Sonntag, 29. Juli 2018

Man kann auch im Honig ertrinken

Das Bienenjahr neigt sich dem Ende zu. Seit der Sommersonnwende werden Winterbienen fabriziert. Mitte Juli muss man auch als Imker beginnen, auf Winter umzustellen. Die Völker werden an ihren Überwinterungsplatz gebracht, die Behandlung mit organischen Säuren gegen die Varroamilbe vorbereitet, die Bienenwohnung verkleinert weil die Völker jetzt schrumpfen.

Doch in diesem Jahr lief vieles auf besondere Weise. Direkt nach der Frühtracht bin ich einem Imkerkollegen zusammen und einigen Völkern in den Randbereich des Odenwalds gegangen, "gewandert" wie man auf Imkerlatein sagt. Dazu braucht man ein Gesundheitszeugnis für die Bienen und einen Platz für die Aufstellung der Völker. Der Imkerkollege kommt viel herum, er fragte den Förster an unserem Wunschplatz im Wald, der die Aufstellung von Bienenvölkern genehmigte. Wie fast immer sind Förster und Waldbesitzer dafür aufgeschlossen. Wir verschmutzen und verändern ja auch nichts und halten uns für die Arbeiten an den Bienen an die Tageszeiten, die uns für die Fahrt empfohlen werden, schliesslich müssen immer wieder Arbeiten am Bienenstand erledigt werden. Nur der je einmalige Hin- und Abtransport der Völker muss früh Morgens oder spät Abends erfolgen, denn nur dann fliegen die Bienen nicht.

Der Frühlingsblütenhonig fliesst
Die Gegend dort liegt 300m höher wie unsere Wohnregion und die Natur ist in allem rund zehn Tage später dran. Als wir ankamen, verblühte gerade der letzte Raps. Und dann ging es wie verrückt los: Fast jede Woche, höchstens alle zwei Wochen waren die Honigräume voll und ich musste abschleudern. Kontinuierlich. Zusammen mit der Frühtracht zu Hause kam ich auf sagenhafte 120-140kg Honig pro Volk, einsamer Rekord für meine Bienen. Auch der Wassergehalt lag immer niedig, der Honig hatte hohe Qualität. Es wäre noch weiter gegangen und mehr geworden, aber wie gesagt - es wurde Zeit für die Winterbehandlung. Jeweils 16-26kg pro Volk und Schleuderung gab es von:
  1. Jungfichten mit Weideröschen, die eine gute Bienenweide sind
    Frühtracht: Ahorn, Kirsche, Raps. "Unser" typischer uns bester Honig, vor allem wegen des hohen Kirschblütenanteils, Kirschen wachsen als Nutzholz in einigen Waldstücken hier.
  2. Ab jetzt im Odenwald. Dunkle Waldtracht von Schnabelkerfen auf Fichten. Und noch einen Rest der abgehenden Rapsblüte.
  3. Noch einmal dunkle Waldtracht.
  4. Rubus dominiert: Himbeere, Brombeere, Kratzbeere, wie sie in Waldlichtungen wachsen.
  5. Noch etwas Rubus, aber Weideröschen kommt dazu, das zwischen Nadelholz-Jungpflanzungen wächst und intensiv beflogen wird.
  6. Der Honig wird sehr hell und gelb, vermutlich Phaceliatracht vom Waldrand, wo sie auf Stillegungenflächen ausgesät wird und besonders bei trockener Hitze honigt. Auch davon gab es zwei volle Honigräume pro Volk.

Uff. Schön, fantastische Sorten, aber wie soll ich das alles verkaufen? Die meisten Hobbyimker werden ihren Honig im der Ver- und Bekanntschaftskreis und am Arbeitsplatz los, das geht bis zu Ertragsmengen gut, die man mit vier Völkern hat. Hier in der Kleinstadt - keine Chance. Hilfe!

Hilfe! Bereits in der Wabe kristallisierter Melezitosehonig.
Die andere Honigschwemme erlebte ich bei allen Völkern, die an meinem Bienenstand hier geblieben sind und auf diese Schwemme hätte ich sehr gerne komplett verzichtet. 2013 hatten wir bereits eine derartige Katastrophe: Ab Ende Juni landete massenhaft Melezitosehonig im Kasten. Fast einen Monat lang. Dieser Honig stammt von Rindenläusen, deren Honigtau eine besondere Dreifachzuckerart enthält, die Melezitose. Dieses Sammelgut führt dazu, dass der Honig sofort in den Waben kistallisiert und steinhart wird, sogenannter Zementhonig. Dafür reicht bereits ein Melezitoseanteil von >10% aus. Er kann weder geschleudert werden noch können ihn die Bienen im Winter verwerten. Er enthält wie jeder andere Waldhonig auch zu viel Mineralstoffe und die harten Kristalle können die Bienen nicht wieder auflösen, dafür fehlt ihnen im Winter das Wasser. Wer das probiert, erleidet Völkerverluste. Der weitere Umgang mit den Waben ist ausgesprochen mühsam und langwierig. Manche Imker lassen sie wieder von den Bienen ausfressen und umlagern, das ist schweisstreibend, geht langsam und verursacht weitere Probleme. Andere geben auf und schmelzen alles ein, hängen dann wieder leere Waben ins Bienenvolk ein. Das kann wochenlang so ablaufen, von aussen wird immer wieder Melezitosehonigtau hereingetragen. Es bedeutet vor allem Stress pur mitten im heissen Juli, während gleichzeitig die Winterbehandlung drängt.

Ausschneiden
In den Topf damit
So schön die Imkerei ansonsten ist, solche Ereignisse bringen viel Frust, vor allem wenn noch andere Probleme dazukommen, bei mir die Gesundheit. 2013 habe ich Waben zunächst ausfressen lassen und dann die Schwemme eingelagert, um sie im Frühjahr ausfressen lassen. Diesmal habe ich mich dazu entschieden, die Waben mitsamt dem Honig auszuschmelzen. Das geht auch langsam und ist mühsam, aber es klappt überraschend gut. Jede Wabe wird von Hand ausgeschnitten, das Honig-Wachsgemisch kommt in einen grossen Topf mit 11 Litern Fassungsvermögen. Der wird sehr vorsichtig erhitzt, bis das Wachs gerade so schmilzt, das passiert bei maximal 65°C. Ist alles geschmolzen, schaltet man die Wärmezufuhr ab und lässt den Topf wieder erkalten. Oben setzt sich das Wachs und allerlei Schwebstoffe ab, diese Schicht wird wieder fest. Darunter schwimmt der verflüssigte Honig. Dieser Honig nennt sich Seimhonig, er hat zwar durch die Erwärmung einige wichtige Inhaltsstoffe verloren, schmeckt aber noch gut. Als "Bienenhonig" kann er natürlich nicht mehr verkauft werden, aber man kann ihn als "Backhonig" verwenden (und unter dieser Bezeichnung verkaufen, falls man Kunden findet), um beispielsweise Lebkuchen herzustellen. Die werden sowieso gebacken, es ist egal ob der Honig vorher schon erwärmt war. Oder man verwendet ihn für die Metherstellung. Die Mischung aus Wald- und Blütenhonig (auch Nektar von Phacelia ist enthalten) kann recht leckere Honigweinergebnisse ergeben.

Somit haben noch einige zusätzliche Eimer Seimhonig meinen Honigsee noch grösser gemacht. Genug, um damit die nächsten zehn Jahre Lebkuchen zu backen.

Wieder fest gewordenes Wachs, drunter ist der abgekühlte Melezitosehonig

Abgiessen des verflüssigten Melezitose-Seimhonigs in den Lagereimer

Waldhonig mit Melezitose, jetzt wieder flüssig

Erkalteter Wachsdeckel mit agglutinierter Schwebstoff-Schicht

Donnerstag, 12. Juli 2018

Verjus, Agrest - der selbstgemachte Zitronensaft aus Weintrauben

Im Beitrag über Tafeltrauben stand es schon: Man kann sogar aus den Beeren unreifer Wein- oder Tafeltrauben interessante Produkte herstellen. Und das funktioniert sogar relativ einfach. Ich habe das natürlich ausprobiert und mich gewundert, wie leicht es vonstatten ging und wie gut das Ergebnis ist. Presst man Saft aus unreifen Trauben, kann das Ergebnis in der Küche als universelles Säuerungsmittel Verwendung finden, etwa so wie Zitronensaft. Sogar mit einigen Vorteilen gegenüber Zitronensaft. Dies hat eine sehr lange Tradition, die zwischenzeitlich in Deutschland leider fast verloren ging. Dieser Saft aus grünen Trauben nennt sich Agrest oder Verjus. Anfang Juli habe ich wieder welchen aus einigen meiner Trauben zubereitet. Doch der Reihe nach.

Geschichte


Die Idee, Verjus herzustellen ist uralt, schon in Mesopotamien hat man das getan. Unreife Trauben gibt es, seit es Wein gibt und es liegt ziemlich nahe, diese Trauben auch noch irgendwie zu verwenden, vor allem wenn sie beispielsweise durch Hagelereignisse oder Abrisse anfallen. Der daraus gepresste Saft wurde als universelles Säuerungsmittel in der Küche verwendet, in der Medizin als Arzneimittel und in verdünnter Form als erfrischendes Getränk. Verjus/Agrest verschwand zwar nie ganz, aber in den letzten Jahrhunderten zog sich seine Verwendung in Nischen zurück. Zum Säuern verwendete man immer mehr Zitronensäure (E 330), heutzutage sogar biotechnisch hergestellt, in den USA und China mittels gentechnisch veränderter Schimmelpilze. In einigen Ländern ist Agrest aber als tägliches Säuerungsmittel erhalten geblieben. Auch der klassische echte Dijon-Senf wird mit Agrest hergestellt. Er enthält vor allem Apfel- und Weinsäure und kombiniert sich erstklassig mit gemahlenen Senfkörnern. Früher wurde Verjus mit viel Salz haltbar gemacht, heute füllt man ihn heiss und steril in dichte Glasflaschen mit luftdichtem Verschluss. Geöffnet kann er mangels Zucker zwar nicht gären, aber schimmeln. Man muss ihn im Kühlschrank aufbewahren. Der Liter in Bioqualität kostet satte 58 EUR (Stand Juli 2018), wer ihn kaufen will.

Ausdünnen und grün ernten

Grüne Traube - beschädigt, ideal für Verjus

"Grüne Trauben? Lass ich lieber reif werden und habe dann das süsse Obst oder den Saft", werden die meisten Leute spontan sagen. Aber viele Tafeltraubensorten der jüngsten Generation stammen aus Osteuropa und haben neben einigen Vorteilen leider auch Nachteile. Einer dieser Nachteile ist ihr starker Hang zur Überlastung. Es werden massenhaft Trauben angesetzt, die der Stock nie und nimmer ernähren kann. Der fette Ansatz sieht erst mal toll aus, ist aber ein heftiges Eigentor. Man muss dann durch die Zweige gehen und von Hand ausdünnen, unreife Trauben abschneiden. Das Problem haben auch klassische Rebsorten, von denen Klone über Jahrzehnte hinweg primär nach Ertragskraft ausgelesen wurden: Hoher Beerenansatz, hohe Ernte. Leider bringt eine Riesenernte minderwertige Qualität. Was der Rebstock leisten kann, ist durch Blattfläche und Sonneneinstrahlung physikalisch begrenzt, steigt der Fruchtansatz über die Leistungsfähigkeit der Pflanze, leidet der Rebstock, die Beeren bleiben kleiner, es gibt Reifeverzögerungen, Aromaschwäche, mangelnde Zuckereinlagerung, abgesenkte Frosttoleranz, Wachstumsblockaden bis zum him Absterben im Folgejahr. Um noch vernünftige Qualität zu erhalten, muss zu hoher Fruchtansatz ausgedünnt werden.

Blick durchs Refraktometer bei 15°OE
Ein guter Zeitpunkt zum Ausdünnen ist erreicht, wenn die Beeren Erbsengrösse haben. Für die Agrestherstellung kann man sich noch ein bisschen länger Zeit lassen. Hier liegt der optimale Zeitpunkt zu Beginn der Zuckereinlagerung, denn dann wird auch Saft gebildet. Die Beeren sind dabei schon etwas grösser wie Erbsen, je nach Sorte beginnt das im Juni oder erst Anfang Juli. Gefärbt sind sie da noch nicht, deshalb ist es egal ob es weisse, rote oder blaue Sorten sind. Man kann das mit Hilfe eines billigen Refraktometers messen, der Öchslegrad der grünen Beeren sollte 10° / 2 Brix nicht übersteigen, bis 20° OE geht es aber auch noch, allerdings ist dann dem Rebstock schon viel Energie entzogen und die positiven Effekte durch die Ausdünnung schwächen sich ab, ausserdem sinken die Säuregehalte. Süss soll Agrest keinesfalls sein. Das zu kontrollieren geht schnell, "quick & dirty": Beere mit den Fingern zerquetschen, Tropfen auf die Messfläche, durch das Okular gucken - alles klar.

Wieviel ausgedünnt werden sollte, ist sortenabhängig. Pro Trieb werden gewöhnlich eine grosse oder zwei kleinere Trauben empfohlen, was darüber liegt sollte man schneiden. Geschnitten werden entweder ganze Trauben oder von allen Trauben die untere Hälfte. Die abgeschnittenen Trauben werden gesammelt und sofort weiterverarbeitet.

Herstellung


Die Trauben werden grob entrappt (von den Stängeln abgerissen) und zu einer Maische verarbeitet, zermust. Im Gegensatz zur Weinherstellung sollte man das mit einem Mixer machen, der Mus herstellt. Bei reifen Trauben für Wein würde das einen schwer pressbaren Brei mit vielen Trübstoffen und gehäckselten Traubenkernen ergeben, bei unreifen Trauben ergibt es eine kräftig grüne Sosse, die sich bei hoher Ausbeute ausserordentlich gut pressen lässt.
Für die Pressung nimmt man am besten einen Handpressbeutel aus Nylon. Nach wenigen Minuten bekommt man Saft und Maische ganz low-tech getrennt. Saft kurz auf >90°C erhitzen, aufsteigenden Schlamm abschöpfen, in kleine Flaschen abfüllen, abkühlen lassen - schon fertig. Ungeöffnet ist Agrest fast unbegrenzt haltbar, geöffnet im Kühlschrank einige Wochen. Ich habe für den ganzen Zubereitungsvorgang keine halbe Stunde gebraucht, ein Jahr später etwas länger weil ich diesmal richtig grosse Mengen mit mehreren Litern hergestellt habe. Das Reinigen der Küchengeräte dauerte so lange wie die Herstellung.
Nach einiger Zeit Lagerung kristallisiert am Flaschenboden fast immer Weinstein ab, so wie er von manchen alten Weinen oder Traubensaft bekannt ist. Das sind nichtlösliche Salze der Weinsäure wie Kaliumhydrogentartrat oder Calciumtartrat, selbstverständlich ungiftig. Sie schmecken nach Nichts und lassen sich für einige andere Dinge weiterverwenden, etwa als Backtriebmittel, Komplexbildner, Säuerungsmittel und Säureregulator. Calciumtartrat ist auch ein Lebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E354.

Ausgepresste Maische und frischer Saft


Verwendung

Verjus heisssteril abgefüllt. Der trübe Satz lässt sich entfernen.
Und wie schmeckt das nun? Ganz erstaunlich. Ein Weintraubenaroma ist bereits vorhanden. Die enthaltene Säure wirkt sehr breit, erfüllt den ganzen Mund im Gegensatz zum spitz wirkenden Zitronensaft. Sie hält auch länger an, kriecht aber nicht unangenehm durch den Mund. Nichts davon kommt ätzend, unrund oder zu gerbstoffhaltig. Fürs Kochen und in Salaten ist das eine echte Alternative zu Essig oder Zitronensaft. Die gleiche Menge Verjus wirkt milder wie Zitronensaft, dafür mit harmonischer Wirkung, Säure die säuert aber nicht so leicht stechend wie Zitrone oder Essig wird. Ein Gewinn für die Küche. Das Weintraubenaroma merkt man erst in der Verdünnung, vorher wird es von der Säure übertönt. Ich habe jetzt immer eine angebrochene Flasche im Kühlschrank stehen und habe die Agrestgewinnung Jahr für Jahr ausgeweitet.

Seit alters her wird Agrest auch für allerlei gesundheitliche Zwecke empfohlen. Da es aber in diesem Blog nur um echte, selbst gemachte Erfahrungen geht stattdessen der Hinweis auf die äusserst inhaltlich ausgreifenden Seiten: https://www.elmar-lorey.de/agrest/.

Agrest, halbe Jahresernte

Donnerstag, 5. Juli 2018

Aprikosen, die Preziosen

Der Rest von 20kg Ernte
Letzte Woche haben wir die letzten zwei Eimer mit Aprikosen bekommen. Den Baum hatte ich vor mehreren Jahren gepflanzt und er hat jetzt einen Kronendurchmesser von rund sechs Metern, Sorte "Orangered". Eigentlich heisst die Sorte "Bhart cov", die Züchtung der Universität New Jersey von 1979, auch eine wichtige Sorte im kommerziellen Anbau Europas.

Nur frisch auf dem Tisch


Baumfrische Aprikose: Einzigartiger Spitzengenuss
Wer einmal baumfrische, vollreife Aprikosen gegessen hat, dem braucht man nichts über den Genuss erzählen, den diese Früchte bescheren. Sie sind einfach fantastisch und entsprechend hochgeschätzt. Es ist nicht nur der Geschmack. Kaum eine Steinfrucht ist so vielseitig verwendbar. Sogar in getrockneter Form ernährt sie ganze Volksgruppen in Asien. Leider ist der Kontrast zu den Früchten, die wir im Supermarkt kaufen können wohl bei keiner anderen Fruchtart so gross wie bei Aprikosen. Die Regel sind unreife, geschmacksarme, überlagerte Früchte. Ihr Aroma ist unterirdisch. Was verkauft wird, ist oftmals -entschuldigung- der reinste Müll. Aber Schuld dran sind weder die Anbauer noch die Händler. Wer einmal eigene Aprikosen hatte, weiss es: Bereits wenige Stunden nach der Ernte bauen die Aromen spürbar ab. Nach nur zwei Tagen ist der Zuckergeschmack stark reduziert, die Säure wird stärker, die Aromen fast verschwunden, sie werden entweder mehlig oder matschig. Oder sie werden knapp reif geerntet, dann halten sie länger aber sind schon von vornherein aromaschwach. Wer den vollen Genuss will, muss Zugriff auf eben geerntete, ausgereifte Früchte haben. In dieser Forum sind sie ein Spitzengenuss.

Geschichte des Anbaus in Mitteleuropa, Anbauvoraussetzungen


Hoher Fruchtansatz, fast vollreif
So gut sie sind, so schwierig ist der Eigenanbau in Mitteleuropa. Hier sind Baum- und Ertragsausfälle Regel statt Ausnahme. Das war schon immer so. Oft versucht, selten gelungen. Die Liste der Probleme ist ellenlang. Warmes Klima genügt nicht. Schwierig sind auch Fröste ab Ende Februar, Luftfeuchte, Unterlagen, Seeklima, fatale Krankheiten. Sie werden als "Risikokultur" bezeichnet und sind es trotz ausgefeilter Anbautechnik immer geblieben.

Grösstes Anbauland ist Usbekistan. Auch in Deutschland gibt es einen bescheidenen, verstreuten Anbau. Die Anbauer berichten von 10% jährlichen Baumausfällen trotz bestmöglicher Bedingungen. Angebaut wird bei Aseleben im Mansfelder Land, um Mainz, am Niederrhein. Das Mansfelder Land war zu DDR-Zeiten bis 1990 das grösste Anbaugebiet nördlich der Alpen. Mainz war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts das deutsche Anbauzentrum, vor allem Mombach am Rhein. Das ist heute wie so viele Obstanbaugebiete fast komplett überbaut und damit für immer für die Produktion dieser hochwertigen Lebensmittel vernichtet. Zusammengewuchert mit Mainz ist aus den Feldern mit den süssen Früchten auf warmem, sandigem Boden ein riesiger Beton- und Asphaltbrei geworden. Heute ist die grösste zusammenhängende Freifläche dort ein Golfplatz Richtung Budenheim.

Voraussetzung war früher wie heute eine lufttrockene Lage (so wenig Tau und Nebel wie möglich), kein schwerer nasser Boden, auf gar keinen Fall eine Spätfrostzone. Kontinentalklimaverhältnisse sind besser als maritimes Klima, deshalb gedeihen sie auf der Südseite von Alpentälern bis in erstaunliche Höhen. Wer überdachen kann, sollte überdachen und damit Hagel, Regen, Feuchtigkeit abhalten. Im kommerziellen Anbau sind auch Frostschutzmassnahmen wie Beregnung oder Strahlwärme üblich.

Erfahrungen mit dieser Obstart


So endet es meistens: Früher Baumtod
Seit vielen Jahren versuchen wir es mit Aprikosen, können aber selten ernten. Es ist schwer. Die Erfahrungen, wie es nicht geht sind wesentlich zahlreicher wie die geernteten Früchte.

Es beginnt mit dem Pflanzgut. Ein völliger Fehlschlag waren alle meine Bäume auf schwächer wachsenden Unterlagen und Unterlagen, die sich als negativ auf die Baumgesundheit herausgestellt haben. Leider sind das gerade die, die besonders häufig angeboten werden. Kurzer Tipp: Finger weg. Immer. Auch schwächer wachsende Sorten sind nicht zu empfehlen. In einem grösseren Versuch des Arbeitskreises "Obstbauliche Leistungsprüfungen" stellt sich von den weniger stark wachsenden Unterlagen die Unterlage Wavit mit 60cm hoher Veredelung (also höher wie üblich) als die bestmögliche Wahl heraus, dem kann ich nur zustimmen wenn sie in gutem aber leichtem Boden stehen. Noch besser sind Unterlagen höherer Wuchskraft: Wurzelecht oder arteigen. Bromptonpflaume und Mandel sollen auch gut sein, damit habe ich noch keine Erfahrungen, auch diese Unterlagen wachsen stark. Myrobalane wächst auch stark, verursacht aber mehr Baumausfälle. Abzulehnen ist St.-Julien Pflaume, GF 655/2.

Gross gewordene "Orangered"
Die "Power" wird benötigt, weil absterbende Äste und Verjüngung ständigen Rückschnitt erfordern. Zurückschneiden kann man nur, wenn auch etwas wächst. Zudem sorgen viele Unterlagen wie schon erwähnt für hohe Baumausfallraten. Dann stirbt schlagartig der ganze Baum.

Die Bäume sollten so luftig wie möglich stehen. Tallagen, Luftfeuchte, teilweise Verschattung sind strikt zu meiden. Die Nordseite von Gebäuden ist unter bestimmten Voraussetzungen gar nicht so schlecht. Im Winter steht der Baum im Schatten, wird von der tiefstehenden Sonne nicht angestrahlt, kommt dadurch nicht so leicht aus der Winterruhe und blüht vielleicht ein paar Tage später. Im Sommer bei hochstehender Sonne bekommt er volle Einstrahlung.

Die meisten Jahre bringt der Frost Knospen oder Blüten oder Jungfrüchte um. Auch 2018 kam Dank warmem Winter bereits Saft in die Knospen, -14°C in der letzten Februarwoche und eine Woche mit -8°C ab 18.3. haben sie alle getötet. Ein anderer Baum stand 200 Höhenmeter höher und kühler, kam dadurch nicht so schnell aus der Winterruhe, die Knospen überlebten, er blühte voll und fruchtete reichlich.

Blüte leider schon Ende März
Nach der Blüte hängen wasserreiche junge Früchte am Baum. Auch sie sind frostgefährdet, sogar noch stärker wie die Blüte selbst, die immerhin -2° C aushält. Meine Bäume blühten manchmal schon Ende Februar (mein erster Baum zu Beginn meiner Obstsucht, "Ungarische Beste" blühte sogar am 28.1.2003), meist Ende März, mit viel Glück erst im April. Wehe, dann kommt noch einmal Frost. Nicht zu kühles, kontinentales Klima ist ideal mit kurzen Übergängen in den Sommer. In Südosteuropa ist dies der Fall, aber auch dort sind ertragslose Jahre keine Seltenheit.

Baumkiller Nr. 1 ist hierzulande der Moniliapilz, diesen Spitzenplatz wird absehbar ESFY übernehmen, eine Phytoplasmose, die in Südeuropa schon länger der grösste Baumkiller ist. Daneben gibts Blattkrankheiten, andere Plasmosen, Schädlinge die die Früchte angreifen, Aprikosen sind einfach sehr anfällig.

Sorten, Früchte, Verwendung


Eine Menge Sorten hatte ich schon ausprobiert, viele sind gestorben ohne je getragen zu haben. Erwähnenswert waren nur zwei oder drei Sorten. "Orangered" als (relativ gesehen) Sorte mit grösster Robustheit, bestem Geschmack und teilweiser Selbstfruchtbarkeit, ausserdem ist sie Scharkafest. Keine Sorge, es bleiben noch genügend fatale Krankheiten übrig. Die Erträge sind höher bei Fremdbefruchtung, aber dann muss man ausdünnen, weil der Fruchtansatz zu hoch werden kann. Erwähnenswert ist auch "Hargrand", fast so gut und schliesslich Haralayne, ebenfalls eine der vielen Züchtungen aus Harrow, Kanada. Die zeigte sich bei mir tatsächlich als etwas später blühend und damit ein paar Prozent weniger frostschadengefährdet. Auch die beliebte "Bergeron" soll das schaffen, mir ging sie zu schnell ein.

Marmelade kochen. Allein die Farbe!
"Orangered" hat wie andere gute Sorten sehr saftige, gut gefärbte und grosse Früchte. Sie sind ausgewogen in Zucker und Säure, halten sich ausgereift aber nur wenige Tage. Aprikosen sollte man sofort verarbeiten und nie stehen lassen, auch nicht einen Tag. Was man nicht essen kann, verarbeitet man zu Marmelade und trocknet die Früchte in entsteinter Form im Trockner. Getrocknete Aprikosen gehören zu den leckersten verfügbaren Trockenfrüchten überhaupt. Zu viel kanns davon gar nicht geben. Auch nicht von Marmelade, die auch in der Konditorei eine grosse Rolle spielt, zum Beispiel für Sachertorte.