Baum.

Die Kirsche Kordia, Nachpflanzung für eine abgegangene Kordia. Eine moderne Sorte aus Tschechien, die ich früher schon hatte, die Kirschen sind gross und platzfest, Schaufrüchte. Wie alle moderne Sorten eine Knorpelkirsche. Eine alte Sorte wären mir lieber gewesen, aber geeignete Sorten im späten Reifebereich sind sehr schwer zu beschaffen.

Pflanzschnitt Kirsche


Pfirsich auf Pfirsichunterlage
Einen weiteren Pfirsich, den "Royal Gem" vom Grosszüchter Zaiger in Kalifornien, der einen schier endlosen Ausstoss von Sorten auf den Markt wirft. Er hat dunkelrote Haut, wird früh reif und ist robust gegen die Kräuselkrankheit. Wie bei allen Frühsorten ist er nur bedingt steinlösend. Er leidet nicht unter dem übertriebenen Fruchtansatz wie "Red Haven" und damit keine oder weniger Ausdünnarbeit. Und er passt von seiner Reifezeit perfekt zu meinen anderen Sorten. Frische Pfirsiche kann man bei geschickter Sortenplanung von Ende Juni bis Ende September haben, beginnend mit Tastired (Zairisup) und Maicrest bis Valley Sweet.

Pfirsichblütenknospen 8.März
Die grosse "Kasseler Renette", ein Apfel. Nicht aus Kassel, sondern aus dem flandrischen Cassel. Viel Säure, viel Zucker, eine der völlig aus der Mode gekommenen berosteten Renetten. Äusserst gut lagerfähig ist er und soll mit trockenem Boden gut zurechtkommen, was ein sehr wichtiger Punkt für mich ist. Er trägt auch in schwierigen Jahren und ist auch nicht schorfanfällig, wie ich an einem älteren Baum schon feststellen konnte.

Ein Säulenapfel, die neue Sorte Jucunda, gezüchtet in Weinsberg. Mit Säulenäpfeln experimentiere ich schon länger. Wirklich lagerfähige und gute Sorten sind nicht darunter, aber die Wuchsform ergibt herrliche Fruchthecken. Leider ist das Pflanzmaterial teuer. Ein Säulenapfel passt einfach überall hin. Meinen Jucunda bekam ich auf der Unterlage MM111, die ist mittelstark wachsend und gut standfest. Säulenäpfel auf schwachwachsenden Unterlagen sind mehr etwas für die Terrasse, Topfobst.

Aprikosenblütenknospen 8. März
Die Aprikose Harlayne. Aprikosen sind sehr kurzlebig wegen kaum beherrschbarer Krankheiten wie Monilia und Pseudomonas, gemäss einem Versuch hat man die wenigsten Baumausfälle mit der Unterlage "Wavit" und einer Veredelungshöhe von 60cm. Haralyne zeigte sich in deutschen Versuch robust, wenig anfällig gegenüber Monilia. Wir werden sehen. Ein Erfolg ist es schon, wenn Bäume mehrere Jahre durchhalten. Alte Aprikosen findet man in unseren Breiten nur unter Dachüberständen an Hauswänden.

Quitte "Cukurgöbek". Nachdem die einstmals grosse Quittenvielfalt in Deutschland gründlich abgeräumt und zerstört wurde und jahrzehntelang nur eine handvoll Sorten lieferbar war, sucht man mitterweile im Ausland nach neuen Sortenerlebnissen. Was sich davon bewährt, muss sich aber erst zeigen. Quitten sind ein bisschen in Mode gekommen. Ich werde bald noch weitere Sorten selbst auf sorteneigene Unterlagen veredeln. Interessant sind für mich gute Saftsorten, Quittensaft und Druckmost aus Quittensaft sind mir unverzichtbar geworden.

Donnerstag, 3. Mai 2018

Erlebnisse auf dem Weg zum Garten

Im Baugebiet immerhin noch 10qm Rasen
Ab und zu fahre ich zu unseren Obstwiesen, 5 km enfernt in der Nähe des Ortsteils Züttlingen - dort sind die üblichen Pflegearbeiten zu erledigen, pflanzen, mähen, schneiden, ernten und all diese Dinge. Näher gelegene Flächen oder ein Haus mit grösserem Garten waren auch nach vielen Jahren suchen nicht drin, der alles auffressende Siedlungsdruck ist auch in kleineren Gemeinden längst extrem hoch geworden. Über Vitamin B, ebenfalls enorm wichtig in kleineren Gemeinden verfüge ich ebenfalls nicht. Eine blecherne Industriehalle hätte ich dagegen jederzeit mit Handkuss kaufen, mieten, bauen können.
Zu den Obstwiesen muss man zwangsweise über Wege, die mit Durchfahrverbot für Autos, aber frei für Landwirtschaft gekennzeichnet sind. Dasselbe gilt für Waldwege, wenn ich zu meinen Bienenvölkern am Waldrand muss. Fürs hinkommen zu den Bienen habe ich mir natürlich die Genehmigung und Zustimmung des Försters geholt. Der Förster ist wie fast alle Förster aufgeschlossen für den Bienenstand an einem vernünftigen Platz, hat mir die ohnehin selbstverständlichen Grenzen genannt (z.B. "immer auf eigene Gefahr"), sich die Autonummer aufgeschrieben und ich bin sehr froh, wenn er auch am Bienenstand vorbeikommt, sollte dort mal etwas nicht in Ordnung sein würde er mich informieren. Auch die Jagdpächter kennen mich, wichtig, denn sie sind Abends unterwegs. Imker erleben da so einiges, von umgestossenen Beuten durch Spaziergänger bis zu Dieben, die im Halbdunkel Völker einladen. Es ist gut, wenn noch Anderen Leuten auffällt, wenn eine unbekannte Person am Bienenstand herumhantiert.

Klar ist für mich, solche Fahrten absolut zu minimieren. Fahren kostet Treibstoff und Zeit, die Wege werden auch von Fussgängern benutzt deren Spaziergang man in der überlasteten Region nicht stören will, manchmal ist es auch aufgrund der Wetter- und Wegeverhältnisse richtig gefährlich. Steilhang, schmieriger Grasweg, von Holzlastern aufgeweichte Schlammbahn - ich habe alles erlebt und noch mehr. Gefahren wird mit einem leichten und sehr kleinen Fahrzeug, knapp über Schritt-Tempo. Bei viel nötigem Material (z.B. Zargen für die Beuten) hängt der Anhänger hinten dran, das ist besser wie ständig mit einem grösseren Fahrzeug herumzupoltern dessen Kapazitäten man nur manchmal braucht.

Kommen zufällig Leute am Bienenstand vorbei, sind die grundsätzlich sehr aufgeschlossen. Man unterhält sich. Die Aufgeschlossenheit verschwindet in dem Moment, in dem man ins Auto steigt. Dann wird man sofort Konkurrent um den Weg, zum Schlawiner, der illegal durch die Landschaft rollt. Man winkt mit dem erhobenen Zeigefinger.

Bauen fürs Pferdehobby. Reiten heute.
Bei den Obstwiesen hat sich das schon aufgeschaukelt. Die Situation ist geradezu typisch für die Entwicklung Deutschlands: Baugebiete, Industriegebäude und vor allem Wohnbebauung waren noch vor wenigen Jahren weit weg, haben sich aber jetzt nahe an die letzten Wiesen herangeschoben oder sie aufgefressen. Es wird heftig und hässlich immer weiter auf besten Böden alles zubetoniert, obwohl mitten im Ort aufgegebene landwirtschaftliche Betriebe grosse Flächen völlig ungenutzt besetzt halten (Spekulation auf noch höhere Preise?) und Wohnen ohne unnötigen Ressourcenverbrauch in unserem sehr engen Bundesland eigentlich oberste Priorität haben müsste. Nichts davon ist zu bemerken, so wird der Ort ein ständig grösserer Stein- und Asphaltbrei, die Wege länger. Eine Freizeitanlage, ein grosser Pferdehof mit ebenfalls kräftig Gebäudeneubauten zieht selbstverständlich ebenfalls viel Zugangsverkehr an. Vor allem ab Nachmittag drängen sich dann Hundeausführer, Reiter, Fahrzeuge der Bewirtschafter der (noch) übrigen landwirtschaftlichen Kulturen auf den staubigen Wegen durch die ständig schrumpfenden Freiflächen. Zunehmend sind es auch Anwohner der metasstasierenden Einfamilienhauswohngebiete, die über diese Wege mit dem Auto Abkürzungen fahren. Bei diesen Anwohnern finden seltsame Vorgänge im Kopf statt, die sich wohl überall in Deutschland so abspielen:
  • Sie fahren selber massiv über verbotene Feldwege zu ihren Haus weil das eine Abkürzung ist, erwarten aber Ruhe und verkehrsfreie Wege beim anschliessenden Feierabendspaziergang. Das hat derart überhand genommen, dass die Gemeinde einen Weg angesichts des gestiegenen Verkehrs komplett sperren musste und Schlüssel für tatsächliche Anlieger ausgibt.
  • Schachmatt der Natur. So baut und wohnt man heute.
    Sie schottern ihren Garten tot, sägen den letzten Obstbaum darin um weil alles zu viel Arbeit macht - aber mir wird das Obst von den Bäumen gestohlen. Fürs "Grün" sollen doch bitte die Anderen sorgen. Bei Neubauten passiert es mittlerweile nicht selten, dass von vornherein das gesamte Grundstück versiegelt wird, bestenfalls noch eine Koniferenhecke als Randstreifen lebt. Sie könnte aber auch aus Plastik sein, der optische und sonstige Unterschied wäre minimal. Man will und baut "im Grünen", um paradoxerweise das Grün sofort grossflächig zu beerdigen und in totes Grau umzuzwingen. Die Gemeinde fördert das nach Kräften, indem ungebremst extrem platzverwenderisch Einfamilienhaussiedlungen geplant werden. Entwicklung! Wohin eigentlich? Dabei sind Gärten fast immer eine Last für die heutigen Bauherren. Aber es gehört halt dazu? Um welchen Preis?
  • Flurstück 1648 Züttlingen, Obstwiesennutzung heute.
  • Für die Pflege der Obstwiese gibts viel Lob. Auch von der Politik. Natürlich will aber keiner selbst etwas tun. In der Realität ist das genaue Gegenteil von Lob der Fall - die ehemaligen Obstwiesen werden von Anwohnern als Müllplatz missbraucht, nicht nur in Züttlingen. Auf Nachbargrundstücken bachaufwärts haben Ortsbewohner massiv und dauerhaft Bauschutt abgeladen, auch Heckenschnitt und Pflanzen werden in der Nähe ständig abgeworfen, was auch unter anderem die Ausbreitung von Neopythen beschleunigt.

    Moderne Obstwiesennutzung. Unten Stammstücke
    eines Apfelbaums. Feiern heute.
    Bachabwärts haben sich jüngere Menschen Flächen im Gebüsch einfach freigesägt und die letzten Obstbäume gleich mit umgehauen. Jetzt gammeln dort seit Monaten und über den Winter Kisten mit billigen Alkoholika und Limonade, alte Plastikmöbel, Brandstellen und dergleichen. Das Geheimnis, wie man auch aus Äpfeln Alkohol machen kann konnte ich ihnen nicht verraten, sie kamen nur nachts. Ausgleichsflächen mit Obstbäumen am Wegesrand werden konstant für illegale Ablagerung von Erdaushub der unzähligen Baumassnahmen genutzt. Nicht von Fremden, sondern von ortsansässigen Mitbürgern.
  • Ausgleichsfläche, abladen frei? Deponien heute.
    Einmal hat mich ein Spaziergänger mit Hund durchs offene Autofenster angebrüllt, nachdem ich ganz angehalten habe, weil der Hund unruhig wirkte und ich ihn nicht unabsichtlich anfahren wollte. Vorsicht ist Alles. Die Rücksichtnahme hätte ich mir besser gespart, denn sie wurde mir mit einem Schallknall vergolten: Der Herr aus dem Wohngebiet in der Nähe nutzte meinen Halt, um mich lautstark masszuregeln. Ich dürfe da nicht fahren und ein paar weitere wirre Anschuldigungen mehr. Ich reagierte darauf sicherlich auch viel zu aufgekratzt angesichts der falschen Anwürfe, überreichte ihm meine Visitenkarte für weitere Beschwerden andernorts, was er auch ein paar Tage später bei der Gemeinde versuchte.
Was tun? Nichts. Ich bin kein Feldschütz auf Pirsch, der sich über die Zerstörungen der Umgebung beschwert. Das bringt auch nichts, es interessiert niemand, eine Mentalitätsänderung ist damit nicht zu erreichen, im Gegenteil, ich werde selbst zur Zielscheibe und einem Fremdkörper. So erlebte ich es, als ich ein einziges Mal nachfragte, nachdem mir meine Zwetschgenhecke (komplett auf meinem Grundstück wachsend) bei einer "Pflegemassnahme" einfach abgeschreddert wurde. Und schwupps war ich Persona non grata bei nicht wenigen Leuten in der Gemeinde.

Natürlich ist nicht alles Katastrophe. Zwei meiner Nachbarn pflegen ihre Bäume, einer hat sogar Obstbäume gepflanzt. Eine Ausnahme leider - die Dinge laufen in die gegenteilige Richtung. Und zwar gewaltig.

Dienstag, 24. April 2018

Pferdemist auf der Obstwiese

Über Pferdemist stand hier schon einiges. Unsere Hauptverwendung ist aber nicht nur der Garten, sondern vor allem die Obstwiese. Auch dieses Frühjahr haben wir dort fleissig Mist ausgebracht.

Das geht so: Von Winter bis spätestens Austrieb wird eine dicke Mistpackung auf die Baumscheibe rund um die Jungbäume aufgebracht, Radius 60-100cm. Menge: Mindestens sechs Eimer mit je 10 Liter Inhalt. So dringt das Unkraut am schwersten durch. Problemarten wie der kriechende Hahnenfuss schaffen es aber. Der Stamm selbst darf nicht vom Mist berührt werden, dort lässt man ringsum 10cm mistfrei. Die Vorteile:

  • Bewuchsfreiheit ist so leichter zu erreichen. Jeder Bewuchs auf der Baumscheibe ist eine Konkurrenz für den Baum um Wasser und Nährstoffe. Was der Bewuchs frisst, kann der Baum nicht mehr haben. Auch ohne Pferdemist sollte man mindestens Jungbäumen immer eine freie Baumscheibe gönnen, z.B. durch flach hacken oder mulchen. Im kommerziellen Anbau werden Herbizide verwendet, im Bioanbau wird vorwiegend gehackt.
  • Dungkäfer, die sich im Pferdemist vergnügen
    Die Düngewirkung hat auf den meistens mageren Obstwiesenböden einen sehr positiven Effekt. Der aber mit zunehmender Verweildauer ins Gegenteil umschlagen kann. Mist mit Sägespänen schluckt irgendwann Stickstoff, weil das enthaltene Holz viel langsamer verrottet wie der Mist selbst und man sollte im Folgejahr mit Stickstoff nachdüngen, zum Beispiel mittels Hornspänen.
  • Eine Vielzahl von Lebenwesen wird damit gefördert, die den Mist umsetzen oder indirekt von ihm profitieren. Das macht viele Stoffe erst für Pflanzen verfügbar. Das sind nicht nur verschiedene Arten von Mistkäfern und Dungkäfer (vor allem Aphodius prodromus), sondern auch diverse Bodenbewohner, Regenwürmer bis hin zu den riesigen Nashornkäferlarven, die sogar Zellulose verdauen können.
Um die Baumscheibe aufschichten, Stamm freilassen
Sturm wehte das Vlies weg, sofort scharren Vögel alles
den Hang hinunter
Mit dem Aufbringen ist es leider nicht getan. Das Hauptproblem anschliessend sind bei mir Vögel, hauptsächlich Amseln, die den Mist gnadenlos bis auf den nackten Boden wegreissen und abseits der Baumscheibe verteilen. In der Ebene ist das vielleicht nicht ganz so schlimm, aber bei mir am Hang wandert der Mist dann in die Wiese hinein den Hang hinunter. Schutz dagegen ist unumgänglich. Mit Steinen beschwertes wasserdurchlässiges Vlies wäre ideal, aber ich habe noch keine Sorte gefunden, die sich nicht im Laufe des Sommers durch die UV-Strahlung auflöst. Plastikfetzen auf der Obstwiese müssen wirklich nicht sein. Die Alternative ist ein Drahtgitter, Kükendraht. Der ist leider teuer, erschwert die Mahd und das Unkraut kann leicht hindurchwachsen. Die optimale Lösung habe ich noch nicht gefunden.

Wie sind nun die Ergebnisse gewesen, wenn kräftig Mist auf der Baumscheibe liegt? Neupflanzungen und Jungbäume profitieren natürlich am meisten. Auf unserem grenzwertig schlechten Boden waren vorher kaum mehr wie 25cm Triebwachstum zu erreichen, mit dem Pferdemist hat sich das verdoppelt. Kernobst profitierte am Meisten, beim Steinost war das Ergebnis nicht so deutlich. Man kann damit auch keine Fehler wie eine falsche Unterlage ausgleichen. Eine Birne auf flachgründigem Boden und arteigener Unterlage wird auch mit Mist nicht vorankommen, weil Birnenwurzeln in die Tiefe streben, die hier gar nicht vorhanden ist. Auch bei Weinreben hat sich der Zuwachsgewinn in Grenzen gehalten.
Mit beschwertem Schutzgitter. Vögel kratzen alles heraus, was nicht geschützt ist.