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Sonntag, 28. Oktober 2018

Der Honig ist lästig, aber EU-Verordnung Nr. 1169/2011 nicht

"Der Honig? Der ist lästig!" antwortete uns ein bekannter Bienenwissenschaftler, selbst ein fähiger Imker, während einer imkerlichen Veranstaltung auf die Frage, wie er den Honig seiner vielen Bienenvölker vermarkten würde.

So geht es vielen Imkern und mir auch. Man arbeitet sich mit den Bienenvölkern durch den Jahreskreis, erfreut sich an den Wundern die dabei ständig neu zu entdecken sind, am goldenen Honig der aus der Schleuder fliesst, an seiner unglaublichen Geschmacksvielfalt und natürlich an seiner vollen, natürlichen Süsse. Bienen und was sie machen sind faszinierend.

Honig in seiner natürlichen Verpackung. Ohne Herstelleradresse.

Die leidige Vermarktung


Und dann? Dann steht er in dicht schliessenden Lagereimern in einem kühlen, dunklen Raum. Man muss ihn los werden, abfüllen, etikettieren, bepreisen, bewerben, hinaustragen und präsentieren, verkaufen, damit wenigstens ein Teil der nicht geringen Kosten für dieses Hobby gedeckt wird. Gewinne machen Hobbyimker nur in den seltensten Fällen. Und die Vermarktung ist für Viele eine Qual, weil arbeitsaufwendig und wenig spassig, hat auch nichts mehr mit den Bienen zu tun. Man fängt die Imkerei heute nicht an, um Honig zu vermarkten, sondern weil man Bienen halten will und den Honig selber essen, was eben seine natürlichen Mengengrenzen hat. Manche Imker verbringen die Vorweihnachtszeit in zugigen hölzernen Verkaufshütten auf Weihnachtsmärkten, die sie vorher mühevoll aufbauen, andere haben einen grossen Bekannten- und Kollegenkreis am Arbeitsplatz, der vieles direkt abnimmt. Man kann auch Verkaufsstellen suchen und beschicken oder für sehr wenig Geld direkt an den Grosshandel verkaufen. Oft entwickeln sich auch Partner oder Familienangehörige zu Honigverkäufern, der Imker bleibt lieber bei den Bienen. Auch mir macht es grosse Mühe, den Honig zu vermarkten.

Nun könnte man sagen, dann bleibt man eben bei ein, zwei Bienenvölkern, erntet wenig und isst den Honig selber, nutzt ihn nur als Geschenk an Verwandte statt sich um eine Vermarktung zu bemühen. So leicht ist das aber auch wieder nicht. Bei unerwarteten Völkerverlusten steht man dann unter Umständen ganz ohne Bienen da, Königinnen vermehren und Schwächlinge ausgleichen kann man nur mit genügend verfügbarem Bienenmaterial. Schwärmt das eine Volk ab, ist der Sommerhonig damit auch perdü. Diese Erfahrung machen auch Bienenhalter, die auf betörend einfache Ideen wie die Bienenkiste setzen. Auf Dauer hören sie oft genervt auf oder steigen dann doch wieder auf Magazinbeuten und mehrere Völker um.

Auf dem Markt kontrolliert


Die "Mischungsprofis" im Supermarkt.
Mein Honig geht unter anderem an einen Marktstand, der gutes Brot und viele andere  leckere selbst hergestellte Produkte führt. Er steht in der Grossregion jeden Tag auf einem anderen Wochenmarkt. Das hat unerwartete Nebeneffekte. Diese Stände werden nämlich oft und gerne von den Landratsämtern kontrolliert, manchmal durchaus fair und hilfreich, aber manchmal völlig durchgeknallt. Jeder Wochenmarktstandbetreiber hat eine reiche Sammlung von Geschichten über abgedrehte Kontrolleure angesammelt, die mit Bussgeldern um sich werfen, verhängt wegen Dingen wie Brotkrümeln auf dem Brotschneidebrett oder Allergiewarnungen, die nicht vor dem Kuchen, sondern oberhalb des Kuchens angebracht sind. Oft wird exakt derselbe Sachverhalt bei Kontrolleur X unbeanstandet abgesegnet, während Kontrolleur Y sofort mit "was muss ich da sehen?" aus den Ohren dampft und schon das Bussgeld kalkuliert. Man bekommt den starken Eindruck, dass kleine Marktstände willkürlich zu Tode kontrolliert werden, einfach deshalb weil das sehr einfach ist und keine Gegenwehr durch gute Anwälte zu befürchten ist, während die industrielle Lebensmittelproduktion mit miesen Tricks gewinnmaximierend fälscht, bis es wieder einmal einen "Lebensmittelskandal" gibt und die Runde einfach mit dem nächsten faulen Trick von neuem beginnt.

Und so hat das Landratsamt im benachbarten Rhein-Neckar-Kreis im schönen April wieder einmal zwei Gläser meines Honigs (wie üblich nicht bezahlt) vom Marktstand mitgenommen und zur Analyse nach Freiburg geschickt. Über die weiteren Umstände jener razziaartigen Kontrolle auf dem Wochenmarkt sage ich nur so viel, dass die betroffenen Marktstände seither ihren absurden Kontrolleursgeschichten einige weitere Höhepunkte hinzufügen können. Wird eine Beanstandung im Honig gefunden, hat man die Analyse auch noch selbst zu bezahlen. Auch wenn nichts gefunden wird erfährt man nicht einmal, wie die Analyse des eigenen Honigs ausgefallen ist, ebenfalls eine der Absurditäten, für die es sicher irgendeine schwachsinnige Juristenerklärung gibt.

Weitaus die meisten Beanstandungen gibt es wegen dem Etikett, nicht wegen dem Inhalt. Dort lässt sich am leichtesten Bussgeld/Ordnungsgeld abpumpen. Befreundete Imker, die ihren Honig nicht mit einem Eigenen, sondern mit dem Einheitsetikett des deutschen Imkerbundes verkaufen berichten von wundersam weniger Kontrollen. Dieses Etikett ist "wasserdicht gestaltet", womit die Lust offenbar nachlässt, die Honiggläser zu kontrollieren. Abgeschlagen auf dem zweiten Platz der Beanstandungen stehen falsche Sortenbezeichnungen, wenn Sorte nicht ganz passt, typisches Beispiel ist der "Waldhonig", der eigentlich "Waldblütenhonig" heissen müsste. Andere Beanstandungen sind noch weit seltener.

Gutachten, Stellungnahme


Massenhafte Verstösse gegen ungezählte EU-Verordnungen
Nach sechs Monaten kam schliesslich ein Brief des Landratsamts zu meinem Honig. Man hat sich ausgiebig mit ihm beschäftigt, mehrere Abteilungen, zwei Landratsämter und ein Labor in drei Städten mit vielen "Experten" haben sich viel Mühe für den Schutz der Bevölkerung vor meinem Kleinimkerhonig gegeben, ein Gutachten liegt bei. Das Ergebnis: Der Honig ist einwandfrei (Analyse bekomme ich aber nicht), aber man rügt mein Etikett ausgiebig. Auf sechs Seiten. Darunter ellenlange Nennung diverser EU-Verordnungen. Leider kann ich das Schreiben aus Urheberrechtsgründen nicht veröffentlichen. Hier die beiden beanstandeten Punkte:
  1. Region und Land der tatsächlichen Herkunft des Honigs sind bei mir sehr genau angegeben, die Leute sollen schliesslich wissen wo der Honig herkommt. Da steht also "Unteres Jagsttal, Region Franken in Baden-Württemberg, D" drauf. Der Honig ist keine "Mischung aus EU-Ländern und Nicht-EU-Ländern". Aber so darf ich das nicht schreiben: Die Angabe D am Ende der Herkunft wäre "grenzwertig" bezüglich der Erkennbarkeit des Ursprungslandes. Ich solle das "D" Voranstellen oder ausschreiben, steht im Schreiben. "D" steht zwar auf jeder Autonummer, aber auf einem Etikett ist es Täuschung? Vielleicht kommt der Honig ja aus Dschibuti oder der Dürkei?
    Eine Diskussion, dass das "Land" eigentlich Baden Württemberg heisst und Deutschland nur der Bund, geschenkt.
  2. Meine volle Anschrift plus eMail Adresse steht drauf. Da es meinen Stadtnamen in der Anschrift nur ein einziges Mal auf diesem Planeten gibt und in der Vorschrift "Anschrift" statt "Postanschrift" steht, habe ich die Postleitzahl weggelassen. Fehler! Muss drauf.
Beurteilungsgrundlage:

VO (EU) 1169/2011: Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304/18, 2015 ABl. L 50/41), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 vom 25. November 2015 (ABl. L 327/1)
VO (EG) 178/2002: Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 vom 5. April 2017 (ABl. L 117/1)
HonigV: Honigverordnung vom 16. Januar 2004 (BGBl I S. 92), zuletzt geändert durch Artikel 10 der Verordnung vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2272)


Die schon wieder erheiternde Kirsche auf der Torte war das Anschreiben mit komplett falschem Namen. Bei so viel Exaktheit beim Zitieren von Verordnungen kann einem schon mal ein Schnitzer passieren.

Ich soll das erledigen und Stellung nehmen. Werde ich tun.

Importierte "Qualität"


Während bei uns eifrige (bravo!) Kontrolleure Verbrauchertäuschung durch "D hinten" statt vorne und Anschriften ohne Postleitzahl verfolgen, passiert beim Honig derweil noch mehr:
https://kurier.at/wirtschaft/gepanscht-und-verfaelscht-der-grosse-honigschwindel/312.536.683
https://nearbees.de/blog/honig-industrie-weltmacht-china/
https://www.stern.de/genuss/-verdorben---neue-netflix-doku-zeigt-die-erschreckende-wahrheit-ueber-unseren-honig-7811724.html

Guten Appetit. Hauptsache, das Etikett hat eine Postleitzahl.